Familienrecht

Verfahrensrecht: Statthaftigkeit und Voraussetzungen einer Gegenvorstellung

Aktenzeichen  L 2 U 167/20 B PKH

Datum:
18.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 324
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 178a

 

Leitsatz

1. Eine Gegenvorstellung ist auch nach Einführung der Anhörungsrüge bei einer noch vom Gericht selbst abänderbaren Entscheidung statthaft. (Rn. 23)
2. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Gegenvorstellung beurteilen sich nach den identischen Gesichtspunkten wie die der Anhörungsrüge, sodass insbesondere das fristgebundene Darlegungserfordernis zu beachten ist. (Rn. 25)
3. Mit einem Wiederholen, Variieren oder Ergänzen eines bereits zuvor erfolgten Vortrags kann das Darlegungserfordernis nicht erfüllt werden. (Rn. 26)

Verfahrensgang

S 11 U 74/20 2021-11-26 Bes SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 26.11.2021 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 26.11.2021 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 26.11.2021 wies der Senat die Beschwerde des Klägers (und Beschwerdeführers) gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Augsburg vom 15.06.2020 zurück, mit dem es das SG abgelehnt hatte, dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren vor dem SG Augsburg mit dem Aktenzeichen S 11 U 74/20 zu gewähren. In diesem Verfahren geht es darum, ob die Beklagte (und Beschwerdegegnerin) infolge eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch beim Kläger eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) i.V.m. Nr. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV anzuerkennen hat. Die Zurückweisung der Beschwerde begründete der Senat in seinem 12-seitigen Beschluss damit, dass das SG zu Recht die Gewährung von PKH wegen fehlender Aussicht auf Erfolg abgelehnt habe.
Der Beschluss wurde dem Kläger am 07.12.2021 zugestellt.
Mit Schreiben vom 14.12.2021, bei Gericht eingegangen am 21.12.2021, hat sich der Kläger mit folgenden Worten an den Präsidenten des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) gewandt:
„Ich möchte Beschwerde gegen das Beschluss vom 26 November 2021 Az L 2 U 187/20 B PKH oder mindestens ein Überprüfung.“ Zur Begründung hat er vorgetragen, dass EU-Recht nicht angewendet und falsche Behauptungen zu Grunde gelegt worden seien. Seine beruflichen Belastungen in Großbritannien seien nicht miteingerechnet worden. Wegen eines Morbus Scheuermann sei er nie behandelt worden; diese Erkrankung sei nicht vordiagnostiziert gewesen, auch nicht bei der Musterung und Entlassung aus der britischen Armee. Auch in zwei schwerbehindertenrechtlichen Verfahren hätten keine Befunde mit Morbus Scheuermann vorgelegen. Für einen Berufssoldaten sei ein Morbus Scheuermann ein Ausschlussgrund gewesen. Mit seiner Wirbelsäule sei alles normal gewesen. Er sei nicht bei der Infanterie, sondern bei der Artillerie gewesen, wo er viele schwere Sachen habe schleppen müssen, z.B. Granaten mit 35 kg. Auch sei nach einer Entscheidung des LSG Sachsen ein monosegmentaler Schaden vor dem 45. Lebensjahr kein Ablehnungsgrund. Dieses Urteil sei neu und in der letzten Verhandlung nicht „dabei“ gewesen.
Das Schreiben des Klägers vom 14.12.2021 ist dem Senat nach Beantwortung der an den Präsidenten gerichteten Beschwerde von diesem zugeleitet worden.
II.
Das Schreiben des Klägers vom 14.12.2021 beinhaltet eine Anhörungsrüge und eine Gegenvorstellung; beide sind unzulässig.
1. Auslegung des Schreibens vom 14.12.2021
Das Schreiben des Klägers vom 14.12.2021, das dieser als „Beschwerde“ oder „mindestens“ als Antrag auf „Überprüfung“ der Entscheidung des Senats vom 26.11.2021 bezeichnet hat, ist, wie seine Auslegung ergibt, als Anhörungsrüge zu dem in Sachen des Klägers ergangenen Beschluss des Senats vom 26.11.2021 sowie als Gegenvorstellung zu diesem Beschluss zu sehen.
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof – BFH -, Beschluss vom 29.11.1995, X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschlüsse vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, 1 BvR 461/03).
Bei Beachtung dieser Vorgaben ergibt die Auslegung, dass das Schreiben des Klägers vom 14.12.2021 zum einen als Anhörungsrüge gegen den in Sachen des Klägers ergangenen Beschluss des Senats vom 26.11.2021 zu betrachten ist; dass der Kläger in seinem Schreiben ein falsches Aktenzeichen („L 2 U 187/20 B PKH“ anstelle von L 2 U 167/20 B PKH) verwendet hat, ist unschädlich, weil die Falschbezeichnung offenkundig ist. In diesem Beschluss ist auf dessen Unanfechtbarkeit gemäß § 177 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden. Eine „Beschwerde“, wie es der Kläger in seinem Schreiben vom 14.12.2021 formuliert hat, oder ein anderes Rechtsmittel ist in den gesetzlichen Regelungen nicht vorgesehen. Eröffnet ist in den prozessrechtlichen Vorschriften lediglich eine Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG, ein außerordentlicher Rechtsbehelf als Möglichkeit der richterlichen Selbstkorrektur (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders./Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 178a, Rdnr. 2).
Zum anderen ist das Schreiben vom 14.12.2021 bei Zugrundelegung des Meistbegünstigungsprinzips und in dem Bemühen, dem Kläger maximalen Rechtsschutz zu eröffnen, auch als Gegenvorstellung zu betrachten.
2. Zur Anhörungsrüge
Die Anhörungsrüge ist wegen Nichterfüllung des Darlegungserfordernisses unzulässig.
Gemäß § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG muss die Anhörungsrüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen („das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat“) darlegen; zu erheben ist sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 178a Abs. 2 Satz 1 SGG.
Die Zwei-Wochen-Frist beginnt mit der Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs, wobei es auf die Kenntnis der die Gehörsverletzung begründenden Tatsachen ankommt (vgl. BSG, Beschlüsse vom 09.09.2010, B 11 AL 4/10 C, und vom 19.10.2011, B 6 KA 5/11 C). Regelmäßig entspricht dies der Zustellung der mit der Anhörungsrüge beanstandeten gerichtlichen Entscheidung, weil sich die von dem die Gehörsverletzung Rügenden geltend gemachten Gründe für seine Anhörungsrüge typischerweise aus den gerichtlichen Entscheidungsgründen nachvollziehen lassen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 178a, Rdnr. 7; BSG, Beschlüsse vom 25.04.2016, B 9 SF 1/16 C, und vom 15.03.2018, B 10 ÜG 30/17 C). Wird ein späterer Zeitpunkt geltend gemacht, ist dies gemäß § 178a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGG glaubhaft zu machen.
Die Erfüllung des Darlegungserfordernisses gemäß § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG, wonach die Anhörungsrüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen darlegen muss, ist wegen § 178a Abs. 4 Satz 1 SGG Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2005, B 7a AL 38/05 B; Bayer. LSG, Beschluss vom 24.07.2012, L 15 SF 150/12 AB RG, L 15 SF 151/12 AB RG). Die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge setzt daher voraus, dass sich dem Vorbringen zweierlei entnehmen lässt, nämlich zum einen die Verletzung des Anspruchs des die Rüge erhebenden Beteiligten auf rechtliches Gehör durch das Gericht, zum anderen, dass die Verletzung entscheidungserheblich ist oder zumindest sein kann (vgl. Leitherer, a.a.O., § 178a, Rdnr. 6a).
Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten dürfen – auch mit Blick auf die kurze Darlegungsfrist von zwei Wochen – die Anforderungen an das Darlegungserfordernis allerdings nicht überspannt werden, da im SGG zwingende Begründungsanforderungen ansonsten nur für Verfahren vor dem BSG mit Vertretungszwang aufgestellt werden (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 27.04.2016, L 15 SB 42/16 RG; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 16.01.2017, 2 BvR 2615/14). Auch von einem rechtsunkundigen Beteiligten müssen jedoch gewisse Mindestanforderungen erfüllt werden; pauschale und allgemein gehaltene Behauptungen von Gehörsverletzungen genügen nicht (vgl. Flint, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. Stand: 10.01.2022, § 178a, Rdnr. 68). Zu verlangen ist also zum einen ein substantiierter Vortrag, aus dem erkennbar ist, warum das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist, oder der schlüssig die Umstände aufzeigt, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt. Zum anderen ist darzulegen, weshalb ohne den Verstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Leitherer, a.a.O., § 178a, Rdnr. 6a; Bayer. LSG, Beschluss vom 07.08.2013, L 15 SF 139/13 RG).
Die aufgezeigten Fristen gelten in gleicher Weise für rechtskundig vertretene Beteiligte wie auch für solche ohne rechtliche Kenntnisse; der Gesetzgeber hat insofern keine Differenzierung eröffnet.
Keine Berücksichtigung im Rahmen einer Anhörungsrüge finden können Tatsachen, die erstmals im Anhörungsrügeverfahren vorgetragen werden (vgl. Bundesgerichtshof – BGH -, Beschluss vom 25.06.2015, V ZR 86/14; BFH, Beschluss vom 15.07.2013, IX S 14/13; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 03.12.2020, Vf. 179-IV-20 (HS), Vf. 180-IV-20 (e.A.); Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2006, 9 C 06.656; Bayer. LSG, Beschlüsse vom 07.04.2014, L 15 SF 53/14, und vom 12.08.2015, L 15 RF 23/15); eine Ergänzung oder Nachbesserung des Vortrags ist daher im Verfahren der Anhörungsrüge nicht zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.11.2019, 1 BvR 1716/19; Bundesverwaltungsgericht – BVerwG -, Beschluss vom 01.03.2010, 9 B 8/10, 9 B 8/10 (9 B 3/09); BGH, Beschluss vom 25.06.2015, V ZR 86/14). Dies begründet sich damit, dass die Anhörungsrüge nicht ein weiteres Rechtsmittel ist, das zu einer erneuten inhaltlichen Überprüfung oder Fortführung der inhaltlichen Prüfung, wie sie im Verfahren der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung stattgefunden hat, führt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.04.2008, 9 A 12/08). Vielmehr ist die Anhörungsrüge nur ein Mittel, sich gegen die Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 62, 128 Abs. 2 SGG) zur Wehr zu setzen. Es handelt sich also um ein formelles Recht, das nur dann greift, wenn das Gericht ein entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten nicht in ausreichendem Maß zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.11.2011, 8 C 13/11).
Ebenso keine Berücksichtigung im Rahmen einer Anhörungsrüge finden kann – auch im Rahmen einer schon fristgerecht erhobenen Anhörungsrüge – ein zur Begründung der Anhörungsrüge erfolgter Sachvortrag, der erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 178a Abs. 2 Satz 1 SGG eingeführt wird. § 178a Abs. 2 Satz 1 SGG bestimmt, dass die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben ist. Aus § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG folgt, dass Bestandteil einer ordnungsgemäßen Rüge die Darlegung der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist. Im Zusammenspiel der Sätze 5 und 1 des § 178a Abs. 2 SGG ergibt sich daher, dass die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Rüge innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erfüllt sein müssen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 07.04.2020, L 20 VG 5/19 B PKH; zur entsprechenden Regelung des § 133a Finanzgerichtsordnung: BFH, Beschlüsse vom 12.10.2006, X S 14/06 – vom BVerfG bestätigt mit Beschluss vom 29.03.2007, 2 BvR 2675/06 -, und vom 16.01.2007, II S 18/06). Es besteht daher eine Übereinstimmung der Begründungsfrist mit der Einlegungsfrist (vgl. BSG, Beschluss vom 18.05.2009, B 3 KR 1/09 C; BFH, Beschluss vom 15.07.2009, X S 53/08)
Dies zugrunde gelegt fehlen die erforderlichen Darlegungen im aufgezeigten Sinne im Schreiben des Klägers vom 14.12.2021.
Der – die Einlegungs- und Darlegungsfrist für eine Anhörungsrüge fristwahrende – Vortrag des Klägers in dem am 21.12.2021 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 14.12.2021 stellt weitestgehend eine Wiederholung seines Vorbringens dar, wie es bereits vor Erlass der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung im Beschwerdeverfahren mit seinen Schreiben vom 22.07.2020, 02.11.2020 und 12.07.2021 (vom Kläger datiert auf den „12 Juli 2020“) erfolgt ist und wie es bereits im Beschluss des SG vom 15.07.2020 sowie dem Beschluss des Senats vom 26.11.2021 umfassend abgehandelt worden ist. Einzig der Hinweis des Klägers, dass „in dem Fall S 15 SB 256/20 und S 5 SB 427/09 … keine Befunde mit Morbus Scheuermann“ enthalten gewesen seien, findet sich jedenfalls in den Akten des Beschwerdeverfahrens nicht wieder. Davon ausgehend handelt es sich aber nicht um einen Gesichtspunkt, der im Rahmen des Verfahrens der Anhörungsrüge Berücksichtigung finden kann, sondern um eine neue Tatsache, die ins Verfahren der Anhörungsrüge nicht mehr eingebracht werden kann.
Der Beschwerdeführer ist somit dem Darlegungserfordernis nicht nachgekommen, sodass die Anhörungsrüge als unzulässig zu verwerfen ist.
3. Zur Gegenvorstellung
Auch die Gegenvorstellung ist jedenfalls wegen Nichterfüllung des Darlegungserfordernisses unzulässig.
Die Gegenvorstellung ist ein von der Rechtsprechung außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffener außerordentlicher Rechtsbehelf (vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, und vom 25.11.2008, 1 BvR 848/07). Sie stellt ein Mittel der richterlichen Selbstkorrektur in Fällen dar, in denen die beanstandete Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 16.07.2003, B 13 RJ 106/03 B). Ebenso kommt eine Gegenvorstellung in Betracht, wenn dem Betroffenen grobes prozessuales Unrecht zugefügt worden ist, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (vgl. BSG, Beschlüsse vom 16.07.2003, B 13 RJ 106/03 B, vom 28.07.2005, B 13 RJ 178/05 B, und vom 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C), wobei hier das Gebot des rechtlichen Gehörs nicht einzubeziehen ist, da dafür die Anhörungsrüge eröffnet ist.
Zugunsten des Klägers geht der Senat davon aus, dass eine Gegenvorstellung auch nach Einführung der Anhörungsrüge bei einer noch vom Gericht selbst abänderbaren Entscheidung statthaft ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.11.2008, 1 BvR 848/07, BFH, Beschlüsse vom 01.07.2009 V S 10/07, vom 14.02.2012, IV S 1/12, und vom 08.05.2014, II S 18/14; BSG, Beschlüsse vom 28.09.2006, B 3 P 1/06 C, vom 28.09.2017, B 10 ÜG 17/17 C, vom 17.10.2017 B 6 KA 5/17 C, und vom 30.03.2021, B 10 ÜG 1/21 C; offengelassen: BVerfG, Beschlüsse vom 13.02.2008, 2 BvR 256/08, und vom 19.11.2020, 1 BvR 856/20; BSG, Beschlüsse vom 26.02.2021, B 5 SF 1/21 C, und vom 28.10.2021, B 5 R 35/21 C).
Offenlassen kann der Senat die Beantwortung der Frage, ob eine Beschwerdeentscheidung in Prozesskostenhilfeangelegenheiten – nicht nur die originäre Entscheidung über Prozesskostenhilfe, weil der Antrag auf Bewilligung von PKH auch nach seiner Ablehnung wiederholt gestellt werden kann (vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 03.07.2014, V S 15/14, und vom 01.07.2009, V S 10/07; BSG, Beschlüsse vom 15.08.2019, B 5 R 204/19 B, und vom 03.07.2020, B 2 U 12/20; BGH, Beschlüsse vom 07.09.2021, XI ZA 1/21, und vom 15.09.2021, IX ZB 29/21) – zu den vom Gericht selbst abänderbaren Entscheidungen zu rechnen ist oder ob sie wegen entgegenstehender Rechtskraft als unabänderbare gerichtliche Entscheidung zu betrachten ist, wobei dies insofern angezweifelt werden könnte, als mit einer Abänderung nicht in die auch dem Schutz des anderen Beteiligten dienende materielle Rechtskraft eingegriffen würde. Denn die Gegenvorstellung ist jedenfalls auch wegen Nichterfüllung des Darlegungserfordernisses des Klägers unzulässig.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Gegenvorstellung beurteilen sich nach den identischen Gesichtspunkten wie die der Anhörungsrüge (vgl. BSG, Beschluss vom 26.02.2021, B 5 SF 1/21 C; BFH Beschluss vom 27.01.2004, VIII R 111/01; zur Frist: BGH, Beschluss vom 07.03.2002, IX ZB 11/02; BSG, Beschluss vom 26.02.2021, B 5 SF 1/21 C), sodass insbesondere das fristgebundene Darlegungserfordernis (vgl. BFH, Beschluss vom 08.05.2014, II S 18/14; BSG, Beschlüsse vom 10.03.1998, B 8 KN 4/98 B, und vom 30.03.2021, B 10 ÜG 1/21 C; Bayer. LSG, Beschluss vom 20.07.2016, L 15 RF 24/16 – m.w.N. und ausführlicher Erläuterung) zu beachten ist.
Diesem Darlegungserfordernis ist der Kläger nicht gerecht geworden. Weder hat er mit dem innerhalb der für die Gegenvorstellung maßgeblichen Frist, die der der Anhörungsrüge entspricht, bei Gericht am 21.12.2021 eingegangenen Schreiben vom 14.12.2021 schlüssig dargelegt, worin er einen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß zu erkennen meint, noch hat er sich dahingehend eingelassen, warum der Beschluss vom 26.11.2021 jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehren oder ihm damit schweres prozessuales Unrecht angetan worden sein könnte. Dem Darlegungserfordernis ist er somit nicht nachgekommen. Der Vortrag des Klägers im Schreiben vom 14.12.2021 lässt zudem – über das vom Kläger zu erfüllende Darlegungserfordernis hinaus – auch keinerlei Ansatzpunkte dafür erkennen, dass Beschluss des Senats vom 26.11.2021 auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen beruhen oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehren könnte. Der Kläger hat lediglich einen bereits bekannten und (teils mehrfach) gerichtlich abgehandelten Vortrag wiederholt, wobei aus den erst- und zweitinstanzlichen gerichtlichen Ausführungen erkennbar ist, aus welchen Gründen dem Vortrag und der Rechtsmeinung des Klägers nicht zu folgen ist. Mit einem Wiederholen, Variieren oder Ergänzen eines bereits zuvor erfolgten Vortrags kann das Darlegungserfordernis nicht erfüllt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 07.01.2016, B 9 V 4/15 C).
Die Gegenvorstellung ist daher jedenfalls wegen Nichterfüllung des Darlegungserfordernisses unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unter beiden Gesichtspunkten – Anhörungsrüge und Gegenvorstellung – nach § 178a Abs. 4 Satz 3 SGG (entsprechend) unanfechtbar.


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