Familienrecht

Verpflichtung zur Anmeldung zum Schulbesuch

Aktenzeichen  7 ZB 18.864

Datum:
5.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 240
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2
BayEUG Art. 74 Abs. 2 S. 1, Art. 76
GG Art. 6 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4

 

Leitsatz

Die Eltern werden durch die Entziehung des Rechts zur Regelung der schulischen Angelegenheiten ihres Kindes und des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung, soweit es die Durchführung des Schulbesuchs betrifft, sowie die Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht ihrer Stellung als Erziehungsberechtigte im Sinn von Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BayEUG und ihrer Verpflichtungen aus Art. 76 BayEUG entledigt. (Rn. 12)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.2414 2018-01-25 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sich Nr. 1.2 des Bescheids des Landratsamts Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim vom 14. März 2013, womit sie verpflichtet worden war, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Sohn regelmäßig am Schulunterricht teilnimmt und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besucht, erledigt hat.
Die Klägerin weigerte sich, ihren jetzt 12-jährigen Sohn an einer Schule anzumelden und sorgt weiterhin nicht dafür, dass er regelmäßig die Schule besucht. Ein Antrag auf Befreiung des Sohnes von der Schulpflicht war abgelehnt worden. Gleichwohl hat sie ihren Sohn nicht bei der S.schule oder einer anderen angemeldet und ihn auch nicht die Schule besuchen lassen. Mit dem genannten Bescheid wurde sie in Nr. 1.1 verpflichtet, ihren Sohn zum Besuch der S.schule oder alternativ einer anderen Schule anzumelden und in Nr. 1.2 dafür zu sorgen, dass er regelmäßig am Unterricht und den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilnimmt. Einen Rechtsbehelf hiergegen hat sie nicht eingelegt. Die Festsetzung der angedrohten Zwangsgelder blieb erfolglos. Die Beschwerde gegen die Anordnung von Ersatzzwangshaft hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
Das Amtsgericht Neustadt an der Aisch hat der Klägerin mit Beschluss vom 30. März 2015 das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten und das Aufenthaltsbestimmungsrecht, soweit es die Durchführung des Schulbesuchs betrifft, entzogen und insoweit eine Ergänzungspflegschaft angeordnet. Der Ergänzungspfleger wurde ermächtigt, die Herausgabe des Kindes zum Schulbesuch notfalls unter Einsatz von Gewalt und mittels Betreten und Durchsuchung der Wohnungen der beiden Elternteile auch unter Inanspruchnahme der Hilfe des Gerichtsvollziehers oder der Polizei zu erzwingen. Die Beschwerde zum Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg.
Der Ergänzungspfleger hat das Kind bei der S.schule angemeldet. In der Zeit vom 28. April 2015 bis zum 23. Oktober 2015 hat es den Unterricht an der Grundschule regelmäßig besucht. Nach den Herbstferien ist der Sohn der Klägerin allerdings nicht mehr zum Unterricht erschienen. Versuche des Ergänzungspflegers, den Schulbesuch unter Anwendung der im Beschluss des Amtsgerichts vom 30. März 2015 genannten Befugnisse durchzusetzen, blieben erfolglos.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14. März 2016 seinen Beschluss vom 30. März 2015 aufgehoben und den Antrag des Kreisjugendamts auf eine Erweiterung des Sorgerechtsentzugs mit dem Ziel einer Internats- oder Heimunterbringung abgelehnt. Die Beschwerde des Kreisjugendamts dagegen wurde zurückgewiesen. Die Internats- oder Heimunterbringung würde das Wohl des Kindes mehr beeinträchtigen als die Vorenthaltung des Schulunterrichts und sei daher ebenso unverhältnismäßig wie die Beschränkungen des Sorgerechts der Klägerin im Beschluss vom 30. März 2015, die sich als ungeeignet erwiesen hätten, die Erfüllung der Pflichten der Klägerin, ihrerseits Sorge für die Erfüllung der Schulpflicht ihres Sohnes Sorge zu tragen, durchzusetzen.
Den Antrag der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und Aufhebung des Bescheids vom 14. März 2013 hat das Landratsamt abgelehnt. Nach Klageerhebung hiergegen hat es Nr. 1.1 des Bescheids vom 14. März 2013, womit die Klägerin verpflichtet worden war, ihren Sohn bei der S.schule oder einer anderen anzumelden, aufgehoben und auf die Vollstreckung der fälligen Zwangsgelder sowie der angeordneten Ersatzzwangshaft verzichtet. Nr. 1.2 des Bescheids, mit dem die Klägerin verpflichtet worden war, dafür zu sorgen, dass ihr Sohn regelmäßig am Unterricht und den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilnimmt, blieb aufrechterhalten.
Die Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag, festzustellen, dass sich Nr. 1.2 des Bescheids vom 14. März 2013 mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts Neustadt an der Aisch vom 30. März 2015 erledigt hat, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auch nach dem Beschluss des Amtsgerichts vom 30. März 2015 habe die Klägerin das Sorgerecht für ihren Sohn zumindest teilweise noch innegehabt und sei auch in Ansehung der Entziehung des Rechts zur Regelung der schulischen Angelegenheiten für ihren Sohn und des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung, soweit es die Durchführung des Schulbesuchs betrifft, sowie der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Sohn am Schulunterricht teilnimmt.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Die Klägerin sei nicht mehr erziehungsberechtigt im öffentlich-rechtlichen Sinn des Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BayEUG.
Der Beklagte tritt dem entgegen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor und können auch der Antragsbegründung nicht entnommen werden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zur Begründung nimmt der Verwaltungsgerichtshof auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird auf folgendes hingewiesen:
Entgegen ihrer Auffassung wurde die Klägerin durch die Entziehung des Rechts zur Regelung der schulischen Angelegenheiten ihres Sohnes und des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung, soweit es die Durchführung des Schulbesuchs betraf, nicht ihrer Stellung als Erziehungsberechtigte im Sinn von Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BayEUG und ihrer Verpflichtungen aus Art. 76 BayEUG entledigt. Sie blieben von einem familiengerichtlichen Eingreifen wie auch von der Aufhebung familiengerichtlicher Maßnahmen bei einer Gefährdung des Kindeswohls unberührt.
Familiengerichtliche Maßnahmen können insbesondere nicht dazu führen, dass ein Verhalten der Erziehungsberechtigten, das der Verletzung der Schulpflicht nicht entgegenwirkt oder sie gar geradezu bezweckt, sanktionslos bleiben kann, weil ein Ergänzungspfleger die Erfüllung der Schulpflicht durch den Sohn der Klägerin sicherstellen soll. Seine Aufgabe lässt die Verantwortung der Eltern unberührt.
Familiengerichtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB, insbesondere nach dessen Abs. 3 Nr. 2 dienen der Abwendung der Gefährdung des Kindeswohls und sind aufgrund des gerade bei einem Eingriff in das Grundrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf das zur Abwendung der Gefährdung Notwendige beschränkt (Olzen in MK BGB, 7. Aufl. 2017, § 1666 Rn. 148 ff.). Die Entziehung des Rechts zur Regelung der schulischen Angelegenheiten im Hinblick auf den Sohn der Klägerin und das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, soweit es die Durchführung des Schulbesuchs betrifft, sowie die Einsetzung eines Ergänzungspflegers und der Bestimmung seiner Befugnisse dienen allein dazu, die mit der Erfüllung der Schulpflicht eines Kindes verbundenen Verpflichtungen der Eltern, nämlich zur Anmeldung des Kindes bei der Schule wie auch zu Veranlassung des Schulbesuchs, durchzusetzen. Maßnahmen des Familiengerichts nach § 1666 BGB als Ausprägung des Staatlichen Wächteramts gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG (Olzen, a.a.O., Rn. 1) lassen die sich aus der elterlichen Sorge ergebenden Pflichten unberührt soweit nicht die konkrete Gefährdung des Kindeswohls erfordert, das Sorgerecht insgesamt oder teilweise auf Dritte wie einen Ergänzungspfleger zu übertragen. So verdrängt denn auch die Pflegschaft nach § 1630 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge und die elterlichen Befugnisse nur im Umfang des dem Pfleger konkret übertragenen Aufgabenkreises (Götz in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 1630 Rn. 3), d.h. hier der Durchsetzung der weiter bestehenden Verpflichtung der Klägerin, den regelmäßigen Besuch des Unterrichts durch ihren Sohn zu veranlassen. Die Eltern dürfen ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht im Übrigen nicht so ausüben, dass es dem Ergänzungspfleger unmöglich gemacht wird, für den Schulbesuch zu sorgen und dürfen in den schulischen Angelegenheiten ihres Kindes nicht den durch den Ergänzungspfleger getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen zuwider handeln. Das Landratsamt Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim hat deshalb im Bescheid vom 19. Oktober 2015 zu Recht festgestellt, dass sich die Verpflichtung der Klägerin zur Anmeldung ihres Sohnes bei der S.schule durch die vom Ergänzungspfleger vorgenommene Anmeldung erledigt hat, jedoch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass er den Unterricht besucht, weiterhin bestehen blieb.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 (und nicht wie in der Antragsbegründung ausgeführt: Nr. 4) VwGO wurde nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Dazu ist es erforderlich, dass der Rechtsmittelführer eine oder mehrere konkrete Rechts- oder Tatsachenfragen formuliert, ihre Entscheidungserheblichkeit für den Rechtsstreit ausführt, die Klärungsbedürftigkeit der Fragen erläutert und darlegt, warum die Fragen jeweils über den Einzelfall hinaus bedeutsam sind (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Rn. 72 zu § 124a). Allein die Auflistung mehrerer Fragen wird dem nicht gerecht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Das entspricht den Empfehlungen in Nr. 38.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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