Familienrecht

Verlust des Vergütungsanspruchs wegen unterlassener Anzeige der Vorbefassung des Sachverständigen

Aktenzeichen  5 W 53/20

Datum:
29.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39996
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 276 Abs. 2
JVEG § 4, § 8a

 

Leitsatz

1. Die Pflicht eines Gerichtsgutachters zur unverzüglichen Anzeige seiner Vorbefassung entfällt nur dann, wenn sich aus dem Beweisbeschluss selbst oder jedenfalls aus den aktenkundigen Erklärungen der Parteien eindeutig ergibt, dass die Vorbefassung bereits bekannt ist und dieser Umstand gleichwohl von der hiervon „betroffenen“ Partei offensichtlich nicht als ein der Beauftragung entgegenstehendes Hindernis angesehen wird. (Rn. 22)
2. Ohne solche eindeutigen Hinweise auf eine Vorkenntnis der betroffenen Partei und ihr gleichwohl vorliegendes (mutmaßliches) Einverständnis mit seiner Bestellung handelt ein Sachverständiger grob pflichtwidrig, wenn er sich zu seiner Vorbefassung ausschweigt, also noch nicht einmal den Versuch einer dahingehenden Rücksprache mit dem Prozessgericht unternimmt. (Rn. 30)

Verfahrensgang

25 O 319/17 2020-05-19 Bes LGCOBURG LG Coburg

Tenor

Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss des Landgerichts Coburg vom 19.05.2020, Az. 25 O 319/17, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Beschwerde des Sachverständigen wendet sich gegen einen Beschluss des Erstgerichts, Landgericht Coburg – Zivilkammer -, vom 19.05.2020, durch welchen dem Sachverständigen der Vergütungsanspruch für ein von ihm erstattetes Gutachten versagt wird.
Dem Beschluss liegt zu Grunde, dass der mit Beschluss des Erstgerichts vom 05.11.2018 mit der Gutachtenserstellung beauftragte Sachverständige entsprechend des vorangegangenen Beweisbeschlusses vom 30.08.2018 ein fachärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand der Klägerin erstattet hat, obgleich er diese zuvor, noch vor Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung, als Patientin behandelt hatte.
Eine diesbezügliche Anzeige oder Mitteilung gegenüber dem Gericht hatte der Sachverständige nicht unternommen, weil er nach einer diesbezüglich nach Gutachtenserstattung abgegebenen Stellungnahme davon ausgegangen war, dass es durch die bereits zur Gerichtsakte gelangten Dokumente hinreichend ersichtlich gewesen sei, dass die Klägerin als Patientin von ihm behandelt worden war.
Tatsächlich findet sich in einem klägerseitig vorgelegten Gutachten für eine Versicherungsgesellschaft in der Aufzählung der dem Gutachten zugrundeliegenden Dokumente unter anderem auch eine CD mit Röntgenbildern, welche von derjenigen Einrichtung erstellt worden ist, an welcher der Sachverständige – neben zahlreichen weiteren Medizinern – tätig ist. Weiterhin findet sich im klägerseitig vorgelegten vorgerichtlichen Gutachten bei der Schilderung der Anamnese noch die Ausführung, dass sich die Klägerin als Patientin in X. bei einem Arzt mit dem Familiennamen des Sachverständigen vorgestellt habe.
Mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 10.07.2019 hat das Erstgericht dem Antrag der Beklagtenseite auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit entsprochen.
Das Erstgericht hat seine nachfolgende und ausschließlich insoweit beschwerdeverfahrensgegenständliche Entscheidung über den Verlust des Vergütungsanspruchs des Sachverständigen mit dessen Verletzung der gesetzlichen Verpflichtung begründet, nach Erhalt des Gutachtenauftrags und der zugehörigen Gerichtsakten unverzüglich zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die geeignet sein können, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen und diese sodann unverzüglich dem Gericht gegenüber mitzuteilen; das erstattete Gutachten sei deshalb auch unverwertbar. Hierzu hätte in jedem Fall Veranlassung bestehen müssen, und zwar trotz des zur Akte gelangten Gutachtens, in dem an einer einzigen Stelle überhaupt der Familienname des Sachverständigen mit dem Zusatz „Dr. med“. angeführt wird,, während der Sachverständige mittlerweile den Titel Privatdozent bzw. dessen Abkürzung „PD“ führe. Dies schon allein deshalb, weil der Familienname des Sachverständigen eher dem regionalen Sprach- und Namensraum zuzuordnen sei und dieser keineswegs so selten erscheine, als dass dieser nicht auch mehrfach im regionalen Umgriff vorkommen könnte. Die andernorts im Gutachten benannte medizinische Einrichtung, bei welcher vorgerichtlich – unter anderem – Röntgenbilder der Klägerin als vormalige Patientin angefertigt worden seien, habe ihrerseits keinerlei Rückschlüsse auf eine Vorbefassung des Sachverständigen in Person oder auch nur der medizinischen Einrichtung, bei welcher der Sachverständige im Zeitpunkt seiner Auswahl tätig gewesen sei, zugelassen.
Der anwaltlich beratene und vertretene Sachverständige wendet gegen den ihm übersandten Beschluss im Zuge seiner Beschwerde vom 09.06.2020, eingegangen am 09.06.2020, ausweislich deren Begründung im Schriftsatz vom 30.06.2020 im Kern ein, dass er davon ausgegangen sei und seiner Ansicht nach berechtigterweise auch davon habe ausgehen dürfen, dass das Gericht wie auch die übrigen Verfahrensbeteiligten seine Vortätigkeit im Zusammenhang mit der Untersuchung der Klägerin bekannt gewesen sei und entsprechend für ihn keine Veranlassung mehr zu einer eigenen Unterrichtung bestanden habe.
Mit Beschluss vom 30.06.2020 hat das Erstgericht der Beschwerde vom 09.06.2020 mit ihrer Begründung vom 23.06.2020 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Verfügung vom 07.07.2020 war dem Beschwerdeführer bis zum 22.07.2020 Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme eingeräumt worden; eine ergänzende Stellungnahme ist mit Schriftsatz vom 22.07.2020 fristgerecht eingegangen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 4 Abs. 3 JVEG) und formgerecht (§ 4 Abs. 3, Abs. 6 Satz 1 JVEG) eingelegt. Der erforderliche Beschwerdewert (§ 4 Abs. 3 JVEG) ist ebenfalls erreicht.
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Erstgericht hat rechtsfehlerfrei einen Wegfall des Vergütungsanspruchs des Sachverständigen nach Maßgabe von § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG angenommen, weil dieser seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 407a Abs. 1-4 ZPO, konkret aus § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO, verletzt hat.
Das Erstgericht hat mit ausführlicher Begründung, der sich das Beschwerdegericht nach eingehender Überprüfung derselben sowohl sachlich wie auch inhaltlich und schließlich auch im Ergebnis uneingeschränkt anschließt, das Vorliegen des Versagungsgrundes des § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG i. V. m. § 407a Abs. 2 ZPO dargelegt.
Die Begründung der Beschwerde im Schriftsatz vom 23.06.2020 vermag dem, wie das Erstgericht in seiner Nichabhilfeentscheidung bereits erneut zutreffend angenommen hat, nicht ansatzweise entgegenzutreten.
Vor dem Hintergrund des gesamten Akteninhalts, namentlich der persönlichen Stellungnahmen des Sachverständigen wie auch der vorliegenden Beschwerdebegründung, sieht sich das Beschwerdegericht gleichwohl noch zu folgenden Anmerkungen veranlasst:
a) Der Beschwerdeführer scheint trotz anwaltlicher Beratung und Vertretung schon im Ansatz zu verkennen, dass nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 JVEG das Vertretenmüssen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung aus § 407a Abs. 1-4 Satz 1 ZPO, hier konkret § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO, vermutet wird; die Bestimmung entspricht insoweit, woran vorsorglich erinnert werden darf, derjenigen des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB mit allen hieran zu knüpfenden Rechtsfolgen.
b) Der Umstand, dass § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO in der heutigen Fassung erst seit dem 15.10.2016 in Kraft ist, nachdem die Vorschrift durch Art. 1 Nr. 2 lit. b des Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Gerichtskostengesetzes vom 11.10.2016 (BGBl. I S. 2222) neu in die ZPO eingeführt worden war, vermag angesichts des erst unter dem 30.08.2018 ergangenen Beweisbeschlusses, der mit Verfügung vom 28.09.2018 unter entsprechender ausdrücklichen Hinweises auf die Verpflichtungen aus § 407a ZPO zu einer Übersendung der Gerichtsakten an den Sachverständigen geführt hat, nicht zu entschuldigen; immerhin dies wird selbst vom Beschwerdeführer nicht vorgetragen.
c) Der Versuch des Einwands eines das eigene Verschulden ausschließenden Mitverschuldens von Gericht und Parteien einerseits sowie des ohnehin fehlenden Eigenverschuldens mangels selbst leichter Fahrlässigkeit in eigenen Angelegenheiten andererseits verfängt sodann nicht einmal ansatzweise.
aa) Das Beschwerdegericht weist zunächst darauf hin, dass der Gesetzgeber sich der „Mitverantwortung“ von Gericht und Parteien, bei letzteren insbesondere auch im Lichte des den Zivilprozess prägenden Beibringungsgrundsatzes, der „ge- bzw. verteilten“ Verantwortung im Hinblick auf etwaige Umstände, welche Zweifel an der Unparteilichkeit eines Sachverständigen aufkommen lassen könnten, uneingeschränkt bewusst gewesen war (vgl. BT-Drs. 18/6985, S. 14).
Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber – insoweit nachvollziehbar bewusst – dafür entschieden, auch dem Sachverständigen eine – eigenständige – Verpflichtung dahingehend aufzuerlegen, dass dieser das Vorliegen etwaiger Umstände, die einen Interessenkonflikt bei seiner (weiteren) Befassung als möglich erscheinen lassen könnten, unverzüglich zu überprüfen und sodann auch unverzüglich dem Gericht gegenüber mitzuteilen habe (BT-Drs. 18/6985, S. 14)
Erst – und einzig – dem Gericht ist es nach dem Willen des Gesetzgebers sodann vorbehalten, über die Tragweite und Bedeutsamkeit der aufgezeigten Umstände zu entscheiden. Als Sanktion hat der Gesetzgeber dabei ausdrücklich zunächst nur den Verlust des Vergütungsanspruchs nach Maßgabe von § 8a Abs. 1 JVEG vorgesehen (vgl. BT-Drs. 18/6985, S. 14), bevor es auf Empfehlung des Rechtsausschusses zur weitergehenden Sanktionierung durch Einfügung des im vorliegenden Verfahren weder zur Anwendung gekommenen noch anderweitig entscheidungserheblichen Satzes 3 des § 407a Abs. 2 ZPO n. F., die fakultative Verhängung eines Ordnungsgeldes, gekommen ist (vgl. BT-Drs. 18/9092, S. 14).
In der Begründung der Ausschussempfehlung ist hierzu ausgeführt (vgl. BT-Drs. 18/9092, S. 14):
„Der Sachverständige soll zusätzlich [durch die Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes, Anm. d. Gerichts] angehalten werden, frühzeitig mögliche Interessenkonflikte offenzulegen. Das dient der Förderung des Vertrauens der Parteien in die Unabhängigkeit und Neutralität der Sachverständigen.“
bb) Sodann verweist das Beschwerdegericht auf eine instruktive Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, Entsch. v. 04.04.2003 – Vf. 51-VI-02 -, juris) hin.
(1) In dieser zwar zu § 407a Abs. 1 ZPO ergangenen Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof recht deutlich ausgeführt, dass die Überprüfung der eigenen vollumfänglichen Fachkompetenz durch den Sachverständigen sich nicht lediglich auf die Lektüre des Beweisbeschlusses, dessen Tragweite sich häufig nicht hinreichend aus dem bloßen Wortlaut erschließt, beschränkt, sondern ein zumindest kursorisches Aktenstudium voraussetze (vgl. BayVerfGH, Entsch. v. 04.04.2003 – Vf. 51-VI-02 -, juris, Rn. 31, m. w. N.). Verletze der Sachverständige diese vorgelagerte Pflicht schuldhaft, so entfalle oder mindere sich der Entschädigungsanspruch, wenn sich später herausstelle, dass die fachliche Qualifikation für die umfassende Bearbeitung des Gutachtensauftrags nicht ausgereicht hat. Für die Aberkennung des Entschädigungsanspruchs wegen eines solchen Übernahmeverschuldens genüge leichte Fahrlässigkeit. Bei der Prüfung des Anspruchsausschlusses wegen Übernahmeverschuldens komme es nicht darauf an, ob das Gutachten verwertet worden sei. Der die Entschädigungspflicht ausschließende oder mindernde Vorwurf an den Sachverständigen liege vielmehr darin, dass er durch die unterlassene Mitteilung seiner (gegebenenfalls nur in Teilen) fehlenden Qualifikation das Vertrauen des Gerichts und des Beweisführers in seine Fachkunde für den gesamten Gutachtensauftrag verletzt habe.
(2) Diese zur Verpflichtung aus § 407a Abs. 1 ZPO aufgestellten Maßstäbe hält das Beschwerdegericht, insbesondere auch im Lichte des (späteren) Willens des Gesetzgebers, ohne Weiteres für auf die Verpflichtung aus § 407a Abs. 2 ZPO (n. F.) übertragbar (vgl. zudem auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.05.2006 – 5 W 781/06 -, juris, Rn. 17; OLG Koblenz, Beschluss vom 24.06.2002 – 14 W 363/02 -, NJOZ 2002, 2031 , jeweils zu § 407a ZPO a. F.: Übernahmeverschulden des Sachverständigen bei Verschweigen von Umständen, die möglicherweise einen Ablehnungsgrund begründen können).
cc) Dem wäre dem Grunde nach nichts weiter hinzuzufügen, zumal § 407a Abs. 4 Satz 1 ZPO unmissverständlich dem Sachverständigen zur Vorgabe macht, bei Zweifeln an Inhalt und Umfang des Auftrags eine Klärung durch das Gericht herbeizuführen.
Es dürfte einen Rückfall in die überwundene Zeit der Begriffsjurisprudenz des späten 19. Jahrhunderts darstellen, im Falle einer Unsicherheit über einen etwaig mitteilungsbedürftigen Grund nach Maßgabe von § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO, der für sich genommen nicht den Inhalt und Umfang des Auftrages selbst berührt, einen Sachverständigen von der letztlich in Ansehung von § 407a Abs. 2 Satz 3 ZPO wie auch § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG originär im eigenen Interesse liegenden Rückfrageverpflichtung freizusprechen.
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob und inwieweit namentlich ein aus dem akademischen Kreis der Bevölkerung stammender Sachverständiger auch ohne vertiefte juristische Vorbildung über die insoweit als naheliegend anzunehmenden Voraussetzungen einer analogen Anwendung von § 407a Abs. 3 Satz 1 ZPO auf die Fälle des § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO von sich aus hinreichenden Anlass hätte haben können und müssen, im Zweifel lieber unnötig eine entsprechende Anfrage zu unternehmen, als „blindlings“ dem Gericht Überlegungen zu unterstellen, für deren Existenz es bei rechtem Licht betrachtet an keiner Stelle in der Gerichtsakte auch nur im entferntesten Ansätze gegeben hat. Dies gilt erst recht bei einem nach eigener Darstellung über ein Vierteljahrhundert tätigen Sachverständigen.
d) Einzig die vorliegende Beschwerdebegründung nebst ihrer ergänzenden Stellungnahme sowie die dieser vorgelagerten Schreiben des Beschwerdeführers selbst geben Anlass, den Begriff der leichten und erst recht der groben Fahrlässigkeit nach Maßgabe von § 276 Abs. 2 BGB der Beschwerdeführerseite ins Gedächtnis zu rufen:
aa) (Einfache) Fahrlässigkeit ist, was hinreichend allgemein in juristischen und justiznahen Kreisen bekannt sein sollte, zu bejahen, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird (vgl. in st. Rspr. zuletzt etwa BGH, Urt. v. 17.10.2019 – III ZR 42/19 -, juris, Rn. 55; BGH, Urt. v. 05.07.2019 – V ZR 96/18 -, juris, Rn. 14; st. Rspr.; statt vieler auch Schaub, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beckOK-BGB, § 276 Rn. 59, m. w. N.).
Einfache Fahrlässigkeit genügt für den Untergang des Vergütungsanspruchs und wird als solche ausweislich § 8a Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 JVEG sogar, wenn auch widerleglich, zu Lasten eines Sachverständigen vermutet (§ 276 Abs. 2 BGB), wenn die unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus § 407a Abs. 1-4 Satz 1 ZPO erbrachte Leistung unverwertbar ist (e contrario § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG). Die Unverwertbarkeit des erstellten ist vorliegend vom Erstgericht völlig zutreffend angenommen worden und wird überdies von der Beschwerdeführerseite selbst auch in keiner Weise in Zweifel gezogen.
bb) Grobe Fahrlässigkeit, wie sie etwa Voraussetzung in § 839a BGB für die Haftung eines Sachverständigen bei der Erstellung eines unrichtigen Gutachtens ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.06.2020 – III ZR 119/19 -, juris, Rn. 17), setzt demgegenüber schon einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus (vgl. BGH, Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17 -, juris, Rn. 19).
cc) Die vorstehenden Maßstäbe auf den vorliegenden Fall angewandt führt dies zu Folgendem:
(1) Im ersten Stellungnahmeschreiben vom 02.05.2019 hat der Sachverständige unter anderem auf seine über 25-jährige Gutachter-Tätigkeit hingewiesen. In einem weiteren Stellungnahmeschreiben vom 02.09.2019 hat er sodann ergänzend ausgeführt, dass er – seiner Ansicht nach – berechtigterweise davon ausgegangen sei und auch ausgehen durfte, dass er, im Einverständnis aller Beteiligten, gerade aufgrund seiner Vorbefassung mit dem Fall für die Begutachtung ausgewählt wurde.
(2) Mit diesen Ausführungen hat der Sachverständige zur Überzeugung des Beschwerdegerichts nicht nur die Missachtung der allgemein im Verkehr erforderlichen Sorgfaltspflichten als Sachverständiger, wie sie sich unmittelbar auf § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO als solche ergeben, eingestanden. Vielmehr können seine Ausführungen dem Grunde nach weitergehend nur als, wenn auch absehbar unbewusstes, Zugeständnis dahingehend verstanden werden, dass er in einer den Anforderungen für den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gerecht werdenden Weise einen sowohl objektiv schweren als auch subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß begangen hat.
(3) Es erschließt sich dem Beschwerdegericht in keiner Weise, wie ein nach eigener Darstellung über ein Vierteljahrhundert lang tätiger Sachverständiger auch nur vorübergehend ernsthaft auf den Gedanken verfallen konnte, dass seine Vorbefassung mit dem konkreten Fall ausnahmsweise ein Vorzug und kein Ausschlussgrund für sein Tätigwerden als gerichtlicher Sachverständiger darstellen könnte. Selbst wenn, was nach den Erfahrungen des Beschwerdegerichts nicht unbedingt zu erwarten wäre, der Sachverständige in all seiner bisherigen Tätigkeit niemals dem Anwurf einer berechtigten Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt gewesen sein sollte, würde auch dies weder von einer diesbezüglichen Anzeigeverpflichtung der konkreten Vorbefasstheit und erst recht nicht von der Verpflichtung einer zumindest gegenüber dem Gericht vorzunehmenden Abklärung der Unbeachtlichkeit derselben entbinden.
(4) Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige im Zuge der Übersendung des Beweisbeschlusses und des Gutachtensauftrags ausführliche schriftliche Erläuterungen zu der hier einschlägigen Bestimmung des § 407a ZPO übermittelt bekommen hat, womit das Erstgericht den Vorgaben des § 407a Abs. 6 ZPO uneingeschränkt genügt hat. Sachverständigen, die den Inhalt ihres Auftrags mit der erforderlichen Sorgfalt prüfen, dürften dann aber Regelverstöße der vorliegenden Art kaum noch unterlaufen (so OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.05.2006 – 5 W 781/06 -, juris, Rn. 18).
(5) Das pauschale Vorbringen in der Beschwerdebegründung zur Annahme des Beschwerdeführers, man habe ihn in Kenntnis seiner Vorbefasstheit gleichwohl allein um seiner „besonderen Fachkunde“ willen und gegebenenfalls auch wegen „seiner vorliegenden Informiertheit in der Angelegenheit“ „ausgewählt“, bedarf bei objektiver Betrachtung schon keiner weiteren Beachtung mehr.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 4 Abs. 8 Satz 1 JVEG).
Vor dem Hintergrund der unterbleibenden Auslagenerstattung (§ 4 Abs. 8 Satz 2 JVEG) bedarf es auch keiner Verfahrenswertfestsetzung.
Die Zulassung einer weiteren Beschwerde kommt von vornherein nicht in Betracht, da diese nur bei einer landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung vorgesehen ist (§ 4 Abs. 5 Satz 1 JVEG).


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