Handels- und Gesellschaftsrecht

Kaufpreis, Kaufvertrag, Sittenwidrigkeit, Widerruf, Widerrufsrecht, Streitwert, Anfechtung, Immobilie, Zahlung, Notlage, Befristung, Eheleute, Sicherheitsleistung, Herkunft, Kosten des Rechtsstreits, Zug um Zug, notarieller Urkunde

Aktenzeichen  13 O 260/20

Datum:
10.12.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54176
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 510.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet. Ein Widerrufsrecht der Klägerin nach §§ 312b, 312g BGB besteht nicht, da § 312 Abs. 2 Nr. 2 BGB Grundstückskaufverträge von dem Anwendungsbereich dieser Vorschriften ausnimmt. § 312g Abs. 2 Nr. 13 BGB ist nicht einschlägig. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Anwendung von § 312g Abs. 2 Nr. 13 BGB die Einhaltung von § 17 BeurkG voraussetzt.
2. Auch eine Sittenwidrigkeit vermag das Gericht ungeachtet einer Drucksituation der Klägerin durch die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses drohende Zwangsversteigerung nicht zu erkennen. Die Bemessung des Kaufpreises rechtfertigt für sich genommen die Annahme einer Sittenwidrigkeit nicht. Für die Bewertung der Immobilie ist das Wertgutachten aus dem Zwangsversteigerungsverfahren zugrundezulegen, sodass von einem Verkehrswert in Höhe von 510.000,00 € auszugehen ist. Dieser Wert wäre für das Zwangsversteigerungsverfahren maßgebend gewesen, auch wenn die Erzielung eines höheren Preises bei der Versteigerung oder durch freihändigen Verkauf möglich gewesen wäre. Der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis liegt mit 269.000,00 € über 50% des ermittelten Wertes und steht damit noch nicht in einem die Sittenwidrigkeit begründendem Missverhältnis. Zudem hätte die Klägerin auch die Option gehabt, die Immobilie ohne Rückkaufsrecht zu einem Kaufpreis in Höhe von 379.000,00 € an die Beklagte zu verkaufen. Soweit die Klägerin in Abrede stellt, dass diese Option tatsächlich bestanden hat, ergibt sich aus der Notarurkunde etwas anderes. Der Annahme eines Wahlrechts steht auch nicht entgegen, dass bereits der Vertragsentwurf die Ausübung des Wahlrechts im Sinne einer Entscheidung für die Rückkaufsoption vorsah. Denn dies entsprach offensichtlich der alleinigen Interessenlage der Klägerin. Wie die Klägerin auch in dem vorliegenden Rechtsstreit vorträgt, war es gerade ihr Ziel, den Verlust der Immobilie angesichts der drohenden Zwangsvollstreckung zu verhindern. Damit ist aber nicht gesagt, dass sie sich nicht auch für die Alternative ohne Rückkaufsrecht hätte entscheiden können, wenn sie das gewollt hätte.
Die Klägerin hat sich allerdings für das Rückkaufsrecht, verbunden mit dem geringeren Kaufpreis entschieden. Dabei ist eine Sittenwidrigkeit auch im Hinblick auf die Ausgestaltung des Rückkaufsrechts nicht ersichtlich. Die Bemessung des Rückkaufpreises, in den noch eine Nutzungsentschädigung mit eingerechnet ist, steht jedenfalls noch nicht in einem derart gravierenden Missverhältnis zum ursprünglichen Kaufpreis, um auf eine Sittenwidrigkeit schließen zu lassen.
Insgesamt ist auch nicht ersichtlich, dass die Vertragsgestaltung einseitig zulasten der Klägerin erfolgt ist. Der Klägerin wurde neben dem Rückkaufsrecht ein Wohnrecht über 18 Monate belassen und die Nutzungsentschädigung bis zum Ablauf des Wohnrechts gestundet. Die vertraglich vorgesehene Verrechnung mit dem Rückkaufpreis deutet darauf hin, dass die Parteien tatsächlich einen Rückkauf angestrebt haben.
Schließlich war die Klägerin anwaltlich beraten. Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Anwaltsschreibens vom 16.10.2018 (Bl. 215 f. d. A.) hat die Rechtsanwältin der Klägerin Vorschläge gemacht, die in die Vertragsgestaltung eingeflossen sind. Auf diese Weise wurden eine Erhöhung des Kaufpreises und eine Verlängerung der Rückkaufsfrist erreicht. Die Vertragsgrundlagen wurden also nicht einseitig von einer Vertragspartei vorgegeben, sondern verhandelt. Auch wies die Rechtsanwältin die Klägerin bei dem ursprünglichen Vertragsentwurf ausdrücklich auf Bedenken im Hinblick auf eine Sittenwidrigkeit hin und riet aus diesem Grund zu einem höheren Kaufpreis. Dies deutet darauf hin, dass die Klägerin ein eigenes Interesse an dem Abschluss eines Kaufvertrages hatte, dem nicht der Einwand der Sittenwidrigkeit entgegengehalten werden kann.
3. Die Klage war daher abzuweisen.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.


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