Familienrecht

Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Festsetzung von Kindergeld

Aktenzeichen  10 K 2238/18

Datum:
8.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34497
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63
FGO § 90 Abs. 2, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die FamK hat zu Recht die Festsetzung von Kindergeld für das am 17. Juli 1998 geborene Kind G für den Zeitraum Mai 2018 bis Juli 2018 abgelehnt.
a) aa) Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hat für Kinder i.S.d. § 63 EStG Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG werden als Kinder berücksichtigt Kinder i.S.d. § 32 Abs. 1 EStG, wobei nach § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG die Vorschriften des § 32 Abs. 3 bis 5 EStG entsprechend gelten. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind Kinder im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder. Nach § 32 Abs. 3 EStG wird ein Kind in dem Kalendermonat berücksichtigt, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG sind eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S.d. §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) unschädlich.
bb) Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist jede ernsthaft und nachhaltig betriebene Vorbereitung auf einen künftigen Beruf (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 22. Februar 2017 III R 20/15, BStBl II 2017, 913). Dieser Vorbereitung dienen nach ständiger Rechtsprechung des BFH alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BStBl II 2012, 681). Die Berufsausbildung endet, wenn das Kind sein Berufsziel erreicht hat (BFH-Urteil vom 23. Juni 2015 III R 37/14, BStBl II 2016, 55). Erreicht ist das Berufsziel mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 VIII R 44/04, BFH/NV 2005, 1039).
cc) Für die Frage, ob bereits ein erster (objektiv) berufsqualifizierender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine abgeschlossene Erstausbildung darstellt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das – von den Eltern und dem Kind – bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH-Urteile vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166; vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl II 2016, 615 m.w.N.). Diese Prüfung obliegt grundsätzlich dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz (BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166).
Setzt der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraus oder nimmt das Kind vor Beginn der zweiten Ausbildung eine Berufstätigkeit auf, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, liegt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs keine einheitliche Erstausbildung vor. Die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten entfallen lässt (BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl II 2016, 615 m.w.N.).
b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall handelt es sich bei der Ausbildung des Kindes G zum Bankkaufmann, der 2-jährigen praktischen Berufstätigkeit als Bankkaufmann, dem berufsbegleitenden Studiengang an der Z School of Finance & Management, der anschließenden Ausbildung zum Bankfachwirt und der sich hieran anschließenden Ausbildung zum Bankbetriebswirt nicht um eine einheitliche (Erst-)Ausbildung. Das Kind G hat vielmehr bereits im Februar 2018 seine Erstausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen.
aa) Im Streitfall liegt zwar ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der vom Kind G im Februar 2018 abgeschlossenen Ausbildung zum Bankkaufmann und der im Mai 2018 mit der Teilnahme an dem vorbereitenden Studium an der Z School of Finance & Management begonnenen Ausbildung zum Bankfachwirt vor, da die Ausbildungsabschnitte erkennbar dieselbe Berufssparte bzw. denselben fachlichen Bereich betreffen. Trotz des nach Ansicht des erkennenden Senats ausreichend dargelegten Berufsziels Bankfachwirt bzw. Bankbetriebswirt handelt es sich bei der diesbezüglichen Ausbildung nicht um eine mehraktige Ausbildung, die erst mit der Ausbildung zur Bankfachwirt bzw. Bankbetriebswirt abgeschlossen ist, da der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungen zum Bankkaufmann und zum Bankfachwirt fehlt. Für die Zulassung zur Prüfung zum Bankfachwirt ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BankFachwPrV neben dem erfolgreichen Abschluss der Prüfung zum Bankkaufmann eine sich daran anschließende mindestens zweijährige Berufspraxis erforderlich. Unstreitig hat das Kind G diese für die Zulassung zur Prüfung zum Bankfachwirt erforderliche Berufspraxis nach Abschluss seiner Ausbildung zum Bankkaufmann durch seine entsprechende Erwerbstätigkeit im Umfang einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden bei der Stadtsparkasse X aufgenommen. Nach der Rechtsprechung des BFH führt diese für die Zulassung zur Prüfung zum Bankfachwirt erforderliche Berufstätigkeit zu einem Einschnitt (Zäsur), der im Streitfall den notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten zum Bankkaufmann und zum Bankfachwirt bzw. später zum Bankbetriebswirt entfallen lässt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl II 2016, 615).
bb) Mangels mehraktiger und einheitlicher Ausbildung zum Bankfachwirt bzw. zum Bankbetriebswirt hat das Kind G im Streitfall seine Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG mit dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann bereits im Februar 2018 beendet. Zwar handelt es sich bei dem am 14. Mai 2018 zur Vorbereitung auf die Prüfung zum Bankfachwirt begonnenen berufsbegleitenden Studium an der Z School of Finance & Management grundsätzlich um eine Ausbildungsmaßnahme i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Da das Kind G jedoch im Anschluss an seine abgeschlossene Erstausbildung zum Bankkaufmann einer hauptberuflichen Erwerbstätigkeit bei der Stadtsparkasse X im Umfang von 39 Wochenstunden nachgegangen ist, scheitert im Streitfall eine Berücksichtigung an der Ausschlussregelung des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG.
cc) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den beiden vom Kläger in Bezug genommenen Urteilen des FG Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2017 (5 K 2388/15, juris) und des FG München vom 12. Dezember 2017 (12 K 1694/17, juris, Rev. BFH III R 16/18). Der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz steht das Urteil des BFH vom 4. Februar 2016 (III R 14/15, BStBl II 2016, 615) entgegen und das Urteil des FG München erging zu einem mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt, da dort das Kind nach Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann sowie zum Bankfachwirt die Aufnahme eines Studiums plante, für das die Hochschulreife erst noch zu erwerben war. Bei der im Streitfall vom Kind G letztendlich geplanten weiteren Ausbildung zum Bankbetriebswirt handelt es sich jedoch nicht um einen Hochschulabschluss, sondern um eine berufliche Fortbildung für Angestellte von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsunternehmen, die neben dem Berufsabschluss Bankkaufmann die Ausbildung zum Bankfachwirt abgeschlossen haben.
dd) Ein Anspruch auf Kindergeld aus § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst a EStG kann im Streitfall auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass nach Angaben des Klägers eine entsprechende Anerkennung zugunsten von Kommilitonen des Kindes G an der Z School of Finance & Management erfolgt sei. Aus dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG kann von vornherein kein Anspruch auf gleichmäßige Falschbehandlung und damit auf Gleichstellung im Unrecht hergeleitet werden (BFH-Beschluss vom 13. Februar 2007 II B 32/06, BFH/NV 2007, 966; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 53 m.w.N.).
3. Die Entscheidung ergeht nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Revision wird im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren III R 19/18 zugelassen.


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