Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Gutachten, Werklohnforderung, Forderung, Anlage, Mangelhaftigkeit, Berufungsverfahren, Verfahrensgrundrechte, Kenntnis, Hinweispflicht, Voraussetzungen, Revision, Umfang, Abnahme, vorgelegtes Gutachten

Aktenzeichen  3 U 3130/20

Datum:
14.12.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57990
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

22 O 341/19 2020-03-31 Endurteil LGDEGGENDORF LG Deggendorf

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf, Az.: 22 O 341/19, vom 31.03.2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das in Z. I bezeichnete Ersturteil sind ohne Sicherheitsleistung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, es sei denn, dass die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ein Werklohnanspruch der Klägerin, resultierend aus dem Austausch der Kühlzellen im von der Beklagten betriebenen Hotel „A. P. S.“ in B.
Hinsichtlich des Tatbestandes wird auf den Tatbestand im landgerichtlichen Urteil (Seiten 2/3 des Ersturteils) Bezug genommen. Dieser ist dahingehend zu ergänzen, dass die seinerzeitigen anwaltlichen Vertreter der Beklagten auf das Mahnschreiben der Klägervertreter vom 24.05.2019 (Anlage K 3) mit Schreiben vom 07.06.2019 (Anlage K 4, vorgelegt mit Berufungserwiderung vom 16.09.2020, Blatt 95/97 d. A.) reagierten und unter anderem ausführten, ihre Mandantin sei gewillt, „die offene Forderung Ihrer Mandantschaft zeitnah zu begleichen“ und sie möchten „nochmal ausdrücklich betonen, dass unsere Mandantin bemüht ist, die offene Forderung Ihres Mandanten schnellstmöglich zu begleichen“.
Gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10.03.2020 am 31.03.2020 ergangene Endurteil trägt die Beklagte in der Berufungsbegründung vor und wendet ein,
– die Klägerin habe zum Vertragsinhalt keinerlei Sachvortrag geleistet,
– es sei offenkundig nicht einmal klar, mit wem die Klägerin den streitgegenständlichen Vertrag abschließen habe wollen,
– das Erstgericht habe die Ausführungen der Beklagten, dass die Klagepartei die Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs darlegen und gegebenenfalls auch nachweisen müsse, zwar zur Kenntnis genommen, jedoch unbeachtet gelassen, womit Verfahrensgrundrechte der Beklagten missachtet worden seien,
– das Gericht habe eine stillschweigende Abnahme, das heißt ein auf stillschweigende Abnahme gerichtetes konkludentes Verhalten der Beklagten, unterstellt, indem es darlegte, die Beklagte habe die streitgegenständlichen Kühlzellen im täglichen Geschäftsbetrieb genutzt, wozu es an jeglichem Sachvortrag fehle,
– damit sei die gesetzliche Vorschrift von § 640 Abs. 2 BGB schlichtweg nicht erfüllt worden, folglich hätten die vom Erstgericht gezogenen Schlussfolgerungen keine gesetzliche Legitimation,
– zudem habe das Erstgericht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Prüfungsund Hinweispflicht des Werkunternehmers ignoriert und habe es sich zu einfach gemacht, wenn es davon ausgehe, dass eine Prüfungs- und Hinweispflicht der Klägerin nicht bestanden habe, da der Beklagten die Tatsache des Wasserschadens bekannt gewesen sei, – darüber hinaus habe sich das Erstgericht gar zu der Behauptung verstiegen, die Beklagte sei selbst für die eingetretenen Schäden verantwortlich, da sie die streitgegenständlichen Räume nicht habe begutachten lassen.
Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründung vom 20.07.2020 (Blatt 84/92 d. A.) und den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 07.10.2020 (Blatt 103/104 d. A.) Bezug genommen.
Ein ausdrücklicher Berufungsantrag wurde nicht gestellt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Ersturteil. Die Beklagte habe zum Vertragsabschluss und zum Vertragsinhalt nicht widersprechend, sondern übereinstimmend vorgetragen. Es erschließe sich nicht, inwieweit hier Verfahrensgrundrechte der Beklagten missachtet worden sein sollten. Eine Einwendung zur Höhe der geltend gemachten Werklohnforderung habe die Beklagte erstinstanzlich nicht vorgetragen.
Das Erstgericht sei korrekterweise von einer konkludenten Abnahme ausgegangen. Die Beklagte habe keine Mängelrüge erhoben, auch nicht irgendeine Schimmelproblematik zum Zeitpunkt des Rechnungszugangs thematisiert. Im Übrigen handle es sich bei der Klägerin nicht um ein Fachunternehmen für die Sanierung von Wasserschäden; insoweit sei die Firma P.V., die als Fachfirma Brand- und Wasserschäden saniert, für die Beklagte tätig gewesen. Eine gesonderte Verpflichtung, eine Feuchtigkeitsprüfung vorzunehmen, scheide für die Klägerin von daher aus, zumal auch im Hinblick auf die für sie geltenden Herstellervorgaben, wonach die Zellenelemente ohne jegliche Verbindung mit den Wänden einzubauen waren.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 16.09.2020 (Blatt 95/97 d. A.) verwiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26.10.2020 die Durchführung des schriftlichen Verfahrens mit Schriftsatznachlass bis 30.11.2020 angeordnet und Verkündungstermin auf 14.12.2020 bestimmt.
II.
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 31.03.2020 ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass nach § 520 Abs. 3 Ziffer 1 ZPO ein konkreter Berufungsantrag nicht gestellt wurde. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich, in welchem Umfang das Ersturteil angegriffen wurde und inwieweit es abgeändert, hier konkret aufgehoben werden sollte. Nachdem das Berufungsvorbringen großen Teils eine Wiederholung des erstinstanziellen Sachvortrags – mit dort beantragter Klageabweisung – beinhaltet, ist hieraus nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH NJW 1966, 933) abzuleiten, dass derselbe Antrag auch im Berufungsverfahren wieder gestellt werden sollte.
2. Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts unter Ziffer II. 1., 2., 4. und 5. der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Der Senat tritt diesen von ihm als in vollem Umfang für zutreffend befundenen Erwägungen, die durch die Ausführungen der Berufung nicht in Frage gestellt werden, bei und macht sie sich ausdrücklich zu eigen. Was die Ausführungen des Erstgerichts unter Ziffer II. 3. angeht, geht auch der Senat davon aus, dass eine Abnahme der klägerischen Werkleistung vorliegt, sieht diese aber vorrangig in dem Schreiben der anwaltlichen Vertreter der Beklagten vom 07.06.2019 (Anlage K 4) für gegeben.
Zusammenfassend und ergänzend ist zur Berufung der Beklagten noch auszuführen: 2) Abschluss und Inhalt des Werkvertrags sind nicht bestritten. In der Klageerwiderung vom 11.09.2020 wird die Auftragserteilung und der Inhalt des Auftrags mitgeteilt, wobei aus Anlage K 1 zur Klagebegründung die einzelnen Materialien und aufgewendeten Arbeitsstunden bekannt waren. Dass hiervon etwas der Ausführung des Auftrags nicht zugerechnet werden könnte, ist beklagtenseits nicht behauptet. Die Rechnung weist verschiedene Arbeitsphasen aus (21.02., 08.04., 09. – 17.04.2019), wobei erst im letztgenannten Zeitraum die Aufstellung der Tiefkühlzellen erfolgte.
2) In dem Schreiben der damaligen anwaltlichen Vertreter der Beklagten vom 07.06.2019 sieht der Senat die Billigung des Werks als in der Hauptsache vertragsgemäße Leistung, mithin eine Abnahme im Sinne von § 640 Abs. 1 BGB. Im Mahnschreiben der nachmaligen Klägervertreter vom 24.05.2019, auf welches das Schreiben vom 07.06.2019 Bezug nimmt, ist vorgetragen, dass die Arbeiten vollständig und fachgerecht durchgeführt wurden; dem wird mit dem Schreiben vom 07.06.2019 nicht widersprochen, sondern ausdrücklich die Bereitschaft zur Zahlung zum Ausdruck gebracht, die eben nicht von vorausgehenden Nachbesserungsmaßnahmen abhängig gemacht wurde.
2) Zurückbehaltungsrechte im Hinblick auf behauptete Schadensersatzansprüche der Beklagten oder gar aufrechenbare Schadensersatzansprüche bestehen nicht. Eine Hinweispflicht auf Feuchtigkeit in den für die Standorte der Kühlzellen vorgesehenen Kühlräumen oblag der Klägerin schon vom Sachverhalt her nicht. Aus der vorgelegten Anlage B 04 ergibt sich, dass nach dem im Oktober 2018 aufgetretenen (ersten) Wasserschaden die Kühlräume durch die Firma P.V. GmbH desinfiziert und getrocknet wurden. Diese führte Feuchtemessungen durch (vgl. als Anlage B 2 zur Klageerwiderung vorgelegtes Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 05.09.2019, Seite 6). Schimmelpilzbefall im Treppenhaus und Keller wurde bei der Begehung vom 03.09.2019 festgestellt. Ein entsprechender Schimmelgeruch war bei den vorherigen Begehungen im Keller nicht gegeben (Gutachten vom 05.09.2019, Seite 5, Ziffer 5). Das Gutachten spricht dann auf Seite 7 davon, „dass in einem anscheinend noch nicht genügend getrockneten Kellerraum bereits eine Kühlzelle installiert wurde (unter der Küche gelegen), ebenso in einem weiteren Raum neben dem dazwischenliegenden Heizkeller angrenzend; dort sind augenscheinlich bereits zwei weitere Kühlzellen installiert worden“. Im August 2019 war es zu einer weiteren Wasser-Leckage in der Küche gekommen, wo erheblich Wasser ausgetreten, es zur Bodendurchnässung und auch zu einer erheblichen Durchfeuchtung des Küchenbodens gekommen war. Hier findet sich die Aussage: „Welche Feuchten bis Schadenseintritt dort vorlagen, kann in einer Expost-Betrachtung nicht mehr seriös gesagt werden“. (Gutachten vom 05.09.2019, Seite 2).
Aus alledem kann schon keine Hinweispflicht der Klägerin auf Einbauhindernisse abgeleitet werden. Seit dem ersten Schadensereignis (Oktober 2018) bis zum tatsächlich erfolgten Einbau der Kühlzellen (April 2019) war ein halbes Jahr vergangen. Die Firma P.V. GmbH war jedenfalls seit November 2018 als Spezialfirma für Trocknungstechnik in den Kühlräumen tätig. Wenn diese – sei es auch aufgrund „stark fehlerbehafteter“ Feuchte-Relativmessungen, die eine „ausreichende Trocknung vorspiegeln“ konnten (Gutachten vom 05.09.2019, Seite 6) – ihre Trocknungsarbeiten eingestellt hatten, oblag es nicht der Klägerin, diese Resultate in Zweifel zu ziehen – zumal, so das Gutachten, hygrothermische Feuchtemessungen mit vorherigen Sondenbohrungen eindeutig in den Aufgabenbereich einer Trocknungsfirma fallen. Zudem lässt sich aus dem Gutachten ersehen, dass auch zum Zeitpunkt des Einbaus der Kältezellen kein spezifischer Schimmelgeruch bestand, der gegebenenfalls Nachfragen bzw. Hinweise der Klägerin an ihren Auftraggeber erfordert hätte.
Ganz abgesehen von diesen Überlegungen spricht das Gutachten (Seite 7, 1. Absatz) auch nur bei einer unter der Küche gelegenen Kühlzelle davon, dass der Kellerraum „anscheinend noch nicht genügend getrocknet“ sei, nicht aber im Zusammenhang mit den zwei weiteren eingebauten Kühlzellen. Dass darüber hinaus der (im August 2019) nachfolgende zweite Wasserschaden eine Abgrenzung der Feuchte bis dahin nicht zulässt, ist im Gutachten, das sich die Beklagte zu eigen gemacht hat und als Beweismittel angegeben hat, ohnehin ausdrücklich angesprochen (dort Seite 2 letzter Absatz).
Ausgehend von der beklagtenseits mit Gutachten dargestellten Sachlage oblag der Klägerin schon tatsächlich keine Hinweispflicht.
2) Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsbegründung vorträgt, „bereits am 11.03.2020 gegenüber der Klägerin erstmals die Mangelhaftigkeit der Einbausituation gerügt“ zu haben, handelt es sich um einen neuen, erstinstanziell nicht gehaltenen Vortrag. Er steht dem Umstand der mit Schreiben vom 07.06.2019 erklärten Abnahme ebenso wenig entgegen wie die Behauptung, der Umstand des Einbaus der Kühlzellen in nicht ordnungsgemäß vorbereitete Räume sei „Anfang September 2019 von dem erstinstanzlich bereits benannten Sachverständigen gerügt worden“, wobei in diesem Zusammenhang ohnehin offen gelassen ist, wem gegenüber diese Rüge erklärt worden sein soll.
Ergänzend wird auf die Ausführungen des Erstgerichts unter Ziffer II. 4. (Seiten 7/9) der Urteilsgründe Bezug genommen, in denen sich das Erstgericht eingehend mit der Frage einer Hinweispflicht auseinandergesetzt hat.
2) Soweit die Beklagte die Argumentation des Erstgerichts im Zusammenhang mit der als Anlage B 1 vorgelegten Phototafel rügt, ist es zwar richtig, dass die Kühlzellen zum Aufnahmezeitpunkt nicht eingebaut waren. Gleichwohl enthält diese Bildtafel, nach Angabe der Klageerwiderung bei einer Begehung am 11.03.2019 entstanden, eine an die Beklagte gerichtete Empfehlung. Wenn die Beklagte diese Empfehlung nicht umsetzte, sie auch insbesondere vor dem ab dem 09. April erfolgten Einbau der Kühlzellen gegenüber der Klägerin nicht kommunizierte, ist für eine Hinweispflicht der Klägerin ohnehin kein Raum. Dieser von der Beklagten thematisierte Aspekt unterstreicht eher das Resümee, welches das Erstgericht zog, wenn es ausführte, die Beklagte könne die Folgen ihrer Entscheidung nicht im Wege der Mängelrechte auf die Klägerin als Werkunternehmerin abwälzen.
Die Berufung war demnach insgesamt – auch und gerade unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen – zurückzuweisen, ohne dass noch eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO;
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus: §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen wäre, liegen offensichtlich nicht vor: Es handelt sich um eine aufgrund der spezifischen Einzelheiten des Sachverhalts getroffene Einzelfallentscheidung.


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