Handels- und Gesellschaftsrecht

Kaufpreis, Versorgung, Kaufvertrag, Berufung, Anfechtung, Vertragsschluss, Berechnung, Nichtigkeit, Zahlung, Gesellschaft, Zustimmung, Widerspruch, Auslegung, Feststellung, Zahlung des Kaufpreises, positive Kenntnis, Due Diligence

Aktenzeichen  7 U 6362/20

Datum:
26.1.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5879
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 HK O 357/18 2020-10-12 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12.10.2020, Az. 10 HK O 357/18, abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Rückzahlung eines Teilbetrags des variablen Kaufpreises aus einem Unternehmenskaufvertrag, weil dieser infolge eines Bilanzierungsfehlers falsch berechnet sei; aus demselben Grund macht sie Ansprüche wegen überzahlter Dividenden geltend.
Mit Unternehmenskaufvertrag vom 12.11.2014 (Anlage K1 und – vollständig mit allen Anlagen – B1) verkaufte der Beklagte, der alleinige Anteilseigner der GTI M. GmbH (im folgenden: GTI) mit einem Stammkapital von 25.600 € und bis 31.12.2016 ihr Geschäftsführer, einen Geschäftsanteil über nominal 19.200 € (im Folgenden: Geschäftsanteil 1) zu einem fixen Kaufpreis von 16.500.000 € mit wirtschaftlicher Wirkung zum 01.01.2014 sowie einen zweiten Anteil im Nominalwert von 6.400 € (im Folgenden: Geschäftsanteil 2) zu einem variablen Kaufpreis mit wirtschaftlicher Wirkung zum 01.01.2016 an die Klägerin. Die GTI-N. M.GmbH (im folgenden GTI N) ist eine 100-prozentige Tochter der GTI; auch bei der GTI N war der Beklagte bis zum 31.12.2016 Geschäftsführer.
Gemäß Ziff. 3.2 des Unternehmenskaufvertrages (im Folgenden: KV) verpflichtete sich die Klägerin, an den Beklagten für den Geschäftsanteil 2 einen variablen Kaufpreis zu zahlen, der auf der Grundlage der Ergebnisse der Jahresabschlüsse der GTI und der GTI N für das Jahr 2015 nach folgender Formel errechnet werden sollte: 12,5% der Summe aus den mit dem Faktor 2,4 multiplizierten Umsatzerlösen von GTI und GTI N und des mit dem Faktor 11 multiplizierten EBITs beider Gesellschaften. Der Begriff EBIT ist vertraglich (KV, aaO, erster Spiegelstrich) als der handelsrechtliche Jahresüberschuss gemäß § 275 HGB vor Steuern, Zinsen, Finanzerträgen sowie Finanzaufwand und vor außerordentlichen Beträgen sowie außerordentlichen Aufwendungen definiert. Hinsichtlich der Bewertungen aller Aktiva und Passiva, insbesondere hinsichtlich der Abschreibungsmethodik der beiden Unternehmen, setzten beide Parteien das Prinzip „going concern“ voraus; eine Veränderung der Abschreibungsmethodik sollte sich nicht auf das EBIT und auf den Kaufpreis auswirken (KV, aaO, letzter Spiegelstrich).
Für die Abwicklung des Erwerbs des Geschäftsanteils 2 war unter Ziff. 2.2.2 KV vorgesehen:
Die Jahresabschlüsse beider Gesellschaften für das Jahr 2015 sollten „auf der Grundlage der geltenden Bilanzrichtlinien“ bis spätestens 16.05.2016 von einem vom Veräußerer – d.h. dem Beklagten – benannten Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer erstellt werden. Der Erwerber und der von ihm bestellte Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sollten bis zum 30.06.2016 (Stichtag 2) bzw. bei verspäteter Übersendung zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt (Ziff. 2.2.2 Buchst. e) KV) Gelegenheit haben, „die Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr 2015 und den auf dessen Grundlage ermittelten Kaufpreis zu prüfen“. Sollten die Parteien bis spätestens zum 30.06.2016 eine schriftliche Einigung über den variablen nach Maßgabe von § 3 Nummer 3.2 zu ermittelnden Kaufpreis unter Berücksichtigung eines gegebenenfalls geschuldeten Mindestkaufpreises erzielt haben und der so ermittelte vollständige Kaufpreis bis zu diesem Datum bezahlt werden, so trete die dingliche Wirkung der Abtretung des Geschäftsanteils 2 bereits am Tage der Zahlung des vollständigen Kaufpreises ein. Im Falle von Divergenzen sollte der unstreitige Teil bezahlt und für den Differenzbetrag Sicherheit geleistet werden. Die Bürgschaft werde abgelöst durch Zahlung eines Differenzbetrages, auf den sich Veräußerer und Erwerber einigen oder der – mangels Einigung – auf Antrag einer Partei von einem neutralen, von der Wirtschaftsprüferkammer E. als Schiedsgutachter bestellten Wirtschaftsprüfer ermittelt werde. Dessen Entscheidung sei unanfechtbar.
Zu den näheren Einzelheiten wird auf Ziffern 2.2.2 sowie 3.2 KV Bezug genommen.
Der variable Kaufpreis sollte mindestens 7 Mio. € betragen (Anspruchsbegründung, S. 2, Bl. 10 d.A.).
Gemäß Ziff. 4.2 KV sollten dem Beklagten 25% der Gewinne beider Gesellschaften der Jahre 2014 und 2015 zustehen, wobei die Klägerin die Liquidität von GTI und GTI N sicherzustellen hatte.
Die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche des Erwerbers aus dem Unternehmenskaufvertrag beträgt nach § 8 KV 36 Monate ab dem Closingday, dem 12.11.2014 (vgl. § 6 Abs. 1).
Dem Kaufvertrag waren als Anlagen die Jahresabschlüsse für die Jahre 2011 bis 2013 beigefügt.
Vor Abschluss des Unternehmenskaufvertrages hatte die Klägerin, von Rechtsanwälten und Steuerberatern unterstützt, eine Due Diligence durchgeführt.
GTI und GTI N befassen sich im Kern mit der stationären und ambulanten Versorgung von Patienten mit Sauerstoff. Zur Versorgung der Patienten werden häufig – insbesondere mit Krankenkassen – Mietverträge über Sauerstoffgeräte abgeschlossen, die Laufzeiten zwischen 3 Monaten und 5 Jahren haben. Die Vergütungen werden im Voraus bezahlt. Die Umsatzerlöse aus derartigen Mietverträgen wurden bis einschließlich 31.12.2015 nicht periodengerecht zugeordnet, sondern bilanziell im Jahr des Vertragsschlusses in voller Höhe verbucht; eine passive Rechnungsabgrenzung erfolgte nicht. Die Jahresabschlüsse der (allein prüfungspflichtigen) GTI – einschließlich diejenigen für 2014 und 2015 – erhielten insoweit ein uneingeschränktes Testat von Wirtschaftsprüfergesellschaften. Auch die Abschlüsse der GTI N wurden mit steuerlicher Beratung erstellt. Eine Betriebsprüfung der Finanzbehörden hat diese Verbuchung der Umsatzerlöse ebenfalls nicht beanstandet.
Die Entwürfe der Jahresabschlüsse 2015 – ebenfalls unter Mitwirkung von Steuerberatern erstellt (vgl. Anlage K3) und im Falle der GTI am 30.06.2016 auch förmlich testiert (vgl. Anlage K2) – wurden der Klägerin am 11.06.2016 bzw. 26.05.2016 (vgl. Anlage B6) übersandt und wiesen folgende für den variablen Kaufpreis maßgebliche Ergebnisse aus:
GTI: Umsatzerlöse: 10.712.133,31 €; EBIT: 2.565.816,92 €;
GTI N: Umsatzerlöse: 5.185.786,88; EBIT: 628.883,79 €.
Die Bilanzsumme bei der GTI betrug 7.725.554,47 €, bei der GTI N 3.366.961,51 €.
Steuerberater D. errechnete im Auftrag des Beklagten auf der Basis der vorgenannten Ergebnisse einen variablen Kaufpreis in Höhe von 8.991.968,70 € und teilte den Betrag unter Offenlegung der Berechnung mit Schreiben vom 28.06.2016 mit (Anlagen K4 und B8).
Die Klägerin beauftragte die S.- und W.gesellschaft E. & Y. (im Folgenden: E& Y) (zumindest) mit der Überprüfung der Berechnung des variablen Kaufpreises. E& Y erkannte (Schreiben vom 06.06.2016, Anlage K24) die Problematik einer möglicherweise unterlassenen passiven Rechnungsabgrenzung und empfahl eine Prüfung der Arbeitspapiere der Geschäftsjahre 2014 und 2015 („we propose a review of the FY14 and FY15 work papers“). Sie setzten das Thema auch auf die Agenda einer Besprechung mit Steuerberater D. am 22.06.2014 (K21a, dort in der Q& A list unter 2 „Please elaborate in detail on the cut-off procedures performed by the auditor for 2014, 2015“; so auch Anspruchsbegründung, S. 6f., Bl. 14f. d.A.), an der auch Vertreter der Käufer teilnahmen. Nach Angaben der Klagepartei erhielt die Klagepartei in der Besprechung die Auskunft, das Thema sei „nicht wesentlich“ (Schriftsatz vom 05.05.2018, S. 12, Bl. 97 d.A.). In der Folge bestätigte E& Y den Kaufpreis ohne Vorbehalt (Anlage K25). Im Bericht war auf Seite 7 ausgeführt: „Based on provided information we understand that audit and year-end adjustment were below the materiality level applied by the auditor, hence insignificant.“
Die Klägerin kündigte die Zahlung per E-Mail an und zahlte den Kaufpreis mit Wertstellung zum 06./07.07.2016 (Anlage B10). Auf der Gesellschafterversammlung vom 16.08.2016 wurde der Jahresabschluss 2015 der GTI einstimmig festgestellt (Anlage B11). Bereits am 28.06.2016 hatte der Beklagte als Geschäftsführer der GTI N den Jahresabschluss für diese festgestellt (Anlage B7). Die Parteien waren der Überzeugung, die Jahresabschlüsse 2015 entsprächen den handelsrechtlichen Vorschriften.
Auf Basis der Jahresabschlüsse für das Jahr 2015 wurden an dem Beklagten bezogen auf die GTI und die GTI N Dividenden in Höhe von 391.302,50 € bzw. 109.368,15 €, insgesamt 500.670,65 €, ausgekehrt (Anlagen K9 und K10).
Nach dem Ausscheiden des Beklagten als Geschäftsführer aus der GTI hatte GTI N erstellte Steuerberater D. die Jahresabschlüsse 2016 wie in den Jahren zuvor. Der neu mandatierte Wirtschaftsprüfer beanstandete die fehlende Rechnungsabgrenzung gemäß § 250 Abs. 2 HGB. In der Folge wurden die Jahresabschlüsse 2015 zunächst vom Steuerberater, dann durch die GTI und die GTI N selbst korrigiert (Anlagen K5 bis K7). Der Wirtschaftsprüfer errechnete einen variablen Kaufpreis in Höhe von 8.151.711 € (Anlage K8). Die Dividenden des Beklagten hätten danach nur 313.045,00 € bzw. 79.170,00 €, insgesamt somit 392.215,00 €, betragen dürfen (Anlage K 11).
Auf Antrag der Klägerin vom 08.11.2017 erging – wegen des nach Ansicht der Klagepartei überzahlten Kaufpreises und überzahlter Dividenden sowie diverser anderer Positionen – am 24.11.2017 ein Mahnbescheid über 1.731.319 €. Nach Widerspruch des Beklagten reduzierte die Klägerin ihre Forderung auf die hier inmitten stehenden Streitpositionen (überzahlter Kaufpreis: 840.257,70 €, überzahlte Dividende 2015 GTI: 78.257,50 € und überzahlte Dividende 2015 GTI N: 30.198,15 €; in Summe: 948.713,35 €) und erklärt den Rechtsstreit in Höhe der Differenz für erledigt. Der Beklagte schloss sich dieser Teil-Erledigterklärung nicht an.
Die Klägerin behauptet, die Erstellung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2015 sei unter Verletzung zwingender Vorschriften des HGB, insbesondere unter Verletzung der Verpflichtung zur Bildung passiver Rechnungsabgrenzungsposten gemäß § 250 Abs. 2 HGB, erfolgt. Rechtsfolge der falschen Bilanzierung sei gemäß § 256 Abs. 5 AktG analog die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse. Es fehle somit an einer Rechtsgrundlage für die Zahlung des variablen Kaufpreises und für die Ausschüttung der Dividende. Irrelevant sei, ob der variable Kaufpreis gemeinsam ermittelt worden sei, was nicht der Fall gewesen sei.
Bei korrekt aufgestellter Bilanz hätten sich folgende Parameter ergeben:
GTI: Umsatzerlöse: 10.341.386,39 €; EBIT 2.195.070,38 €;
GTI N: Umsatzerlöse: 5.054.851,02 €; EBIT 497.946,76 €.
Unter Zugrundelegung dieser Parameter ergebe sich der von der neuen Wirtschaftsprüfergesellschaft errechnete Kaufpreis von 8.151.711 € und eine Überzahlung von 840.257,70 €, deren Rückzahlung die Klägerin aus § 812 BGB verlangen könne.
Die Zahlung des zu hohen Kaufpreises beinhalte kein Anerkenntnis der Klägerin. Die Klägerin habe sich – wie der Beklagte – über die Richtigkeit der Berechnung des variablen Kaufpreises im Irrtum befunden. Es handele sich um einen offenen, beiderseitigen Kalkulationsirrtum. Spätestens mit Rückforderungsschreiben vom 27.09.2017 (Anlage K12) habe die Klägerin ein etwaiges Anerkenntnis konkludent angefochten.
Die Klägerin führt aus, Einigung der Parteien sollte sein, den variablen Kaufpreis auf der Basis korrekter Jahresabschlüsse zu berechnen. Somit sei das Ergebnis der Berechnungen schlicht den tatsächlichen Gegebenheiten gemäß § 313 BGB anzupassen.
Auch die Einschaltung von E& Y schließe eine Rückforderung nicht aus. Die Klägerin habe lediglich die Berechnung des variablen Kaufpreises prüfen sollen. Eine regelrechte Abschlussprüfung habe die Klägerin nicht vornehmen müssen. Gegenstand des Gesprächs bei dem Treffen vom 22.06.2016 sei eine Plausibilitätskontrolle der wesentlichen den Jahresabschlüssen 2015 zugrunde liegenden Annahmen gewesen. E& Y habe sich auf die Angaben des Steuerberaters betreffend das Thema Wesentlichkeit verlassen.
Die Klägerin hat die Rückforderung der ausgeschütteten Dividenden zunächst in eigenem Namen geltend gemacht. Als Alleingesellschafterin von GTI und GTI N sei sie aktiv legitimiert. Nach Hinweis des Landgerichtes stellte sie die Klage auf eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft um.
Die Klägerin beantragte in erster Instanz zuletzt (Anspruchsbegründung vom 30.01.2018, Bl. 9 d.A. in Verbindung mit dem Antrag aus der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2018, Bl. 145 d.A.):
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 840.257,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2017 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, 78.257,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2017 an die Firma GTI M. GmbH zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, 30.198,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2017 an die Firma GTI N. M. zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 782.605,65 € erledigt ist.
Der Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
Der Beklagte hält die Klage für unzulässig, weil der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten aufgrund einer „Schiedsvereinbarung“ im Kaufvertrag nicht eröffnet sei.
In der Sache ist der Beklagte der Auffassung, die Jahresabschlüsse 2015 für die GTI und die GTI N seien zutreffend, folglich sei auch der variable Kaufpreis korrekt ermittelt worden. Die Erfassung der Mietverträge und ihre Zuordnung zu den einzelnen Perioden hätten einen enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfordert und seien nahezu unmöglich durchzuführen; die Geschäftsvorfälle hätten zudem keinen oder bestenfalls einen geringen Ergebnisertrag gebracht und hätten somit keine Auswirkung auf das Jahresergebnis gehabt. Insoweit sei zu Recht auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten verzichtet worden (Grundsatz der Wesentlichkeit und Grundsatz der Wirtschaftlichkeit).
Dessen ungeachtet sei für jedermann erkennbar gewesen, dass bei den Jahresabschlüssen keine passiven Rechnungsabgrenzungsposten verbucht seien. Die Klägerin habe bereits bei Ankauf der Geschäftsanteile volle Kenntnis darüber gehabt, wie die Jahresabschlüsse 2011-2013 erstellt worden seien. Dieser Umstand sei für die Parteien nicht von Bedeutung gewesen, da eine periodengerechte Abgrenzung nur zu einer für den Wert des Unternehmens unerheblichen Verschiebung von Umsätzen und Betriebsausgaben führe, insbesondere deshalb, weil sich die Verschiebungen ausglichen und kompensierten, wenn die Abgrenzung vollständig und korrekt vorgenommen werde. Die vertragliche Regelung für die Abschreibungsmethodik in Ziffer 3.2 KV und das dort vorausgesetzte „going concern“-Prinzip beziehe sich auf jedwede Aktivierung und Passivierung in den Jahresabschlüssen. Auch sei der Kaufpreis gemeinsam ermittelt worden und hätten die Parteien im Kaufvertrag einen festen Modus vereinbart, um Rechtssicherheit zu schaffen. Entsprechend diesem Modus hätten sich die Parteien auf die Höhe des zu zahlenden variablen Kaufpreises geeinigt. Der Klägerin sei es aus Rechtsgründen verwehrt, diese Rechtssicherheit rückwirkend außer Kraft zu setzen.
Hinzu komme, dass die Klägerin bereits beginnend 2014 einen Geschäftsführer einsetzen konnte und – insoweit unstreitig – vom 19.11.2014 bis zum 21.07.2015 in der Person des D. M. hiervon auch Gebrauch gemacht hat. Die Bilanzierungspraxis sei der Klägerin schon aufgrund der Due Diligence bekannt gewesen; die Klägerin habe auch an der Aufstellung der Jahresabschlüsse 2015 mitgewirkt. Auch habe sie einen Hinweis durch die von ihr eingeschaltete Wirtschaftsprüfergesellschaft E& Y erhalten, wonach die Rechnungsabgrenzung in den Jahren 2014 und 2015 nicht ordnungsgemäß erfolgt sein könnte. Gleichwohl seien keine Bedenken gegen die Jahresabschlüsse 2015 erhoben worden. Die Klägerin habe sich somit der Einschätzung des Wirtschaftsprüfers D. angeschlossen und ihrerseits die Rechnungsabgrenzung als wirtschaftlich unwesentlich anerkannt und akzeptiert. Vor diesem Hintergrund sei eine Berufung auf die unterbliebene Abgrenzung in den Jahresabschlüssen und eine etwaige Nichtigkeit treuwidrig. Vielmehr habe zwischen den Parteien absolute Einigkeit betreffend die Jahresabschlüsse 2014 und 2015 und den ermittelten Kaufpreis bestanden. Damit habe die Klägerin den Kaufpreis als verbindlich anerkannt. Auch sei die Klägerin keinem Irrtum unterlegen. Sie habe aus ihrer Sicht schlicht die Anwendung der handelsrechtlichen Vorschriften falsch eingeschätzt.
Die Jahresabschlüsse seien auch nicht nichtig, da es an einer wesentlichen Auswirkung auf die Ertrags- und Vermögenslage fehle. Im Übrigen komme es auf die Nichtigkeit auch nicht an, weil sich die Parteien verbindlich über den Kaufpreis geeinigt hätten.
Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat ein Schiedsgutachten des von der Wirtschaftsprüferkammer D. – eine Wirtschaftsprüferkammer E. existiert nicht – benannten Wirtschaftsprüfers P. eingeholt. Dieser kam – ohne eine zunächst von ihm selbst für geboten erachtete Überprüfung der von dem durch die Klageseite mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2016 beauftragten Wirtschaftsprüfer gelieferten Zahlen auf Übereinstimmung mit dem Rechnungswesen der Gesellschaften durch Kontaktaufnahme mit benannten Kontaktpersonen vorzunehmen (E-Mail des Schiedsgutachters vom 30.10.2019, hinter Bl. 241 d.A., Schiedsgutachten, S. 7) – in seinem Gutachten vom 18.11.2019 zu dem Ergebnis, dass eine Rechnungsabgrenzung (entgegen der Ansicht der Klagepartei allerdings nicht nur von 2015 nach 2016, sondern auch von 2014 nach 2015) zu erfolgen habe und dass die Umsatzzahlen danach bei der GTI um 112.149,60 € und bei der GTI N um 137.827,22 € zu reduzieren seien (Schiedsgutachten, S. 10). Beim EBIT sei die Position „sonstige Steuern“ nicht herauszurechnen; folglich sei das EBIT zusätzlich um 13.020 € bei der GTI und um 6.811 € bei der GTI N zugunsten der Klägerin zu korrigieren (Schiedsgutachten, S. 12). Daraus ergebe sich ein variabler Kaufpreis von 8.545.991,28 € (Schiedsgutachten, S. 16), mithin eine Überzahlung in Höhe von 445.977,42 €. Auf der Basis dieser Zahlen meint die Klagepartei einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Dividenden für die Jahre 2014 und 2015 in Höhe von nunmehr 73.842 € zu haben.
Das Schiedsgutachten hält der Beklagte für grob unbillig und unrichtig. Insbesondere habe der Schiedsgutachter die relevanten Sachverhalte weder selbst ermittelt noch fundiert und gewissenhaft überprüft; auch habe er eine aktive Rechnungsabgrenzung unterlassen.
Das Landgericht hat der Klage mit dem Beklagten am 16.10.2020 zugestelltem Urteil vom 12.10.2020, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, in Höhe von 445.977,42 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2017 – und damit in Höhe des nach dem Ergebnis des Schiedsgutachtens überzahlten Kaufpreises – aus § 812 Abs. 1 BGB stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landgericht hält Rückzahlungsansprüche nicht verjährt, weil das Mahnverfahren eine rechtzeitige Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB bewirkt habe. Das Landgericht hält die Schiedsgutachterklausel auf den Fall des nachträglichen Streits über die Höhe des variablen Kaufpreises für entsprechend anwendbar. Das Schiedsgutachten, das nach Fristsetzung analog §§ 356, 431 ZPO habe eingeholt werden können, sei auch nicht grob unbillig oder unrichtig. Es sei zutreffend, dass es einer passiven Rechnungsabgrenzung trotz niedriger Mieterlöse von 300-500 € pro Jahr bedurft hätte, weil die streitgegenständlichen Mietverträge das Kerngeschäft der verkauften Gesellschaften ausgemacht hätten. Die Übernahme der verwendeten Daten begründe keine grobe Unrichtigkeit, denn der Beklagte habe nicht behauptet, die Daten seien falsch; aus den Daten habe der Beklagte die Jahresabschlüsse selbst aufgestellt. Auch zu den übrigen Einwendungen habe der Schiedsgutachter plausibel Stellung genommen.
§ 814 BGB stehe einer Rückforderung nicht entgegen, weil diese Norm eine positive Kenntnis der Nichtschuld voraussetze. Die Parteien hätten übereinstimmend angenommen, die Unternehmenskennzahlen seien unter Anwendung der geltenden Bilanzierungsvorschriften ermittelt worden. Der Irrtum hierüber begründe einen Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dass die Klägerin Gelegenheit gehabt habe, die Zahlen zu überprüfen, ändere daran nichts, denn es habe eine Plausibilitätsprüfung genügt, zumal der Abschluss testiert gewesen sei.
Der Anspruch auf Rückzahlung der Dividenden sei verjährt. Die Klägerin habe erstmals in der Replik vorgetragen, sie klage in gewillkürter Prozessstandschaft. Erst im Termin vom 15.06.2020 habe die Klägerin die Ermächtigung offengelegt. Die Offenlegung wirke nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück.
Der Feststellungsantrag sei abzuweisen, weil es an einem erledigenden Ereignis fehle.
Gegen das Urteil hat der Beklagte mit beim Oberlandesgericht am 03.11.2020 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung – mit Schriftsatz vom 11.01.2021 begründet. Er möchte mit seiner Berufung eine vollständige Klageabweisung erreichen. Er vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag, namentlich führt er an, es sei der Wille der Parteien gewesen, wie er sich im Vertrag manifestiert habe, dass die bilanzielle Erfassung der Rechnungsabgrenzungsposten irrelevant sei. Er verweist darauf, dass es eine Due Diligence der im selben Geschäftsfeld tätigen Klägerin gegeben habe. Auch habe das Landgericht verkannt, dass der Vertrag auf Rechtssicherheit angelegt gewesen sei. Man habe sich auf den Kaufpreis geeinigt. Die Einigung trage den Rechtsgrund des Behaltendürfens in sich. Dies müsse umso mehr gelten, als E& Y die Problematik erkannt habe. Gleichwohl habe die Klägerin ohne Vorbehalt gezahlt. Im Übrigen sei die Auswirkung geringfügig. Sie betrage nicht einmal 2% des Gesamtkaufpreises. Der Kaufpreis wäre im Übrigen derselbe geblieben, wenn die Parteien die Problematik erkannt hätten, zumal Rechnungsabgrenzungsposten die Ertragskraft des Unternehmens und damit den Wert desselben nicht beeinflussten. Schließlich hält der Beklagte daran fest, dass das Schiedsgutachten grob unbillig zu seinen Lasten ausfalle.
Der Beklagte beantragt daher,
das am 12.10.2020 verkündete und am 16.10.2020 zugestellte Urteil des Landgerichtes München I, in Sachen M.A. I. s.r.l. ./. S., L., Aktenzeichen: 10 HK O 357/18 aufzuheben, soweit der Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 445.977,42 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9% über Basiszinssatz seit 24.11.2017 zu zahlen, und die Klage der Klägerin unter Aufhebung des Urteils in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
1.Die Berufung wird zurückgewiesen.
2.Im Wege der Anschlussberufung wird der Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des LG München vom 12.10.2020, Az. 10 HK O 357/18 zur Zahlung weiterer € 73.842,00 zzgl. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 24.11.2017 an die Klägerin verurteilt.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Anschlussberufung.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es auf Rückzahlung eines überzahlten Kaufpreises in Höhe von 445.977,42 € erkannt hat. Die Abweisung der Klage in Höhe der Differenz zum erstinstanzlich geltend gemachten Rückzahlungsbetrag (von 840.257,70 €) nimmt sie eben so hin wie die Abweisung der Klage auf Feststellung der Erledigung. Mit ihrer Anschlussberufung will sie erreichen, dass der Beklagte zur Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Dividenden für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 in Höhe von 73.842 € verurteilt wird. Dieser Rückzahlungsanspruch stehe – anders als zuletzt in erster Instanz nach Hinweis des Landgerichtes geltend gemacht – der Klägerin selbst (und nicht nur den Gesellschaften) zu. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin nach dem Unternehmenskaufvertrag verpflichtet gewesen sei, die Gesellschaften GTI und GTI N so zu stellen, dass diese die Dividenden an den Beklagten würden auszahlen können. Zu diesem Zwecke habe die Klägerin 1.072.000 € in die GTI-Gesellschaften eingeschossen. Der Beklagte sei daher insoweit ungerechtfertigt zu Lasten der Klägerin bereichert. Der Höhe nach verfolge die Klägerin ihren Anspruch nur insoweit, als dieser nach dem Ergebnis des Schiedsgutachtens bestehe.
Der Beklagte tritt der Anschlussberufung entgegen. Er habe keine Gewinnausschüttungen zu Unrecht erhalten. Die Klägerin habe insoweit nichts Substanzielles vorgetragen. Es wäre an der Klägerin gewesen, den Streitgegenstand in dem Prozess verjährungsunterbrechend einzubringen. Der Vortrag erfolge verspätet bzw. hätte innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren eingebracht werden müssen. Der Mahnbescheid genüge hierfür nicht.
Der Senat hat über die Berufung am 26.01.2022 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift und die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg und führt zur vollumfänglichen Klageabweisung als unbegründet. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines nach Ansicht der Klägerin überzahlten Kaufpreises besteht nicht, da die Kaufpreiszahlung der Klägerin nicht rechtsgrundlos im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB erfolgte. Die Parteien haben sich auf den variablen Kaufpreis geeinigt. An dieser Einigung muss sich die Klägerin festhalten lassen.
1. Dass die Klage wegen einer vertraglichen Schiedsgerichtsklausel unzulässig sei (§§ 1029, 1032 Abs. 1 ZPO) macht der Beklagte nicht mehr geltend. Die Rüge ist daher gemäß § 532 ZPO nicht zu prüfen (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 532 Rn. 1f.). Im Übrigen handelt es sich bei der Klausel, wie das Landgericht zutreffend ausführt, um eine Schiedsgutachterklausel, die die Erhebung einer zivilgerichtlichen Klage nicht hindert.
2. In der Sache folgt der Senat allerdings nicht dem Verständnis des Beklagten zum Unternehmenskaufvertrag, wonach sich aus den vertraglichen Bestimmungen in Zusammenschau mit der von Klageseite durchgeführten Due Diligence ergebe, dass maßgeblich für die Ermittlung der für eine Berechnung des variablen Kaufpreises relevanten Parameter (Umsätze und EBIT) eine Bilanzierung sei, wie sie in ständiger Praxis des Unternehmens üblich gewesen sei (d.h. ohne passive Rechnungsabgrenzung), mag eine solche Bilanzierung im Einzelfall auch nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen haben. Diese Sichtweise steht nicht im Einklang mit der ausdrücklichen Bestimmung (Ziff. 2.2.2 Buchst. a) KV), dass der Jahresabschluss 2015 auf Basis der geltenden Bilanzrichtlinien zu erstellen sei. Die weitere vertragliche Bestimmung, dass die Bewertung von Aktiva und Passiva fortzuschreiben sei, gibt keinen Freibrief zu Abweichungen von zwingenden gesetzlichen Bestimmungen. Kontrollüberlegung ist insoweit: Hätten die Parteien vor Aufstellung der Bilanz 2015 erkannt, dass eine Rechnungsabgrenzung zu erfolgen habe, wäre der Vertrag dahin auszulegen gewesen, dass diese bessere Erkenntnis bei der Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen sei.
3. Ebenso wenig folgt der Senat der – zumindest erstinstanzlich und noch schriftsätzlich in der Berufungsinstanz – vom Beklagten vertretenen Auffassung, dass eine Rechnungsabgrenzung unterbleiben durfte, somit der variable Kaufpreis bilanzrechtlich zutreffend ermittelt sei. Die Jahresabschlüsse der GTI und der GTI N verstoßen gegen § 250 Abs. 2 HGB. Danach sind Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite für solche vor dem Abschlussstichtag zu buchenden Einnahmen auszuweisen, die Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Stichtag darstellen. Die Vorschrift ist – soweit ersichtlich unbestritten – zwingend (vgl. den Wortlaut von § 250 Abs. 1 und 2 HGB einerseits und § 250 Abs. 3 HGB bzw. den mit Wirkung vom 29.05.2009 aufgehobenen § 250 Abs. 1 Satz 2 HGB a.F. andererseits). Die Vorschrift ist Ausdruck der periodengerechten Zuordnung von Erlösen. Die Vereinnahmung von Mieterträgen (hier für Sauerstoffgeräte) in einem bestimmten Wirtschaftsjahr, die einen Vermietungszeitraum in späteren Wirtschaftsjahren betreffen, wie dies vorliegend der Fall ist, unterfallen dieser gesetzlichen Bestimmung. Dagegen wendet sich der Beklagte auch nicht. Er meint jedoch, dass von der Einhaltung im konkreten Fall abgesehen werden könne, weil die trennscharfe Zuordnung vorliegend nicht wesentlich sei, im Übrigen unverhältnismäßigen Aufwand bedeute. Für das Steuerrecht, das in § 5 Abs. 5 Satz 1 EStG § 250 Abs. 1 und 2 HGB entsprechende Bestimmungen kennt, hat der BFH (Beschluss vom 18.03.2010 – X R 20/09 zu aktiven Rechnungsabgrenzungsposten) zunächst ein Absehen von der Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten akzeptiert, soweit diese eine Größenordnung nicht überstiegen, die bei hypothetischer Anschaffung eines geringwertigen Wirtschaftsgutes eine sofortige Abschreibung erlaubt hätte (§ 6 Abs. 2 EStG). Diese Rechtsprechung hat er zwischenzeitlich – nach Erstellung der hier streitgegenständlichen Bilanzen – aufgegeben (BFH, Urteil vom 16.03.2021 – X R 34/19). Die gesetzlichen Bestimmungen ließen hierfür keinen Raum. § 6 Abs. 2 EStG verfolge andere Zwecke als die Vorschriften zur Rechnungsabgrenzung. Zutreffend weist der BFH darauf hin (BFH, aaO juris-Rn. 23), dass die ordnungsgemäße Verbuchung keinen unzumutbaren Aufwand bedeutet, wenn – was vorliegend unterblieben ist – die Buchung von Anfang an korrekt vorgenommen wird und dementsprechend der vereinnahmte Jahreserlös quotal auf das laufende und die künftigen Wirtschaftsjahre verteilt wird. Der BFH musste dabei nicht entscheiden, ob im handelsrechtlichen Bilanzrecht (anders als im Steuerrecht) Raum verbleibe, von der Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten abzusehen, wenn diese für den Jahresabschluss und dessen Aussagekraft unwesentlich sind (zum Meinungsstand: vgl. BFH, aaO Rn. 15 vgl. auch Schubert/Waubke, Beck’scher Bilanzkommentar, 12. Aufl., § 250 HGB Rn. 28 und BeckOGK/Hennrichs, § 250 HGB Rn. 33 [Stand: 01.10.2020], jeweils mwN, allerdings auf Basis des Standes vor der neueren Entscheidung des BFH). Die Frage bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Betrifft die Rechnungsabgrenzung nämlich das Kerngeschäft einer Gesellschaft, so mögen zwar die einzelnen vereinnahmten Beträge gering sein (das Schiedsgutachten weckt allerdings Zweifel, ob schon diese Prämisse ausnahmslos zutrifft; vgl. die Ausführung zum „Artikel 20020“ auf S. 8); jedenfalls in der Summe der betroffenen Tausenden von Verträgen (Schriftsatz des Beklagten vom 22.06.2018, S. 4, Bl. 112 d.A.) kann der Zuordnung der Erträge zu den Wirtschaftsjahren die Erheblichkeit nicht abgesprochen werden. Dass sich die Beträge über die verschiedenen Perioden idealerweise ausgleichen, ändert nichts daran, dass Ziel einer Bilanz auch ist, die Erträge den jeweiligen Perioden zuzuordnen.
4. Dies alles ändert aber nichts daran – wie mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert -, dass der Vertrag zwar die Parameter zur Erstellung des variablen Kaufpreises in Ziff. 3.2 fixiert, gleichwohl aber durch das Procedere in Ziff. 2.2.2 einen Mechanismus vorsieht, in dessen Rahmen die Parteien eine – verbindliche – Einigung über den variablen Kaufpreis erzielen sollen und vorliegend auch erzielt haben.
Der Vertrag sieht nicht etwa vor, dass der Käufer den sich aus Ziff. 3.2 ergebenden variablen Kaufpreis bezahlt. Vielmehr erstellt zunächst die Verkäuferseite den Entwurf eines Jahresabschlusses, der der Gegenseite zur Prüfung zugeleitet wird. Ausdrücklich ist vorgesehen, dass die Parteien eine Einigung über den Kaufpreis erzielen (vgl. 2.2.2 Buchst. c)). Kommt es dagegen zu Divergenzen, wird ein gesondertes Procedere vereinbart, in dessen Rahmen wiederum eine Einigung erfolgen kann. Nur falls dies scheitert, ist eine Schiedsgutachterverfahren vorgesehen. Nach den vertraglichen Bestimmungen treffen die Parteien somit eine – konstitutive – Einigung über den variablen Kaufpreis.
a) Ein solches „rechtsgeschäftliches“ Verständnis liegt schon deshalb nahe, weil wesentliche Elemente des Kaufpreises den Jahresabschlüssen 2015 entnommen werden, über die eine Beschlussfassung durch die Gesellschafter zu erfolgen hat (§ 46 Nr. 1 GmbHG), die Gesellschafter also ohnehin insoweit rechtsgeschäftliche Willenserklärungen abgeben müssen. Auf Ebene der GTI sind dies die Parteien des Rechtsstreits als Gesellschafter. Auf Ebene der GTI N sind zwar nicht die Parteien Gesellschafter, sondern die GTI; die Klägerin kann jedoch auch hier Einfluss auf den rechtsgeschäftlichen Akt der Feststellung des Jahresabschlusses nehmen, sei es über ihre Befugnis zur Einsetzung eines Geschäftsführers (Ziff. 9.7 und Ziff. 2.13 KV iVm Anlage F, dort Ziff. 2.3), sei es durch Gesellschafterweisung über die GTI an die GTI N.
b) Entscheidend für diese Auslegung des Kaufvertrages ist, dass die Kaufpreisfindung in einem formalisierten Verfahren zwischen den Parteien erfolgt. Dieses ist darauf angelegt sicherzustellen, dass jede Partei im Rahmen der Kaufpreisfindung ihre Rechtsposition wahren, insbesondere die Richtigkeit der Jahresabschlüsse, denen die Parameter für den variablen Kaufpreis zu entnehmen sind, eigenständig unter Zuhilfenahme von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern prüfen kann. Die Prüfung beschränkt sich, wie schon der Wortlaut der Bestimmung in Ziff. 2.2.2 Buchst. b) zeigt, nicht auf eine Prüfung der Kaufpreisberechnung, sondern umfasst die Prüfung der Richtigkeit des Jahresabschlusses.
Ein solch förmliches Verfahren zielt nicht nur auf eine fristgebundene und damit schnelle, sondern vor allem auf eine verbindliche Regelung des Kaufpreises, die – in Grenzen (dazu unter 5.) – gegen nachträgliche Änderungen abgeschirmt werden soll. Dies zeigt sich auch an der Ausgestaltung des Divergenzverfahrens: Dieses soll durchgeführt werden, falls – aber eben nur falls – die Parteien kein Einvernehmen erzielen. Für diesen Fall wurde eine schnelle und ebenso verbindliche Regelung durch Einholung eines Schiedsgutachtens angestrebt, das seinerseits – so ausdrücklich die vertragliche Bestimmung – „unanfechtbar“ sein soll (Ziff. 2.2.2 Buchst. e). Es wäre schwer verständlich, wenn die freiwillige Einigung im Vorfeld – trotz des formalisierten Prüfungsverfahrens – keine Verbindlichkeit beanspruchen sollte und wenn jeder Fehler in der Bilanz dazu führen könnte, die Frage des Kaufpreises neu aufzurollen.
c) Eine Einigung ist vorliegend erfolgt. Der Beklagte hat den Entwurf für die Jahresabschlüsse von GTI und GTI N erstellt und zur Prüfung übersandt, außerdem den sich ergebenden Kaufpreis mitgeteilt. Die Klägerin hat ihrerseits – nach Einschaltung von E& Y und Erörterung bestimmter Fragen mit dem Steuerberater der Gesellschaft – per E-Mail mitgeteilt, dass sie den Kaufpreis zahlen werde. Damit hat sie ihre Zustimmung kundgetan. Diese Zustimmung hat sie mit der Zahlung des Preises bestätigt.
Die Einigung ist auch nicht formnichtig; sie bedurfte weder der Schriftform noch gar der notariellen Form. Zwar sieht Ziff. 2.2.2 Buchst. c) KV eine schriftliche Einigung vor. Der Vergleich zum Divergenzverfahren in Ziff. 2.2.2 Buchst. d) („Zahlung des Differenzbetrages, auf den sich Veräußerer und Erwerber einigen“) zeigt, dass der Schriftform Beweisfunktion, aber keine konstitutive Bedeutung im Sinne von § 125 S. 2 BGB zukommen sollte. Auch der notariellen Form bedurfte die Regelung nicht, weil die Verpflichtung zur Übertragung der Geschäftsanteile (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) bereits in einer notariellen Urkunde und damit formwirksam begründet wurde und in dieser Urkunde die wesentlichen Parameter für die Bestimmung des variablen Kaufpreises festgelegt sind. In jedem Falle wäre die Formnichtigkeit durch die Übertragung der Geschäftsanteile durch die in notarieller Form erfolgte Abtretung der Geschäftsanteile geheilt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 iVm Abs. 3 GmbHG).
5. Die Klägerin hat – wie ebenfalls in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläutert – die Einigung nicht zu Fall gebracht.
a) Dabei ist im Ausgangspunkt richtig, dass zum Zeitpunkt der Einigung über den variablen Kaufpreis beide Parteien – weil beide Parteien (steuer) rechtlich beraten: schuldlos – davon ausgingen, dass die (Entwürfe der) Jahresabschlüsse 2015 im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen stehen würden. Dieser Umstand begründet jedoch weder ein Anfechtungsrecht (§§ 119, 143 Abs. 1 BGB) noch hat vorliegend eine Anpassung des variablen Kaufpreises wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 und 2 BGB) zu erfolgen. Daraus, dass allein nach diesen rechtlichen Kriterien zu prüfen ist, ob die von den Parteien gefundene Einigung in Wegfall geraten ist, folgt zugleich, dass – anders als das Landgericht angenommen hat – in der vorliegenden Konstellation kein Schiedsgutachten einzuholen war. Die Einholung eines Schiedsgutachtens durch einen Wirtschaftsprüfer macht Sinn, wenn allein zu klären ist, wie der Jahresabschluss richtigerweise aufzustellen ist. Dagegen kann ein Wirtschaftsprüfer nicht die rechtliche Prüfung vornehmen, ob eine Einigung ihre Bindungswirkung verloren hat, mag dafür die korrekte Aufstellung des Jahresabschlusses als Vorfrage – aber eben auch nur als Vorfrage – zu klären sein. Eine analoge Anwendung der Schiedsgutachterklausel auf den vorliegenden Fall scheidet danach aus. Folglich besteht auch keine Bindung des Senats an das eingeholte Schiedsgutachten.
b) Eine Anfechtung (§§ 119, 143 Abs. 1 BGB) greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich im Schriftsatz vom 27.09.2017 – konkludent – eine Anfechtung der Einigung erklärt hat. Schon daran bestehen erhebliche Zweifel, weil sich aus dem Schreiben nicht ohne Weiteres ergibt, dass ein Gestaltungsrecht wegen eines Irrtums (§ 119 BGB) ausgeübt werden soll; es werden schlicht Rückforderungsansprüche geltend gemacht. Es kann auch dahinstehen, ob die Anfechtung unverzüglich erfolgt wäre, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klägerin hat – trotz Rüge der Gegenseite – nicht vorgetragen, wann ihr der fehlerhafte Ansatz in den Jahresabschlüssen von ihrem Wirtschaftsprüfer mitgeteilt worden ist. Es fehlt nämlich in jedem Falle an einem Anfechtungsgrund. Im Falle eines beiderseitigen Irrtums ist nach Auffassung des Senats die Vorschrift des § 313 Abs. 2 BGB speziell (Palandt/Ellenberg, BGB, 81. Aufl., § 119 Rn. 30, 21a; MüKo BGB/Armbrüster, 9. Aufl., § 119 Rn. 132; Staudinger/Herrler, Neubearbeitung 2021, § 119 Rn. 60; für Anwendbarkeit des § 313 BGB bei beidseitigem Motivirrtum, insb. beidseitigem Kalkulationsirrtum: BGH, Urteile vom 07.07.2004 – VIII ZR 192/03, juris-Rn. 12, und vom 11.12.2019 – VIII ZR 234/18, juris-Rn. 19) dies erscheint mit Blick auf die flexibleren Rechtsfolgen (Anpassung vor Rücktritt; keine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht eines der gemeinsam Irrenden, § 122 Abs. 1 BGB) auch sachgerecht.
Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, fehlte es an einem relevanten Irrtum. Ein – erweiterter – Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 BGB liegt bei einer fehlerhaften Kalkulation nicht vor (BGH, Urteil vom 07.07.1998 – X ZR 17/97, juris-Rn. 13). Ein einseitiger Kalkulationsirrtum begründet, wie der BGH ebenfalls bereits entschieden hat (BGH, aaO), auch kein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB. Denn derjenige, der aufgrund einer für richtig gehaltenen, in Wirklichkeit aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine Vergütungsforderung ermittelt und seinem Angebot zugrunde legt, trägt das Risiko dafür, dass seine Kalkulation zutrifft. Selbst wenn man bei einem gemeinsamen Kalkulationsirrtum großzügiger verfahren wollte (eben weil das Risiko nicht einseitig verteilt ist), scheitert jedenfalls vorliegend eine Anfechtung, weil kein Irrtum über eine verkehrswesentliche „Eigenschaft der Sache“ vorliegt. Der Kaufpreis kann eine solche Eigenschaft schon deshalb nicht sein, weil relevante Eigenschaften im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB nur die wertbildenden Faktoren sind, nicht der Wert selbst (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 119 Rn. 27 mwN). Bezüglich des verkauften Unternehmens, um dessen Wertbestimmung es geht, liegt ebenfalls kein Irrtum vor, denn die Käuferin kannte sämtliche Eigenschaften des Unternehmens einschließlich der erzielten Erlöse und sogar einschließlich der tatsächlich praktizierten Verbuchung der Erlöse. Allein der Umstand, dass die Erfassung mangels Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten bilanzrechtlich unzutreffend war, war ihr unbekannt. Das aber stellt keinen Irrtum über eine Eigenschaft des verkauften Unternehmens dar, sondern allenfalls über die Abbildung von dessen Wert.
c) Auch die Vorschriften über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 und 2 BGB) führen vorliegend nicht zu einer Anpassung des Kaufpreises und damit zu einem Anspruch auf Rückzahlung eines Kaufpreisteils.
Im Ausgangspunkt kommt, wie bereits ausgeführt, gemäß § 313 Abs. 2 iVm Abs. 1 BGB eine Anpassung des Vertrages in Betracht, wenn sich wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage eines Vertrages geworden sind, als falsch herausstellen. Weitere Voraussetzung ist, dass einem Teil – hier der Käuferseite – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2019 – VIII ZR 234/18, juris-Rn. 20).
Dabei folgt der Senat dem Landgericht darin, dass der Einigung über den variablen Kaufpreis das beiderseitige Verständnis zugrunde lag – ohne dass dies unmittelbar Gegenstand der Einigung über den variablen Kaufpreis gewesen wäre -, dass die Jahresabschlüsse, denen die Kennzahlen Jahresumsatz und EBIT entnommen worden sind, gesetzeskonform aufgestellt sind. Die Gesetzeskonformität bildet somit die Geschäftsgrundlage für den vereinbarten Kaufpreis (vgl. für einen Abfindungsvergleich, dem ein im Nachhinein wesentlich unvollständiger Bilanzentwurf zugrunde lag: BGH, Urteil vom 16.01.1995 – II ZR 279/93, juris-Rn. 11). Vorliegend war der Bilanzentwurf jedoch – mangels passiver Rechnungsabgrenzungsposten – nicht gesetzeskonform erstellt. Die Berufung auf die Vorschriften über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist auch nicht vertraglich abbedungen. Der vertragliche Ausschuss dieses Rechtsinstituts in Ziff. 7.7 umfasst nach Sinn und Zweck (wie der parallele Ausschluss von Gewährleistungsrechten, cic und ähnlichem zwecks Beschränkung der Verkäuferhaftung auf die abgegebenen Garantieerklärungen belegt) Umstände, die dem Vertragsschluss zugrunde liegen, nicht aber Umstände, die sich erst im Rahmen der Vertragsdurchführung in unmittelbarer Anwendung der vertraglichen Regelungen zeigen.
Die Klägerin kann sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage aber deshalb nicht berufen, weil ihr ein Festhalten an der Kaufpreisvereinbarung – insbesondere bei Berücksichtigung der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung – zumutbar ist.
aa) Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass die Parteien zwar eine enge Anlehnung an die Kennziffern des Jahresabschlusses beabsichtigt haben. Eine unabdingbare Verknüpfung gab es aber nicht: vielmehr bildete der Entwurf die Basis für das Prüfungsverfahren, das idealerweise mit einer Einigung enden sollte und auch endete, ohne dass diese Einigung mit einer Feststellung des Jahresabschlusses verbunden gewesen wäre. Dies gilt erst recht im Falle einer Einigung im Rahmen des Divergenzverfahrens. Die Parteien haben überdies explizit die Möglichkeit gesehen, dass Bilanz und geschuldeter Kaufpreis voneinander abweichen, wie die Regelung zur Irrelevanz einer Änderung der Abschreibungsmodalitäten im Rahmen des Jahresabschlusses für den Kaufpreis zeigt. Vor allem zeigt, wie bereits dargelegt, das fein ausziselierte Prüfungsverfahren, dass die Parteien eine schnelle und rechtssichere Einigung anstrebten. Allenfalls wesentliche Abweichungen der Bilanz von den gesetzlichen Vorgaben mit erheblichen Auswirkungen auf den Kaufpreis können es rechtfertigen, eine Anpassung zu verlangen.
bb) Um eine solch wesentliche Abweichung mit erheblichen Auswirkungen auf den Kaufpreis handelt es sich vorliegend nicht. Das wird an den nachfolgend dargestellten Aspekten deutlich:
(1) Bei der Prüfung unterstellt der Senat zugunsten der Klägerin, dass das Schiedsgutachten hinsichtlich der nachgeholten Rechnungsabgrenzung zutreffend ist. Eine darüber hinausgehende Verschiebung des Ergebnisses zugunsten der Klägerin ist nicht möglich, da die Klägerin die Klageabweisung insoweit nicht angefochten hat, einer weitergehenden Änderung somit das Verbot einer Reformatio in peius entgegensteht (§ 528 Satz 2 ZPO).
Nicht zu folgen vermag der Senat allerdings der Annahme des Schiedsgutachters (Gutachten, S. 12) unter Hinweis auf internationale Rechnungslegungsstandards, im Rahmen der Berechnung des EBITs seien „sonstige Steuern“ hinzuzusetzen. Die Parteien haben die Berechnung des EBITs im Vertrag (Ziff. 3.2, 1. Spiegelstrich) als Jahresüberschuss vor „Steuern“ – und zwar ohne Differenzierung zwischen Steuerarten, obwohl eine solche Differenzierung, wenn sie gewollt gewesen wäre, in § 275 Abs. 2 Nr. 14 und 16 HGB angelegt gewesen wäre – definiert und sich bei der Berechnung des EBITs einvernehmlich an diese Definition, die somit auch ihrem Verständnis entsprach, gehalten. Danach ist für die Kaufpreisberechnung die Korrektur des EBITs, wie auf Seite 12 des Schiedsgutachtens beschrieben, rückgängig zu machen. Dies führt zu einem Ansatz eines EBITs von 2.453.623,30 € (statt 2.440.603,30 €, S. 15 des Gutachtens) bei der GTI und von 491.056,79 € (statt 484.245,79 €) bei der GTI N. Unter dieser Annahme (bei Übernahme der sonstigen Parameter des Schiedsgutachters) ergäbe sich ein geschuldeter Kaufpreis von 8.573.258,90 € (statt 8.545.991,28 €). Die mögliche Überzahlung betrüge danach 418.709,80 € (statt 445.977,42 €).
(2) Richtige Bezugsgröße für die Frage der Zumutbarkeit ist die Relation der Kaufpreisanpassung zum Gesamtkaufpreis. Diesen haben die Parteien ersichtlich in den Blick genommen, wenn sie eine Regelung über einen Mindestgesamtkaufpreis von 23,5 Mio € vereinbart haben (16,5 Mio € Fixkaufpreis und variabler Mindestkaufpreis 7 Mio €). Es geht auch wirtschaftlich nicht um die Bewertung bestimmter einzelner Anteile. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Geschäftsanteil 2 nur ca. 25% der gesamten Anteile ausmacht, der variable Kaufpreis aber einen Anteil am Gesamtkaufpreis von mindestens 30% (Relation von 7 Mio € zu 23,5 Mio €), voraussichtlich sogar einen wesentlich höheren Anteil ausmachen sollte (nach dem – korrigierten – Schiedsgutachten mehr als 34%, nämlich Relation von [gerundet] 8,573 Mio € zu 25,073 Mio €).
Setzt man die Überzahlung von 418.709,80 € ins Verhältnis zum von den Parteien ermittelten Gesamtkaufpreis (25.491.968,70 €), ergibt sich eine Änderung von (abgerundet) 1,6%. Selbst im Verhältnis zum – korrigierten – Ergebnis des Schiedsgutachtens verschiebt sich der Kaufpreis um weniger als 1,7%.
Dass der Betrag absolut durchaus beträchtlich ist, ist ebenso richtig wie irrelevant. Es wäre mit dem Bestreben der Parteien, Rechtssicherheit zu schaffen, unvereinbar, wenn man allein auf den absoluten Betrag abstellen wollte. Es liegt in der Natur der Sache, dass jedwede auch nur geringfügige Änderung von – für die Kaufpreisberechnung überdies faktorisierten – Parametern, die hohe Ausgangszahlen aufweisen (hier: Umsätze von mehr als 10 Mio € bei der GTI und von mehr als 5 Mio € bei der GTI N, die der Schiedsgutachter insgesamt um knapp 250.000, also um weniger als 2%, korrigiert hat, vgl. Schiedsgutachten, S. 10, 16), sich in absolut signifikanten – auf den Gesamtkaufpreis bezogen aber relativ unbedeutsamen – Änderungen des Kaufpreises niederschlagen muss.
(3) Selbst in Relation zwischen Überzahlung (418.709,80 €) zum variablen Kaufpreis ergäbe sich keine so wesentliche Abweichung, dass dies eine Kaufpreisanpassung rechtfertigen würde.
Sowohl die Veränderung in Höhe von 418.709,80 zum vereinbarten variablen Kaufpreis von 8.991.968,70 € als auch zum ausweislich des – korrigierten – Schiedsgutachtens ermittelten Kaufpreis von 8.573.258,90 € beträgt weniger als 5%.
Vor dem Hintergrund, dass die Parteien – nach Prüfung des Kaufpreises durch alle Beteiligten – Rechtssicherheit anstrebten, dass der variable Kaufpreis nur einen begrenzten Anteil des Gesamtkaufpreises ausmacht und dass sich Fehler im Umsatz aufgrund der Kaufpreisformel automatisch mit absolut hohen Beträgen auswirken, erscheint dem Senat eine Toleranz von bis zu 10% für die Parteien zumutbar, weil noch geringfügig (eine 10%-Marke ist der Rechtsprechung auch in anderen Bereichen nicht fremd, etwa wenn es um Kalkulationsirrtümer im Zusammenhang mit der Wohnfläche geht, vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2004 – VIII ZR 192/03, juris-Rn. 12).
Erst recht ist vorliegend eine solch großzügige Betrachtung geboten, weil es sich um eine unterlassene Rechnungsabgrenzung handelt. Es handelt sich mitnichten um tatsächlich fehlende Umsätze, vielmehr betrifft der Fehler – jedenfalls zu wesentlichen Teilen, vorbehaltlich eines späteren Ausfalls – die Zuordnung von Umsätzen zu bestimmten Perioden. Der Senat verkennt nicht, dass die Parteien für den variablen Kaufpreis ein bestimmtes Stichjahr – 2015 – vereinbart haben, sich somit der Beklagte an dieser Stichjahresregelung festhalten lassen muss. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Fehler bei der Rechnungsabgrenzung die Aussage zur Ertragsfähigkeit eines Unternehmens (wenn überhaupt) in erheblich geringerem Maße in Zweifel zieht als tatsächlich nicht existente Umsätze. Der Kaufpreis soll aber wirtschaftlich diese Ertragsfähigkeit abbilden.
(4) Auf die von den Parteien ventilierte Frage, ob die Jahresabschlüsse der Gesellschaften nichtig sind, kommt es dabei nicht entscheidend an.
(a) Nicht zutreffend ist, dass es – wie die Klägerin meint – bereits infolge einer behaupteten Nichtigkeit der Jahresabschlüsse an einem Rechtsgrund für den gezahlten Kaufpreis fehle. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil Rechtsgrund für die Zahlung des Kaufpreises die Einigung über denselben ist, nicht der Jahresabschluss. Dies lässt sich im Übrigen auch an folgender Überlegung zeigen: Würde der nichtige Jahresabschluss den Rechtsgrund für die Zahlung entfallen lassen, müsste dasselbe gelten, solange noch kein Feststellungsbeschluss über den Jahresabschluss getroffen wurde. Demnach hätte die Klägerin bis 16.08.2016 rechtsgrundlos bezahlt und hätte den variablen Kaufpreis zurückfordern können. Im Übrigen waren die Parteien – wie im Kaufvertrag angelegt – frei, bilanziell die Abschreibungssystematik zu ändern oder sonstige Bilanzierungswahlrechte in der Jahresbilanz auszuüben, ohne dass ein solches Vorgehen Auswirkungen auf den Kaufpreis hätte haben sollen (vgl. Ziff. 3.2 aE).
(b) In Betracht zu ziehen könnte demnach allenfalls eine wertungsmäßige Übertragung der bilanziellen Nichtigkeitsvorschriften auf das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dergestalt sein, dass im Falle einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses ein Festhalten am daraus abgeleiteten variablen Kaufpreis nicht zumutbar ist. Eine solche Parallelität ist jedoch abzulehnen.
Die Annahme einer Parallelität scheitert allerdings nicht daran, dass es sich bei § 256 AktG um eine aktienrechtliche Bestimmung handelt. Es ist anerkannt, dass auf Jahresabschlüsse einer GmbH die Vorschrift des § 256 Abs. 5 AktG analoge Anwendung findet (so schon BGH, Urteil vom 01.03.1982 – II ZR 23/81, juris-Rn. 45; statt vieler: Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 42a Rn. 37; Fleischer in MüKo GmbHG, 3. Aufl., § 42a Rn. 29; Tiedchen in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 42a Rn. 77, 84). Danach ist ein Jahresabschluss nichtig, wenn wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften ein Posten in der Jahresbilanz überbewertet ist (§ 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG), also ein Aktivposten zu hoch oder ein Passivposten zu niedrig bewertet wird. Dasselbe muss gelten, wenn die Bildung eines Postens auf Passivseite – hier eines negativen Rechnungsabgrenzungspostens – gänzlich unterbleibt.
Die Vorschrift kann jedoch – auch ihrer Wertung nach – aus zwei Gründen nicht auf die Einigung über den Kaufpreis übertragen werden:
Das Aktienrecht knüpft an einen Verstoß gegen die Bilanzvorschriften keine „endgültige“ Nichtigkeit. Zwar begründet ein Verstoß gegen die in § 256 Abs. 1-5 AktG genannten Regelungen grundsätzlich die Nichtigkeit; diese kann jedoch nach Ablauf einer bestimmten Zeit – entweder sechs Monate nach Bekanntmachung, in anderen Fällen (wie bei Verstoß gegen § 256 Abs. 5 AktG) nach Ablauf von drei Jahren – nicht mehr geltend gemacht werden, vgl. § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG. Die Wirksamkeit der Einigung über den Kaufpreis kann aber nicht vom Zeitablauf abhängen (die Verjährungsvorschriften bieten insoweit keine Kompensation, weil sie typischerweise – wenn, anders als hier, keine vertraglichen Regelungen getroffen werden – erst kenntnisabhängig anlaufen, § 199 Abs. 1 BGB). Auch zeigt sich an dieser Regelung, dass das Aktienrecht dem Verstoß keine solche Schwere beimisst, dass an dem Jahresabschluss nicht doch – wenn auch erst nach Zeitablauf – festgehalten werden kann.
Einer Übertragung der Wertung steht auch entgegen, dass die Nichtigkeitsfolge in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG primär Ausdruck von Gläubigerschutz ist, um den es vorliegend aber nicht geht. Der Anordnung der Nichtigkeitsfolge lag nämlich die Vorstellung des historischen Gesetzgebers zugrunde, dass bilanzrechtliche Bewertungsvorschriften gläubigerschützend und deshalb schon nach der Generalklausel in § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig seien. Diese Folge wollte man einschränken, indem man es bei der allgemeinen Nichtigkeit bei Überbewertungen – weil „unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes besonders bedenklich“ (so im Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. Zu IV/3296, S. 44 linke Spalte zu § 247 AktG-E) – beließ, die Nichtigkeitsfolge bei Unterbewertungen auf Vorsatz einschränkte (auf den „gebotenen Gläubigerschutz“ ebenfalls abstellend: BGH, Urteil vom 01.03.1982 – II ZR 23/81, juris-Rn. 45; vgl. Vetter in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 256 AktG Rn. 21; Bezzenberger in Hirte/Mülbert/Roth, AktG Großkommentar, 5. Aufl., § 256 Rn. 13, 19, 82). Der Senat verkennt nicht, dass sich der Zweck der Nichtigkeitsvorschriften – wie der Tatbestand des § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 (vorsätzliche Unterbewertung), der aber zusätzliche tatbestandliche Erfordernisse für eine Nichtigkeit postuliert – nicht auf den Gläubigerschutz beschränkt. Die primäre Stoßrichtung des Gläubigerschutzes bei § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG verbietet jedoch eine schematische Übertragung der Wertung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall, in dem es um die Findung eines Kaufpreises für ein Unternehmen geht. Eine Überbewertung von Posten, mag sie im Einzelfall auch die Nichtigkeit des Jahresabschlusses begründen, ist deshalb auch der Wertung der Vorschriften nach nicht eo ipso geeignet, eine Unzumutbarkeit des Festhaltens an einem vereinbarten Kaufpreis zu begründen.
Dabei ist zu bedenken: Der Kaufpreis für den Erwerb von Geschäftsanteilen obliegt den Parteien, ohne dass sie insoweit an bilanzrechtliche Vorgaben gebunden wären. Dasselbe gilt für ihre Bewertung der Ertragskraft eines Unternehmens, selbst wenn die Parteien beschließen, hierfür Jahresabschlüsse zur – mittelbaren – Grundlage zu machen. Mit der Kaufpreiseinigung geht – anders als bei einer Feststellung eines Jahresabschlusses – gerade nicht einher, dass zugleich eine verbindliche Grundlage gegenüber anderen ggf. dissentierenden Gesellschaftern oder für Gesellschaftsgläubiger benachteiligende Ausschüttungen geschaffen würde. Vielmehr treffen die Parteien vorliegend autonom und ohne rechtliche Beschränkungen eine einvernehmliche Entscheidung über den Kaufpreis. Maßgeblich für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage kann allein sein, ob die Abweichung im Ergebnis so gravierend ist, dass einer Partei ein Festhalten an der Einigung nicht zumutbar ist. Dies ist aber gerade nicht der Fall, wie oben ausgeführt.
Ob für den Dividendenausspruch, der von Rechts wegen mit dem Jahresabschluss enger verknüpft ist (vgl. § 62 Abs. 1 AktG), anderes gilt, mag in diesem Zusammenhang dahinstehen; es sei lediglich angemerkt, dass die Parteien sich einig waren und dies auch so praktiziert haben, dass die Klägerin für die Auszahlung der Dividende Einlagen in die Gesellschaften nachgeschossen hat, so dass eine Gläubigerbenachteiligung ausgeschlossen erscheint.
(c) Vorliegend entsteht nach Auffassung des Senats im Übrigen inhaltlich auch keine Friktion zu den Wertungen des § 256 AktG, sollte man dessen Wertung – wie nicht – auf die Zumutbarkeitsprüfung übertragen wollen. Es ist anerkannt, dass trotz des scheinbar einschränkungslosen Wortlautes eine Nichtigkeit der Jahresabschlüsse bei einer Überbewertung – hier durch Unterlassung der Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens – nur besteht, wenn die Unrichtigkeit in ihrem Umfang nicht bedeutungslos ist (BGH, Urteile vom 01.03.1982 – II ZR 23/81, juris-Rn. 45, vom 12.01.1998 – II ZR 82/93, juris-Rn. 25 und vom 11.05.2021 – II ZR 56/20, juris-Rn. 69; aA Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 256 Rn. 35). Jedwede Abweichung von zwingenden Bilanzierungsvorschriften dem Nichtigkeitsverdikt zu unterwerfen, stünde von der Rechtsfolge her außer Verhältnis zum Schutzzweck. Ob eine „nicht bedeutungslose“ Unrichtigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen.
Der Senat kann offenlassen, ob bei der gebotenen wertenden Betrachtung mit dem Argument, unmittelbar verkauft ist allein die GTI, nur auf eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses der GTI abzustellen ist (bei der dann im Rahmen der Nichtigkeitsprüfung allerdings zu berücksichtigen wäre, dass in sie als Konzernmutter auch zu korrigierende Zahlen der GTI N wirtschaftlich einfließen) oder ob für die Erreichung der Nichtigkeitsschwelle von vornherein eine Gesamtbetrachtung von GTI und GTI N anzustellen ist. Selbst unter Zugrundelegung der für die Klägerin (aufgrund der größeren Verschiebungen) vorteilhafteren Gesamtschau ist die Nichtigkeitsschwelle nicht erreicht. In keinem Fall würde genügen, wenn allein beim Jahresabschluss der nur mittelbar verkauften und deutlich kleineren GTI N Nichtigkeit einträte, mag auch die Kaufpreisformel auf Umsatz und EBIT beider Gesellschaften Bezug nehmen. Denn der Kaufpreis kann nur in seiner Gesamtheit entweder zumutbar oder unzumutbar sein und damit entweder der Anpassung unterliegen oder nicht.
In einem ersten Schritt ist nach Auffassung des Senats ein Vergleich des zu korrigierenden Postens mit der Bilanzsumme vorzunehmen. Beträgt die Korrektur weniger als 1% der Bilanzsumme, wird man regelmäßig von keiner Nichtigkeit ausgehen können. Beträgt sie mehr als 5%, spricht vieles für hinreichende Erheblichkeit (vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 256 Rn. 25, 59; Koch in MüKo AktG, 5. Aufl., § 256 Rn. 59; skeptisch Bezzenberger in Hirte/Mülbert/Roth, AktG Großkommentar, 5. Aufl., § 256 Rn. 86). Vorliegend ist dabei wiederum die Besonderheit zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Fehler um eine Rechnungsabgrenzung handelt, also – primär – nicht um eine „endgültige“ Unrichtigkeit, sondern um eine fehlerhafte Zuordnung zu Rechnungsperioden. Dies verlangt eine großzügige Betrachtung.
Nach den Ausführungen des Schiedsgutachters ist eine Position „passive Rechnungsabgrenzung“ in Höhe von 112.149,60 € bei der GTI (vgl. Schiedsgutachten, S. 12), die eine Bilanzsumme – vor Korrektur – von 7.725.554,47 € (Anlage K2) hatte, und von 137.827,22 € bei der GTI N (bei einer Bilanzsumme von ursprünglich 3.336.961,51 €) einzustellen. Maßgeblich ist die Höhe des einzustellenden Postens in seiner Summe, nicht die Einzelposten, aus denen er sich zusammensetzt (vgl. etwa Vetter in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 256 AktG Rn. 23 mwN). Folglich sind – wie auch der Schiedsgutachter angenommen hat – von den 2015 erstmals zu bildenden Rechnungsabgrenzungsposten die aus dem Vorjahr stammenden und aufzulösenden Rechnungsabgrenzungsposten abzuziehen (Schiedsgutachten, S. 9 f.).
Danach beträgt die Fehlerquote in der Gesamtschau 2,3% (und bezogen auf die GTI 1,45%, auf die GTI N 4,1%). Dies genügt für eine Nichtigkeit nicht.
Nichts anderes ergibt sich bei Berücksichtigung sonstiger Parameter. Zu den Umsatzerlösen und der prozentualen Verschiebung dort wurde bereits ausgeführt.
Zweifeln ließe sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen der Änderung auf den Jahresüberschuss. Der Senat hat insoweit erhebliche Bedenken, der Ansicht des OLG Frankfurt (Urteil vom 18.03.2008 – 5 U 171/06, juris-Rn. 35) zu folgen, wonach dieser Größe keine Aussagekraft zukomme, weil bei niedrigen Gewinnen oder Verlusten die prozentuale Verschiebung denknotwendigerweise erheblich sei. Letzteres ist zwar richtig; insoweit ist eine pauschale Anlehnung an bestimmte Prozentsätze mit Vorsicht zu begegnen. Dass aber dem Umstand keinerlei Bedeutung zukommen soll, wenn beispielsweise ausgewiesene Gewinne durch die Änderung völlig aufgezehrt, statt dessen sogar Verluste begründet würden, erscheint dem Senat zweifelhaft. Der Bundesgerichtshof hat insoweit offen gelassen, ob von Rechts wegen die Abweichung beim Bilanzgewinn für die Frage der Erheblichkeit maßgeblich ist (zuletzt: Urteil vom 11.05.2021 – II ZR 56/20, juris-Rn. 69 mwN). Letztlich kommt es hierauf nicht an. Denn auch bei einer solchen Betrachtung ergäbe sich vorliegend keine wesentliche Überbewertung.
Bezogen auf die kumulierten Jahresüberschüsse beider Gesellschaften wäre eine Korrektur von 162.484,40 € (1.840.198,85 € [1.492.313,80 € + 347.885, 05] statt 2.002.683,25 € [1.565.210,65 € + 437.472,60 €], vgl. Schiedsgutachten, S. 15), mithin um 8,8%, veranlasst. Auch dies erscheint – erst recht mit Blick auf den grundsätzlich transitorischen Charakter der Rechnungsabgrenzung – unschädlich (für Unschädlichkeit einer Korrektur des Bilanzgewinns von 4,4%, dem allerdings kein transitorischer Charakter innewohnte: BGH, Urteil vom 12.01.1998 – II ZR 82/93, juris-Rn. 26; für eine 10%-Grenze: OLG Brandenburg, Urteil vom 30.04.1997 – 7 U 174/96, GmbHR 1997, 796, 797; LG München I, Urteil vom 12.04.2007 – 5 HK O 23424/06, BB 2007, 2510, 2511; ähnlich: Störk/Schellhorn, Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl., § 264 Rn. 57; vgl. auch Jungius/Schmidt, DB 2012, 1697, 1701).
Ob anderes gelten würde, wenn es sich um einen schweren, etwa einen gezielten, Verstoß handelte (dazu BGH, Urteil vom 11.05.2021 – II ZR 56/20 juris-Rn. 70), kann dahinstehen, denn vorliegend handelt es sich um einen Verstoß, den bis zum Jahr 2016 weder Wirtschaftsprüfer noch Finanzbehörden beanstandet haben.
(5) Die Auswirkungen des Bilanzierungsfehlers sind somit weder ihrer Summe noch ihrem qualitativen Gewicht so erheblich, so dass der Klägerin ein Festhalten nicht mehr zumutbar wäre.
cc) Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, die Änderungen könnten ihrem Gewicht nach – wie nicht – eine Anpassung rechtfertigen, treten vorliegend zwei weitere Aspekte hinzu, die es geboten erscheinen lassen, die Klägerin an dem gefundenen Kaufpreis festzuhalten:
(1) Zum einen wurde der variable Kaufpreis vorliegend genau so ermittelt, wie es sich die Parteien – einvernehmlich – im Vorfeld des Kaufvertragsschlusses vorgestellt hatten. Der branchenkundigen Klägerin war bekannt, dass weder GTI noch GTI N passive Rechnungsabgrenzungsposten gebildet hatten. Sie hatte eine umfassende Due Diligence durchgeführt. Dabei war sie rechtlich und steuerrechtlich beraten. Sie hatte dabei Einblick in die – das Hauptgeschäft ausmachenden – Mietverträge über Sauerstoffgeräte, folglich auch die Mietentgelte und die Vertragslaufzeiten, schließlich auch in die Verbuchung der Umsätze. Die Bilanzen 2011 bis 2013 waren vorgelegt und als Anlage dem Kaufvertrag beigefügt. Dies alles blieb von Klageseite unbeanstandet.
Daraus folgt, dass sie bei Vertragsschluss davon ausgehen musste und auch davon ausging, dass der variable Kaufpreis auf Basis einer Bilanz erstellt würde, die keine passive Rechnungsabgrenzung enthielt. So hat die Klägerin folglich auch intern kalkuliert.
Sie versucht nunmehr davon zu profitieren – aus der Sicht der Klägerin gleichsam als windfall profit -, dass sie im Nachgang zur Abwicklung bessere (Rechts-)Erkenntnisse erlangte. Dieser windfall profit ändert zwar nichts daran – wie ausgeführt -, dass die Klägerin sich auf diese bessere Erkenntnis berufen könnte, wenn sie sie vor der Einigung über den Kaufpreis erlangt hätte. Im Rahmen der Zumutbarkeit eines Festhaltens am vereinbarten Kaufpreis muss sie sich jedoch als einen wesentlichen Aspekt entgegenhalten lassen, dass sie einen variablen Kaufpreis in einer Höhe vereinbarte und bezahlte, der ihrem ursprünglichen Vorstellungsbild und ihrer Kalkulation bei Vertragsschluss entsprach.
(2) Schließlich muss sich die Klägerin vorhalten lassen, dass sie bei ihrer Einigung über den variablen Kaufpreis wissentlich das Risiko einer fehlerhaften Rechnungsabgrenzung einging. Sie war von der von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfergesellschaft auf die Problematik hingewiesen worden. Diese nahm das Thema auf die Liste der Fragestellungen auf. Die Klägerin gab sich jedoch mit der Einschätzung des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers der Gesellschaft zufrieden, dass die unterbliebene Rechnungsabgrenzung nach dem vom Wirtschaftsprüfer angelegten Maßstab („level applied by the auditor“) – ohnehin eine wachsweiche Formulierung – unter der Erheblichkeitsschwelle („below the materiality level“) liege und deshalb unbedeutend sei. Es war jedoch offenkundig, jedenfalls erkennbar, dass eine konkrete Prüfung der Abgrenzung zu keinem Zeitpunkt vorgenommen worden war. Die Klägerin sagt selbst, dass die Abgrenzung aufwändig gewesen wäre. Es war somit evident, dass es sich bei der Angabe um eine bloße Schätzung handelte. Damit aber hat die Klägerin das Risiko übernommen, dass der Jahresabschluss des Stichjahres 2015 Unschärfen in konkret unbekannter Höhe bezüglich der unterbliebenen Rechnungsabgrenzung enthielt. Sie kann nicht im Nachhinein hingehen und dieses übernommene Risiko auf die Gegenseite abwälzen wollen. Für dieses von ihr übernommene Risiko muss sie – jedenfalls wenn die Auswirkungen von untergeordnetem Umfang sind – einstehen. Es wäre ein Leichtes – wenn auch aufwändig – gewesen, der Frage im Rahmen des Divergenzverfahrens nachzugehen.
Verfehlt ist ihr Hinweis, sie habe lediglich die Höhe des Kaufpreises überprüfen müssen. Schon der Wortlaut des Vertrages sieht, wie ebenfalls bereits ausgeführt, eine Prüfung des Jahresabschlusses vor. Es wäre im Übrigen schwer verständlich, der Klägerin eine Frist von sechs Wochen einzuräumen, um eine Rechenoperation nachzuvollziehen, die sich aus der Multiplikation des aus der Gewinn- und Verlustrechnung zu entnehmenden Umsatzes mit dem Faktor 2,4 und des hieraus ebenfalls nachzurechnenden EBITs mit dem Faktor 11, der Addition beider Größen und der Multiplikation dieses Ergebnisses mit dem Faktor 0,125 besteht. Im Übrigen belegt die Anlage B6, dass die Klägerin die Jahresabschlüsse umfassend prüfen wollte. Nur ergänzend sei angemerkt, dass die Klägerin das Recht hatte (von dem sie allerdings nur begrenzt Gebrauch machte), eigene Geschäftsführer bei GTI und GTI N zu bestellen.
Schließlich vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Aussage des Wirtschaftsprüfers, bezogen auf den Jahresabschluss 2015, in ihrem sachlichen Gehalt (unabhängig von der bilanzrechtlichen Richtigkeit) zu beanstanden gewesen wäre. Legt man die Feststellungen des Schiedsgutachters (S. 14) zugrunde, müssen infolge der nachgeholten Rechnungsabgrenzung die Umsatzzahlen – nur hierauf kann sich die Aussage beziehen, die Änderung sei unerheblich – beider Gesellschaften, wie ausgeführt, um ca. 1,6% (bei der kleineren GTI N um weniger als 2,7%) korrigiert werden. Eine solche – von keiner Seite geprüfte, somit nur geschätzte – Verschiebung ist in der Tat nicht wesentlich und von der Klägerin hinzunehmen.
C.
Die zulässige Anschlussberufung hinsichtlich nach Ansicht der Klägerin überzahlter Dividende bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klägerin nimmt die Klageabweisung ihrer Klage aus fremdem Recht, das sie in Prozesstandschaft geltend gemacht hat, hin. Sie begehrt die Rückzahlung nunmehr – wieder, wie bereits zu Beginn der ersten Instanz – aus eigenem Recht.
a) Dass sie insoweit mit ihrem Rechtsmittel keine Beseitigung einer Beschwer aus dem erstinstanzlichen Urteil begehrt, ist unschädlich, weil die Anschlussberufung eine Beschwer nicht voraussetzt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 524 ZPO Rn. 31).
b) Die in der Umstellung der Klage liegende Klageänderung ist zulässig, § 533 ZPO.
Der darin liegenden Klageänderung hat der Beklagte nicht widersprochen; sie wäre überdies, weil zur umfassenden Streitbereinigung zwischen den Parteien geeignet, sachdienlich. Die Klägerin greift für ihre Klage ausschließlich auf bereits erstinstanzlich vorgetragene Tatsachen zurück.
2. In der Sache bleibt die Anschlussberufung ohne Erfolg.
a) Inhaberin der Ansprüche auf Rückzahlung überzahlter Dividenden ist grundsätzlich die ausschüttende Gesellschaft, hier also die GTI und allenfalls – soweit man die unmittelbare Ausschüttung der GTI N an den Beklagten nicht als bloße Abkürzung des Zahlungsweges ansieht – die GTI N, jedenfalls nicht die Klägerin.
Dies zieht auch die Klägerin nicht in Zweifel. Sie meint jedoch, sie könne entsprechende Ansprüche aus dem Vertrag herleiten, weil die Klägerin – wie im Vertrag vorgesehen und vom Beklagten auch konkret verlangt – entsprechende Einlagen in die Gesellschaft eingebracht habe, durch die eine Ausschüttung der Dividenden den Gesellschaften erst ermöglicht worden seien.
Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass bereicherungsrechtliche Ansprüche aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) entlang der jeweiligen Leistungsbeziehungen rückabgewickelt werden. Vorliegend hat die GTI bzw. die GTI N die Ausschüttung vorgenommen und damit den Anspruch erfüllt. Davon unberührt, liegt ein weiteres Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der GTI/GTI N hinsichtlich der Einlage(n) der Klägerin vor. Dass die Einlage bereits im Unternehmenskaufvertrag angelegt war, rechtfertigt keine Durchbrechung der Rückabwicklung entlang der jeweiligen – im Unternehmenskaufvertrag ebenfalls angelegten – Leistungsbeziehungen. Es kann daher offenbleiben, ob die Klägerin tatsächlich einen Anspruch auf Rückzahlung ihrer Einlage(n) hätte, müsste der Beklagte Dividenden zurückzahlen. Eine Rückzahlungspflicht versteht sich – weil der Einlage ein gesondertes Rechtsverhältnis zugrunde liegt und die Höhe der Einlage auch keineswegs deckungsgleich mit der Höhe der ausgeschütteten Dividenden ist – keineswegs von selbst. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – unwidersprochen – mitgeteilt hat, sie habe ihre Anteile an der GTI bereits weiterveräußert. Es wäre an ihr gewesen, im Rahmen des Verkaufs eine Regelung zu treffen, wie mit den im Streit stehenden Dividendenansprüche verfahren werden soll, ggf. hätte sie sie sich abtreten lassen können.
b) Eine Rückzahlung aus Schadensersatz wird ausdrücklich (vgl. Berufungserwiderung, S. 2f., Bl. 342f. d.A.) nicht geltend gemacht und kommt auch nicht in Betracht. Dabei kann unterstellt werden, der Beklagte habe die Jahresabschlüsse 2015 nicht nur in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GTI (bzw. der GTI N), sondern zugleich als Verkäufer im Sinne des Kaufvertrages aufgestellt. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB setzt jedoch Verschulden voraus (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Verschulden ist aber ausgeschlossen, wenn sich der Beklagte bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse durch einen Steuerberater hat beraten lassen und die unterlassene Rechnungsabgrenzung von diesem und auch von den Finanzbehörden nicht beanstandet worden ist.
Im Übrigen sind kaufvertragliche Ansprüche verjährt. Nach § 8 KV verjähren Ansprüche 36 Monate nach Closing am 12.11.2014. Dabei ist zwar davon auszugehen, dass Rückzahlungsansprüche der Klägerin im eigenen Namen zunächst mit Einleitung des Mahnverfahrens am 08.11.2017, mithin vier Tage vor Verjährung und damit rechtzeitig, gehemmt wurden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB iVm § 167 ZPO). Mit der Umstellung der Klage auf eine Klage in Prozessstandschaft am 06.08.2018 entfiel jedoch die zwischenzeitlich eingetretene Rechtshängigkeit etwaiger eigener Ansprüche der Klägerin; denn bei den in Prozessstandschaft geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich schon wegen der unterschiedlichen Rechtsinhaberschaft um unterschiedliche Ansprüche. Die Hemmungswirkung der Ansprüche im eigenen Namen endete sechs Monate später (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB), also mit Ablauf des 06.02.2019. Fünf Tage später trat Verjährung ein. Die erneute Geltendmachung (erst) mit der Anschlussberufung konnte daher keine Hemmungswirkung mehr entfalten.
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe iSv § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.


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