Handels- und Gesellschaftsrecht

Abhängigkeitsbericht, Aktienrechtlicher Auskunftsanspruch, Antragsgegner, Auskunftserteilung, Erledigung der Hauptsache, Hauptversammlung, Aktiengesetz, Rechtsschutzbedürfnis, Geschäftswertfestsetzung, Festsetzung des Geschäftswerts, Auskunftserzwingungsverfahren, Richterliche Rechtsfortbildung, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Verbundene Unternehmen, Auskunftsrecht der Aktionäre, Beschlüsse, Unrichtige Auskunft, Beschlussanfechtung, Wertfestsetzung

Aktenzeichen  101 ZBR 134/20

Datum:
20.9.2021
Fundstelle:
DB – 2021, 2625
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Im Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG ist nicht zu prüfen, ob eine erteilte Auskunft unrichtig ist, es sei denn, sie ist nicht ernst gemeint, ersichtlich unvollständig oder von vornherein unglaubhaft.
2. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Auskunft, kann dem Aktionär ein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung zustehen (Aufgabe von BayObLGZ 2002, 227).
3. Der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung kann ebenfalls im Verfahren nach § 132 AktG, gegebenenfalls im Wege des Stufenantrags, geltend gemacht werden.
4. Die eigene – nicht offensichtlich unzutreffende – Wertangabe eines Antragstellers zu Beginn des Verfahrens stellt ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG dar.
5. Die Befugnis des Rechtsmittelgerichts zur Abänderung einer erstinstanzlichen Geschäftswertfestsetzung aus § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GNotKG erstreckt sich auf die gesamte Wertfestsetzung, auch wenn nur ein Teil des erstinstanzlichen Hauptgegenstands in die Rechtsmittelinstanz gelangt ist.

Verfahrensgang

5 HK O 9709/19 2020-07-31 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30. Juli 2020 wird verworfen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu gleichen Teilen zu tragen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für den ersten Rechtszug in Ziffer III. des Beschlusses des Landgerichts München I vom 30. Juli 2020 wird dahin abgeändert, dass der Geschäftswert auf 70.000,00 € festgesetzt wird.

Gründe

A.
Die Antragsgegnerin ist eine dualistische Societas Europaea (SE). Ihr Grundkapital ist unterteilt in [ ] Stamm- und ] Vorzugsaktien.
Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin. Sie halten insgesamt ein Drittel des Grundkapitals ([ ], die übrigen Aktien halten die P. SE sowie die P. Vermögenswaltungs KG [ ].
Im Jahr 2016 kaufte die Antragsgegnerin für insgesamt [ ] € drei Aktienpakete bestehend aus Aktien der Volkswagen AG, der Daimler AG und der BMW AG. Diesen Erwerb beanstandeten die Antragsteller bereits im Jahr 2018.101 ZBR 134/20 – Seite 4 – Anfang 2019 verkaufte die Antragsgegnerin die Aktienpakete und erlöste dafür insgesamt einen etwa 18% unter dem Einkaufspreis liegenden Betrag [ ].
Am 28. Juni 2019 fand eine Hauptversammlung der Antragsgegnerin statt. In dem dort zur Einsichtnahme durch die Aktionäre ausgelegten Abhängigkeitsbericht zum 31. Dezember 2018 waren die Aktienpakete und die Abschreibungen darauf aufgeführt. Im Abhängigkeitsbericht zum 31. Dezember 2017, der bei der Hauptversammlung im Jahr 2018 ausgelegen hatte, waren die Aktienpakete nicht erwähnt worden.
An der Hauptversammlung nahmen die Antragsteller sowie deren Verfahrensbevollmächtigter als Vertreter des Antragstellers zu 1) teil; sie erklärten, dass sie sich jeweils alle Fragen der anderen Antragsteller zu eigen machten. Neben zahlreichen anderen Fragen wurde von Seiten der Antragsteller die Frage gestellt, ob ein Verkauf der Aktienpakete an die Mehrheitsaktionärin, an ein mit dieser verbundenes Unternehmen oder an eine hinter dieser Mehrheitsaktionärin stehende Person erfolgt sei. Das wurde verneint; der Vorstand erklärte, dass ein Verkauf an der Börse erfolgt sei. Daraufhin stellte die Antragstellerseite eine weitere Frage zum Inhalt des Abhängigkeitsberichts, über deren Wortlaut ebenso Streit besteht wie über den Wortlaut der Antwort des Vorstands.
Am 12. Juli 2019 haben die Antragsteller beim Landgericht München I einen Auskunftsantrag gestellt, mit dem sie die Beantwortung von vierzehn Fragen begehrt haben. Sie haben – soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung – vorgetragen, der anwaltliche Vertreter des Antragstellers zu 1) habe folgende Frage gestellt:
Warum haben die Aktienpakete VW, Daimler, BMW und die Abschreibungen darauf Eingang in den Abhängigkeitsbericht gefunden?
Der Vorstand habe hierzu erklärt, man habe diese Vermögenswerte und die Abschreibungen hierauf aufgenommen, damit der Bericht vollständiger erscheine.
Soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung haben die Antragsteller vor dem Landgericht beantragt,
den Vorstand der Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen über folgende in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2019 gestellten Fragen Auskunft zu geben:

14. Warum haben die Aktienpakete VW, Daimler und BMW und die Abschreibungen darauf Eingang in den Abhängigkeitsbericht gefunden?
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die vom Antragsteller zu 1) gestellte Frage habe gelautet:
Im Abhängigkeitsbericht sind Erträge aus Wertpapieren vermerkt. Das sind die Dividenden der Automobilaktien, ebenso die Abschreibungen auf diese Automobilaktien. Das verstehe ich nicht. Was hat das im Abhängigkeitsbericht zu suchen? Ihr Vorstand habe wie folgt geantwortet:
Der Verkauf der Aktien als Rechtsgeschäft mit Dritten gemäß § 312 Abs. 1 Satz 2 AktG wurde in den Abhängigkeitsbericht aufgenommen. Ergänzend wurden auch alle weiteren Ergebniseffekte aus der Bewertung sowie die Erträge der Wertpapiere der Vollständigkeit wegen freiwillig ergänzt.
Auch wenn die Frage nicht vom Auskunftsrecht umfasst gewesen sei, sei sie dadurch umfassend beantwortet worden.
Mit Beschluss vom 31. Juli 2020 hat das Landgericht München I den dargestellten Antrag – ebenso wie die für das Beschwerdeverfahren bedeutungslosen weiteren Anträge – zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anträge seien zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Hinsichtlich Frage 14 sei das Auskunftsrecht der Antragsteller aus § 131 AktG durch die gegebene Antwort im Zusammenhang mit dem Abhängigkeitsbericht nicht verletzt; der Abhängigkeitsbericht sei in der Hauptversammlung des abhängigen Unternehmens weder in seiner Gesamtheit noch hinsichtlich einzelner Passagen vom Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG umfasst. Gegen die Entscheidung zu dieser Frage hat das Landgericht die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen die Zurückweisung ihres Antrags zu Ziffer 14. in dem – ihnen am 7. August 2020 zugestellten – Beschluss haben die Antragsteller am 28. August 2020 Beschwerde eingelegt, der das Landgericht München I nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung ihrer Beschwerde berufen sich die Antragsteller darauf, dass ihre Frage – die so wie in der Antragsschrift wiedergegeben gestellt worden sei – unbeantwortet geblieben sei; die Antwort des Vorstands stelle lediglich eine Worthülse dar. Die Begründung des Landgerichts München I, der Abhängigkeitsbericht sei generell nicht vom Auskunftsrecht umfasst, sei rechtsfehlerhaft. Es sei bereits nicht um Einzelheiten des Abhängigkeitsberichts gegangen, da dieser zur Einsicht vorgelegen habe und seine Inhalte bekannt gewesen seien. Die Begründung zum Auskunftsrecht von Aktionären in Bezug auf Inhalte des Abhängigkeitsberichts sei für die hier vorliegende Frage ohne Bedeutung. Die begehrte Auskunft sei erforderlich gewesen, um unter anderem über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie die erneute Wahl des Abschlussprüfers, der auch die Abhängigkeitsberichte zum 31. Dezember 2017 und zum 31. Dezember 2018 geprüft habe, zu entscheiden. Erschienen in einem Abhängigkeitsbericht plötzlich Sachverhalte, die im Vorjahr bei gleicher Sachlage nicht erwähnt worden seien, so sei das ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang, der auf grobe Versäumnisse des Vorstands, des Aufsichtsrats und/oder des Abschlussprüfers hinweise.
Die Antragsteller beantragen,
den Vorstand der Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts München I vom 31. Juli 2020, Az. 5 HK O 9709/19, zu verpflichten, ihnen über folgende in der Hauptverhandlung der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2019 gestellte Frage Auskunft zu geben:
„Warum haben die Aktienpakete VW, Daimler, BMW und die Abschreibungen darauf Eingang in den Abhängigkeitsbericht gefunden?“
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Frage – die der Antragsteller zu 1) so wie von ihr angegeben gestellt habe – ausreichend beantwortet zu haben. Zudem könne der Inhalt des Abhängigkeitsberichts wegen der fehlenden Offenlegungspflicht nicht zum Gegenstand eines Auskunftsbegehrens gemacht werden, so dass es nicht darauf ankomme, inwieweit die durch ihren Vorstand gegebene Antwort zutreffend gewesen sei oder nicht.
Die Aufnahme in den Abhängigkeitsbericht 2018 hätte nicht erfolgen müssen, da es sich hierbei nicht um Beziehungen zu verbundenen Gesellschaften im Sinne von § 312 AktG handele. Der Vorstand der Antragsgegnerin habe die drei Aktieninvestments im Abhängigkeitsbericht angesprochen, weil diese aufgrund des Volumens ein für die Antragsgegnerin bedeutendes Geschäft dargestellt hätten und der Vorstand über die gesetzliche Mindestpflicht hinaus in den Abhängigkeitsbericht vorsorglich auch solche wesentlichen Geschäfte aufgenommen habe, die nicht unmittelbar unter § 312 AktG fielen. Der Vorstand habe klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich um wenige zusätzliche Angaben im Abhängigkeitsbericht gehandelt habe, die er einzig und allein aufgrund des Volumens des Aktieninvestments in diesen aufgenommen habe.
Auch die Ausführungen der Antragstellerseite zur Erforderlichkeit der von ihr gewünschten Auskunft seien nicht haltbar. Für eine Anfechtbarkeit der Beschlüsse zur Wahl des Abschlussprüfers sei erkennbar kein Raum, da dieser sich offenkundig nicht vorwerfbar verhalten habe. Die Anfechtbarkeit von Beschlüssen zur Entlastung von Vorstand oder Aufsichtsrat komme nur dann in Betracht, wenn ein durch diese begangener, erkennbar schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß nachgewiesen werde; die freiwillige Ergänzung des Abhängigkeitsberichts um Angaben zur Dividendenzahlung aus Aktien und um eine Angabe zur Abschreibung im Hinblick auf ein Investment in Aktien mit der Intention, gegenüber dem Abschlussprüfer und dem Aufsichtsrat der Gesellschaft ein möglichst großes Maß an Offenheit zu gewährleisten, stelle unter keinen Umständen einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß dar.
Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass die von den Antragstellern gestellte Frage durch das Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren beantwortet und damit Erledigung in der Hauptsache eingetreten sein könnte.
Die Antragsteller haben dazu die Auffassung vertreten, eine Erledigung der Hauptsache sei nicht eingetreten, weil auch die Angaben der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren keine wahrheitsgemäße und vollständige Auskunft darstellten. Das ergebe sich schon daraus, dass der Abhängigkeitsbericht nicht um freiwillige Angaben ergänzt werde dürfe und davon auszugehen sei, dass dem Vorstand und dem Wirtschaftsprüfer die Anforderungen an die Berichterstattung gemäß § 312 AktG bekannt seien und diese nicht sehenden Auges einen falschen Abhängigkeitsbericht erstellt bzw. testiert hätten. Es sei daher ausgeschlossen, dass die Aktiengeschäfte nur zur reinen Vervollständigung in den Abhängigkeitsbericht aufgenommen worden seien; die einzig sinnvolle Erklärung sei, dass die Aktiengeschäfte der Antragsgegnerin tatsächlich einen Bezug zu einem mit ihr verbundenen Unternehmen aufwiesen, der Vorstand diesen Umstand und weitere Details hierzu aber nicht preisgeben wolle. Im Übrigen seien die bisher gemachten floskelhaften Angaben ohne jeden Inhalt und Erkenntniswert und genügten den Anforderungen an eine Auskunftserteilung nicht. Die Frage habe erkennbar darauf abgezielt, Auskunft darüber zu verlangen, welchen Bezug die Aktiengeschäfte zu verbundenen Unternehmen aufwiesen; diese Frage sei in keiner Weise beantwortet.- Seite 8 – B.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) enthält für das Auskunftsrecht der Aktionäre keine Regelungen, sondern verweist in Art. 53 auf die im Sitzstaat der SE für Aktiengesellschaften maßgeblichen Rechtsvorschriften, mithin hier auf §§ 131 f. AktG (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014, II ZB 5/12, AG 2014, 402 Rn. 13).
Der Beschwerde fehlt – jedenfalls nunmehr – das für ihre Zulässigkeit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, so dass die vom Landgericht als grundsätzlich erachtete Frage dahinstehen kann, ob Auskünfte zum Abhängigkeitsbericht in der Hauptversammlung zu erteilen sind.
I. Im Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG fehlt einer Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Aktionär die in der Hauptversammlung geforderte Auskunft während des Verfahrens erhalten hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21. März 2001, 3Z BR 318/00, NJW-RR 2002, 104 [juris Rn. 33]; Beschluss vom 23. August 1996, 3Z BR 130/96, AG 1996, 516 [juris Rn. 29]; Poelzig in beck-OGK, Stand: 1. Juni 2021, AktG § 132 Rn. 21; Reger in Bürgers/Körber/Lieder, Aktiengesetz, 5. Aufl. 2021, § 132 Rn. 5; Decher in Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2020, § 132 Rn. 47; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 132 AktG Rn. 14; Herrler in Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 132 Rn. 4; Drinhausen in Hölters, Aktiengesetz, 3. Aufl. 2017, AktG § 132 Rn. 4; a. A. Kersting in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2021, AktG § 132 Rn. 69; Heidel in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, AktG § 132 Rn. 10; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl. 2018, AktG § 132 Rn. 25). Denn ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der Erledigung der Hauptsache grundsätzlich insgesamt unzulässig, wenn kein Fall des § 62 Abs. 1 FamFG vorliegt oder der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in zulässiger Weise auf den Kostenpunkt beschränkt. Mit der Erledigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage bewirkt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, da eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015, II ZB 7/14, NJW 2015, 1449 Rn. 7 m. w. N.).Das gilt unabhängig davon, ob die erteilte Auskunft zutreffend ist. Denn diese Frage wird im Auskunftserzwingungsverfahren grundsätzlich nicht geprüft (vgl. KG, Beschluss vom 16. Juli 2009, 23 W 69/08, AG 2010, 254 [juris Rn. 37 ff.]; OLG Dresden, Beschluss vom 1. Dezember 1998, 7 W 426/98, AG 1999, 274 [juris Rn. 34]; a. A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Februar 2012; 20 W 5/11, AG 2012, 377 [juris Rn. 405 f.]; LG München I, Beschluss vom 28. Mai 2010, 5 HK O 14307/07, AG 2010, 919 [juris Rn. 34]; Poelzig in beck-OGK, AktG § 132 Rn. 17; Kersting in Kölner Kommentar zum AktG, AktG § 132 Rn. 6; Koch in Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 15. Aufl. 2021, AktG § 132 Rn. 4a; Decher in Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, § 132 Rn. 10; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 132 AktG Rn. 9; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, AktG § 132 Rn. 16; Drinhausen in Hölters, Aktiengesetz, AktG § 132 Rn. 5; wohl auch Reger in Bürgers/Körber/Lieder, Aktiengesetz, § 132 Rn. 3a; offengelassen in BGH AG 2014, 402 Rn. 83). Denn mit der Erteilung der Auskunft wird der Auskunftsanspruch erfüllt, es sei denn, die Auskunft ist nicht ernst gemeint, ersichtlich unvollständig oder von vornherein unglaubhaft.
1. Das entspricht außerhalb des Aktienrechts allgemeiner Auffassung (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2014, XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 Rn. 23; Beschluss vom 31. Juli 2013, VII ZR 177/12, juris Rn. 8; Urt. v. 17. Mai 2001, I ZR 291/98 – Entfernung der Herstellungsnummer II, BGHZ 148, 26 [juris Rn. 44]; Urt. v. 24. März 1994, I ZR 42/93 – Cartier-Armreif, BGHZ 125, 322 [juris Rn. 14 ff.]; Lorenz in BeckOK BGB, 59. Ed. Stand: 1. August 2021, § 259 Rn. 12 und § 260 Rn. 32; Röver in beckOGK, Stand: 15. August 2021, BGB § 260 Rn. 74 f.; Knöfler in DaunerLieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 259 Rn. 9 und § 260 Rn. 11; Stadler in Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, §§ 259 – 261 Rn. 4; Toussaint in jurisPKBGB, 9. Aufl. Stand: 1. Februar 2020, § 260 Rn. 14; Artz in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 260 Rn. 16a; Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 259 Rn. 24 und § 260 Rn. 43; Bittner/Kolbe in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 260 Rn. 36 und 46; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2010, 2 BvR 535/10, juris Rn. 15).
Entsprechend kann ein Auskunftstitel nach Erteilung einer Auskunft mit Erfüllungswirkung auch bei Zweifeln an deren Richtigkeit nicht mehr vollstreckt werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Oktober 2020, 26 W 23/20, juris Rn. 13 f.; OLG Köln, Beschluss vom 26. Juli 2018, 9 W 15/18, juris, unter 2.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Januar 2016, I-15 W 12/15, juris Rn. 3; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2015, 13 WF 58/15, juris Rn. 8; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. Januar 2014, 5 W 121/13, juris Rn. 28; OLG Hamm, Beschluss vom 12. März 2010, 25 W 77/10, juris Rn. 7; OLG Schleswig, Beschluss vom 7. April 2011, 3 W 81/10, NJW-RR 2011, 1449 [juris Rn. 14]; Stürner in BeckOK ZPO, 41. Ed. Stand: 1. Juli 2021, § 888 Rn. 6 Stichwort „Auskunftsverpflichtung“; Lugani in Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl. 2021, § 888 Rn. 12; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl. 2021, § 888 Rn. 7; Bendtsen in Kindl/MellerHannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021; ZPO § 888 Rn. 23; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO,18. Aufl. 2021, § 888 Rn. 8; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 888 Rn. 12; Haft in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, ZPO § 888 Rn. 26; Bartels in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2017, § 888 Rn. 18; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 888 Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. März 2015, I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 Rn. 15).
Das für den Zivilprozess durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleistete Recht des Auskunftsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz wird nicht dadurch unangemessen beeinträchtigt, dass Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erteilten Auskunft im Verfahren nach § 888 ZPO keine Berücksichtigung finden. Denn wenn es hinreichende Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt, insbesondere unrichtig, erteilt worden ist, erwächst dem Auskunftsgläubiger – vorbehaltlich der Einschränkung für Angelegenheiten geringer Bedeutung durch § 259 Abs. 3, § 260 Abs. 3 BGB – ein materiell-rechtlicher Anspruch darauf, dass der Auskunftsschuldner die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Auskunft an Eides Statt versichert. Auch über die Tatbestandsgrenze des § 260 BGB hinaus ist grundsätzlich jeder wie auch immer geartete Auskunftsanspruch mit einem Recht auf eidesstattliche Versicherung versehen (vgl. Lorenz in BeckOK BGB, § 260 Rn. 38; Röver in beck-OGK, BGB § 260 Rn. 81; Grüneberg in Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021 § 260 Rn. 19; ähnlich Knöfler in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, BGB § 260 Rn. 1; Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, § 260 Rn. 2; Weiss/Brückerhoff, ZIP 2021, 885 [890]; vgl. auch BGHZ 148, 26 – Entfernung der Herstellungsnummer II [juris Rn. 55]; BGHZ 125, 322 – Cartier-Armreif [juris Rn. 33]; Urt. v. 19. Oktober 1993, KZR 13/92, juris Rn. 14 und 24; BAG, Urt. v. 29. Juli 1993, 2 AZR 110/93, BAGE 74, 28 [juris Rn. 44]). Die Vorstellung von den strafrechtlichen Folgen einer falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156, § 161 Abs. 1 StGB) soll den Auskunftsschuldner zu Ehrlichkeit und Sorgfalt bewegen (vgl. Röver in beck-OGK, BGB § 261 Rn. 2). Die Geltendmachung dieses Anspruchs stellt sich als hinsichtlich der Grundrechtspositionen des Auskunftsschuldners milderes Mittel dar, den Rechtsschutz des Auskunftsgläubigers zu verwirklichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2010, 2 BvR 535/10, juris Rn. 20 f.), zumal die gerichtliche Überprüfung der Richtigkeit der Auskunft gerade dann regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, wenn der Auskunftsgläubiger auf sie angewiesen ist, weil ihm andere Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung stehen, und auch der Auskunftsschuldner oftmals keine Möglichkeit hat, die Richtigkeit seiner Angaben zu belegen, etwa wenn sie innere Tatsachen betreffen.
2. Es besteht kein Anlass, hiervon im aktienrechtlichen Auskunftserzwingungsverfahren abzuweichen.
a) Zwar wird im Schrifttum und zum Teil in der Rechtsprechung zum Aktienrecht die Auffassung vertreten, dass das Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG auch dann eröffnet sei, wenn der Vorstand eine unrichtige Auskunft erteilt habe, da eine solche gleichzeitig eine Verweigerung der richtigen Auskunft darstelle und der Zweck des § 132 AktG, ein beschleunigtes und kostengünstiges Verfahren zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs zu schaffen, einer unterschiedlichen Behandlung von unvollständigen und unrichtigen Auskünften entgegenstehe (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377 [juris Rn. 405 f.]; LG München I, AG 2010, 919 [juris Rn. 34]; Poelzig in beck-OGK, AktG § 132 Rn. 17; Kersting in Kölner Kommentar zum AktG, § 132 Rn 6; Koch in Hüffer/Koch, Aktiengesetz, AktG § 132 Rn. 4a; Decher in Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, § 132 Rn. 10; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 132 AktG Rn. 9; Herrler in Grigoleit, AktG, § 132 Rn. 6; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, AktG § 132 Rn. 16; Drinhausen in Hölters, AktG, § 132 Rn. 5).
b) Diese Ansicht ist indes abzulehnen.
aa) Sie verkennt zum einen, dass auch die Erteilung einer unrichtigen Auskunft eine (Schlecht-) Erfüllung der Auskunftspflicht darstellen kann.
bb) Zum anderen steht der Ausschluss der Überprüfung der Richtigkeit der Auskunft im Zusammenspiel mit dem Anspruch auf eidesstattliche Versicherung deren Richtigkeit im Einklang mit dem Zweck des Auskunftserzwingungsverfahrens, das individuelle Informationsbedürfnis eines Aktionärs auf einem einfachen, schnellen und billigen Weg zu befriedigen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 29. November 1982, II ZR 88/81, BGHZ 86, 1 [juris Rn. 23]). Insbesondere besteht auch im Auskunftserzwingungsverfahren die Möglichkeit der Verpflichtung zur eidesstattlichen Versicherung.
(1) Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht die Auffassung vertreten, der Aktionär könne nicht verlangen, dass der Vorstand die Richtigkeit von Auskünften an Eides Statt versichere, zu deren Erteilung er im Auskunftserzwingungsverfahren verpflichtet worden ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 17. Juli 2002, 3Z BR 394/01, BayObLGZ 2002, 227 [230 f., juris Rn. 20 ff.]; dem ohne inhaltliche Würdigung folgend: Poelzig in beck-OGK, AktG § 131 Rn. 233; Decher in Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, § 131 Rn 267 und § 132 Rn. 34; Herrler in Grigoleit, Aktiengesetz, AktG § 131 Rn. 26; Koch in Hüffer/Koch, Aktiengesetz, AktG § 131 Rn. 40 und AktG § 132 Rn. 4a; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 132 AktG Rn. 9; Heidel in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, AktG § 131 Rn. 53 a. E.; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, AktG § 131 Rn. 81 a. E.; Lieder, NZG 2014, 601 [608]). Die Bestimmungen insbesondere des Aktiengesetzes über das Auskunftsrecht der Aktionäre sähen eine derartige Versicherung nicht vor. Die Einführung der Versicherung an Eides Statt würde die Grenzen überschreiten, die der richterlichen Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf den Verfassungsgrundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung gezogen seien. Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt:
Die Regelungen in § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB enthielten keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz. Der Auskunftsanspruch des Aktionärs und die durch §§ 259, 260 BGB sanktionierten Auskunftspflichten unterschieden sich nach Sinn und Inhalt. Letztere sollen den Berechtigten in die Lage versetzen, einen Anspruch durchzusetzen. Der Auskunftsanspruch sei lediglich ein Hilfsanspruch zu dem Hauptanspruch, dessen Durchsetzung er diene. Seine Sanktionierung durch das Erfordernis einer eidesstattlichen Versicherung gründe sich darauf, dass der Berechtigte eine verlässliche Auskunft benötige, um seine Rechte wahrnehmen zu können. Demgegenüber sei der Auskunftsanspruch des Aktionärs wesentlicher Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts des Aktionärs. Er diene der Information des Aktionärs zur Entscheidung darüber, wie er seine gesellschaftlichen Rechte wahrnehmen solle, nicht aber der Durchsetzung eines Anspruchs.
Die in einer Hauptversammlung gestellten Fragen beträfen Sachverhalte aus den unterschiedlichsten Bereichen; entsprechend sei die Zahl der zu erteilenden Auskünfte beträchtlich und zeitaufwändig. Die rechtliche Verpflichtung des Auskunftserteilenden, die Richtigkeit dieser Antworten an Eides Statt zu versichern, könnte zur Folge haben, dass das Schwergewicht der Hauptversammlung in den Gerichtssaal verlagert würde. Dem Aktionär stünden andere Möglichkeiten der Reaktion zur Verfügung für den Fall, dass er eine ihm erteilte Auskunft für unrichtig halte; er könne nämlich die Erteilung unrichtiger Auskünfte im Anfechtungsverfahren gemäß § 243 AktG rügen oder die Erteilung einer richtigen Antwort im allgemeinen Zivilprozess durchsetzen.
Außerdem könne sich der Vorstand durch unrichtige Auskünfte nach § 400 [Abs. 1] Nr. 1 AktG strafbar machen bzw. sich Schadensersatzansprüchen der Aktionäre aussetzen.
(2) Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
(a) Wie unter 1. dargelegt, werden die Regelungen in § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB in anderen Rechtsgebieten durchaus als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes verstanden, der deren analoge Anwendung auf Auskunftsansprüche anderer Art eröffnet.
Diese Möglichkeit besteht auch hinsichtlich des Auskunftsanspruchs des Aktionärs gemäß § 131 AktG. Zwar ist richtig, dass dieser Anspruch nicht der Durchsetzung eines Hauptanspruchs im Sinne eines Rechts, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 Abs. 1 BGB), dient, sondern der Information des Aktionärs zur Entscheidung darüber, wie er seine gesellschaftlichen Rechte wahrnehmen soll. Es ist jedoch ohne Belang, welcher Art die rechtlich geschützten Positionen sind, zu deren Wahrnehmung der Auskunftsgläubiger auf die geforderten Informationen angewiesen ist. Das Bedürfnis, den Auskunftsschuldner durch den Druck der Strafdrohung für eine (auch nur fahrlässig) falsche eidesstattliche Versicherung zu einer richtigen und vollständigen Auskunft zu bewegen, besteht bei dem Aktionär, der für die angemessene Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte auf die Auskunft des Vorstands angewiesen ist, in gleicher Weise wie bei dem Gläubiger eines Hauptanspruchs, der diesen ohne die Auskunft nicht (vollständig) geltend machen kann.
(b) Die Befürchtung, dass das Schwergewicht der Hauptversammlung in den Gerichtssaal verlagert würde, rechtfertigt die Versagung eines Anspruchs auf eidesstattliche Versicherung schon deshalb nicht, weil diese Folge auch bei den anderen aufgezeigten Verfahren der Beschlussanfechtung oder der Klage auf Erteilung einer richtigen Antwort im allgemeinen Zivilprozess einträte.
Zudem zielt zumindest die Beschlussanfechtung auf einen anderen Erfolg ab. Das Interesse eines Aktionärs an der Auskunftserteilung erschöpft sich nicht in der Herbeiführung von Beschlüssen auf der Grundlage ausreichender Informationen, sondern ist auch im Übrigen schutzwürdig. Entsprechendes gilt für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
Schließlich erübrigt sich eine Beweisaufnahme über die Richtigkeit der Auskunft – in welchen Verfahren auch immer – dadurch, dass dem Aktionär der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung an die Hand gegeben wird. Es bedarf dann lediglich der Klärung, ob ausreichende Zweifel an der Richtigkeit der erteilten Auskunft bestehen; diese Frage wird regelmäßig mit geringerem Aufwand beantwortet werden können.
(c) Fehl geht schließlich auch die Auffassung, die Strafbarkeit gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG mache den Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entbehrlich.
Dieser Straftatbestand setzt – soweit hier von Belang – die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Gesellschaft in der Hauptversammlung voraus und erfasst nicht auch Tathandlungen außerhalb dieser (vgl. Pelz in Bürgers/Körber/Lieder, Aktiengesetz, § 400 Rn. 7; Raum in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, AktG § 400 Rn. 6; Hefendehl in beck-OGK, AktG, Stand: 19. Oktober 2020, § 400 Rn. 77; Weiß in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, AktG § 400 Rn. 38; Müller-Michaels in Hölters, Aktiengesetz, AktG § 400 Rn. 21; Altenhain in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2016, § 400 Rn. 41). Er erfasst deshalb regelmäßig nicht die Auskünfte, zu deren Erteilung der Vorstand im Verfahren gemäß § 132 AktG verpflichtet wird, weil er sie nicht bereits in der Hauptversammlung erteilt hat. Dass dem Aktionär gemäß § 132 Abs. 4 Satz 1 AktG die Möglichkeit offen steht, die Erteilung auch in der (nächsten) Hauptversammlung zu verlangen (vgl. Poelzig in beck-OGK, AktG § 400 Rn. 36; Kersting in Kölner Kommentar zum AktG, § 132 Rn 93; Decher in Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, § 132 Rn. 87; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 132 AktG Rn. 34; Herrler in Grigoleit, Aktiengesetz, AktG § 132 Rn. 12; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, AktG § 132 Rn. 49) und so die Möglichkeit der Strafbarkeit gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG herbeizuführen, hat insoweit außer Betracht zu bleiben, weil die Praktikabilität dieser Möglichkeit von den Zufällen des zeitlichen Ablaufs abhängt.
Hinzu kommt, dass der subjektive Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG Vorsatz erfordert, während die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung auch bei bloßer Fahrlässigkeit strafbar ist (vgl. § 161 Abs. 1 StGB). Damit geht von der Verpflichtung zur eidesstattlichen Versicherung selbst in den Fällen ein höherer strafrechtlicher Druck zur sorgfältigen Auskunftserteilung aus, in denen die Auskunft bereits in der Hauptversammlung erteilt worden ist und nur noch um deren Richtigkeit gestritten wird.
(d) Auf dieser Grundlage sieht der Senat keinen Anlass, die entsprechende Anwendung der Regelungen über einen Anspruch auf eidesstattliche Versicherung auch auf den Auskunftsanspruch des Aktionärs als durch die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung ausgeschlossen anzusehen, wie das in dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17. Juli 2002, BayObLGZ 2002, 227 (juris Rn. 20), unter Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983, 2 BvR 485, 486/80, BVerfGE 65, 182 (juris Rn. 42), vertreten worden ist. Sie erscheint vielmehr für einen verfassungsgemäßen Ausgleich der gegenläufigen Interessen des Aktionärs und der Aktiengesellschaft bzw. deren Vorstands angezeigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2010, 2 BvR 535/10, juris Rn. 20).
(e) Es entspricht dem bereits angeführten Zweck des Auskunftserzwingungsverfahrens gemäß § 132 AktG, das individuelle Informationsbedürfnis des Aktionärs auf einem einfachen, schnellen und billigen Weg zu befriedigen, dass dieser den Hilfsanspruch auf eidesstattliche Versicherung der Auskunft, die ihrerseits Gegenstand eines solchen Verfahrens war oder hätte sein können, ebenfalls in dieser Verfahrensart geltend machen kann und sich nicht auf den allgemeinen Zivilprozess verweisen lassen muss. Dabei steht ihm dann, wenn der Auskunftsanspruch nicht bereits erfüllt ist, die Möglichkeit eines Stufenantrags offen.
II. Im Streitfall kann dahin stehen, ob den Antragstellern zunächst ein Anspruch auf Beantwortung ihrer Frage, die – unabhängig vom Streit über deren konkrete Formulierung – sinngemäß darauf gerichtet war, aus welchem Grund die Aktienpakete im Abhängigkeitsbericht 2018 erwähnt worden waren, zustand, weil die anfängliche Antwort des Vorstands, die Aktienpakete seien der Vollständigkeit halber in den Abhängigkeitsbericht aufgenommen worden, als inhaltsleere Worthülse keine taugliche Antwort darstellte, oder ob allein der Bezug zum Abhängigkeitsbericht – dessen Inhalt ihnen im Übrigen bereits bekannt war – diese Frage dem Anwendungsbereich des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG entzog.
Denn auch wenn ein solcher Anspruch zunächst bestanden hatte, hat die Angabe der Antragsgegnerin, ihr Vorstand habe die Aktienpakete einzig und allein aufgrund des Volumens des Aktieninvestments in den Abhängigkeitsbericht aufgenommen, als formell vollständige Antwort den – unterstellten – Auskunftsanspruch erfüllt und die Hauptsache erledigt, so dass das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller an der Durchführung des von ihnen beantragten Auskunftserzwingungsverfahrens weggefallen ist.
Ohne Erfolg berufen sich die Antragsteller darauf, ihre Frage habe darauf abgezielt, Auskunft darüber zu verlangen, welchen Bezug die Aktiengeschäfte zu verbundenen Unternehmen aufwiesen. Dieses Auskunftsverlangen unterstellt, dass die Erwähnung der Aktienpakete im Abhängigkeitsbericht zwingend auf einem Bezug zu verbundenen Unternehmen beruht habe, und ist deshalb nicht mit der offen formulierten Frage nach dem Grund der Erwähnung identisch. Es kann mangels Geltendmachung in der Hauptversammlung nicht im Verfahren gemäß § 132 AktG verfolgt werden.
Einen Antrag, den Vorstand der Antragsgegnerin zu verpflichten, die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner durch die Prozessvertreter der Antragsgegnerin übermittelten Auskunft an Eides Statt zu versichern, haben die Antragsteller nicht gestellt.
C.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 132 Abs. 5 AktG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragsteller die Kosten zu tragen haben, weil sie unterlegen sind.
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG i. V. m. § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der Senat weicht von der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart ab, im Verfahren gemäß § 132 AktG werde geprüft, ob die Auskunft zutreffend erteilt worden sei (AG 2012, 377 [juris Rn. 405 f.]).
III. Die Entscheidungen zum Geschäftswert beruhen auf § 36 Abs. 1, § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GNotKG.
1. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG.
a) Die Geltendmachung aktienrechtlicher Auskunftsansprüche dient der Wahrung wirtschaftlicher Belange und stellt daher eine vermögensrechtliche Angelegenheit dar. Ihr Wert ist deshalb gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG nach billigem Ermessen festzusetzen.
Nach allgemeiner Auffassung stellt die eigene – nicht offensichtlich unzutreffende – Wertangabe eines Antragstellers zu Beginn des Verfahrens ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung dar (vgl. BGH, Urt. v. 24. April 1985, I ZR 130/84 – Berufungssumme, GRUR 1986, 93 [juris Rn. 21]; OLG München, Beschluss vom 5. Februar 2018, 29 W 1855/17 – Gebührenstreitwert beim Parteiwechsel auf Beklagtenseite, NJW-RR 2018, 575 Rn. 15; OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2015, 2 W 17/15, juris Rn. 15 ff.; Wendtland in BeckOK ZPO, 41. Ed. Stand: 1. Juli 2021, § 3 Rn. 1; Elzer in Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, ZPO § 3 Rn. 15 f.; Wöstmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 3 Rn. 15; Heinemann in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, GNotKG § 36 Rn. 19), weil in diesem Verfahrensstadium, in dem die spätere Kostentragungspflicht noch offen ist, erfahrungsgemäß Angaben von größerer Objektivität erwartet werden dürfen als zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kostentragungspflicht bereits feststeht oder zumindest mit erheblicher Sicherheit vorauszusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012, X ZR 110/11 – Vorausbezahlte Telefongespräche II, GRUR 2012, 1288 Rn. 4 m. w. N.).
b) Im Streitfall haben die Antragsteller den Geschäftswert in der Antragsschrift mit 70.000,00 € angegeben – also 5.000,00 € je begehrter Antwort – und die Antragsgegnerin ist dem nicht entgegengetreten. Diese Bewertung ist nicht offensichtlich unzutreffend, sondern ohne weiteres nachvollziehbar, so dass sie der Festsetzung zugrunde zu legen ist.
2. Die landgerichtliche Festsetzung des Geschäftswerts für den ersten Rechtszug auf 20.000,00 € ist gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 GNotKG abzuändern, weil sie den oben dargestellten Bewertungsgrundsätzen nicht entspricht.
Die Änderungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts erstreckt sich auf die gesamte Wertfestsetzung, auch wenn nur ein Teil des erstinstanzlichen Hauptgegenstands in die Rechtsmittelinstanz gelangt ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17. Juni 2021, 23 ZB 20.522, juris Rn. 29; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26. Mai 2020, 11 S 2543/19, juris Rn. 6; Hess. VGH, Beschluss vom 13. August 1986, 3 TH 2033/86, AnwBl 1988, 179 [180, juris Rn. 16]; Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, GKG § 63 Rn. 10 und FamGKG § 55 Rn. 7; Toussaint in Toussaint, Kostenrecht, GKG § 63 Rn. 77), wie sich daran zeigt, dass sie gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 bis 4 GNotKG sogar in den Fällen101 ZBR 134/20 – Seite 18 – besteht, in denen nur die Entscheidung über den Geschäftswert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt, der Hauptgegenstand also bereits vollständig rechtskräftig geworden ist (vgl. Hess. VGH, a. a. O.).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben