Familienrecht

Zum Anspruch auf kostenfreie Schülerbeförderung im ÖPNV

Aktenzeichen  7 BV 19.1382

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41357
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 60
SchKfrG Art. 1 Abs. 1, Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Abs. 2
SchbefV § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Kann der rechtzeitig geltend gemachte Anspruch auf kostenfreie Schülerbeförderung mit Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs nicht mehr erfüllt werden, ist ein Kostenerstattungsanspruch nicht nur auf den jeweiligen Tarif des öffentlichen Personennahverkehrs begrenzt, sondern setzt auch die Vorlage entsprechender Fahrausweise voraus. (Rn. 34)

Verfahrensgang

AN 2 K 17.1114 2019-05-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist gewährt.
II. Die Berufung wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassene Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für seine Tochter von seinem Wohnsitz zur Staatlichen Realschule in F. im Zeitraum vom 10. April 2017 bis zu deren Schulabschluss im Schuljahr 2019/2020 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Berufung ist zurückzuweisen, da das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
I.
Die Berufung ist zulässig. Der Klägerbevollmächtigte hat zwar die Berufungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO, die bereits nach § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO antragsgemäß bis 26. September 2019 verlängert worden war, versäumt. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO muss sich ein Beteiligter das Verschulden seines Bevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 60 VwGO zu gewähren. Der Klägerbevollmächtigte hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert gewesen ist, den Schriftsatz zur Berufungsbegründung innerhalb der (verlängerten) Berufungsbegründungsfrist an den Verwaltungsgerichtshof zu übermitteln.
1. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit dem Wiedereinsetzungsantrag unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen seiner Mitarbeiterin A.S. vom 7. und 28. Oktober 2019 sowie von Kopien des schriftlichen und elektronischen Fristenkalenders, des beA-Sendeberichts, des historischen Aktenverlaufs und des Prüfprotokolls Signatur vorgetragen, die tägliche Post werde in der Regel von der Auszubildenden im dritten Lehrjahr E.C. geöffnet und in eine Posteingangsmappe gelegt. Die einzelnen Schreiben würden in eine Posteingangsliste eingetragen. Etwaige Fristen würden von ihr berechnet und in der jeweiligen Akte sowohl in den elektronischen Fristenkalender als auch in den Handkalender eingetragen. Anschließend werde die Postmappe der Mitarbeiterin A.S., einer Rechtsanwaltsfachangestellten und geprüften Rechtsfachwirtin übergeben, die überprüfe, ob die Fristen richtig berechnet und eingetragen seien. Seit Einführung des elektronischen Übermittlungssystems beA würden vom Rechtsanwalt signierte Schriftsätze immer mittels einzelnem Arbeitsauftrag der Kanzleiangestellten A.S. übermittelt. Diese habe die Anweisung, den Schriftsatz von ihrem eigenen Arbeitsplatz aus elektronisch zu versenden, den Sendebericht zur beA-Nachricht auszudrucken, zu kontrollieren, ob der Versand erfolgreich gewesen sei, den Sendebericht in der Handakte abzuheften und anschließend die Frist sowohl im PC als auch im Handaktenkalender zu löschen. Die Frist zur Berufungsbegründung am 26. August 2019 und auch die verlängerte Frist zum 26. September 2019 seien von ihr zutreffend eingetragen worden. Der Bevollmächtigte des Klägers habe die Berufungsbegründung sodann am Morgen des 26. September 2019 fertiggestellt, um 8.22 Uhr an seinem Arbeitsplatz signiert und anschließend der Kanzleiangestellten A.S. über die Kanzleisoftware mit dem Arbeitsauftrag zugeschickt, diesen kurz zu kontrollieren und ihn anschließend zu versenden. Diese habe den Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof fristgerecht übertragen. Aus nicht bekannten technischen Gründen sei er aber nicht zugestellt worden. Die absolut zuverlässige Mitarbeiterin A.S. habe übersehen, dass der Sendebericht keinen Eintrag über den erfolgreichen Versand enthalten habe, und habe dann die Berufungsbegründungsfrist sowohl im PC als auch im Handkalender gelöscht.
2. Mit diesem Vorbringen hat der Prozessbevollmächtigte glaubhaft gemacht, dass er alles Erforderliche getan hat, um die Frist einzuhalten und ihn kein Verschulden an dem Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist trifft (§ 60 Abs. 1 und 2 VwGO). Er hat den Schriftsatz zur Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist rechtzeitig fertiggestellt und an die Kanzleimitarbeiterin A.S. elektronisch mit dem Auftrag gesandt, diesen an den Verwaltungsgerichtshof weiterzuleiten. Laut beA-Sendebericht wurde der Versand des Schriftsatzes zur Berufungsbegründung an den Verwaltungsgerichtshof am 26. September 2019 um 8.45 Uhr initiiert. Die Hilfsperson des Prozessbevollmächtigten hat es schuldhaft unterlassen, den Sendebericht daraufhin zu überprüfen, ob die Zustellung an den Verwaltungsgerichtshof tatsächlich erfolgte, und die entsprechenden Fristeintragungen gelöscht. Das eigene Verschulden der Hilfsperson ist einem Prozessbevollmächtigten nur dann zurechenbar, wenn über deren Verschulden hinaus sein eigenes Organisationsverschulden zum Fristversäumnis beigetragen hat (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 60 Rn. 18). Arbeiten dürfen grundsätzlich auf ausgebildetes Assistenzpersonal übertragen werden, wenn dieses sich bereits als zuverlässig erwiesen hat und durch eine vom Anwalt selbst verantwortete Büroorganisation die sorgfältige Überwachung des Personals sichergestellt ist. Gemessen daran ist das Verschulden der Kanzleimitarbeiterin A.S. dem Prozessbevollmächtigten nicht zuzurechnen. Nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten, der durch den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleimitarbeiterin A.S. vom 28. Oktober 2019 bestätigt wird, besteht die Anweisung, den Sendebericht zur beA-Nachricht auszudrucken, diesen dahingehend zu kontrollieren, ob der Versand und die Zustellung des Schriftstücks erfolgreich waren, den Sendebericht in der Handakte abzuheften und anschließend die Frist im PC und im Handaktenkalender zu löschen. Darin liegen hinreichende organisatorische Maßnahmen, um eine effektive Ausgangs- und Zugangskontrolle zu gewährleisten. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte glaubhaft gemacht, dass die Kanzleimitarbeiterin als Rechtsanwaltsgehilfin und Rechtsfachwirtin qualifiziert ausgebildet und absolut zuverlässig ist; es sei bisher in keinem anderen Fall zu einem Fehler bei der Überwachung von Fristen gekommen.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 60 VwGO sind erfüllt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde fristgerecht binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses unter Nachholung der versäumten Rechtshandlung gestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 und Satz 3 VwGO). Auf den Hinweis des Senats vom 1. Oktober 2019, dass die Frist zur Begründung der Berufung abgelaufen sei, hat der Bevollmächtigte am 7. Oktober 2019 Wiedereinsetzung beantragt und die Berufungsbegründungschrift übersandt.
II.
Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die vom Kläger erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Kläger als Vater der Schülerin klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO.
a) Klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist derjenige, der Tatsachen vorträgt, nach denen eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 112). In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Eltern die gesetzlich geregelten Ansprüche auf Beförderung bzw. Kostenübernahme für den Schulweg ihres (minderjährigen) Kindes grundsätzlich im eigenen Namen geltend machen können (vgl. BayVGH, U.v. 8.1.2008 – 7 B 07.1008 – BeckRS 2008, 27366 Rn. 8; U.v. 6.8.1984 – 7 B 83A. 3105 – BayVBl 1985, 565 m.w.N.). Dies ergibt sich bereits aus dem Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG, Art. 126 Abs. 1 BV). Hiervon ausgehend ist es nach den Darlegungen des Klägers nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass der von ihm behauptete Anspruch auf Schulwegkostenfreiheit für seine Tochter auch von seinem Wohnort aus besteht (sog. Möglichkeitstheorie vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 112 m.w.N.). Der Kläger ist somit klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO.
Soweit das Verwaltungsgericht die Klagebefugnis des Klägers mit dem Argument verneint, gemeinsam sorgeberechtigte Elternteile seien lediglich gemeinsam klagebefugt und deshalb könne der geltend gemachte Anspruch dem Kläger alleine nach keiner Betrachtungsweise zustehen, begründet dies die Unzulässigkeit der Klage nicht. Die hier angesprochene Frage betrifft nicht die Klagebefugnis, sondern die (aktive) Prozessführungsbefugnis, also die von der Klagebefugnis zu unterscheidende Frage, ob der Kläger den prozessualen Anspruch alleine durchsetzen kann (Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 82).
b) Die vom Kläger ursprünglich begehrte unentgeltliche Beförderung seiner Tochter im 14-tägigen Rhythmus von seinem Wohnsitz aus zur Staatlichen Realschule in F. stellt im vorliegenden Fall keinen Anspruch dar, den er wegen des gemeinsamen Sorgerechts nur gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehefrau prozessual geltend machen kann.
aa) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei einem paritätischen Wechselmodell hat das Kind seinen Aufenthalt nicht bei einem Elternteil, sondern bei beiden Eltern, die es im (annähernd) gleichen Umfang betreuen. Dies hat nicht zur Folge, dass nunmehr abweichend von einer Ausübung der gemeinsamen Sorge im Doppelresidenzmodell auch die Dinge des täglichen Lebens Angelegenheiten von besonderer Bedeutung werden, über die die Eltern sich generell verständigen müssten (vgl. Hennemann in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1687 Rn. 20).
bb) Angelegenheiten des täglichen Lebens sind nach § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Bei der Entscheidung des Klägers, einen ihm möglicherweise zustehenden Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend zu machen, handelt es sich im vorliegenden Verfahren um eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Denn es geht ausschließlich um die Sicherstellung der notwendigen Beförderung der Schülerin von der Wohnung des Klägers zur Staatlichen Realschule in F., so dass es bereits zweifelhaft ist, ob der andere Elternteil ein tatsächliches oder rechtliches Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs hat. Zudem wurde die Beförderung der Tochter zur Schule von seinem Wohnsitz aus durch den Kläger selbst sichergestellt, so dass sich unabhängig von der begehrten Schülerbeförderung bzw. der Kostenübernahme für diese durch den Beklagten keine Nachteile für die Schülerin und deren Schulpflicht ergeben können. Die (unentgeltliche) Beförderung der Tochter des Klägers vom Wohnsitz der Mutter aus zur Schule war durch die ihr jeweils vom Aufgabenträger ausgehändigte Schülerfahrkarte sichergestellt, so dass sich auch in dieser Hinsicht kein messbarer Einfluss auf ihre Entwicklung ergibt (vgl. Hennemann in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1687 Rn. 18; Altrogge in Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, Stand Sept. 2020, Elterliche Sorge Rn. 322 mit einem Überblick über die familiengerichtliche Rechtsprechung).
Soweit ein Elternteil gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB allein eine Entscheidung trifft, obliegt diesem gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB die Alleinvertretungsmacht (vgl. Huber in Münchener Kommentar zum BGB, § 1629 Rn. 23; Altrogge in Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, Elterliche Sorge Rn. 320). Macht somit der Kläger aufgrund seines Elternrechts einen Anspruch geltend, für den er nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB alleinvertretungsberechtigt ist, kann nichts Anderes gelten, wenn er diesen Anspruch ausweislich der Klageschrift nicht als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter, sondern nach der Rechtsprechung des Senats zulässigerweise im eigenen Namen geltend macht. Ob – in der Regel im Vorfeld der Antragstellung – im Innenverhältnis eine einheitliche Willensbildung der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern notwendig ist, um die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Schulwegkostenfreiheit (des Kindes) erfüllen zu können, und inwieweit hierzu gegebenenfalls Absprachen oder Entscheidungen zwischen den Eltern erforderlich sind, ist keine Frage der Zulässigkeit der Klage.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten als zuständigem Aufgabenträger (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKrfG, § 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SchBefV) keinen Anspruch auf Übernahme bzw. Erstattung der Kosten für die Beförderung seiner Tochter von seinem Wohnsitz zur Staatlichen Realschule in F.
a) Da es ausschließlich um den Anspruch auf Schulwegkostenfreiheit vom Wohnort des Klägers zur Staatlichen Realschule in F. geht, ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Die Aktivlegitimation behandelt die materiell-rechtliche Frage, ob der vom Kläger behauptete Anspruch in seiner Person besteht (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 20). Der Anspruch von Schülern im Sinne des Art. 1 Abs. 1 SchKfrG, § 1 Satz 1 SchBefV auf Sicherstellung ihrer notwendigen Beförderung durch den Aufgabenträger ist gleichzeitig ein eigener Anspruch der sorgeberechtigten Eltern, der sich aus ihrem eigenen Erziehungsrecht bzw. ihrer eigenen Erziehungspflicht nach Art. 6 Abs. 2 GG und aus ihrem Recht bzw. ihrer Pflicht zur elterlichen Sorge nach § 1626 Abs. 1 BGB ergibt.
b) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob im Doppelresidenzmodell dem Grunde nach ein Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung im 14-tägigen Rhythmus vom Wohnsitz beider Elternteile aus zur nächstgelegenen Schule besteht. Der Kläger hat vorliegend bereits deshalb keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil er keine Nachweise für Fahrten seiner Tochter mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorlegen konnte. Hierauf hat der Senat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
aa) Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 SchKfrG, § 3 Abs. 2 Satz 1 SchBefV erfüllt der Aufgabenträger seine Verpflichtung zur Schülerbeförderung vorrangig im Zusammenwirken mit Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass Schüler kein Wahlrecht hinsichtlich des Beförderungsmittels haben (vgl. BayVGH, B.v. 1.4.2020 – 7 ZB 19.1313 – juris Rn. 15; B.v. 9.8.2011 – 7 B 10.1775 – juris Rn. 17 m.w.N.). Vielmehr sind andere als öffentliche Verkehrsmittel wie z.B. ein privates Kraftfahrzeug nur einzusetzen, soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher ist (Art. 1 Abs. 2 SchKfrG, § 3 Abs. 2 Satz 2 SchBefV). Nur unter dieser Voraussetzung besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Kostenerstattung bei Benutzung anderer Verkehrsmittel. Einen entsprechenden vorherigen Antrag vorausgesetzt (vgl. BayVGH, B.v. 1.4.2020 – 7 ZB 19.1313 – juris Rn. 15), wäre der Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs vorliegend nur dann notwendig, wenn sich durch die Beförderung mit einem privaten Kraftfahrzeug bei möglicher Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels die regelmäßige Abwesenheitsdauer von der Wohnung an mindestens drei Tagen in der Woche um jeweils mehr als zwei Stunden verkürzt (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.2005 – 7 B 04.92 – juris LS 1 und Rn. 9).
Anhaltspunkt hierfür sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwischen dem Wohnort des Klägers und der Staatlichen Realschule in F. besteht unstreitig eine Busverbindung des ÖPNV, mit der die Tochter des Klägers ihre Schule zumutbar erreichen kann. Mit dem Einwand, es wäre seiner Tochter nicht zumutbar gewesen, jeweils in dem überfüllten Bus als einzige Schülerin eine Einzelfahrkarte zu lösen, spricht der Kläger die subjektive Zumutbarkeit an, die wegen der fehlenden Notwendigkeit des Einsatzes eines privaten Kraftfahrzeugs aus Gründen der Zeitersparnis nicht mehr zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.2005 – 7 B 04.92 – juris Rn. 10).
bb) Damit käme allenfalls ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers für Fahrten seiner Tochter mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Betracht, soweit mittels entsprechender Belege – gekaufter Schülerwertmarken oder Busfahrscheine – nachgewiesen werden könnte, dass diese den Bus auch tatsächlich benutzt hat. Dies ist nicht der Fall.
Nach Art. 3 Abs. 1 SchKrfG trägt der Aufgabenträger die Kosten der notwendigen Beförderung; bei einer Beförderung durch Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs bestimmen sich die Kosten nach den jeweils maßgebenden Tarifen. Kann die Schülerbeförderung wegen Zeitablaufs tatsächlich nicht mehr stattfinden, ist ein auf Kostenerstattung gerichteter Anspruch – unterstellt, dass dieser dem Grunde nach besteht – auf die Erstattung des jeweiligen Tarifs begrenzt. Zudem ist der Aufgabenträger zur Kostenübernahme nur verpflichtet, soweit mittels entsprechender Belege wie gekaufter Schülerwertmarken oder Busfahrscheine nachgewiesen werden kann, an welchen Tagen das öffentliche Verkehrsmittel auch tatsächlich benutzt worden ist. Denn ein Kostenerstattungsanspruch setzt bereits begrifflich voraus, dass die zu erstattenden Kosten tatsächlich angefallen sind. Dass hiervon der Gesetzgeber auch im Schülerbeförderungsrecht ausgeht, zeigt Art. 3 Abs. 2 SchKrfG, wonach in den dort genannten Fällen eine Erstattung der Kosten der notwendigen Beförderung ausschließlich gegen Vorlage insbesondere der entsprechenden Fahrausweise stattfindet (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKrfG). In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass auch in Fallgestaltungen wie der vorliegenden eine Kostenerstattung nur bei Vorlage entsprechender Belege erfolgen kann (vgl. BayVGH, U.v. 9.8.2011 – 7 B 10.1775 – juris Rn.18).
Entsprechende Nachweise über die tatsächliche Inanspruchnahme des Busses für Fahrten zur Schule und zurück kann der Kläger vorliegend nicht erbringen. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat er seine Tochter im streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Auto zur Schule und wieder zurück nach Hause gebracht. Damit besteht der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch schon aus diesem Grunde nicht. Auf die Frage, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Schülerbeförderung der Tochter auch für die Zeiträume sicherzustellen, in denen sie beim Kläger wohnt, obwohl sie bereits Wertmarken von dem für den Wohnsitz ihrer Mutter zuständigen Aufgabenträger erhalten hat und damit möglicherweise der Anspruch auf Schulwegkostenfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und 2, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG insgesamt erfüllt ist, kommt es damit nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr.11 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben