Familienrecht

Zusammenleben der Elternteile, Unaufklärbarkeit des Sachverhalts, Materielle Beweislast, Rückforderungsverfahren, Überprüfungsverfahren

Aktenzeichen  B 8 K 19.596

Datum:
28.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53623
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UVG § 5 Abs. 1
UVG § 1 Abs. 3
SGB X § 44

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Das Nichterscheinen des ordnungsgemäß geladenen Zeugen E … G … zur mündlichen Verhandlung (§ 98 VwGO i.V.m. § 377 ZPO) hindert das Gericht nicht an einer Entscheidung, da auch ohne dessen Aussage eine hinreichende Grundlage für eine Entscheidung besteht (s.u.).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig. Statthaft ist die Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO. Die Klägerin wendet sich gegen den ablehnenden Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 17.12.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 28.05.2019 und begehrt die Verpflichtung der Behörde zur Aufhebung des Rückforderungsbescheids vom 30.03.2017.
Ein gerichtliches Vorgehen gegen den Rückforderungsbescheid 30.03.2017 im Wege der Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO scheidet aus (§ 86 Abs. 3, § 88 VwGO). Der Rückforderungsbescheid ist – entgegen der Ansicht der Klägerin – mit Verstreichenlassen der Widerspruchs- bzw. Klagefrist bestandskräftig geworden. Er ist der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 01.04.2017 zugegangen (Bl. 466 d. Akten). Bis zum Ablauf der jeweils einmonatigen Widerspruchs- bzw. Klagefrist am 01.05.2017, 24.00 Uhr, (§ 70 Abs. 1 VwGO bzw. § 74 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1 Abs. 5 BayVwVfG, Art. 3 VwZVG, § 57 VwGO, § 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) hat die Klägerin soweit ersichtlich und vorgetragen weder Widerspruch noch Klage erhoben. Die dokumentierte telefonische Mitteilung der Klägerin bei der Behörde am 10.05.2017 (Bl. 469) – und erst recht alle danach bei der Behörde eingegangenen schriftlichen Äußerungen – erfolgten eindeutig verspätet. Darüber hinaus erfüllt eine telefonische Rückmeldung nicht die Formerfordernisse des § 70 Abs. 1 VwGO. Darauf wurde die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung(Bl. 458 d. Akten) auch hingewiesen.
II.
Die Klage gegen den Überprüfungsbescheid vom 17.12.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.05.2019 ist unbegründet. Dieser Bescheid ist nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Klägerin hat in der Sache keinen Anspruch auf Rücknahme des Rückforderungsbescheides der Beklagten vom 30.03.2017, in dem sie verpflichtet wird, für ihren Sohn … im Zeitraum vom 01.05.2007 bis 30.09.2008 bezogene Unterhaltsvorschussleitungen i.H.v. 2.129,00 EUR zurückzuzahlen.
1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 44 Abs. 1 SGB X, der den hier nicht vorliegenden Fall von zu Unrecht nicht erbrachten Sozialleistungen oder zu Unrecht erhobenen Beiträge betrifft.
2. Die Voraussetzungen eines vorliegend in Betracht kommenden Anspruchs aus § 44 Abs. 2 SGB X („Im Übrigen“) liegen nicht vor. Nach den Erkenntnissen der mündlichen Verhandlung kann eine Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheids vom 30.03.2017 nicht festgestellt werden.
Es ist weder festzustellen, dass die Behörde bei Erlass dieses Bescheids das Recht unrichtig angewandt hat, noch anzunehmen, dass sie von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist (entsprechend § 44 Abs. 1 Satz SGB X).
2.1 Die Beklagte hat ihren Rückforderungsbescheid in nicht zu beanstandender Weise auf § 5 Abs. 1 UVG gestützt. Es erweist sich jedenfalls nicht als unrichtig (s. 2.2), dass die Behörde im Rückforderungsbescheid davon ausgegangen ist, dass die Klägerin mit dem Kindsvater im Zeitraum vom 01.05.2007 bis 30.09.2008 zusammengelebt hat – und deshalb die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistungen an die Klägerin für ihren Sohn … nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 UVG nicht vorgelegen haben. Zu den rechtlichen Voraussetzungen ist zunächst auszuführen:
Soweit nach § 5 Abs. 1 UVG die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen, so hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt oder der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er (1.) die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen hat, oder (2.) gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wer bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt. Ein Anspruch auf Unterhaltsleistung besteht nicht, wenn dieser Elternteil mit dem anderen Elternteil zusammenlebt, vgl. § 1 Abs. 3 Var. 1 UVG.
Ein Zusammenleben der beiden Elternteile ist anzunehmen, wenn sie in dauernder häuslicher Gemeinschaft leben, jedoch nicht erst, wenn sie eine eheähnliche Lebensgemeinschaft oder eine Wohn- oder Wirtschaftsgemeinschaft bilden (vgl. Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes – VwUVG -, in der ab 01.09.2020 geltenden Fassung, Nr. 1.10.1). Ein Zusammenleben ist zu bejahen, wenn die Eltern in einer Weise Kontakt haben, dass unter Würdigung der Gesamtumstände von einer faktisch vollständigen Familie auszugehen ist. Entscheidend dabei kann beispielsweise sein, dass der andere Elternteil mehrmals wöchentlich in der Wohnung des alleinerziehenden Elternteils übernachtet und beide Elternteile für das Kind sorgen (vgl. OVG Saarland, U.v. 06.01.2011 – 3 D 137/10).
2.2 Das Gericht kann sich aufgrund des Gesamteindrucks unter Berücksichtigung des Verhaltens der Akteure keine hinreichende Überzeugung davon bilden (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass der von der Behörde ihrem Rückforderungsbescheid zugrunde gelegte Sachverhalt im Sinne von § 44 SGB X unrichtig ist. Es bestehen nicht ausräumbare erhebliche Zweifel am Vorliegen eines Sachverhalts, nach dem ein „Zusammenleben“ im rechtlichen Sinne (s. 2.1) zu verneinen wäre.
Dies geht im Rückforderungsverfahren nach § 44 SGB X zulasten der Klägerin. Eine verbleibende „Unaufklärbarkeit“ von Tatsachen – nach Ausschöpfung aller geeigneten und zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten seitens des Gerichts – geht grundsätzlich zulasten des Beteiligten, der aus ihnen eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.2016 – 2 A 2.16 – NVwZ 2017, 232). Wird ein Anspruch auf Leistung geltend gemacht, trifft den Anspruchsteller die materielle Beweislast für die anspruchsbegründenden Umstände (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 6).
Die Klägerin macht im o.g. Verfahren einen Anspruch auf Rücknahme des Rückforderungsbescheids vom 30.03.2017 der Beklagten geltend (§ 44 Abs. 2 SGB X). Für diesen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch obliegt ihr nach den obigen Ausführungen die materielle Beweislast. Der Anspruch wird maßgeblich auf die Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheides gestützt, der sich inhaltlich auf ein – entgegen der Angaben der Klägerin im behördlichen Verfahren – anzunehmendes Zusammenleben der Elternteile im streitgegenständlichen Zeitraum bezieht. In diesem Fall wäre die Tatsache, dass die Elternteile nicht zusammenleben, der Bescheid mithin auf einen fehlerhaften Sachverhalt beruht, anspruchsbegründend, sowohl im Hinblick auf die für die Klägerin günstige Folge des § 44 Abs. 2 SBG X als auch im Hinblick auf die günstige Folge des „Behaltendürfens“ aufgrund eines weiterhin bestehenden Leistungsanspruchs für diesen Zeitraum. Als anspruchsbegründend wäre wiederum die Tatsache anzusehen, dass die Eltern nicht zusammenleben (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 UVG).
2.3 Nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts kann die Klägerin auch nach Sachaufklärung die erheblichen Zweifel an einem für sie günstigen Vortrag nicht ausräumen. In Anbetracht der nach einem Zeitraum von über zwölf Jahren noch vorzufindenden Beweislage ist vernünftigerweise und im erheblichen Umfang daran zu zweifeln, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2007 bis zum 30.09.2008, wie von ihr im Antrag vom 25.04.2007 ursprünglich angegeben, nicht nach den oben beschriebenen rechtlichen Maßstäben mit dem Kindsvater zusammengelebt hat.
2.3.1 So erwachsen aus dem Ermittlungsbericht des Sozialamts … vom 05.03.2008 zu einem Hausbesuch am 04.03.2008 – und damit inmitten des streitgegenständlichen Zeitraums -starke Zweifel, dass die Klägerin nicht mit dem Kindsvater zusammenlebte (vgl. Akte des Jobcenters Stadt … ). Die Ermittler fanden an diesem Tag den Kindsvater schlafend in der Wohnung der Klägerin. Daneben konnten Hygieneartikel, Bekleidung und Schlafgelegenheiten die Annahme der Ermittler bestätigen, dass sich der Kindsvater dauerhaft bei der Klägerin aufhalte.
Aus dem Bericht wird auch deutlich, dass die Klägerin versuchte, die damalige Situation zu verschleiern, indem sie den anwesenden und sich schlafend stellenden Kindsvater gegenüber den Behörden erst als ihren Bruder und später als ihren Cousin bezeichnete, bis man den Ausweis zur Identifikation herausverlangte. Sie versuchte dies damit zu erklären, dass sie eine große Verwandtschaft habe, die gelegentlich bei ihr schlafe.
Anzumerken ist, dass die Klägerin im Zuge dessen gegenüber der Arbeitsagentur Stadt … am 20.03.2008 einräumte, dass sich der Kindsvater regelmäßig um den Sohn kümmere, diesen beaufsichtige, Lebensmittel und Geschenke mitbringe und er sich besuchsweise bei ihr aufhalte (Bl. 480 d. Akten sowie Akte des Jobcenters Stadt … ), während sie im gleichen Zeitraum Unterhaltsvorschuss unter der Angabe bezogen hat, dass das Kind nicht regelmäßig vom anderen Elternteil betreut werde (Bl. 7 d. Akten).
In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin auf Vorhalt an, dass die Missverständnisse auf Kommunikationsschwierigkeiten zurückzuführen gewesen seien. Der Kindsvater habe bekleidet im Bett gelegen. Wie die Ermittler zu dem Ergebnis gekommen seien, dass sich Gegenstände des Kindsvaters in der Wohnung befunden hätten, könne sich die Klägerin nicht erklären, da die Ermittler sich nur in ihrer Küche aufgehalten und auch keine Schränke geöffnet hätten. Diesen Vortrag erachtet das Gericht als unplausibel und nicht ausreichend, um die durch den Ermittlungsbericht aufgeworfenen Zweifel auszuräumen, zumal die Klägerin eingesteht, dass der Kindsvater bei ihr gewesen sei.
2.3.2 Die Klägerin selbst konnte im gerichtlichen Verfahren nicht widerspruchsfrei vortragen, dass sie nicht mit dem Kindsvater zusammengelebt hätte. Bei Antragstellung hatte die Klägerin angegeben, dass der Kindsvater nicht bei ihr lebe und den Sohn auch nicht regelmäßig betreue (Bl. 7 ff. d. Akten). Im späteren behördlichen Verfahren betreffend die Rückforderung erwähnte sie erst im Widerspruchsverfahren einen neuen Partner in diesem Zeitraum. Mit Schriftsatz vom 25.07.2019 sowie vom 08.10.2019 ließ sie im gerichtlichen Verfahren vortragen, dass sie seit März 2007 mit ihrem neuen Lebensgefährten … M …zusammengelebt habe. Sie warf die (wohl rhetorische) Frage auf, wie sie theoretisch und praktisch mit zwei Männern hätte zusammenwohnen sollen. Nachdem das Gericht nach Beiziehung der Akten des Jobcenters der Stadt … die Klägerin mit dem Bericht eines Hausbesuches des Sozialamts vom 04.03.2008 konfrontierte, bei dem man den Kindsvater schlafend in ihrer Wohnung vorgefunden hatte, gab sie mit Schriftsatz vom 09.07.2020 an, dass niemand bei ihr gewohnt habe. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin wiederum, dass sie seit dem Sommer 2007 mit Herrn … M … zusammen gewesen sei und seit 2011 mit ihm zusammengewohnt habe. 2007 sei Herr M … in 300 km Entfernung wohnhaft gewesen und habe sie in jeder freien Minute (Wochenenden, Feiertage und Urlaub) besucht. Zuletzt räumte sie ein, dass der Kindsvater im streitgegenständlichen Zeitraum regelmäßig in ihrer Wohnung übernachtet habe (1-2-mal pro Woche) und sich um das Kind gekümmert habe. So habe der Kindsvater oftmals Geschenke gebracht, den Sohn ein bis zweimal die Woche zum Spazieren mitgenommen und auf das Kind aufgepasst, wenn die Klägerin Termine habe wahrnehmen müssen.
Damit beantwortete sie in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht nur ihre vormals im Prozess aufgeworfene Frage, wie sie theoretisch und praktisch mit zwei Männern hätte zusammenwohnen sollen, sondern gesteht auch einen Sachverhalt zu, der sich bereits sehr nah an der (unteren) Schwelle eines „Zusammenlebens“ mit dem Kindsvater im Sinne der oben genannten Maßstäbe bewegt (s. 2.1).
Das Gericht erkennt zudem in Anbetracht der Vielzahl an Unstimmigkeiten im Verhalten der Klägerin – wie sich auch aus dem behördlichen Verfahren und den beigezogenen Akten andeutet (s.o.) – nicht die erforderliche Sorgfalt zur Aufklärung von Angelegenheiten, die maßgeblich ihren Einwirkungs- und Erfahrungsbereich betreffen. Es entsteht der Eindruck, dass die Klägerin die Vorkommnisse zu verschleiern versucht, wo dies mangels Nachweisen oder Einblicken durch Behörden oder das Gericht für sie möglich erscheint. So ließ die Klägerin im Klageschriftsatz vom 25.06.2018 durch ihren Bevollmächtigten vortragen, dass im maßgeblichen Zeitraum „sich der Vater des Kindes in der Ukraine aufhielt“ (S. 5 des Schriftsatzes vom 25.06.2018). In der mündlichen Verhandlung – nach Vorhalt des Gerichts – erklärte sie, dass dies auf ein Missverständnis mit ihrem Bevollmächtigten zurückzuführen sei und sie Herrn „Go …“ gemeint habe. Allerdings erscheint dann nicht nachvollziehbar und ist ihr anzulasten, dass sie nur auf Vorhalt von ihr ausgehende und von dritter Seite entdeckte falsche Tatsachenbehauptungen reagiert.
2.3.3 Die Angaben des Kindsvaters, der als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vernommen worden ist, tragen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht bei. Das Gericht erachtet den vernommenen Zeugen in weiten Teilen als unglaubwürdig. So erscheint bereits lebensfremd, dass der Kindsvater behauptet, im streitgegenständlichen Zeitraum jeden Tag mit seinem Sohn spazieren gewesen zu sein oder an seinem ersten Geburtstag nichts mit dem Kind unternommen zu haben, außer Spazieren und anschließend auf die Arbeit zu gehen. Hingegen gibt die Klägerin an, am Geburtstag des Kindes im Kreis ihrer Familie gefeiert zu haben. Widersprüchlich und den Zeugen unglaubhaft erscheinen lässt allerdings die Tatsache, dass er vor Gericht nun angibt, bis in das Jahr 2009, zum zweiten Geburtstag des gemeinsamen Sohnes, mit der Klägerin zusammengewohnt zu haben, während er gegenüber der Behörde angegeben hat, bis zum 01.10.2008 mit der Klägerin in häuslicher Gemeinschaft gelebt zu haben (Bl. 201 d. Akten). Aus den Gerichts- und Behördenakten geht zudem hervor, dass der Kindsvater durch seine Anwälte hat mitteilen lassen, dass sich die Klägerin im September 2008 von ihm getrennt habe (Bl 475 ff. d. Akten). Darüber hinaus bleibt der Kindsvater eine schlüssige Erklärung schuldig, weshalb er zunächst gegenüber Behörden angegeben hat, nicht mit der Klägerin zusammen zu wohnen, während er später nun genau das Gegenteil behauptet. Vielmehr zeigen seine Einlassungen, dass er stets gewillt ist, eine jeweils für ihn günstige Aussage abzugeben. So habe er die früheren Erklärungen auf Vorhalt des Gerichts damals so abgegeben, um der Klägerin damit einen Gefallen zu machen.
Allerdings räumen die Aussagen des Kindsvaters nicht die gewichtigen Zweifel daran aus, dass die Klägerin gerade nicht mit dem Kindsvater in einer Art faktischen Familie zusammengelebt hat. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die tatsächlichen Geschehnisse im betreffenden Zeitraum irgendwo zwischen den Angaben der Klägerin als Kindsmutter (regelmäßiges Übernachten 1-2 pro Woche; gelegentliche Sorge, Naturalunterhalt, Geschenke), die davon nur auf Vorhalt und nur soweit nötig berichtet, und den Angaben des Kindsvaters (tägliches Kümmern und Übernachten), der seine Erklärungen jeweils an sein aktuelles Interesse anpasst, liegen könnten und sich damit in einem Bereich bewegen, in dem sich ein Zusammenleben nach rechtlichen Maßstäben (s. 2.1) nicht ausschließen lässt.
2.3.4 Die von der Klägerin benannten und allesamt in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen sind zur Sachaufklärung mangels glaubhafter Schilderungen nicht hilfreich. Dazu sei vorab angemerkt, dass es sich dabei um ihren jetzigen Lebensgefährten, ihren Schwager sowie ihre beiden Eltern handelt, die zum Teil das Bild eines – alkoholmissbrauchenden und gewalttätigen – Kindsvaters zeichnen, der weder seinen Sohn noch die Klägerin je beachtlich unterstützt habe. Dies erscheint allerdings merkwürdig und steht gewissermaßen im Widerspruch zum Vortrag der Klägerin, dass der Kindsvater sich um den Sohn gekümmert und regelmäßig bei ihr übernachtet habe. Es lässt sich schon deshalb der Eindruck nicht verwehren, dass die von der Klägerin benannten Zeugen ihre Aussagen an einen für die Klägerin vermeintlich günstigen Prozessausgang anzupassen versuchten.
Weiter sei angemerkt, dass diese Zeugen nur punktuelle Einsichten in die Wohn- und Lebensverhältnisse der Klägerin gehabt haben können. Allerdings erscheint es dann sehr merkwürdig, dass die Zeugen durch ihre angegebenen Besuchszeiten fast den gesamten Alltag der Klägerin abdecken (ihr heutiger Lebensgefährten habe sie am Wochenende, im Urlaub und an den Feiertagen, die Familie ihres Schwagers zwei bis dreimal die Woche und die Mutter jeden Tag besucht), ohne dass irgendjemand genauer von der Anwesenheit des Kindsvaters berichten konnte, der nach Angaben der Klägerin allerdings regelmäßig ein bis zweimal die Woche ohne Vorankündigung nach dem Schichtdienst, teilweise erst Frühmorgens, dort übernachtet, Geschenke und Lebensmittel mitgebracht und bei Bedarf auch auf den Sohn aufgepasst habe. Dazu im Einzelnen:
a. Die Angaben des Zeugen …M …, der Lebensgefährte der Klägerin, zu den Lebensverhältnissen der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum sind unglaubhaft. Sie decken sich zwar weitestgehend zum Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung. So beschreiben Klägerin und Herr M … ein Geschehen der Ereignisse, in dem sie sich bereits aus ihrer Zeit in Kasachstan gekannt, in der Bundesrepublik zunächst telefonisch kontaktiert hätten und seit dem Sommer 2007 zusammen gewesen wären. Dabei habe Herr M … die Klägerin trotz der Entfernung an (fast) jedem Wochenende, Feiertagen und Urlauben mit dem Auto besucht und bei ihr übernachtet. Gleichzeitig habe er während dieser ganzen Zeit nichts Genaueres von Besuchen des Kindsvaters mitbekommen, diesen auch nie getroffen oder gesehen und auch nie genauer mit der Klägerin darüber gesprochen.
Der Zeuge erscheint im Gesamteindruck insgesamt nicht in der Lage, etwas Stichhaltiges zur Aufklärung der tatsächlichen Ereignisse im streitgegenständlichen Zeitraum beizutragen. Der Verdacht eines tendenziösen Aussageverhaltens erhärtet sich auch dadurch, dass er angab, sich daran erinnern zu können, zusammen mit der Familie der Klägerin den ersten Geburtstag des Kindes … (im Februar 2008) in ihrer Wohnung gefeiert zu haben, während die Klägerin selbst im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung angegeben hat, ohne Herrn .. M … bei ihren Eltern den Geburtstag gefeiert zu haben, da sie zu dieser Zeit einander noch nicht vorgestellt gewesen seien.
b. Der als Zeuge vernommene Schwager der Klägerin, Herr … S …, kann den Sachverhalt zur damaligen Zeit nicht mehr hinreichend rekonstruieren, sodass sich das Gericht daraus – auch nicht in Zusammenspiel mit den weiteren Zeugenaussagen – eine Überzeugung von den Geschehnissen bilden konnte. Vielmehr wird aus der Befragung im Ansatz deutlich, dass sich der Kindsvater bis zu einem Streit wohl regelmäßig bei der Klägerin aufgehalten und sich auch um den gemeinsamen Sohn gekümmert habe. Der Zeuge habe ihn einmal antreffen können und mit ihm kommuniziert, soweit dies aufgrund der Sprachbarrieren überhaupt möglich gewesen sei. Der Kindsvater habe sich jedenfalls bis zu einem Streit, weswegen eine Trennung erfolgt sein soll, um das Kind … gekümmert. Allerdings wirkte der Zeuge hinsichtlich einer genauen Angabe zu einem Zeitpunkt dieses Streits auch nach weiteren Nachfragen deutlich verunsichert. Der vom Zeugen nachgeschobene Zeitraum „vor Mai 2008“ erscheint für ihn selbst nach weiteren Nachfragen nicht erklärbar und für das Gericht im Gesamteindruck nicht glaubhaft.
Dass sich der Zeuge nach derart langer Zeit genau daran erinnern könne, dass bei Besuchen keine Gegenstände vom Kindsvater herumgelegen und sich auch keine entsprechenden Hygieneartikel in der Wohnung befunden hätten, kann dem Zeugen nicht geglaubt werden; zumal er ansonsten Erinnerungslücken beschrieb. Der Zeuge gab an, keinerlei Angaben mehr zum baulichen Zustand der Wohnung machen zu können, die z.B. die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst als stark ausgekühlt oder der Vater der Klägerin als extrem verschimmelt beschrieben haben, oder eine zeitliche Einordnung des Streits geben zu können. Auch könne er sich nicht mehr daran erinnern, wie sich der Kindsvater um seinen Sohn … gekümmert habe. Zudem konnte Herr S … weder Zeitpunkt noch Zeitraum noch Jahreszeit eines Streits, zu dem er gerufen worden sei, rekonstruieren. Dies ist ihm nach einem derart langen Zeitraum zwar nicht anzulasten; jedoch lässt es seine punktuellen Detailkenntnisse zu nicht vorhandenen Hygieneartikeln oder seine Schlussfolgerung, der Kindsvater habe sich allenfalls stundenweise bei der Klägerin aufgehalten, deutlich infrage stellen, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb sich der Zeuge gerade solche Details in der Vergangenheit überhaupt hätte besonders einprägen sollen.
Geglaubt werden kann diesem Zeugen jedenfalls, dass er das Geschehen aus den Augen verloren hat, nachdem seine Tochter im Juli 2008 geboren wurde. Bis dahin aber hatte er zumindest gelegentliche Einblicke in die Verhältnisse der Klägerin erhalten und auch von der Anwesenheit und der Sorge des Kindsvaters mitbekommen. Gerade diese phasenweisen Einlassungen des Zeugen erhalten die Zweifel an der Annahme aufrecht, die Klägerin habe nicht mit dem Kindsvater nach den oben beschriebenen Maßstäben zusammengelebt.
c. Der Vater der Klägerin, …Sch …, kann im streitgegenständlichen Zeitraum keine belastbaren Angaben machen. Seine Aussage wirkt tendenziös zugunsten seiner Tochter. Er habe sich mit seiner Frau in dieser schweren Zeit um seine Tochter und das Kind gekümmert. Er habe den Kindsvater kein einziges Mal in der Wohnung seiner Tochter getroffen. Der Kindsvater habe sich „überhaupt nicht gekümmert“.
Den Zeugen unglaubwürdig erscheinen lässt zudem die Angabe, dass er den ersten Geburtstag seines Enkels (Februar 2008) im Kreise der Familie in der Wohnung der Klägerin zusammen mit Herrn … M … gefeiert habe. Diese Aussage deckt sich zwar mit derjenigen des Zeugen … M …, der bereits vorher als Zeuge aus dem Saal entlassen worden war; allerdings deckt sie sich nicht mit der Angabe der Klägerin, die sich während der gesamten Verhandlung im Saal befand und bereits vorher angegeben hatte, den ersten Geburtstag ihres Sohnes bei ihren Eltern ohne Herrn … M … gefeiert zu haben. Schwerer wiegt noch, dass sich diese Version noch nicht einmal mit seiner eigenen Aussage zum zeitlichen Auftauchen des Herrn … M … deckt: Dass Herr … M …die Klägerin erstmals besucht habe, als der Sohn … bereits ein Jahr gewesen sei, habe der Zeuge eigenen Angaben zufolge nicht selbst, sondern nur vom Hörensagen seiner Tochter mitbekommen. Weiter gab er an, dass Herr … M … vor 10 bis 11 Jahren aufgetaucht wäre, damit also frühestens 2009 und nicht im streitgegenständlichen Zeitraum.
d. Die Mutter der Klägerin, Frau … Ku …, erachtet das Gericht als unglaubwürdig. Ihre Angaben wirken ausnahmslos übertrieben, soweit sie die Verhältnisse und Umstände zwischen der Klägerin und dem Kindsvater im streitgegenständlichen Zeitraum beschreibt. Nach Überzeugung des Gerichts versucht sie wie schon der Vater der Klägerin die damaligen Verhältnisse derart zu überzeichnen und den – aus ihrer Sicht für ihre Tochter – günstigen Momenten Ausdruck zu verleihen, dass ihre Angaben schlichtweg nicht zur Aufklärung beitragen können. So sei sie fast jeden Tag in der Wohnung der Klägerin gewesen und habe den Kindsvater „nie gesehen“ und wenn doch, sei er jedenfalls „nie nüchtern“ gewesen – so sei sie ihm einmal auf Straße begegnet. Ihr nun 13-jähriger Enkel habe vom Kindsvater „nie ein Geschenk erhalten“. Über Besuche vom Kindsvater in der Wohnung der Tochter wisse sie nichts. Sie habe mit Ihrer Tochter nur darüber gesprochen, dass der Kindsvater ständig betrunken sei und leugne, dass es sein Kind sei. Dem Kindsvater habe man das Kind als Trinker nicht anvertrauen können. Einmal habe sie mitbekommen, dass er in der Wohnung gewesen sei und der Klägerin auf den Kopf geschlagen habe, während diese das Kind auf dem Arm hielt.
Das Gericht verbleibt in Anbetracht dieser Schilderungen ratlos, wenn die Klägerin den Kindsvater in der mündlichen Verhandlung als „eigentlich keinen schlechten Menschen“ beschreibt, weil er bei Terminen auf den gemeinsamen Sohn aufgepasst, ihn regelmäßig zum Spazieren mitgenommen und Geschenke gemacht habe, während sich die Mutter der Klägerin an solche Dinge gar nicht erinnern konnte.
Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht letztlich auch, dass sie angab, sich an den ersten Geburtstag mit dem Enkelsohn erinnern zu können, bei dem sie – wie sich die zeitlich vorher aussagenden Zeugen … M … und … Sch … auch erinnert haben wollen (s.o.) – in der Wohnung der Klägerin zusammen mit Herrn … M … gefeiert zu haben, obwohl die Zeugin vorher – genau wie der Vater der Klägerin – in Widerspruch dazu angegeben hat, dass sie erstmals von Besuchen von … M … mitbekommen habe, als ihr Enkelsohn bereits ein Jahr alt gewesen sei. Wie bereits ausgeführt, deckt sich diese Aussage auch nicht mit dem Vortrag der Klägerin, den ersten Geburtstag bei ihrer Mutter – der Zeugin – und ohne … M … gefeiert zu haben (s.o.).
2.3.5 Schließlich erscheint auch der – nicht von der Klägerin benannte und sie im behördlichen Verfahren „belastende“ – Zeuge …Go …nach Überzeugung des Gerichts unglaubwürdig. Anlass der Zeugenbefragung des Herrn Go … war seine in den Behördenakten befindliche handschriftliche Erklärung vom 04.05.2009 zu den Vorgängen in der Wohnung der Klägerin (Bl. 451 d. Akten). Danach könne er bezeugen, dass der Kindsvater mit der Klägerin im betreffenden Zeitraum in deren Wohnung gelebt habe.
Der Zeuge Go … vermochte in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht mehr zur Wahrheitsfindung beizutragen. Seine Aussagen bleiben diffus und ohne Bezug zum streitgegenständlichen Zeitraum. Er könne zwar sagen, dass der Kindsvater mit der Klägerin zusammengewohnt habe, aber nicht wie lange. Er habe nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nur bis zum Jahr 2006 in der …gewohnt. Er sei damals ein Arbeitskollege des Kindsvaters gewesen und habe die Klägerin in ihrer Wohnung zusammen mit dem Kindsvater einmal besucht, als die Klägerin schwanger gewesen sei. Eventuell habe er die beiden auch ab und zu am Wochenende besucht. Von der Geburt des Kindes habe er nichts mitbekommen. Ansonsten habe er nach seinem Wegzug wenig Kontakt gehabt und auf der Arbeit nicht mit dem Kindsvater über dessen Familien- und Wohnsituation gesprochen.
Auch auf Nachfragen des Gerichts konnte der Zeuge nicht erklären, wie es dann zu seiner verschriftlichen Aussage vom 04.05.2009, die dazu im Widerspruch steht, gekommen sei. Er selbst wisse weder etwas von Existenz noch vom Zustandekommen dieses Schreibens. Es könne sich dabei um seine Handschrift und auch seine Unterschrift handeln. Auch – eine am Richtertisch durchgeführte – Unterschriftsprobe, die zu den Akten genommen wurde, spricht nach seinen Angaben nicht gegen eine mögliche Urheberschaft. Wie es zu den inhaltlichen Verwerfungen mit seiner heutigen Aussage hinsichtlich seiner Verweildauer in der Wohnung (von 2006 bis 2007) oder der Intensität der Kontakte (befreundet und häufige Besuche in der Wohnung) gekommen ist, konnte oder wollte der Zeuge auch nicht erklären.
Nach Vernehmung des Zeugen … Go … kann der schriftlichen Mitteilung, wie aus den Behördenakten ersichtlich (Bl. 451 d. Akten) auch kein maßgeblicher Aussagewert mehr zukommen. Allerdings verbleibt es aufgrund des äußerst diffusen Gesamtbildes bei erheblichen Zweifel am Vortrag der Klägerin, nicht mit dem Kindsvater im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen gelebt zu haben.
2.3.6 In Anbetracht der Beweislage ist nicht zu erwarten, dass der nicht erschienene, ordnungsgemäß geladene, Zeuge E … G …, der Vater des Kindsvaters, noch einen erheblichen Beitrag zur Entwirrung der Situation hätte leisten können. Es bestehen auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte, dass der Zeuge über die, die Klägerin belastende, schriftliche Äußerung in den Behördenakten hinaus durch die Wiedergabe eigener Erinnerungen die Zweifel an dem Nicht-Zusammenleben noch hätte ausräumen können. Eine weitere Sachaufklärung durch Vernehmung des Zeugen drängte sich deshalb auch nicht mehr auf. Weder die Kläger- noch die Beklagtenseite äußerten sich dazu gegenteilig.
Die handschriftlich verfasste Erklärung des E … G … zum bestätigten Zusammenleben der Klägerin mit dem Kindsvater, die den Behördenakten zu entnehmen ist (Bl. 452 d. Akten), kann in Anbetracht des Gesamtbildes auch nicht zur Aufklärung des Geschehnisses beitragen und weniger noch die Zweifel am Vortrag der Klägerin im Gesamteindruck ausräumen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass den Erklärungen des Vaters auch durch sein Nicht-Erscheinen in der mündlichen Verhandlung kein wirklich belastbarer Aussagewert zukommen kann. Die genannte Erklärung erfolgte zudem im direkten Zusammenhang mit der Abwehr von Regressansprüchen der Behörde gegenüber seinem Sohn, dem Kindsvater. Weiterführende Hintergründe zu seiner Feststellung des Zusammenwohnens bleiben im Verborgenen. Ein entsprechender Schluss daraus, dass sich der Sachverhalt deshalb gerade umgekehrt dargestellt hat, ist in Anbetracht des Eindrucks des Gerichts im hiesigen Verfahren aber nicht zu ziehen.
2.3.7 Die von der Klägerin im behördlichen Verfahren im Zusammenhang mit ihrem Widerspruch vorgelegten Unterlagen sind schon nicht geeignet, ein Nicht-Zusammenleben mit dem Kindsvater nach den oben beschriebenen Maßstäben im streitgegenständlichen Zeitraum plausibel zu machen. Keine Aussage dazu lässt sich dem Mandantenbrief vom 16.06.2009 des Dr. … an die Klägerin entnehmen, in der er der Klägerin für die Beauftragung anlässlich des Strafverfahrens dankt und auf weitere Rücksprachen verweist (Bl. 475 f. d. Akten). In einem Schreiben der Bevollmächtigten des Kindsvaters an den Bevollmächtigten der Klägerin vom 20.04.2009 wird sogar von einer Trennung Ende September 2008 gesprochen, was jedenfalls nicht dagegenspricht, dass gerade bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraums ein Zusammenleben stattfand (Bl. 477 d. Akten). In einem weiter vorgelegten Schreiben der Arbeitsagentur Stadt …, das – wie nach Akteneinsicht nachvollziehbar – im Zusammenhang mit dem o.g. Hausbesuch steht, wird vielmehr ausgeführt, dass der ausstellenden Behörde bekannt wurde, dass der Kindsvater bei der Klägerin gewohnt habe (Bl. 479 d. Akten). Weitere Schreiben der Staatsanwaltschaft … zu Vorladungen lassen keinen Bezug zum Zusammenleben bzw. Nicht-Zusammenleben erkennen (Bl. 481 ff. d. Akten), zumal bereits nicht ersichtlich ist, was im Einzelnen aufgrund welchen Sachverhalts überhaupt vorgeworfen wird. Aus den Unterlagen des Amtsgerichts …, Abteilung für Familiensachen, wird lediglich deutlich, dass aufgrund eines Vaterschaftsgutachtens der Kindsvater eine Klage zurücknimmt (Bl. 485 ff. d. Akten).
Die aus den Dokumenten nachvollziehbare Tatsache, dass ein Strafverfahren wegen Betruges gegen die Klägerin eingestellt worden ist (vgl. Bl. 488 d. Akten), lässt keine stichhaltigen Rückschlüsse auf etwaige Wohn- und Lebensverhältnisse der Klägerin oder des Kindsvaters zu. Es bleibt schon offen, für welchen konkreten Sachverhalt und damit auch Zeitraum der Klägerin überhaupt ein Betrug seitens der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wurde. Hinzukommt, dass das Strafverfahren der Klägerin ausweislich der noch vorhandenen Dokumente nicht etwa wegen mangelnder Nachweisbarkeit eines strafbaren Sachverhalts eingestellt worden ist. Erst recht würde ein solches Verfahren nicht – wie von der anwaltlich vertretenen Klägerin suggeriert – wegen eines, in diesem Strafverfahren überhaupt nicht zu führenden Nachweises des Nicht-Zusammenlebens eingestellt. Vielmehr ergibt sich aus den Dokumenten, dass das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO, d.h. Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit, eingestellt worden ist. Selbst, wenn die Strafverfolgungsbehörden nicht in der Lage gewesen wären, einen Betrug der Klägerin im Hinblick auf die Erschleichung von Unterhaltsvorschuss im betreffenden Zeitraum nachzuweisen, würde das im Umkehrschluss keinesfalls darauf hindeuten, dass für das vorliegende Verfahren die Angaben der Klägerin bei Antragstellung den Tatsachen entsprochen hätten. Im Übrigen sind weitere aussagekräftige Dokumente (Protokoll der mündlichen Verhandlung, Strafbefehl, Anklage, etc.) zum Strafverfahren der Klägerin unter Ausschöpfung der Möglichkeiten des Gerichts nicht mehr ermittelbar, da die Strafverfolgungsbehörden die Verfahrensakten im Wege der ordentlichen Aktenausscheidung vernichtet haben.
Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern weitere, von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegte, unzusammenhängende Unterlagen zu Streitigkeiten vor den Familiengerichten (v.a. Klageverfahren zur Vaterschaftsfeststellung und Unterhaltsverpflichtungen; insbesondere das mit Schriftsatz vom 19.11.2019 beigefügte Konvolut) zur Aufklärung des betreffenden Sachverhalts beitragen könnten. Ein Streit und erst recht ein Nachweis darüber, dass etwaige Behauptungen des Zusammenlebens im streitgegenständlichen Zeitraum unwahr seien, lassen sich den Unterlagen nicht im Ansatz entnehmen. Eine weitere Sachaufklärung erscheint daher auch nicht angezeigt.
Die in der mündlichen Verhandlung dem Gericht übergegebenen drei Fotokopien, die Herrn M …und den Sohn der Klägerin angeblich bei Ausflügen in Heidelberg zeigen, sind für einen Nachweis zum Nicht-Zusammenleben mit dem Kindsvater nicht geeignet. Zunächst lassen sich weder Ort, Datum oder Alter der abgelichteten Personen hinreichend nachvollziehen. Es kann schon nicht mit hinreichender Gewissheit davon ausgegangen werden, dass das gezeigte Geschehen in den streitgegenständlichen Zeitraum fällt. Im Übrigen ist dadurch nicht im Ansatz ausgeschlossen, dass die Klägerin zu Hause in …mit dem Kindsvater – wie oben auch beschrieben -nach rechtlichen Maßstäben zusammenleben hätte können.
2.4 Daran anknüpfend erweist sich die Rechtsanwendung des streitgegenständlichen Rückforderungsbescheids der Behörde vom 30.03.2017 im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB X auch im Übrigen nicht als unzutreffend.
2.4.1 Die weiteren Voraussetzungen für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach § 5 Abs. 1 UVG sind gegeben. Eine Ersatzpflicht setzt weiter voraus, dass der Ersatzpflichtige schuldhaft gehandelt hat. Insoweit reicht einfache oder leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. BayVGH, U. v. 19.12.2008 – 12 ZB 07.2401 – juris Rn. 6; Grube, UVG, 2009, § 5 Rn. 15). Bei entsprechender Aufklärung liegt regelmäßig wenigstens Fahrlässigkeit vor, wenn insoweit fehlerhafte Angaben gemacht worden sind (vgl. Grube, a. a. O.). Dies ist vorliegend der Fall. Ausweislich den eingehenden Ausführungen zu den Mitwirkungs- und Unterrichtungspflichten auf dem Antragsbogen vom 25.04.2007, den die Klägerin unterschrieben hat, sowie der Belehrung im Bescheid vom 12.07.2007 war ihr deutlich vor Augen geführt worden und damit bekannt, dass Angaben zum Zusammenleben mit dem Kindsvater für einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss entscheidungserheblich und wahrheitsgemäß offen zu legen sind.
In Anbetracht dieser Maßstäbe und der nicht mehr aufklärbaren Umstände (s.o.) ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen (§ 44 SGB X), dass die Behörde unrichtigerweise davon ausgegangen ist, dass die Klägerin vorsätzlich oder fahrlässig falsche Angaben betreffend das Zusammenleben mit dem Kindsvater gemacht hat.
2.4.2 § 5 Abs. 1 UVG räumt im Hinblick auf die Rechtsfolge der Pflicht zur Rückerstattung der zu Unrecht geleisteten Beträge – kein Ermessen der Behörde ein („hat der Elternteil […] zu ersetzen“). Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen besteht eine Verpflichtung des Betroffenen.
2.4.3 Ein Anspruch aus § 44 SGB X kann im Fall der Klägerin nicht auf eine fehlende Anhörung gestützt werden. Im Verfahren der Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts führt eine fehlende Anhörung im Ausgangsverfahren nicht zur Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids; dies legt weder der Wortlaut des § 44 SGB X noch dessen Zweck der Richtigstellung in inhaltlicher Hinsicht nahe (BSG, U.v. 03.05.2018 – B 11 AL 3/17 R – juris Rn. 18 ff.). Im Übrigen erfolgte diese Anhörung bereits mit Schreiben vom 23.04.2009. Darin erhielt die Klägerin bereits Gelegenheit zur Äußerung zu einer geplanten Rückerstattung aufgrund des Zusammenlebens mit dem Kindsvater.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Nach § 188 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. Satz 1 VwGO werden Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) in Angelegenheiten der Fürsorge sowie der Jugendhilfe nicht erhoben (BVerwG, U.v. 14.10.1993 – 5 C 10/91 – juris Rn. 17; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 188 Rn. 5).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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