Familienrecht

Zur Anerkennung einer in Gambia ausgesprochenen Adoption

Aktenzeichen  33 UF 32/19

Datum:
23.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10471
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 108 Abs. 1, § 109 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, Abs. 5
Children’s Act 2005Sec. 111 Abs. 1 lit. a, lit. b

 

Leitsatz

1 Nach § 108 Abs. 1 FamFG findet eine ausländische Entscheidung im Inland Anerkennung, wenn die Entscheidung wirksam ist und keiner der in § 109 Abs. 1 Nr. 1 – 4 FamFG aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt. Nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist die Anerkennung dann ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist. Eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung findet nicht statt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Adoption verstößt bereits gegen gambisches Recht, da nach Sec. 111 Abs. 1 lit a und b Children’s Act 2005 eine internationale Adoption durch einen nicht gambischen Staatsangehörigen voraussetzt, dass der Adoptionsbewerber entweder während der letzten 6 Monate seinen Wohnsitz in Gambia hatte oder dass er das Kind für mindestens 36 Monate unter Beaufsichtigung eines Social Welfare Officers in Pflege hatte. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wesentlicher Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts ist, dass eine Adoption dem Kindeswohl entsprechen muss (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

52722 F 12049/17 2018-12-05 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 5.12.2018 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Verfahrenswert wird auf 5000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Anerkennung der in Gambia am 9. November 2017 ausgesprochenen Adoption des Kindes … durch die Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin ist die Tante mütterlicherseits der Angenommenen, die in Deutschland lebt und vier eigene Kinder hat. Die Eltern der Angenommenen sind geschieden. Der Vater lebt in Europa, die Angenommene ist bei ihrer alleinerziehenden Mutter in Gambia aufgewachsen. Die Mutter verstarb 2013. Nach dem Tod ihrer Mutter lebte die Angenommene weiter in Gambia zusammen mit ihren älteren Geschwistern bei ihrer deutlich älteren Schwester, die die Vormundschaft übernahm. Die Beschwerdeführerin kaufte ein Haus für die Angenommene und ihre Geschwister, bezahlte die Schulgebühren und schickt jeden Monat Geld. Einmal jährlich fuhr sie für mehrere Wochen nach Gambia, um sich um die 5 Kinder zu kümmern, wie sie es ihrer Schwester versprochen hatte. Die 4 Geschwister der Angenommenen sind mittlerweile volljährig.
Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen wurde nach § 5 Abs. 3 S. 4 AdWirkG am Anerkennungsverfahren beteiligt und gab am 19.10.2018 eine Stellungnahme ab. Mit Beschluss vom 5.12.2018 wies das Amtsgericht München den Antrag auf Anerkennung der Adoption zurück und begründete dies damit, das Adoptionsverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und die gambische Adoptionsentscheidung verstoße gegen den deutschen ordre public.
Gegen die Entscheidung, der Beschwerdeführerin zugestellt am 11.12.2018, legte diese am 22.12.2018, bei Gericht eingegangen am 2.1.2019, Beschwerde ein. Ein Verstoß gegen gambisches Recht liege nicht vor. Das gambischen Gericht habe überprüft, ob der Adoptionsbewerber entweder während der letzten 6 Monate seinen Wohnsitz in Gambia hatte oder er das Kind für mindestens 36 Monate unter Beaufsichtigung eines Social Welfare Officers in Pflege hatte. Auch liege kein Widerspruch gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts vor. Die Beschwerdeführerin sei persönlich vom gambischen Jugendamt angehört worden. Sie habe auch einen Fragebogen ausgefüllt und Unterlagen vorgelegt. Damit sei eine ausreichende Prüfung der Elterneignung erfolgt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Amtsgericht die in Gambia ausgesprochene Adoption nicht anerkannt.
Nach § 108 Abs. 1 FamFG findet eine ausländische Entscheidung im Inland Anerkennung, wenn die Entscheidung wirksam ist und keiner der in § 109 Abs. 1 Nr. 1 – 4 FamFG aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt. Nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist die Anerkennung dann ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist. Eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung findet nicht statt, § 109 Abs. 5 FamFG.
Wie das Amtsgericht ausführt, verstößt die Adoption bereits gegen gambisches Recht, da nach Sec. 111 Abs. 1 lit a und b Children’s Act 2005 eine internationale Adoption durch einen nicht gambischen Staatsangehörigen voraussetzt, dass der Adoptionsbewerber entweder während der letzten 6 Monate seinen Wohnsitz in Gambia hatte oder dass er das Kind für mindestens 36 Monate unter Beaufsichtigung eines Social Welfare Officers in Pflege hatte. Beides ist hier nicht der Fall.
Davon unabhängig widerspricht die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die fehlende Kindeswohlprüfung wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts.
Wesentlicher Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts ist, dass eine Adoption dem Kindeswohl entsprechen muss(§ 1741 Abs.1 BGB).
Eine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung erfordert, dass die Elterneignung der Annehmenden gegeben ist, ein Adoptionsbedürfnis vorliegt und eine Eltern-Kind-Beziehung bereits entstanden oder ihre Entstehung zu erwarten ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.1.2011 – AZ 25 Wx 28/10).
Eine dem deutschen ordre public genügende Prüfung der Elterneignung der Annehmenden ist hier nicht erfolgt. Die Elterneignungsprüfung kann grundsätzlich nur am Lebensmittelpunkt der Adoptionsbewerber vorgenommen werden, da nur auf diese Weise deren Lebensumstände annähernd vollständig erfasst werden können und auch dort das Kind seinen neuen Lebensmittelpunkt einnehmen wird. Die fachliche Begutachtung kann regelmäßig nur durch eine Fachstelle am Lebensmittelpunkt der Adoptionsbewerber geleistet werden (vgl. BT-Drucksache 14/6011,S. 29). Dabei beschränkt sich die Prüfung nicht nur auf äußerliche Aspekte wie finanzielle Sicherheit, Straffreiheit und Gesundheit, sie umfasst auch Erziehungsfähigkeit, Integrationswilligkeit und -fähigkeit, Fördermöglichkeit, das soziale Umfeld und andere Aspekte des persönlichen Verhältnisses zu einem Kind (AG Köln, Beschluss vom 16.12.2013, AZ 327 F 20/13).
Dass die Annehmende vom gambischen Sozialamt angehört wurde und Führungszeugnisse, Kontoauszüge und dergleichen vorlegen musste, genügt hierbei nicht.
Die Annehmende hat ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Daher hätte eine Eignungsprüfung vor Ort durch eine deutsche Fachstelle erfolgen müssen, die auch das soziale Umfeld, die Erziehungsfähigkeit, Integrationswilligkeit und -fähigkeit der Annehmenden und andere Aspekte des persönlichen Verhältnisses zu einem Kind umfasst. Eine solche Begutachtung der Annehmenden hat hier jedoch nicht stattgefunden.
Die Elterneignungsprüfung kann auch nicht nachgeholt werden. Das Anerkennungsverfahren für ausländische Entscheidungen ist eine formale Prüfung. Es ist nicht Sinn des Anerkennungsverfahrens, das Adoptionsverfahren zu ersetzen, sonst würde das Anerkennungsverfahren einer Wiederholungsadoption gleichkommen (OLG Hamm, Beschluss vom 21.1.2014,Az 11 UF 127/13 m.w.N.).
Hinzu kommt, dass auch ein Adoptionsbedürfnis nicht zu erkennen ist und das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zumindest zweifelhaft erscheint. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen. Unbehelflich ist hierfür, dass – wie die Beschwerde ausführt – die Beschwerdeführerin die Angenommene und deren Familie immer finanziell unterstützt und ihnen auch sonst das Leben erleichtert habe und die Anzunehmende auch weiterhin auf die Unterstützung angewiesen sei. Ein Eltern-Kind-Verhältnis wird im Wesentlichen durch persönliche Bindungen, nicht durch finanzielle Zuwendungen bestimmt. Die persönlichen Kontakte der Beschwerdeführerin zur Annehmenden beschränkten sich auf Besuche von wenigen Wochen im Jahr und Telefonate.
Von der Durchführung eines Termins konnte gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abgesehen werden, da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswerts aus § 42 Abs. 3 FamGKG.


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