Handels- und Gesellschaftsrecht

Fehlende Kausalität der Täuschung für Vertragsschluss bei Kenntnisnahmemöglichkeit – Abgasskandal

Aktenzeichen  18 U 7091/19

Datum:
10.6.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28765
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826
ZPO § 286

 

Leitsatz

Die Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss ist auch dann zu verneinen, wenn der Käufer es für möglich gehalten hat, dass das Fahrzeug von den ihm bekannten Abgasmanipulationen betroffen ist, und er keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese sich aufdrängende Frage vor Vertragsschluss zu klären.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 U 7091/19 2020-04-27 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 05.11.2019, Aktenzeichen 1 O 3758/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.060,50 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines vom sog. „Dieselskandal“ betroffenen Pkw Audi am 25.11.2016 geltend. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 05.11.2019 (Bl. 189/190 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 05.11.2019 die Klage abgewiesen. Zu den Entscheidungsgründen wird auf Bl. 190/192 d.A. verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Wegen des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 12.02.2020 (Bl. 204/214 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin stellt die Anträge gemäß Schriftsatz vom 12.02.2020 (Bl. 204 f. d.A.).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen (Bl. 220 d.A.).
Auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 07.04.2020 (Bl. 220/2276 d.A.) wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 27.04.2020 (Bl. 277/283 d.A.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schriftsatz vom 08.06.2020 (Bl. 289/292 d.A.) ist die Klägerin der beabsichtigten Vorgehensweise entgegen getreten.
II.
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 05.11.2019 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 27.04.2020 Bezug genommen.
Die Ausführungen in der Gegenerklärung der Klägerin vom 08.06.2020 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Auch der Senat ist der Ansicht, dass der Schädigungsvorsatz der Beklagten oder die Sittenwidrigkeit im Rahmen des § 826 BGB durch die Veröffentlichung der Adhoc-Mitteilung vom 22.09.2015 und die anschließende mediale Berichterstattung nicht entfallen ist. Darauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, weil die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis der Kausalität der sittenwidrigen Täuschungshandlung für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw nicht führen kann.
2. Wie im Hinweisbeschluss dargelegt, ist die Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer positiv bekannt ist, dass das Abgasrückführungssystem des konkret erworbenen Kraftfahrzeugs manipuliert ist. Vielmehr reicht aus, dass er es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass das Fahrzeug von den ihm bekannten Abgasmanipulationen betroffen ist, und er keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese sich aufdrängende Frage vor Vertragsschluss zu klären. Denn ein solches Verhalten des Käufers lässt im Allgemeinen den Rückschluss darauf zu, dass er die als möglich erkannte Betroffenheit des Pkws billigend in Kauf genommen hat, weil er diesem Umstand für seine Kaufentscheidung keine wesentliche Bedeutung beigemessen hat. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Käufers, der für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Schädigungshandlung und Schadenseintritt darlegungs- und beweisbelastet ist. Mit dieser Argumentation des Senats, die gerade nicht allein auf die Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 abstellt, setzt sich die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 08.06.2020 nicht erkennbar auseinander. Der Senat hat vorliegend sämtliche Umstände im konkreten Einzelfall gewürdigt und sich nicht zuletzt auch aufgrund der eigenen Angaben des Geschäftsführers der Klägerin und der Gesamtumstände nicht davon überzeugen können, dass die Täuschungshandlung der Beklagten für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw durch die Klägerin kausal geworden ist. Soweit die Klägerin insoweit ihre eigene Würdigung an die Stelle der Würdigung des Senats zu setzen versucht, kann sie damit keinen Erfolg haben. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss unter Ziff. I. 1) a) und b) wird Bezug genommen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.


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