Handels- und Gesellschaftsrecht

Barvermögen eines Selbständigen in Höhe des Kapitalwertes einer gesetzlichen Rentenanwartschaft bei vergleichbarer Tätigkeit ist nicht gem. § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzen

Aktenzeichen  10 UF 1456/15

Datum:
7.3.2016
Fundstelle:
FamRZ – 2016, 1951
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 114, § 115
SGB XII SGB XII § 90 Abs. 3

 

Leitsatz

Ist ein Antragsteller ausschließlich selbstständig tätig, so kann die Verpflichtung, Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten einzusetzen, in der Höhe eines Betrages, den ein in vergleichbarer Weise nichtselbstständig Tätiger als Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hätte, eine Härte im Sinne des § 90 Abs.3 SGB XII darstellen, auch wenn das Vermögen nicht vor anderer Verwendung als für die Altersvorsorge besonders geschützt ist. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

Dem Beschwerdeführer wird für den zweiten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung Verfahrenskostenhilfe bewilligt (§ 113 Abs. 1 FamFG, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO).
Rechtsanwältin B. K. wird als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet (§ 113 Abs. 1 FamFG, §§ 121 Abs. 1 ZPO, 121 Abs. 3 ZPO).
Die Bewilligung erfolgt ohne Anordnung von Zahlungen.

Gründe

Die beantragte Verfahrenskostenhilfe war in der ausgesprochenen Form zu bewilligen. Der Beschwerdeführer ist nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Verfahrensführung aufzubringen.
Raten oder Einmalzahlungen aus dem Vermögen oder Einkommen sind dem Beschwerdeführer nach den getroffenen Feststellungen nicht möglich.
Dem Antragsgegner ist nicht zuzumuten, die Lebensversicherung bei der S. zu verwerten oder zu beleihen oder sein Fondsdepot bei der F anzugreifen, da dies eine unbillige Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII bedeuten würde. Der Antragsgegner war seit Beginn seiner Berufstätigkeit ausschließlich selbstständig und hat keine Ansprüche aus einem gesetzlichen oder berufsständischen Altersvorsorgesystem. Er hat nach seinen Angaben in der Zeit seiner Selbstständigkeit, soweit es ihm finanziell möglich war, Beträge in der Höhe fiktiver Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in die (derzeit stillgelegte) Lebensversicherung und in das Fondsdepot einbezahlt. Dies ist mit der Höhe der Lebensversicherung und dem Fondsvermögen in Übereinstimmung zu bringen. Von dem derzeitigen Gesamtwert des Fondsdepots von ca. 36.000 € sind ca. 3700.- € verpfändet. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung beträgt ca. 11.000 €, so dass dem Antragsgegner zur Altersvorsorge derzeit ein Kapital von ca. 44.000.- € zur Verfügung steht. Dies ist in Anbetracht seines Alters von 38 Jahren keinesfalls ein unverhältnismäßig hoher Betrag.
Der Antragsgegner übt derzeit keine berufliche Tätigkeit aus. Ob und wann er wieder Beiträge zu seiner Altersvorsorge leisten kann, ist ungewiss. Würde er Teile des Fondsvermögens oder die Lebensversicherung zur Begleichung der Verfahrenskosten verwerten müssen, wäre die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert.
Unschädlich ist, dass es sich nicht um besonders gesichertes Vermögen handelt, sondern der Antragsgegner das Vermögen grundsätzlich auch zu anderen Zwecken als der Sicherung seines Lebensunterhaltes im Alter einsetzen könnte. Einem Selbstständigen ist es grundsätzlich selbst überlassen, auf welche Weise er für sein Alter vorsorgt. Eine Verpflichtung zur Anlage von Altersvorsorge in besonders geschützte Vermögensanlagen besteht außerhalb einer Pflichtmitgliedschaft in berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich nicht. Es würde dem Grundsatz der Gleichbehandlung widersprechen, wenn im Falle der Bedürftigkeit ein gesetzlich oder über ein berufsständisches Versorgungswerk Versicherter seine Altersvorsorge grundsätzlich nicht angreifen müsste, ein Selbstständiger, der Altersvorsorge in vergleichbarer Höhe betrieben hat, hingegen schon.
Die Rechtsverfolgung war nicht mutwillig und hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 113 Abs. 1 FamFG, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO).


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