Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Schmerzensgeld, Haftungsquote, Auslegung, Verschulden, Widerklage, Voraussetzungen, Anlage, Klage, Hinweis, Schriftsatz, rechtsfehlerhaft, Auslagenpauschale, Abweisung

Aktenzeichen  10 U 6788/20

Datum:
28.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10103
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

3 O 2953/17 2020-10-26 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

I.  Die Klägerin ist des eingelegten Rechtsmittels der Berufung verlustig, soweit sie diese zurückgenommen hat.
II.  Soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird auf die Berufung der Klägerin vom 26.11.2020 das Endurteil des LG Traunstein vom 26.10.2020 (Az. 3 O 2953/17) in Nr. 2 und Nr. 3 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 53% und die Beklagte zu 2) 47%. Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz der Klägerin trägt die Beklagte zu 2) 47%. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin 53%. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz selbst.
III.  Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 42% und die Beklagte zu 2) 58%. Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens der Klägerin trägt die Beklagte zu 2) 58%. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin 42%. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens selbst.
IV.  Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
V.  Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache, soweit sie nicht seitens der Klägerin zurückgenommen wurde und soweit der Rechtsstreit von den Parteien nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, Erfolg.
I. Streitgegenständlich ist nur noch der von der Beklagten zu 2) widerklagend geltend gemachte Anspruch in Höhe von 10.665,55 €:
Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung vom 26.11.2020 sich gegen die Abweisung ihrer Klage durch das Landgericht gewandt hat, hat die Klägerin die Berufung auf Hinweis des Senats mit Beschluss vom 01.02.2021 (Bl. 231/236 d.A.) mit Schriftsatz vom 02.03.2021 (Bl. 238/239 d.A.) wirksam zurückgenommen.
Weiter ist der Rechtsstreit von den Beteiligten hinsichtlich der Widerklage der Beklagten zu 2) in Höhe von 2.907,27 € einschließlich der auf diesen Betrag anfallenden Zinsen mit Schriftsätzen der Beklagten zu 2) vom 01.04.2021 (Bl. 250/251 d.A.) und vom 09.04.2021 (Bl. 255/256 d.A.) sowie mit Schriftsatz der Klägerin vom 07.04.2021 (Bl. 257/258 d.A.) übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
II. Das Landgericht hat auf die Widerklage der Beklagten zu 2) die Klägerin zu Unrecht zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 10.665,55 € nebst der insoweit geltend gemachten Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin war die Widerklage der Beklagten zu 2) insoweit abzuweisen.
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft das Vorliegen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses der Beklagten zu 2) gegenüber der Klägerin gemäß § 781 BGB verneint.
a) In der gesamtschauenden Bewertung der Schreiben der Beklagten zu 2) vom 01.09.2017 (Anlage K 10), vom 12.10.2017 (Anlage K 9) sowie vom 15.11.2017 (Anlage B 3) können diese Schreiben nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis in Höhe einer Haftungsquote von 50% abgegeben hat.
b) Die Einwände der Beklagten zu 2) insbesondere unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 21.10.2008, IX ZR 256/07, ZIP 2008, 2405, dass vorliegend die Voraussetzungen eines deklatorischen Schuldanerkenntnisses nicht gegeben seien, greifen nicht durch:
Zwar kommt gemäß der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil des BGH vom 21.10.2008, IX ZR 256/07, ZIP 2008, 2405) einer Zahlung als solcher der Erklärungswert eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses nicht allgemein, sondern nur dann zu, wenn der Schuldner aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall bei seiner Leistung aus der Sicht des Empfängers den Eindruck erweckt, er handele mit einem auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung gerichteten Rechtsfolgewillen. Dies setzt voraus, dass die Beteiligten einen nachvollziehbaren Anlass für ein Schuldanerkenntnis haben, insbesondere Streit oder zumindest Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne Einwendungen herrscht und damit der Wille erkennbar wird, diese Unsicherheit durch vertragliche Vereinbarung zu beseitigen (vgl. Palandt, BGB, 80. Aufl., § 781, Rn. 3 m.w.N.).
Allerdings sind vorliegend die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt und die Wirkungen des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses kann durch Auslegung ermittelt werden (vgl. Palandt, BGB, 80. Aufl., § 781, Rn. 4). Vorliegend ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass vor den streitgegenständlichen Zahlungen der Beklagten zu 2) an die Klägerin Streit über die Haftungsfrage bestanden hat. Mit Schreiben vom 01.09.2017 (Anlage K 10) erklärte die Beklagte zu 2) sodann gegenüber der Klägerin u.a., dass sie mit der Haftungsentscheidung auf sie zurückkommen wird, sobald ihr die Ermittlungsakte vorliegt. Mit Schreiben vom 12.10.2017 (Anlage K 9) erklärte die Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin, dass nach Durchsicht der Ermittlungsakte ein alleiniges Verschulden keineswegs erkennbar ist, und regulierte gegenüber der Klägerin ausgehend von einer Haftungsquote von 50% einen Betrag in Höhe von 8.794,70 €. Mit Schreiben vom 15.11.2017 (Anlage B 3) regulierte die Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 1.300,- €, Haushaltsführungsschaden pauschal in Höhe von 300,- € sowie Auslagenpauschale in Höhe von 15,- €. In der Gesamtschau dieser Schreiben wurde folglich für die Klägerin der Wille der Beklagten zu 2) deutlich erkennbar, den bestehenden Streit und die Unsicherheiten bezüglich der Haftungsfrage dahingehend zu beenden, dass die Beklagte zu 2) sich jedenfalls mit einer eigenen Haftungsquote von 50% einverstanden erklärt hat. Unstreitig lehnte die Klägerin die vorstehenden Zahlungen der Beklagten zu 2) nicht ab, so dass die Annahme dieses deklaratorischen Schuldanerkenntnisses durch die Klägerin gegeben ist. Hierdurch war die Klägerin jedoch nicht gehindert, die ihrer Ansicht nach darüber hinaus bestehenden Ansprüche gegenüber den Beklagten weiterzuverfolgen.
2. Folglich nahm das Landgericht rechtsfehlerhaft an, dass der widerklagenden Beklagten zu 2) ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch auf den von ihr an die Klägerin aufgrund des streitgegenständlichen Unfallereignisses gezahlten Betrages in Höhe von insgesamt 10.665,55 € (vgl. Anlagen K 9 und B 3) zusteht. Denn diese Zahlungen wurden seitens der Beklagten zu 2) aufgrund des abgegebenen deklaratorischen Schuldanerkenntnisses mit Rechtsgrund an die Klägerin geleistet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 91a I, 516 III ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO.
V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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