Familienrecht

Rechtsanwaltskosten, Streitwert, Bindungswirkung, Verfahren, Aufrechnung, Zeitpunkt, Anordnung, Zahlung, Verweisung, Verweisungsbeschluss, Anspruch, Verletzung, Bestimmung, Widerklage, perpetuatio fori, keine Bindungswirkung, zwei Wochen

Aktenzeichen  102 AR 15/21

Datum:
23.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29383
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Geht dem streitigen Verfahren ein Mahnverfahren voraus, so ist für die sachliche Zuständigkeit des Prozessgerichts der Streitwert zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten bei diesem maßgeblich, (erst) mit diesem Zeitpunkt tritt auch die Wirkung des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (perpetuatio fori) ein.
2. Erklärt der Kläger den    Rechtsstreit hinsichtlich    eines Teils der im Mahnverfahren verfolgten Gegenstände für erledigt, so kommt es für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit des Prozessgerichts nicht darauf an, ob das erledigende Ereignis vor dem Eingang der Akten beim Prozessgericht eingetreten ist, sondern darauf, ob die entsprechende prozessuale Erklärung davor abgegeben worden ist.
3. Verweist ein Landgericht einen Rechtsstreit, dem ein Mahnverfahren vorangegangen ist, nach einer Teilerledigterklärung in der Anspruchsbegründung an das Amtsgericht, so kann die Bindungswirkung der Verweisung gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO entfallen, wenn sich das Landgericht mit der Frage des Fortbestands seiner Zuständigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht auseinandersetzt.

Tenor

Sachlich zuständig ist das Landgericht München I.

Gründe

I.
Der Kläger hat mit Mahnbescheid vom 20. März 2020 gegen die Beklagte Provisionsansprüche i. H. v. insgesamt 73.970,40 € sowie einen Anspruch auf Anwaltsvergütung für vorgerichtliche Tätigkeit i. H. v. 1.752,90 €, jeweils nebst Zinsen, geltend gemacht. Auf Gesamtwiderspruch vom 26. März 2020, über den der Kläger mit Nachricht vom 31. März 2020 informiert worden ist, hat das Mahngericht den Rechtsstreit mit Abgabeverfügung vom 28. April 2020 an das im Mahnbescheid als Prozessgericht benannte Landgericht München I abgegeben.
Dort sind die Akten am 11. Mai 2020 eingegangen. Mit Verfügung vom 15. Mai 2020 hat das Landgericht den Kläger zur Anspruchsbegründung binnen zwei Wochen aufgefordert. Der Kläger hat den Anspruch mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020 begründet, in dem er beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.752,90 € nebst Zinsen zu verurteilen; im Übrigen hat er die Klage für erledigt erklärt. Das Landgericht hat in der Verfügung zur Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens darauf hingewiesen, dass es sachlich unzuständig sein dürfte, jedoch zuständig werde, wenn die Beklagte mündlich zur Hauptsache verhandele, und angefragt, ob Antrag auf Verweisung an das Amtsgericht München gestellt werde. Die Beklagte hat in einem dem Kläger formlos übermittelten Schriftsatz die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt und hilfsweise Widerklage i. H. v. 2.000,00 € erhoben. In einem weiteren Schriftsatz hat sie die (Un-)Zuständigkeit des Gerichts gerügt. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf den richterlichen Hinweis die Verweisung an das Amtsgericht München beantragt. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2020 hat das Landgericht den Streitwert auf 1.752,90 € festgesetzt, sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht München verwiesen. Zur Begründung hat es lediglich ausgeführt, dass die Entscheidung auf § 281 Abs. 1 ZPO beruhe; das angegangene Gericht sei sachlich unzuständig; auf Antrag des Klägers habe es sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen; die Eventualwiderklage berühre die Zuständigkeit nicht.
Das Amtsgericht München hat sich ohne Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 19. Januar 2021 seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts komme keine Bindungswirkung zu, denn es handele sich dabei um eine willkürliche Entscheidung. Die Rechtshängigkeit sei jedenfalls mit dem Eingang der Akten beim Landgericht eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt sei dessen sachliche Zuständigkeit gegeben gewesen. Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO werde die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt; hierzu zähle auch die einseitige Erledigterklärung des Klägers. Der Verweisungsbeschluss stelle einen grundlegenden Verstoß gegen den in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO festgelegten Grundsatz der perpetuatio fori dar; eine Bindungswirkung bestehe daher nicht. Die zunächst unterbliebene Bekanntgabe des Beschlusses an die Parteien ist nach Hinweis des Senats nachgeholt worden.
Im Verfahren vor dem Senat hat der Kläger die Auffassung vertreten, der Verweisungsbeschluss des Landgerichts sei zwar falsch, aber nicht willkürlich. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
II.
Auf die statthafte Vorlage des Amtsgerichts München ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I auszusprechen.
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung der (sachlichen) Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
Das Landgericht München I hat sich durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 15. Dezember 2020 für unzuständig erklärt, das Amtsgericht München durch die zuständigkeitsverneinende Entscheidung vom 19. Januar 2021. Die den Parteien mitgeteilte und jeweils ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35; jeweils m. w. N.). Dem steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht München den Parteien vor seiner Entscheidung kein rechtliches Gehör gewährt hat, denn es hat ihnen seine Entscheidung zumindest nachträglich bekannt gemacht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 1 AR 88/20, juris Rn. 11; KG, Beschluss vom 6. März 2008, 2 AR 12/08, NJW-RR 2008, 1465 [juris Rn. 5]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 36 Rn. 44).
Auch der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 101 AR 114/20, juris, Rn. 14; Toussaint in BeckOK, ZPO, 41. Ed. Stand: 1. Juli 2021, § 36 Rn. 38.1).
Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht München und dem Landgericht München I in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist; dass beide am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts München liegen, führt deshalb nicht zu dessen Zuständigkeit für das Bestimmungsverfahren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris; Toussaint in BeckOK, ZPO, § 36 Rn. 45.2).
2. Sachlich zuständig für das streitige Verfahren ist das Landgericht München I.
a) Das folgt aus § 71 Abs. 1 GVG i. V. m. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
aa) Soweit für den Streitfall von Bedeutung sind die Amtsgerichte gemäß § 23 Nr. 1 GVG zuständig für Streitigkeiten mit Streitwerten bis zu 5.000,00 €; geht der Streitwert darüber hinaus, sind gemäß § 71 Abs. 1 GVG die Landgerichte zuständig. Maßgeblich für die Wertberechnung ist gemäß § 4 Abs. 1 ZPO grundsätzlich der Zeitpunkt der Klageeinreichung. Geht allerdings dem streitigen Verfahren ein Mahnverfahren voraus, so ist auf den Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Prozessgericht abzustellen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 17. März 2004, 8 W 82/04, juris Rn. 10 f.; KG, Beschluss vom 27. November 1997, 28 AR 55/97, NJW-RR 1999, 1011; Wendtland in BeckOK ZPO, § 4 Rn. 7; Beumers in Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl. 2021, § 4 Rn. 4; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl. 2021, § 4 Rn. 2; Gehle in Baumbach/Lauterbach/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 4 Rn. 3; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 4 Rn. 4; Wöstmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 4 Rn. 6; Herget in Zöller, ZPO, § 4 Rn. 3; Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 4 Rn. 3; Kruis in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 4 Rn. 7).
Im Streitfall hat die Sache bei Eingang der Akten beim Landgericht einen Streitwert von 73.970,40 € gehabt, so dass sie in dessen sachliche Zuständigkeit gefallen ist.
bb) Diese Zuständigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass der Kläger in seiner erst nach dem Eingang der Akten beim Landgericht eingereichten Anspruchsbegründung eine Teilerledigterklärung ausgesprochen und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass er insoweit die bislang geltend gemachten Ansprüche nicht weiterverfolge.
(1) Sobald die Rechtshängigkeit einer Streitsache begründet ist, wird die einmal begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (Grundsatz der perpetuatio fori, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
Ist dem Streitverfahren ein Mahnverfahren vorausgegangen, so ist auch für den Eintritt dieser Wirkung – unabhängig davon, ob die Abgabe alsbald i. S. d. § 696 Abs. 3 ZPO erfolgt ist – der Zeitpunkt des Akteneingangs bei dem Gericht maßgeblich, an das die Sache abgegeben wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. März 2003, 1Z AR 28/03, juris Rn. 8; Beschluss vom 6. August 2002, 1Z AR 91/02, juris Rn. 13; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Oktober 2018, 32 SA 37/18, juris Rn. 26; OLG München, Beschluss vom 24. August 2016, 34 AR 99/16, juris Rn. 11; Beschluss vom 3. Februar 2009, 31 AR 26/09, GRUR-RR 2009, 165 [juris Rn. 10]; OLG Schleswig, Beschluss vom 2. Februar 2007, 2 W 16/07, juris Rn. 4; OLG Braunschweig, Beschluss vom 20. Februar 2006, 1 W 98/05, juris Rn. 20; KG NJW-RR 1999, 1011; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 21. Februar 1996, 21 AR 10/96, NJW-RR 1996, 1403; Dörndorfer in BeckOK ZPO, § 696 Rn. 3 u. 9; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 696 Rn. 7 u. 25; Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 696 Rn. 6; Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, § 261 Rn. 79; Seibel in Zöller, ZPO, § 696 Rn. 8 u. 11; Berger in Stein/Jonas, ZPO, § 696 Rn. 14; Olzen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 696 Rn. 21; einschränkend Schüler in Münchener Kommentar zur ZPO, § 696 Rn. 20; vgl. auch zur Rechtshängigkeitswirkung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei verzögerter Abgabe BGH, Urt. v. 5. Februar 2009, III ZR 164/08, BGHZ 179, 329 Rn. 17).
Erklärt der Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich eines Teils der im Mahnverfahren verfolgten Gegenstände für erledigt, so kommt es für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit des Prozessgerichts nicht darauf an, ob das vom Kläger vorgetragene erledigende Ereignis vor dem Eingang der Akten beim Prozessgericht eingetreten ist, sondern darauf, ob die entsprechende prozessuale Erklärung davor abgegeben worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. Oktober 2018, 32 SA 37/18, juris Rn. 27; OLG München, Beschluss vom 24. August 2016, 34 AR 99/16, juris Rn. 12; Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 696 Rn. 6; Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 4 Rn. 12 [zum Gebührenstreitwert]; wohl auch Schüler in Münchener Kommentar zur ZPO, § 696 Rn. 38; unklar [jeweils „Erledigung“]: Wendlandt in BeckOK ZPO, § 4 Rn. 7; Beumers in Prütting/Gehrlein, ZPO, § 3 Rn. 183; Sommer in Prütting/Gehrlein, ZPO, § 696 Rn. 11; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 3 Rn. 100b; Gehle in Baumbach/Lauterbach/Anders/Gehle, ZPO, § 4 Rn. 3; Herget in Zöller, ZPO, § 3 Rn. 16.113).
(2) Danach ist im Streitfall die mit der Anspruchsbegründung erfolgte Beschränkung des Streitgegenstands auf einen in die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte fallenden Wert zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Streitsache bereits rechtshängig geworden war. Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist die bereits begründete sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I dadurch nicht mehr in Wegfall geraten.
b) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 15. Dezember 2020 ändert an dessen Zuständigkeit nichts, denn er ist als objektiv willkürlich anzusehen und daher nicht geeignet, die Zuständigkeit des Amtsgerichts zu begründen.
(1) Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Auch ein sachlich zu Unrecht oder verfahrensfehlerhaft ergangener Verweisungsbeschluss entzieht sich danach grundsätzlich der Nachprüfung. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist.
Einem Verweisungsbeschluss kommt allerdings dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; Beschluss vom 10. September 2002, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634 [juris Rn. 13 f.]; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16 ff.; jeweils m. w. N.).
Objektiv willkürlich ist ein Verweisungsbeschluss, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9 m. w. N.). Für die Bewertung als willkürlich genügt es allerdings nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist; es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 m. w. N.). Das kann etwa der Fall sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder sich ohne Weiteres darüber hinweggesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 1993, X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273 [juris Rn. 4]; BayObLG, Beschluss vom 18. April 2002, 1Z AR 36/02, NJW-RR 2002, 1295 [juris Rn. 7]).
(2) Danach ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I als objektiv willkürlich anzusehen.
Er enthält – abgesehen von der Erwähnung der Hilfswiderklage – lediglich eine floskelhafte, jeden Bezug zum konkreten Streitfall entbehrende Begründung und setzt sich mit der sich angesichts der dargestellten einhelligen Rechtsprechung und Literatur aufdrängenden Frage des Fortbestands der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht auseinander. Die darin liegende Weigerung des Landgerichts, den ihm unterbreiteten Sachverhalt auf seine eigene Zuständigkeit zu prüfen, begründet den Vorwurf der Willkür (vgl. OLG München, Beschluss vom 6. August 2014, 34 AR 97/14, juris Rn. 7; KG NJW-RR 1999, 1011; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 1996, 1403; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005, X ARZ 223/05, NJW 2006, 847 [juris Rn. 13]). Dass der Beschluss auf einem Verweisungsantrag des Klägers beruht, vermag schon deshalb keine andere Würdigung zu rechtfertigen, weil das Gericht diesen Antrag durch seinen – keine Begründung enthaltenden – Hinweis auf seine sachliche Unzuständigkeit veranlasst hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2002, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634 [juris Rn. 17]; OLG Schleswig, Beschluss vom 12. August 2009, 2 W 98/09, NJW-RR 2010, 533 [juris Rn. 33]; OLG Celle, Beschluss vom 8. November 2004, 4 AR 90/04, juris Rn. 9).


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