Handels- und Gesellschaftsrecht

Herausgabe- und Schadensersatzansprüche – Ansprüche aus eigenem und abgetretenem Recht – Streitgegenstand – Bestimmtheitsgebot – internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte – Herausgabe von Schmiergeldern – Schadensverursachung durch die Annahme von Schmiergeldern – Schadensschätzung – Geschäftsanmaßung – Vertragspflichtverletzung – unerlaubte Handlung – Abtretung – Ausschlussklausel – Widerklage

Aktenzeichen  8 AZR 171/19

Datum:
25.2.2021
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:250221.U.8AZR171.19.0
Normen:
§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO
§ 687 Abs 2 BGB
§ 681 BGB
§ 202 Abs 1 BGB
§ 134 BGB
§ 276 Abs 3 BGB
§ 306 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hannover, 24. Januar 2018, Az: 8 Ca 107/17, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 27. Februar 2019, Az: 2 Sa 244/18, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Februar 2019 – 2 Sa 244/18 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin gegen den Beklagten – aus eigenem und abgetretenem Recht – Ansprüche aus Geschäftsanmaßung, Vertragspflichtverletzung und unerlaubter Handlung zustehen. Im Rahmen der Widerklage streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin dem Beklagten wegen der Vollziehung eines Arresturteils zum Schadensersatz verpflichtet ist.
2
Die Klägerin, die Muttergesellschaft des C, ist ein großer deutscher Automobilzulieferer. Eines der Geschäftsfelder im C ist die Reifenherstellung, wofür sowohl die Klägerin als auch mit dieser im Konzern verbundene nationale und internationale Unternehmen industriell hergestellten Ruß als Füllstoff verwenden.
3
Der Beklagte war bei der Klägerin von 2010 bis zum 30. Juni 2014 als Senior Purchaser Raw Material Fillers im Bereich Corporate Purchasing beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Beklagten. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 17. Dezember 2009 heißt es ua.:
        
„§ 18 Ausschlussfristen
        
Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
        
Im Falle des Ausscheidens beträgt die Ausschlussfrist einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
        
Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und lehnt die Gegenseite seine Erfüllung ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb eines Monats nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“
4
Zu den Arbeitsaufgaben des Beklagten gehörte der Einkauf von Ruß, den die Klägerin und die mit ihr verbundenen Konzernunternehmen von verschiedenen Zulieferern bezogen, mit denen die Klägerin – nach vorangegangener Ausschreibung – Rahmenverträge („Supply and Purchase Frame Agreements“) abgeschlossen hatte. In den Rahmenverträgen, die typischerweise eine Laufzeit von zwei Jahren hatten, wurden jeweils die Lieferzielmengen für den Vertragszeitraum sowie eine Preisformel zur Ermittlung des Kaufpreises vereinbart. Die so vereinbarten Konditionen für den Bezug von Ruß galten einheitlich für alle in der Reifenproduktion tätigen Unternehmen im Konzern der Klägerin.
5
Der Beklagte als Senior Purchaser Raw Material Fillers war für die Ausschreibungen zu den Rahmenverträgen und für deren Verhandlung mit den Zulieferern zuständig. Die Entscheidung über den Abschluss der Rahmenverträge lag bei einem Gremium, dem der Beklagte nicht angehörte. Zu den Ruß-Zulieferern der Klägerin bzw. der mit ihr verbundenen Konzernunternehmen gehörten ua. verschiedene polnische Gesellschaften mit jeweils dem Namensbestandteil „M“ (im Folgenden M-Gesellschaften). Auf Seiten der M-Gesellschaften wurden die Verhandlungen mit dem Beklagten über die Rahmenverträge durch deren Geschäftsführer L geführt. Während der Dauer der Tätigkeit des Beklagten als Senior Purchaser Raw Material Fillers der Klägerin wurden von diesem mindestens vier Rahmenverträge mit M-Gesellschaften ausgehandelt und dann von der Klägerin geschlossen.
6
Im Jahr 2011 wurde die mit einem Stammkapital von 1.000,00 Euro ausgestattete R mit Sitz auf Zypern (im Folgenden R/Zypern) gegründet. Deren alleinige Gesellschafterin war die Steuerberatungsgesellschaft A GmbH, die die Geschäftsanteile als Treuhänderin für G hielt. Die Mitarbeiterin der Steuerberatungsgesellschaft A GmbH, W, war sowohl für die A GmbH als auch für die R/Zypern tätig. Zuvor war die R mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey (im Folgenden R/Jersey) gegründet worden. Für diese war G zeichnungsberechtigt.
7
Im Anschluss an ein Treffen des Beklagten mit G und L in London wurden ab dem Ende des Jahres 2010 bis zum Ende des Jahres 2013 zwischen verschiedenen M-Gesellschaften und zunächst der R/Jersey, später der R/Zypern Beratungsdienstleistungsverträge („Consulting Service Agreement“, im Folgenden CSA) bzw. Änderungsverträge dazu in englischer Sprache geschlossen. Für die R/Zypern unterzeichnete W die CSA und die Änderungsverträge.
8
In dem ersten dieser Verträge, dem Vertrag vom 10. Dezember 2010/12. Januar 2011 (im Folgenden erster CSA), verpflichtete sich die als „Berater“ bezeichnete R/Jersey, pro-aktiv den Abschluss eines Jahresvertrags zwischen der vertragschließenden M-Gesellschaft und der als „Kunde 2“ bezeichneten Klägerin über 30.000 metrische Tonnen Ruß-Lieferung für 2011 zu unterstützen. Weiter heißt es in diesem CSA, die R/Jersey werde während der Laufzeit des Vertrags auf eine langfristige Beziehung zwischen der vertragschließenden M-Gesellschaft und der Klägerin hinwirken, um die Gewinnspanne und die Mengen permanent zu optimieren. Zudem verpflichtete sich die R/Jersey im ersten CSA, der vertragschließenden M-Gesellschaft quartalsweise Ruß-Marktberichte (im Folgenden auch R Reports) zur Verfügung zu stellen. Nach § 5 dieses CSA war die Honorarzahlung für die R/Jersey erfolgsabhängig und wurde nur dann fällig, wenn es der vertragschließenden M-Gesellschaft gelang, einen Jahresvertrag mit der als „Kunde 2“ bezeichneten Klägerin für die Lieferung von Ruß in bestimmten geschätzten Jahresmengen abzuschließen, und zwar für das Kalenderjahr 2011 über die bereits genannten 30.000 metrische Tonnen Ruß. Das Honorar der R/Jersey war vertraglich auf 21,50 Euro pro während einer Jahresperiode gelieferte metrische Tonne festgelegt, was 50 Prozent der berechneten und vereinbarten Preisoptimierung von 43,00 Euro pro metrischer Tonne entsprach. Für das Kalenderjahr 2011 wurde die Honorarzahlung im ersten CSA auf 645.000,00 Euro geschätzt. In der Folgezeit wurde der erste CSA durch Änderungsvereinbarungen, teilweise auch durch Neuabschlüsse geändert, wobei die Änderungen im Wesentlichen den Austausch einer M-Gesellschaft als Vertragspartei und/oder neu bestimmte Absatzziele und Preise betrafen.
9
Der Geschäftsführer der M-Gesellschaften L hat im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens angegeben, die R Reports seien ihm regelmäßig mit der Rechnung zugeschickt worden, diese seien für ihn jedoch nicht von Wert gewesen.
10
Bei den M-Gesellschaften kam es ab dem Jahr 2011 zu einem erheblichen Anstieg des Absatzes von Ruß an die Klägerin. Ebenso erhöhten sich die Zahlungen an die R/Jersey bzw. R/Zypern. In den Jahren 2011 bis 2015 zahlten M-Gesellschaften an R/Jersey bzw. R/Zypern insgesamt einen Betrag iHv. 9.513.114,61 Euro. Der Anteil der von den M-Gesellschaften an R/Jersey bzw. R/Zypern gezahlten Beträge am Umsatz der M-Gesellschaften mit der Klägerin belief sich im Jahr 2011 auf 2,23 Prozent, im Jahr 2012 auf 3,61 Prozent, im Jahr 2013 auf 4,4 Prozent und im Jahr 2014 auf 3,1 Prozent.
11
Im Jahr 2015 überwies die R/Zypern von ihrem Konto circa 2,5 Millionen Euro auf ein Geschäftskonto der B Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG (im Folgenden B Vermögensverwaltung). Komplementärin der B Vermögensverwaltung ist die Nebenintervenientin, die J B Verwaltungs GmbH. Der Beklagte hielt an der B Vermögensverwaltung den alleinigen Kommanditanteil, während die Nebenintervenientin als persönlich haftende Gesellschafterin fungierte. Als versucht wurde, den Betrag iHv. circa 2,5 Millionen Euro von dem Geschäftskonto der B Vermögensverwaltung auf das Privatkonto des Beklagten zu überweisen, gab eine der beiden Banken eine Meldung wegen des Verdachts der Geldwäsche an die zuständigen Stellen ab.
12
Am 27. Juni 2016 erhob die Staatsanwaltschaft Bremen Anklage gegen den Beklagten und andere, darunter L. Die Anklage wurde durch das Landgericht Bremen zugelassen. Zudem klagte die Klägerin gegen L vor dem Landgericht Hannover auf Zahlung von 9.513.114,61 Euro an sie.
13
In schriftlichen Verträgen, die zwischen dem 31. Oktober und dem 3. November 2016 zwischen der Klägerin als Zessionarin und den mit der Klägerin verbundenen Unternehmen C P (Rumänien), C o. (Tschechien), C K (Russland), C I (Portugal), C S (Equador), C T (USA), C d (Malaysia), C Ma (Slowakei), C F (Frankreich), C Re (Deutschland), Co Ru (Ungarn), Co Vi (Deutschland), H (Deutschland) und C Br (Brasilien) als Zedenten abgeschlossen wurden, traten die Zedenten jeweils „sämtliche … möglicherweise zustehende Schadensersatzansprüche“ im Zusammenhang mit Verträgen, die die Zedenten auf der Grundlage der og. Rahmenverträge geschlossen hatten, gegen ua. den Beklagten an die Klägerin ab.
14
Die Klägerin stellte am 16. Januar 2017 beim Arbeitsgericht Hannover einen Antrag auf Erlass des dinglichen Arrests und auf Arrestpfändung gegen den Beklagten, welcher diesem am 23. Januar 2017 zugestellt wurde. Das Arbeitsgericht ordnete durch – zwischenzeitlich rechtskräftiges – Urteil vom 1. Februar 2017 (- 8 Ga 1/17 -) wegen „einer Forderung aus Geschäftsanmaßung, Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung iHv. 9.754.513,21 Euro“ nebst Zinsen den dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen des Beklagten an. Die Klägerin betrieb aus diesem Urteil die Zwangsvollstreckung und der Beklagte gab eine Vermögensauskunft ab. Diese wurde im Schuldnerverzeichnis des Gemeinsamen Vollstreckungsportals der Länder vermerkt.
15
Nachdem die Klägerin den Beklagten erfolglos aufgefordert hatte, ein notarielles Schuldanerkenntnis abzugeben, hat sie mit ihrer am 13. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage ihr Zahlungsbegehren iHv. 9.513.114,61 Euro weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei ihr in dieser Höhe nach § 687 Abs. 2, § 667 Alt. 2 BGB wegen Geschäftsanmaßung zur Herausgabe erlangter Schmiergelder verpflichtet. Daneben sei der Zahlungsanspruch auch als vertraglicher bzw. deliktischer Schadensersatzanspruch nach §§ 611, 280 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 299 Abs. 1 StGB sowie § 826 BGB begründet. Insoweit sei ihr bzw. den mit ihr verbundenen Konzernunternehmen ein Schaden mindestens in Höhe der gezahlten Schmiergelder entstanden. Soweit die Schäden bei zu ihrem Konzern gehörenden Unternehmen eingetreten seien, hätten diese ihre Ansprüche rechtswirksam an sie, die Klägerin abgetreten.
16
Der Beklagte habe während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses über die mit seinem Wissen und Wollen gegründeten und durch ihn gelenkten R/Jersey und R/Zypern, bei denen es sich um sog. Briefkastenfirmen ohne eigene Belegschaft gehandelt habe, die ausschließlich der Verschleierung von Schmiergeldzahlungen an den Beklagten dienen sollten, sowie mittels eines Netzes weiterer eigens gegründeter Gesellschaften und mittels angeblicher Darlehensverträge – über nicht existierende Darlehen, die der Vertuschung dienen sollten – sowie im Zusammenwirken mit ua. G und W Schmiergelder iHv. mindestens 9.513.114,61 Euro von verschiedenen M-Gesellschaften vereinnahmt. Die an die R/Jersey und die R/Zypern erfolgten und mittels weiterer Gesellschaften weitergegebenen Zahlungen seien dem Beklagten wirtschaftlich zuzurechnen. Der Abschluss der CSA und der Änderungsverträge zwischen der R/Jersey bzw. der R/Zypern und den M-Gesellschaften sei auf Initiative des Beklagten erfolgt. Dabei sei für die M-Gesellschaften und L nur das Hinwirken auf eine langfristige Vertragsbeziehung zwischen den M-Gesellschaften und der Klägerin von Bedeutung gewesen, um den Rußabsatz der M-Gesellschaften und deren Logistikleistung beim Absatz von chinesischem Ruß zu fördern. Die in den Verträgen zudem vereinbarten Ruß-Marktberichte bzw. R Reports hätten demgegenüber ausschließlich der Verschleierung strafbaren Verhaltens gedient. Der fast zweistellige Millionenbetrag sei danach nur für das Einwirken des Beklagten auf den Abschluss von Verträgen zwischen der Klägerin und den M-Gesellschaften und nicht für die R Reports gezahlt worden. Diese Leistung habe auch allein der Beklagte erbringen können, denn nur er habe in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin gestanden und aufgrund seiner Funktion und Stellung im Unternehmen auf die Inhalte der Rahmenverträge Einfluss nehmen können.
17
Ihr, der Klägerin, sei zudem iHv. mindestens 9.513.114,61 Euro ein Schaden entstanden. Insoweit wirke sich aus, dass die wirtschaftlichen Vorteile ihrer Lieferanten denklogisch ihre wirtschaftlichen Nachteile seien. Nach dem typischen Geschehensablauf seien die Zahlungen für die Leistungen der M-Gesellschaften mindestens um den Betrag der Schmiergelder überhöht gewesen. Die Schmiergeldzahlungen seien in die Preiskalkulation eingeflossen. Zudem bestehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe der vom Beklagten vereinnahmten Schmiergelder nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 299 Abs. 1 StGB sowie nach § 826 BGB.
18
Die in § 18 des Arbeitsvertrags enthaltene Ausschlussfrist stehe ihren Zahlungsansprüchen nicht entgegen. Insbesondere seien deliktische Ansprüche – wie hier – davon schon nicht erfasst. Ihre Ansprüche seien auch nicht verjährt. Sie, die Klägerin habe erstmals durch die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von den Schmiergeldzahlungen erlangt.
19
Die Klägerin hat beantragt,
        
den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.513.114,61 Euro nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. April 2017 zu zahlen.
20
Der Beklagte hat Klageabweisung sowie widerklagend beantragt,
        
festzustellen, dass die Widerbeklagte verpflichtet ist, dem Widerkläger einen Schaden zu ersetzen, den dieser durch die Zwangsvollstreckung aus dem Arresturteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 1. Februar 2017 – 8 Ga 1/17 -, nämlich durch die erzwungene Abgabe der Vermögensauskunft gegenüber der Gerichtsvollzieherin Be vom 31. Mai 2017 und die Eintragung der Vermögensauskunft in das Schuldnerverzeichnis des Gemeinsamen Vollstreckungsportals, erlitten hat und noch erleiden wird.
21
Die Klägerin hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
22
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe ein Zahlungsanspruch weder als Herausgabeanspruch noch als vertraglicher oder deliktischer Schadensersatzanspruch zu. Der Klagevortrag sei bereits unschlüssig, zudem seien in englischer Sprache vorgelegte Anlagen nicht ausreichend. Die behaupteten Abtretungen seien nicht rechtswirksam erfolgt.
23
Die Verträge zwischen R/Zypern, die keine „Briefkastenfirma“ sei, und etwaigen M-Gesellschaften seien Unternehmensberatungsverträge gewesen, die nicht auf seine Initiative hin geschlossen worden seien. Seine Tätigkeit für die R/Zypern sei vielmehr dem Interesse der Klägerin geschuldet gewesen, die entsprechend einer bereits im Jahr 2009 herausgegebenen Konzernstrategie vorgehabt habe, L bzw. M-Gesellschaften zum Hauptlieferanten zu machen. Der von der Klägerin behauptete sprunghafte Anstieg des Absatzes von Ruß durch die M-Gesellschaften habe seine Ursache in dieser, vor Aufnahme seiner Tätigkeit für die Klägerin beschlossenen Konzernstrategie. Er habe auch niemanden bevorzugt, vielmehr hätten die Klägerin und mit ihr etwa verbundene Konzernunternehmen stets mit dem günstigsten Anbieter kontrahiert. Dazu habe insbesondere auch das von ihm für die R Reports exklusiv zusammengestellte Informationsmaterial beigetragen, denn er habe dadurch bei den M-Gesellschaften stets den besten Preis herausholen können. Demnach sei der Klägerin kein Schaden entstanden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch nach seinem Ausscheiden weiter bei den M-Gesellschaften gekauft habe. Dass es ein weltweites Ruß-Kartell gebe, habe auch die Klägerin gewusst. Schließlich sei von einem erheblichen Mitverschulden der Klägerin auszugehen, da diese es unterlassen habe, Kontrollmechanismen in ihr Verfahren zum Einkauf von Ruß zu implementieren.
24
Desungeachtet seien ihm die an R/Zypern geleisteten Zahlungen nicht zuzurechnen. Einen Beweis dafür, dass er einen Betrag iHv. 9.513.114,61 Euro erlangt habe, habe die Klägerin nicht erbracht. Ein Anspruch auf Herausgabe scheitere auch daran, dass die Staatsanwaltschaft Bremen sämtliche an R/Zypern gezahlten Beträge gepfändet habe und die Herausgabe damit unmöglich sei. Auch gelte die Arrestierung der Vermögenswerte nach §§ 73 ff. StGB als für die Klägerin erfolgt. Etwaige Ansprüche gegen ihn seien im Übrigen aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Sie seien zudem verjährt.
25
Seine Widerklage sei begründet, da die Zwangsvollstreckung aus dem Arresturteil betrieben worden sei, obwohl ihm dieses nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Er habe einen massiven Schaden durch Bonitätsverlust erlitten, weshalb er seinen Plan, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, habe aufgeben müssen.
26
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2019 hat die J B Verwaltungs GmbH den Beitritt zum Verfahren als Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten und der Nebenintervenientin, deren Nebenintervention es für zulässig erachtet hat, das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten allen Schaden zu ersetzen, den dieser durch die Zwangsvollstreckung aus dem Arresturteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 1. Februar 2017 (- 8 Ga 1/17 -) erlitten hat und noch erleiden wird.
27
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen, soweit die Klage abgewiesen wurde. Im Übrigen hat es die Revision nicht zugelassen. Die gegen die teilweise Nichtzulassung der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 9. Oktober 2019 (- 8 AZN 562/19 -) mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Beschränkung der Revisionszulassung durch das Landesarbeitsgericht sei unzulässig gewesen, so dass die Revision unbeschränkt statthaft sei. Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihr Klagebegehren sowie ihr Begehren auf Abweisung der Widerklage weiter. Der Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen die Zurückweisung der Revision.
28
Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbegründung vom 25. Juli 2019 den Rechtsstreit iHv. 5.225.000,00 Euro (teilweise) für erledigt erklärt und ausgeführt, sie habe am 15. April 2019 einen Vergleich mit L geschlossen und aufgrund dessen von diesem 5.225.000,00 Euro erhalten, weshalb sie von dem Beklagten nur noch einen Betrag iHv. 4.288.055,21 Euro beanspruche. Die Nebenintervenientin hat das Vorliegen eines erledigenden Ereignisses mit der Begründung bestritten, der geschlossene Vergleich sei nichtig. Der Beklagte hat sich der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin angeschlossen, verbunden mit dem Antrag, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.


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