Familienrecht

Vergütung eines erfolgreich abgelehnten Sachverständigen

Aktenzeichen  25 O 319/17

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39997
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
JVEG § 8a Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Berechtigte hat iSd § 8a Abs. 1 JVEG eine Unterlassung der Anzeige schon dann zu vertreten, wenn ihm einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt; er muss sich entlasten (ebenso OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2017, 111147 Rn. 17). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. War ein medizinischer Sachverständiger als Vorbehandler tätig, liegt ein Ablehnungsgrund vor. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Muss der Sachverständige erkennen, dass seine Vorbefassung dem Gericht und einer Partei möglicherweise unbekannt ist, und dass sie geeignet ist, bei der Partei Misstrauen zu erwecken, so handelt er fahrlässig, wenn er es unterlässt, die Vorbefassung anzuzeigen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Sachverständige Dr. med. … erhält auf die Rechnung vom … 2019 keine Vergütung.

Gründe

Der Vergütungsanspruch ist nach § 8 a Abs. 1 JVEG entfallen.
Der Sachverständige hat es unterlassen, seine Vorbefasstheit mit der Behandlung der Klägerin auf den streitgegenständlichen Unfall hin, die zur Besorgnis seiner Befangenheit geführt hat (§ 42 i.V.m. § 406 Abs. 1 ZPO), unverzüglich anzuzeigen.
Dies hat der Sachverständige zu vertreten, da er die Anzeige fahrlässig unterlassen hat. Als Verschuldensmaßstab genügt für § 8a Abs. 1 JVEG einfache Fahrlässigkeit (OLG Frankfurt, Az. 18 W 58/17; OLG Koblenz, Az. 14 W 363/02). Zudem enthält § 8a Abs. 1 JVEG eine Verschuldensvermutung, mit der Folge, dass der Berechtigte die ihn entlastenden Umstände darzulegen hat (OLG Frankfurt Az. 18 W 58/17).
Der Sachverständige trägt vor, dass er davon habe ausgehen dürfen, dass seine Vorbefasstheit dem Gericht und den Parteien bekannt und gerade Grund für seine Beauftragung gewesen sei.
Dieser Umstand schließt aus, dass der Sachverständige vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen seine Anzeigepflicht verstoßen hat, wovon auch das Gericht ausgeht. Allerdings hätte der Sachverständige bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt, erkennen müssen, dass Gründe vorlagen, die geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.
Die Klägerin war als Patientin beim Sachverständigen zur Beratung und Behandlung anlässlich der aus dem streitgegenständlichen Unfall resultierenden Folgen vorstellig; der Sachverständige hatte die Operation der Patientin initiiert. Damit besteht ein Ablehnungsgrund nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO, da zwischen Behandler und Patient ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, das geeignet ist, auf der Gegenseite Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erzeugen. Hinzu kommt, dass der Sachverständige an dem konkreten Behandlungsablauf bezüglich der streitgegenständlichen Verletzung mitgewirkt hat. Dies ist geeignet bei der Gegenpartei die Vermutung eines möglichen Eigeninteresses des Sachverständigen – etwa im Falle etwaiger Behandlungsfehler – zu wecken.
Zwar konnte nach dem Akteninhalt vermutet werden, dass der Sachverständige vorbefasst war. Dies ergab sich jedoch lediglich und nicht mit der hinreichenden Eindeutigkeit aus dem der Klageschrift als Anlage beigefügten Gutachten des Sachverständigen Dr. … Dort ist auf Seite 3 die „Artho Mainfranken“ erwähnt, woraus auch aufgrund des Schreibfehlers kein Rückschluss auf den Sachverständigen zu ziehen war. Weiter findet sich dort ein Hinweis auf Seite 13, wonach die Patientin sich „in Würzburg bei Dr. …“ vorgestellt habe. Auch hieraus durfte der Sachverständige nicht den Schluss ziehen, dass sämtlichen Beteiligten bewusst wäre, dass es sich dabei um seine Person handele. Denn zum einen konnte eine hinreichend sichere Zuordnung allein anhand des Nachnamens i.V.m. dem Grad „Dr. med.“ und der Ortsnennung noch nicht erfolgen, da es im Bereich allgemeiner Lebenserfahrung liegt, dass Namen auch bzw. gerade in regional begrenzten Bereichen mehrfach auftreten. Eine nähere Individualisierung, die Verwechslungen unwahrscheinlich machen würde, durch Nennung des Vornamens oder Bezeichnung des betroffenen Instituts oder der betroffenen Praxis waren nicht aufgeführt. Zum anderen musste dem Sachverständigen klar sein, dass seine Nennung an einer punktuellen Stelle des Gutachtens in der Vielzahl an Behandlern schlicht übersehen werden konnte.
Darüber hinausgehend war die Vorbefasstheit des Sachverständigen den klägerseits vorgelegten Krankenunterlagen zu entnehmen. Diese hat der Sachverständige indes selbstständig bei den Klägervertretern angefordert. Damit hätte er erkennen können, dass sich deren Inhalt der Kenntnis des Gerichts und der Beklagten entziehen.
Anhand dessen hätte der Sachverständige erkennen müssen, dass seine Beauftragung nicht Resultat des Einverständnisses der Parteien aufgrund seiner Vorbefasstheit war – wofür sich im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte finden lassen -, sondern seine Vorbefasstheit dem Gericht und den Beklagten möglicherweise unbekannt waren. Ebenso hätte er erkennen müssen, dass seine Vorbefasstheit geeignet ist, bei den Beklagten Misstrauen zu erwecken. Denn entscheidend ist nicht, ob der Sachverständige das Gutachten tatsächlich fachlich neutral erstellt hat – woran das Gericht keine Zweifel hat -, sondern ob aus Sicht einer Partei der Anschein der Befangenheit erweckt wurde. Dieser liegt für die Beklagten aufgrund o.g. Gründe vor.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben