Familienrecht

Sachverständigenablehnung im Versicherungsprozess – Sachverständiger als ehemaliger Geschäftsführer eines beratenden Unternehmens

Aktenzeichen  31 O 1774/17

Datum:
15.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30223
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 41 Nr. 1, § 42 Abs. 1, § 406

 

Leitsatz

Ohne Hinzutreten weiterer Umstände stellt es keinen Ablehnungsgrund dar, wenn ein Sachverständiger zuvor einer der Geschäftsführer eines Unternehmens für berufskundliche Recherchen war, welches den beklagten Versicherer in diesem Verfahren beraten hat, das der Sachverständige aber mehr als ein Jahr vor der Beauftragung verlassen hat, ohne dort mit dem konkreten Fall befasst gewesen zu sein. (Rn. 17) (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Ablehnungsantrag des Klägers vom 31.08.2021 gegen den Sachverständigen … wird für unbegründet erklärt.

Gründe

1. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 26.02.2020 eine Mehrzahl von Stellenangeboten vorgelegt, die von einer … für die Beklagte ermittelt worden sind.
Der Sachverständige wurde mit Beschluss vom 29.06.2021 und Ergänzungsbeschluss vom 07.07.2021 beauftragt, ob die beklagtenseits dargestellten Stellen als Verweisungstätigkeiten für den Kläger in Betracht kämen und zu weiteren klägerseits gestellten Fragen Stellung zu nehmen.
Der Sachverständige hat am 25.08.2021 mitgeteilt, dass er bis 30.06.2020 Mitglied der Geschäftsleitung der … war, diese vorliegend für die Beklagte tätig war, er selbst jedoch nicht in die Bearbeitung involviert gewesen sei und erst jetzt von dem Sachverhalt Kenntnis erhalten habe.
Der Kläger hat daraufhin den Sachverständigen am 31.08.2021 abgelehnt.
Es liege bereits ein absoluter Ablehnungsgrund nach §§ 406, 41 Nr. 1 ZPO vor.
Desweiteren bestünde die Besorgnis der Befangenheit.
Die Beklagte hat erklärt, dass die Ablehnungsanträge nicht begründet seien.
Weder läge ein absoluter Ablehnungsgrund vor noch bestünde die Besorgnis der Befangenheit. Dem Sachverständigen wurde die Ablehnung mitgeteilt.
2. Die Ablehnung des Sachverständigen … seitens des Klägers war für unbegründet zu erklären.
Ein Ablehnungsgrund gemäß §§ 406, 41 Nr. 1 ZPO ist vorliegend nicht gegeben.
Danach ist ein Sachverständiger Kraft Gesetzes ausgeschlossen, in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichten steht.
Der Sachverständige ist vorliegend keinesfalls Partei.
Auch steht er zu keiner der vorliegenden Parteien im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen.
Zwar kann die Organstellung bei einer juristischen Person grundsätzlich eine derartige Nähe begründen. Allerdings wird dann verlangt, dass diese juristische Person Partei des Verfahrens ist, was vorliegend nicht gegeben ist.
Auch eine Mitverpflichtung oder aber gar Regresspflicht des Sachverständigen, etwa der Beklagten gegenüber, kommt vorliegend nicht in Betracht. Dies gilt schon deshalb, als der Sachverständige seit 30.06.2020 nicht mehr Mitglied der Geschäftsleitung der … ist.
Auch der Umstand, dass diese … überhaupt für die Beklagte beratend tätig war, erfüllt die Vorgaben des § 41 Nr. 1 ZPO nicht.
Anhaltspunkte für die Besorgnis der Befangenheit gemäß §§ 406, 42 Absatz 1 ZPO sind ebenfalls nicht gegeben.
Voraussetzung ist dabei immer, dass ein Grund vorliegen muss, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dies ist immer nur dann der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der abgelehnte Sachverständige nehme eine Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGH, NJW 2019, 308).
Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss, vom Standpunkt der Partei aus objektiv und vernünftig betrachtet, vorliegen. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden dabei aus (OLG Frankfurt, NJW-RR 2018, 692).
Bei der Prüfung unter objektiven Gesichtspunkten geht es darum, ob bestimmte nachweisbare Tatsachen, unabhängig vom Verhalten des Sachverständigen, Zweifel an seiner Unparteilichkeit begründen.
Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Der Sachverständige hat lediglich erklärt, dass er bis 30.06.2020 Mitglied der Geschäftsleitung der … war, die für die Beklagte im Rahmen dieses Verfahrens bereits beratend tätig war.
Er hat allerdings auch klar gestellt, dass er in die Bearbeitung der Beklagten gegenüber nicht involviert war und erst mit dem Gutachtensauftrag von dem Sachverhalt Kenntnis erhalten habe.
Zwar ist anerkannt, dass ein derartiges Näheverhältnis, wie vorliegend, die Geschäftsleitung zu einem Betrieb grundsätzlich einen Befangenheitsgrund darstellen kann. Dies aber verlangt immer, dass dieser Betrieb selbst Partei des Verfahrens wäre. Gerade dies aber ist vorliegend nicht gegeben.
Bei objektiver und verständiger Würdigung des Sachverhaltes besteht danach kein Grund zu der Annahme, dass der abgelehnte Sachverständige eine Haltung einnehmen werde, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte.
Der Ablehnungsantrag war deshalb als unbegründet zu verwerfen.


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