Handels- und Gesellschaftsrecht

Bestimmung des zuständigen Gerichts im Kapitalanlageverfahren

Aktenzeichen  101 AR 16/21

Datum:
29.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 8713
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 32b, § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60

 

Leitsatz

Im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann ausnahmsweise auch ein Gericht bestimmt werden, bei dem keiner der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, so beispielsweise, wenn ein Gericht für einen oder mehrere Streitgenossen ausschließlich zuständig ist (Anschluss an BGH BeckRS 2008, 11740).  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Dortmund bestimmt.

Gründe

I.
Mit ihrer zum Landgericht Traunstein erhobenen Klage machen die Eheleute K. Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit zwei Beteiligungen an der GenoGen eG – Genossenschaft für Generationen (im Folgenden: GenoGen eG) mit Sitz im Landgerichtsbezirk Münster geltend. Die Erklärungen über ihren Beitritt als „investierende Mitglieder“ haben die Antragsteller am 5. März und 5. Juni 2013 (Anlage K 1) jeweils gemeinsam an ihrem Wohnort im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts abgegeben.
Über das Vermögen der GenoGen eG ist mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Antragsteller haben in der Klageschrift vorgebracht, sämtliche Antragsgegner hafteten ihnen deliktisch. Das Landgericht Traunstein sei örtlich zuständig, da der Ort der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO an ihrem Wohnsitz liege.
Bei den Antragsgegnern zu 3) bis 6) handele es sich um die Gründer der Genossenschaft. Der Antragsgegner zu 5) habe zudem die Aufgabe eines Bevollmächtigten der Generalversammlung übernommen. Außerdem habe er die Internetseiten der GenoGen eG erstellt und sei für deren Wartung und die Pflege der Inhalte zuständig gewesen. Es seien die Werbematerialien, u. a. Flyer, Exposés und Prospekte der GenoGen eG, welche die Vertriebsmitarbeiter den zu werbenden Anlegern zur Vorstellung der GenoGen eG regelmäßig vorgelegt hätten, von dem Antragsgegner zu 5) erstellt worden. Dies gelte auch für Werbevideos. Der Antragsgegner zu 6) sei Finanzvorstand gewesen.
Der Antragsgegner zu 1), ein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisierter Genossenschafts- und Prüfverband, der bis 2012 noch unter „pvdp Prüfungsverband Deutscher Wirtschafts-, Sozialu. Kulturgenossenschaften e. V.“ firmiert habe (Anlage K 2), habe unter dem Datum 21. März 2012 einen Prüfungsbericht gemäß § 11 Abs. 2 Ziff. 3 GenG über die Gründung der GenoGen eG erstellt (Anlage K 3) und der Genossenschaft ebenfalls im März 2012 gemäß § 54 GenG in der Fassung vom 16. Oktober 2006 die Aufnahmebescheinigung in den Prüfungsverband erteilt (Anlage K 4). Nach dem Vorbringen der Antragsteller habe der Antragsgegner zu 2) – Vorstand des Antragsgegners zu 1) – die Gründungsprüfung der GenoGen eG bearbeitet. Die Aufnahmebescheinigung sei unter dessen Mitwirkung erteilt worden.
Der Antragsgegner zu 1) hat seinen Sitz im Landgerichtsbezirk Dessau-Roßlau. Dort hat auch der Antragsgegner zu 2) seinen allgemeinen Gerichtsstand.
Die Antragsgegner zu 3) bis 6) haben ihre Wohnsitze in den Landgerichtsbezirken Duisburg (Antragsgegner zu 3]), Regensburg (Antragsgegner zu 4]), Münster (Antragsgegner zu 5]) und Bad Kreuznach (Antragsgegner zu 6]).
Die Antragsteller werfen den Antragsgegnern zu 3) bis 6) vor, diese hätten von Anfang an geplant, die GenoGen eG als Schneeballsystem zu betreiben, im Ergebnis unter Einschluss der Einschaltung eines „nicht genau hinschauenden Prüfverbands“. Die Antragsgegner zu 3) bis 6) hätten den Antragstellern im Rahmen des Internetauftritts sowie der Werbematerialien der GenoGen eG sowie durch die Vermittler wahrheitswidrig suggeriert, dass aufgrund der Rechtsform und aufgrund der vorhandenen Sachwertabsicherung in werthaltige und breit gestreute Sachwerte die Rückzahlung des investierten Kapitals sicher und eine Beteiligung an der GenoGen eG letztlich ohne Risiko sei. Den Antragstellern sei in einem übergebenen Flyer der GenoGen eG mitgeteilt worden, dass das Risiko der Anlage „nahe 0“ liegen würde.
Die der Prüfung durch die Antragsgegner zu 1) und zu 2) zugrunde liegende Projektkonzeption (“Projekt-Konzeption Gründung einer kleineren eG-Kurzfassung“ vom 15. März 2012) sei „ins Blau hinein“ von dem Antragsgegner zu 3) in Absprache mit den Antragsgegnern zu 4) bis 6) formuliert worden. Zu keinem Zeitpunkt habe es auch nur für eines der geplanten und stets von Anfang an intensiv von den Antragsgegnern zu 3) bis 6) beworbenen, vermeintlich renditeträchtigen Projekte realistisch kalkulierte Projekt- bzw. Businesspläne mit ernsthaft kalkulierten Gewinnerwartungen gegeben; dies sei allen Antragsgegnern bekannt gewesen. Bei den Angaben im Kurzexposé handele es sich im Wesentlichen um aus der Luft gegriffene, d. h. erfundene Zahlen. Die Prüfung sei von den Antragsgegnern zu 1) und 2) nicht bzw. fehlerhaft durchgeführt worden. Die Antragsgegner zu 1) und 2) hätten zu keiner Zeit zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass besondere Gefährdungspotentiale für Mitglieder und Gläubiger nicht erkennbar und das eingereichte Unternehmenskonzept der GenoGen eG plausibel und nachvollziehbar seien.
Von der Antragsgegnerin zu 1) sei auch nach der Aufnahme keine weitere Prüfung mehr durchgeführt worden, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen sei. Insbesondere hätten die Antragsgegner zu 1) und 2) die Pflicht gehabt, darauf hinzuweisen, dass die im Prospekt und auf der Internetseite herausgestellte Kontrolle bislang nicht stattgefunden habe. Zukünftige Mitglieder, so auch die Antragsteller, hätten in geeigneter Weise unterrichtet werden müssen. Der Werbeprospekt der GenoGen eG habe auf der ersten Seite den Aufdruck enthalten: „Empfohlen von pvdp e. V.“ Weiter sei im Werbeprospekt zu lesen gewesen: „Unsere Mitglieder in guten Händen Prüfverband pvdb Deutscher WirtschaftsSozial- und Kulturgenossenschaftsverband e. V. Jährliche Prüfung der GenoGen eG www.pvdppruefungsverband.de“ sowie „Ein einzigartiges Produkt In Kooperation mit Steuerberatern, Rechtsanwälten und dem pvdp Prüfungsverband wurde ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell für die GenoGen eG entwickelt. Es verbindet die positive Kraft der Gemeinschaft einer Genossenschaft mit zeitgemäßen, Sachwert gestützten Investitionen für eine bessere Zukunft.“ (vgl. Anlage K 6). Gleich lautende Aussagen zu den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) hätten sich auf der Internetseite der GenoGen eG befunden. Auf diese hätten sich die Antragsteller verlassen und sie seien Grundlage ihrer Anlageentscheidung gewesen. Der Prüfungsverband habe die GenoGen eG erst im Jahr 2015 und damit drei Jahre nach Aufnahme der Genossenschaft in den Prüfungsverband zur Einreichung von Unterlagen zur Durchführung einer Prüfung aufgefordert.
Die Antragsgegner zu 3) bis 6) hafteten den Antragstellern aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB sowie aus § 826 BGB. Sie seien vom Landgericht Münster, Az. 72 Kls- 45 Js 1214/14-1/17 wegen Betruges u. a. zu Lasten der Antragsteller zu Freiheitsstrafen verurteilt worden (vgl. Anlage K 5). Es ergebe sich auch eine Haftung nach §§ 1, 32, 54 KWG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB.
Gegen die Antragsgegner zu 1) und zu 2) bestünden Ansprüche der Antragsteller nach § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 53 Abs. 1 und § 63d Satz 2 GenG jeweils in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB. Sie hafteten den Antragstellern zudem aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Es sei für die Antragsgegner zu 1) und 2) erkennbar gewesen, dass die Aufnahmebescheinigung und der Prüfbericht für die Anlageentscheidung genutzt werden würde. Hilfsweise hafteten ihnen die Antragsgegner zu 1) und 2) gemäß § 280 Abs. 1 BGB aus einem konkludent abgeschlossenen Auskunftsvertrag bzw. aus einem „Auskunftsvertrag mit dem, den es angeht“. Es sei auch eine Haftung analog der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Mittelverwendungskontrolleur nach § 311 Abs. 2 BGB gegeben. Schließlich bestehe ein Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB, da die Antragsgegner zu 1) und 2) in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflusst hätten. Sie hätten sich als Prüfgesellschaft in das Anlagesystem der GenoGen eG einbinden lassen, indem mit ihrer Kenntnis u. a. im Werbeprospekt und auf der Homepage der GenoGen eG damit geworben worden sei, dass eine ordnungsgemäße Prüfung erfolgt sei.
Mit dem Klageantrag zu 1. begehren die Antragsteller von den Antragsgegnern als Gesamtschuldner die Rückzahlung der von Ihnen geleisteten Einlagen abzüglich der erhaltenen Rückzahlungen Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche aus dem Insolvenzverfahren der GenoGen eG.
Der Klageantrag zu 2. ist auf Feststellung des Annahmeverzugs gerichtet.
Mit dem Klageantrag zu 3. soll festgestellt werden, dass der Anspruch der Antragsteller gemäß Klageantrag zu 1. gegen die Antragsgegner zu 3) bis 6) auch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung besteht.
Gemäß Klageantrag Ziffer 4. verlangen die Antragsteller, dass die Antragsgegner gesamtschuldnerisch verurteilt werden, an die Rechtsschutzversicherung der Antragsteller vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Der Klageantrag Ziffer 5. ist auf Feststellung gerichtet, dass der Anspruch der Antragsteller gemäß Klageantrag Ziffer 4. gegen die Antragsgegner zu 3) bis 6) auch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung besteht.
Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2019 hat der Antragsgegner zu 3) die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Traunstein gerügt. Der „Hauptbeklagte zu 1)“ habe seinen Sitz in Dessau-Roßlau, dessen Vermögenshaftpflichtversicherung habe im Fall der Verurteilung für den behaupteten Schadensersatz aufzukommen. Es sei daher das Gericht am Sitz des Antragsgegners zu 1) örtlich zuständig. Selbst wenn man der Argumentation der Klagebegründung folge, wonach ein Wahlrecht für den Sitz der im Bezirk des angerufenen Gerichts erfolgten unerlaubten Handlung der Antragsgegner zu 2) bis 6) bestehe, so treffe dies jedenfalls nicht auf den gegen den Antragsgegner zu 1) erhobenen Vorwurf fehlerhafter Prüfung zu.
Der Antragsgegner zu 6) hat mit Schriftsatz vom 20. Januar 2020 vorgebracht, mit einer Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Dessau-Roßlau nicht einverstanden zu sein.
Mit Schriftsatz vom „10.10.2019“, eingegangen beim Landgericht Traunstein am 23. Januar 2020 haben die Antragsteller – unter Berufung auf einen Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. September 2019 (Anlage K 8) – ihre Auffassung bekräftigt, dass es sich bei § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 53 Abs. 1 Satz 2 und § 63d GenG um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele. Es sei auch eine Haftung sämtlicher Beklagten gemäß § 826 BGB nicht auszuschließen.
Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2020 hat der Antragsgegner zu 3) sein Vorbringen dahin ergänzt, er halte es für prozessökonomisch sinnvoll, als Gerichtsstand den Sitz des Antragsgegners zu 1) zu bestimmen. Eine deliktische Haftung des Antragsgegners zu 1) habe sich selbst nach dem Klagevortrag nicht am Wohnsitz der Antragsteller verwirklicht. Unabhängig von der Frage, ob § 11 Abs. 2 Nr. 3 GenG überhaupt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sei, sei die behauptete fehlerhafte Prüfung nicht am Wohnort der Antragsteller erfolgt, sondern zum Zeitraum der Prüfung am Sitz des Antragsgegners zu 1) als Handlungsort.
Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 haben die Antragsgegner zu 1) und 2) die fehlende örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend gemacht. Ein deliktischer Gerichtsstand sei für die gegen die Antragsgegner zu 1) und zu 2) gerichtete Klage nicht begründet, da es sich bei § 63d GenG a. F. sowie § 53 und § 11 GenG um keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB handele. Die gegen die Antragsgegner zu 1) und 2) gerichtete Klage sei durch Teilurteil als unzulässig abzuweisen oder auf einen entsprechenden Verweisungsantrag an das Landgericht Dessau-Roßlau zu verweisen.
Am 4. Februar 2020 hat das Landgericht Traunstein darauf hingewiesen, dass es nach vorläufiger Ansicht für alle Antragsgegner örtlich zuständig sei, da die Klage auch auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gestützt werde und somit der Eintritt des Vermögensschadens auch am Wohnort der Antragsteller in Betracht komme. Es fehle jedoch derzeit diesbezüglich an einem substantiierten Vortrag der Antragstellerpartei.
Daraufhin haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 6. Februar 2020 mitgeteilt, der Ort der schädigenden Kontobelastung liege bei der Raiffeisenbank T.-T. in 83368 St. Georgen und somit im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts. Die Prüfungsbescheinigung nach § 11 Abs. 2 Ziffer 3 GenG sei von den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) ohne sachliche/fachliche Prüfung erstellt worden. In der Untätigkeit der Antragsgegner zu 1) und 2) sei eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Anleger zu sehen. Mit Schriftsatz vom 21. April 2020 haben sie vorgetragen, zum Zeitpunkt der jeweiligen Beitrittserklärung hätte die Antragstellerpartei ihr Vermögen im Landgerichtsbezirk Traunstein gehabt. Dort sei ihr Vermögen durch die Antragsgegner in rechtswidriger und schuldhafter Weise beschädigt worden.
Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2020 hat der Antragsgegner zu 3) die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit wiederholt. Der Gerichtsstand des § 32 ZPO könne nicht gewählt werden, da der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32b ZPO vorgehe. Den Antragsgegnern zu 3) bis 6) werde vorgeworfen, in Werbematerialien, Flyern und Broschüren der GenoGen eG mit wahrheitswidrige Kapitalmarktinformationen geworben zu haben, ohne die Anleger über die falschen Prospektangaben aufzuklären. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelte § 32b ZPO auch dann, wenn sogenannte „sonstige“ im engeren Sinn Prospektverantwortliche, wie sogenannte Hintermänner und Gründungsmitglieder, verklagt würden. Auch bloße Flyer und Exposés könnten bereits öffentliche Kapitalmarktinformationen sein. Laut Klagebegründung seien auch die Antragsgegner zu 1) und zu 2) prospektverantwortlich im engeren Sinne, weil sie unter Bezugnahme auf ihre fachliche Kompetenz besonderes Vertrauen für die Richtigkeit zumindest einzelner Prospektaussagen in Anspruch genommen und gegen ihnen obliegende Schutzpflichten verstoßen hätten. Das Oberlandesgericht Hamm habe sich in der genannten Entscheidung mit dieser Problematik aufgrund der auf § 32 ZPO bezogenen Fragestellung nicht befasst. Es sei nach § 32b ZPO das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten, des betroffenen Anbieters von Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft ausschließlich zuständig. Welches Landgericht in Frage komme, könne dem Klagevorbringen nicht zweifelsfrei entnommen werden.
Am 5. Mai 2020 hat das Landgericht Traunstein den Parteien den Hinweis erteilt, dass sich für die Klage gegen die Antragsgegner zu 3) bis 6) eine Zuständigkeit aus § 32 ZPO ergebe; eine ausschließliche Zuständigkeit nach § 32b ZPO komme nicht in Betracht, da mit der Klage kein Anspruch wegen fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformation geltend gemacht werde. Für die Klage gegen die Antragsgegner zu 1) und zu 2) sei es örtlich nicht zuständig. Die Voraussetzungen des § 32 ZPO lägen insoweit nicht vor, denn bei den § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 53 Abs. 1 Satz 2 und § 63d Satz 2 GenG handele es sich nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Für einen Anspruch der Klagepartei gegen die Antragsgegner zu 1) und zu 2) aus § 826 BGB fehle es bisher an einem ausreichenden Vortrag. Auch wenn es sich um eine Frage der Zuständigkeit handele, sei es erforderlich, dass die Haftung (aus § 826 BGB) möglich erscheine. Dies sei bis jetzt nicht der Fall.
Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2020 hat auch der Antragsgegner zu 5) die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts gerügt. Der Gerichtsstand richte sich nach § 32b ZPO.
Mit Schriftsatz vom 21. April 2020 haben die Antragsteller bezüglich der Antragsgegner zu 1) und zu 2) hilfsweise die Verweisung „an das zuständige Gericht“ beantragt.
Daraufhin haben die Antragsgegner zu 1) und zu 2) einer Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Dortmund – das gemäß § 32b Abs. 2 ZPO i. V. m. § 1 der Verordnung über die Konzentration von Verfahren nach § 32b der Zivilprozessordnung und nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten zuständig wäre – mit der Begründung widersprochen, bei der gegen sie gerichteten Klage gehe es erkennbar nicht um öffentliche Kapitalmarktinformationen, sondern um die völlig unsubstantiierte Behauptung vermeintlicher Versäumnisse bei der Erstellung der gutachterlichen Äußerung gemäß § 11 GenG. Es hätten den Antragsgegnern zu 1) und 2) nicht die Unterlagen vorgelegen, mit denen die GenoGen eG erst nachfolgend nach der Eintragung der Genossenschaft in das Genossenschaftsregister angeblich ihre „investierenden Mitglieder“ geworben haben solle, geschweige denn seien die Antragsgegner zu 1) und 2) in deren Erstellung eingebunden gewesen oder hätten den Auftrag gehabt, diese zu überprüfen. Ihre Inanspruchnahme als „Prospektverantwortliche“ sei daher von vornherein ausgeschlossen. Zuständig sei das Landgericht DessauRoßlau.
Mit Verfügung vom 1. Juli 2020 hat das Landgericht Traunstein darauf hingewiesen, dass es nach nochmaliger Beratung nunmehr der Ansicht sei, dass zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit für die Klage gegen die Antragsgegner zu 1) und 2) wohl die Behauptung der Antragsteller, es stünden ihnen Ansprüche aus unerlaubter Handlung zu, ausreichten. Hinsichtlich der gegen die Antragsgegner zu 3) bis 6) gerichteten Klage sei es weiterhin der Ansicht, dass kein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß § 32b ZPO gegeben sei.
Mit Schriftsatz vom 6. November 2020 hat auch der Antragsgegner zu 4) die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts erhoben.
Mit Verfügung vom 20. Januar 2021 hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass es nunmehr – vor dem Hintergrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig vom 6. Oktober 2020, 2 AR 16/20 (Bl. 253/257 der beigezogenen Akte) die Auffassung vertrete, dass bezüglich der Antragsgegner zu 3) bis 6) die ausschließliche Zuständigkeit nach § 32b ZPO gegeben sei. Zwar sei dies hinsichtlich der Antragsgegner zu 1) und 2) nicht der Fall. Insoweit werde jedoch angeregt, dass seitens der Antragsteller nach §§ 36, 37 ZPO ersucht werde, das Landgericht Dortmund als einheitlichen Gerichtsstand bestimmen zu lassen.
Daraufhin haben die Antragsteller beim Landgericht Traunstein einen Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt und beantragt, das Landgericht Dortmund für den Rechtsstreit gegen sämtliche Streitgenossen als das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.
Nach Vorlage der Akten an das Bayerische Oberste Landesgericht sind die Beteiligten angehört worden. Die Antragsgegner zu 3) bis 6) haben sich nicht geäußert. Die Antragsgegner zu 1) und 2) haben vorgebracht, dass sie willkürlich mit den Antragsgegnern zu 3) bis 6) als Streitgenossen in Anspruch genommen würden. Die ihnen vorgeworfene Pflichtverletzung habe mit den zeitlich erheblich später liegenden, angeblichen Betrugshandlungen der Antragsgegner zu 3) bis 5) nichts zu tun. Aus diesem Grund sei das Verfahren gegen die Antragsgegner zu 1) und 2) abzutrennen und der Rechtsstreit an das für die Entscheidung dieses Prozessrechtsverhältnisses allein zuständige Landgericht Dessau-Roßlau zu verweisen. Hilfsweise werde beantragt, das Landgericht Dessau-Roßlau als das für den Rechtsstreit gegen alle Antragsgegner örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Die Entscheidung bedürfe – auch soweit sie die Antragsgegner zu 3) bis 6) betreffe – keiner besonderen kapitalmarktrechtlichen Expertise.
II.
Der Senat bestimmt das Landgericht Dortmund als das für den Rechtsstreit gegen sämtliche Antragsgegner einheitlich (örtlich) zuständige Gericht.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig.
Die in Betracht kommenden Gerichtsstände liegen in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte, so dass das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Sinne des § 36 Abs. 1 ZPO der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle befindet gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht über den Bestimmungsantrag, weil das zuerst mit der Sache befasste Gericht in Bayern liegt.
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung ist zwar an das Landgericht Traunstein und nicht an das Bayerische Oberste Landesgericht gerichtet. Jedoch ist in der Anregung, eine Zuständigkeitsbestimmung herbeizuführen, eine konkludente Antragstellung zu sehen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 1. Dezember 2004, 1Z AR 158/04, juris Rn. 6).
b) Der Antrag ist zwar nach seinem Wortlaut darauf gerichtet, das Landgericht Dortmund zu bestimmen, wird jedoch im wohlverstandenen Interesse der Antragsteller vom Senat dahin ausgelegt, dass im Hinblick auf sein grundsätzlich bestehendes Auswahlermessen die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts beantragt und die Bestimmung des Landgerichts Dortmund lediglich angeregt wird.
c) Die Bestimmung des Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann nicht nur im Vorfeld einer Klage, sondern grundsätzlich auch noch dann erfolgen, wenn bereits Klage erhoben worden ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10 m. w. N.).
d) Auch werden die Antragsgegner nach dem maßgeblichen (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 28) Vorbringen der Antragsteller als Streitgenossen im Sinne von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
Als eine weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Vorschrift ist § 60 ZPO weit auszulegen. Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO erfordert keine Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der mit der Klage verfolgten Ansprüche. Es genügt vielmehr, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Streitgenossenschaft gemäß § 60 ZPO setzt danach voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18).
Dies ist hinsichtlich der gegen die Antragsgegner gerichteten Ansprüche der Fall, denn diese sollen als Gesamtschuldner Schadensersatz wegen fehlgeschlagener Kapitalanlage leisten. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für deren Haftung (teils aufgrund eigenen, teils aufgrund fremden Verschuldens) ist die nicht ordnungsgemäße Aufklärung über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände. Dass einzelne Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zu den einzelnen Beklagten von Bedeutung sein mögen, ist unschädlich (vgl. BGH NJW 2018, 2200 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 18. Juli 2019, 1 AR 52/19, juris Rn. 20); auch auf demselben Rechtsverhältnis müssen die Ansprüche nicht beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18; BayObLG a. a. O.). Es genügt die schlüssige Behauptung von Streitgenossenschaft. Auf die Schlüssigkeit der Klage im Übrigen kommt es nicht an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28).
e) Offen bleiben kann, ob mit Blick auf den ausschließlichen Gerichtsstand nach § 32b ZPO ein gemeinsamer Gerichtsstand eröffnet ist. Zwar steht ein gemeinsamer Gerichtsstand einer Bestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO regelmäßig entgegen. Zur Vermeidung einer auf Zuständigkeitszweifeln beruhenden Verfahrensverzögerung, die mit einer Klärung der Zuständigkeitsfrage durch klageabweisendes Prozessurteil und Rechtsmittel verbunden wäre, ist jedoch eine Gerichtsstandsbestimmung auch dann statthaft, wenn das Gericht des Hauptsacheverfahrens Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 15). Das ist vorliegend der Fall.
3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie. Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand haben. Ausnahmsweise kann jedoch auch ein Gericht bestimmt werden, bei dem keiner der verklagten Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (Toussaint in BeckOK ZPO, 39. Ed. Stand: 1. Dezember 2020, § 36 Rn. 25 m. w. N.), so beispielsweise, wenn ein Gericht für einen oder mehrere Streitgenossen ausschließlich zuständig ist (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2008, X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514 Rn. 20).
Der Senat bestimmt als gemeinsam zuständig das Landgericht Dortmund. Bei diesem besteht ein (ausschließlicher) Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO jedenfalls für die Klage gegen die Antragsgegner zu 3) bis 6), denn diese werden als Gründer der Genossenschaft wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen in Anspruch genommen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2016, X ARZ 180/16, NJW-RR 2017, 693 Rn. 11 ff.). Der Regelung des § 32b ZPO liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass über Schadensersatzansprüche wegen einer bestimmten angeblich fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformation möglichst durch ein und dasselbe Gericht entschieden werden soll (BGH NJW-RR 2008, 1514 Rn. 15). Anknüpfungspunkt für den Gerichtsstand ist der Sitz der Genossenschaft (§ 32b Abs. 1 ZPO), der im Bezirk des Landgerichts Münster liegt. Nach § 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Konzentration der Verfahren nach § 32b der Zivilprozessordnung und nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten vom 16. November 2012 (GVBl. 2012, S. 617) sind Rechtsstreitigkeiten nach § 32b Abs. 1 ZPO für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm dem Landgericht Dortmund zugewiesen (§ 32b Abs. 2 ZPO). Bei diesem Gericht ist außerdem zumindest bereits ein Verfahren im Zusammenhang mit Beteiligungen an der GenoGen eG rechtshängig (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 6. Oktober 2020, 2 AR 16/20). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) ein Verhandeln vor diesem Gericht nicht zumutbar wäre. Die Antragsgegner zu 1) und 2) haben zwar die Bestimmung des Landgerichts Dessau-Roßlau angeregt, bei dem sie ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand haben (§§ 12, 13, 17 ZPO). Indessen haben die anderen Antragsgegner ihren Wohnsitz nicht im Bezirk dieses Gerichts. Es ist daher dem im Rahmen des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ausschließlich zur Entscheidung berufenen Landgericht Dortmund bei der Gerichtsstandsbestimmung der Vorzug zu geben, wobei es dahinstehen kann, ob auch in Richtung auf die Antragsgegner zu 1) und 2) nicht ohnehin eine Zuständigkeit des ausgewählten Gerichts bereits aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO besteht. 101 AR 16/21 – Seite 13 – Aus dem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. September 2019 (Anlage K 8) folgt keine andere Bewertung (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 6. Oktober 2020, 2 AR 16/20, II. Ziffer 4.). Es ist dort lediglich eine vorläufige Rechtsauffassung geäußert worden.


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