Familienrecht

Zur Kostenentscheidung bei Ungleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen

Aktenzeichen  7 WF 681/20

Datum:
29.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2021, 52
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 38 Abs. 3 S. 3, § 81

 

Leitsatz

1. In Kindschaftssachen ist hinsichtlich der Auferlegung der Kostenerstattungspflicht auf einen Beteiligten Zurückhaltung geboten, da diese Verfahren regelmäßig nicht in erster Linie dem Ausgleich elterlicher Interessen, sondern der Suche nach der für das Kind besten Regelung dienen (§ 81 FamFG). (Rn. 8)
2. Ungleiche wirtschaftliche Voraussetzungen der Beteiligten können in der Kostenentscheidung zwar berücksichtigt werden, primär ist schlechten finanziellen Verhältnissen jedoch durch die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe Rechnung zu tragen. (Rn. 10)

Verfahrensgang

1 F 120/20 2020-07-14 Bes AGWEISSENBURGBAY AG Weißenburg

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 14.07.2020 (Kostenentscheidung) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.144,28 € festgesetzt.

Gründe

Die Antragsgegnerin wendet sich in ihrer Beschwerde gegen die Kostenentscheidung in einem Verfahren wegen elterlicher Sorge und Umgang.
I.
Der Antragsteller, Vater des Kindes M…M…, geb. am …, beantragte in seinem Schreiben vom 27.03.2020 beim Amtsgericht Weißenburg zum einen die Festsetzung von Umgangszeiten als auch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für seine Tochter. Das Amtsgericht stellte den selbstverfassten Antrag des Vaters der Antragsgegnerin, der Mutter des Kindes, am 03.04.2020 zu. Diese beantragte mit Schriftsatz vom 14.04.2020 über ihre Verfahrensbevollmächtigte die Zurückweisung beider Anträge. Nach Einholung einer Stellungnahme des Jugendamts des Landratsamts W…fand am 14.07.2020 eine mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht Weißenburg statt, in dem sich die beteiligten Eltern auf eine Umgangsregelung und eine Vorgehensweise bei geplanten Auslandsreisen einigten. In der Vereinbarung legten die Beteiligten fest, dass die Kostenentscheidung durch das Gericht getroffen werden solle.
Mit Beschluss vom 14.07.2020 bestimmte das Amtsgericht Weißenburg, dass die Kosten des Verfahrens und der Vereinbarung gegeneinander aufgehoben werden. Insbesondere sei hierbei auch berücksichtigt worden, dass der Antragsteller anwaltlich nicht vertreten gewesen sei; es würde als unbillig angesehen werden, wenn dieser anteilig die Kosten der anwaltlichen Vertretung der Antragsgegnerin zu tragen hätte. Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 20.07.2020 zugestellt.
Diese legte mit Schriftsatz vom 20.07.2020 für die Antragsgegnerin Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein, welcher am 21.07.2020 beim Amtsgericht einging. Das Gericht habe in seiner Kostenentscheidung nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller seinen Antrag auf elterliche Sorge zurückgenommen habe. Auch könne der Auffassung des Gerichts nicht gefolgt werden. Die Antragsgegnerin sei Vietnamesin und ihre Deutschkenntnisse seien eingeschränkt. Sie habe – was die juristische Ausdrucksweise betreffe – zur Herstellung der Chancengleichheit einer anwaltlichen Vertretung bedurft. Die Kosten des Verfahrens seien daher mindestens hälftig, oder sogar 75 : 25 zu Gunsten der Antragsgegnerin aufzuteilen.
Der Beschwerde half das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.07.2020 nicht ab und legte sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor. Daraufhin äußerte die Antragsgegnerin erneut, dass die Entscheidung nicht nachvollziehbar sei, da der Antragsteller als Vertriebsleiter eloquent und redegewandt sei, Deutsch seine Muttersprache sei und er sich in den hiesigen Strukturen auskenne. Die Antragsgegnerin sei Vietnamesin, spreche nur gebrochen Deutsch und fühle sich in Gerichtssituationen eingeschüchtert und hilflos. Zwar sei im Termin ein Vergleich geschlossen worden, der Antragsteller habe jedoch nur wenig nachgegeben und die Vereinbarung sei auch auf das Mitwirken der anwaltschaftlichen Vertretung zurückzuführen. Zudem verdiene die Antragsgegnerin als Hauswirtschaftshelferin viel weniger als der Antragsteller.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 58 ff. FamFG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Im Gegensatz zu den Kostenregelungen der §§ 91 ff. ZPO eröffnet § 81 FamFG einen Ermessensspielraum, denn die Kostenentscheidung ist nach billigem Ermessen zu treffen. Die Ermessensentscheidung des Amtsgerichts ist nachvollziehbar, umfassend und auch durch die Argumente der Antragsgegnerin nicht anzugreifen.
Die Entscheidung, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben, bedeutet, dass die Beteiligten die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (vgl. § 92 Abs. 1, S.2 ZPO). Nach beinahe allgemeiner Meinung gilt in Verfahren der elterlichen Sorge (sowie in allen anderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die keine echten Streitsachen sind) der Grundsatz, wonach bei der Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, besondere Zurückhaltung geboten ist (vgl. hierzu OLG Brandenburg FamRZ 2016, 487). Der Gedanke der Zurückhaltung bezieht sich nicht allein auf die Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten. Vielmehr führt er gerade in Kindschaftssachen regelmäßig dazu, dass die Gerichtskosten zwischen den Beteiligten hälftig zu teilen sind. Diese Zurückhaltung ergibt sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 81 FamFG. Wie sich nämlich an den Regelbeispielen in § 81 Abs. 2 FamFG zeigt, bedarf es in der Regel eines groben Verschuldens, um die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten zu rechtfertigen. Bei Kindschaftssachen kommt vor allem dem Gesichtspunkt besondere Bedeutung zu, dass solche Verfahren nicht in erster Linie dem Ausgleich elterlicher Interessen dienen, sondern der Suche nach der für das Kind besten Regelung.
Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlass, einen Ausnahmefall anzunehmen. Zu Recht weist das Amtsgericht darauf hin, dass ein überwiegendes Obsiegen einer Partei nicht erkennbar sei. Es verhält sich auch nicht so, dass der Antragsteller seinen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurückgenommen hat. Vielmehr wurde auch dieses Anliegen durch Annäherungen in Ziff. 1 der Vereinbarung gelöst. In dieser haben sich beide Elternteile in ihren Standpunkten einander genähert.
Es ist möglich, dass sich die Antragsgegnerin durch die Vertretung durch eine Anwältin sicherer fühlte. Allerdings zeigt der bewusste Verzicht des Antragstellers auf eine anwaltschaftliche Vertretung auch, dass er nicht darauf aus war, seine von der Antragsgegnerin behauptete Überlegenheit – in sprachlicher wie auch in finanzieller Hinsicht – noch zu verstärken. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Schlechten finanziellen Verhältnissen ist dabei jedoch primär durch die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe Rechnung zu tragen, deren Voraussetzungen nicht unterlaufen werden dürfen (vgl. Zöller/ Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 81 FamFG, Rn. 6). Einen Verfahrenskostenhilfeantrag hatte die Antragsgegnerin nicht gestellt.
Die Ermessensentscheidung des Amtsgerichts bedarf aus diesen Gesichtspunkten keiner Korrektur.
III.
Die Kostenentscheidung des Senats beruht auf § 84 FamFG. Anders als im Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge und zum Umgang war im Beschwerdeverfahren allein die Frage der Kostentragung zu klären, weshalb die besonderen Gründe zur Zurückhaltung bei der Auferlegung der Kosten auf einen der Beteiligten hier nicht vorliegen.
IV.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Interesse der Antragsgegnerin an der von ihr angestrebten Kostenentscheidung. Diese errechnet sich bei einem Verfahrenswert von 6.000 Euro aus einer 1,3 Verfahrensgebühr, einer 1,2 Termingebühr und einer 1,0 Einigungsgebühr zuzüglich der Postpauschale und der Mehrwertsteuer (1.498,21 €) sowie der Hälfte der Gerichtsgebühr und der gerichtlichen Auslagen (82,50 €). Erstrebt hat die Antragsgegnerin eine Kostenquote von 25 Prozent, also eine Kostenbeteiligung in Höhe von 395,18 €. Nach der ausgesprochenen Kostenentscheidung hat sie Kosten in Höhe von 1.539,46 € zu tragen. Der Verfahrenswert war daher in Höhe der Differenz von 1.144,28 € festzusetzen.
V.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Der Beschluss ist deshalb mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.


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