Handels- und Gesellschaftsrecht

Kein Abfindungsanspruch einer Gesellschaft wegen fehlendem Schiedsgutachten

Aktenzeichen  29 O 74/18

Datum:
18.1.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56603
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 319 Abs. 1 S. 2
HGB § 167 Abs. 3

 

Leitsatz

Von der Setzung einer Frist zur Einholung des hier erforderlichen Schiedsgutachtens sieht das Gericht ab, weil das Gutachten bislang nicht erstellt worden ist und mit seiner Fertigstellung angesichts der Komplexität der Materie auch nicht alsbald gerechnet werden kann (vgl. OLG München, Urt. v. 27.10.1999 – 7 U 3147/99, BeckRS 1999 30079301). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.013,80 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist derzeit unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München I örtlich gemäß § 22 ZPO zuständig. Hierunter fallen auch Kommanditgesellschaften. Die Mitgliedschaft muss zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr bestehen. Die Tatsache, dass möglicherweise auch § 29 c ZPO als besonderer Gerichtsstand einschlägig ist, ändert an der Zuständigkeit nichts, da der Kläger unter mehreren Gerichtsständen die Wahl hat (§ 35 ZPO).
B.
Die Klage ist derzeit unbegründet, weil über die Höhe des Abfindungsguthabens entgegen § 23 Ziff. 6 S. 2 des Gesellschaftsvertrages (Anlage K 4) kein Schiedsgutachten durch ein von der Wirtschaftsprüferkammer … zu benennenden Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater eingeholt worden ist. Darauf hat das Gericht im Nachgang zur ausführlichen Erörterung durch die Parteien in der mündlichen Verhandlung am 29.11.2018 hingewiesen.
Der Beklagte beruft sich ausdrücklich auf die Schiedsgutachterklausel, so dass das Gericht die Höhe der Abfindung nicht in entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB bestimmen kann.
Soweit die Klägerin meint, dass die Schiedsgutachterklausel nicht anwendbar sei, weil im Hinblick auf die in § 167 Abs. 3 HGB geregelte Beschränkung der Verlustbeteiligung des Kommanditisten auf den Betrag der rückständigen Einlage bereits dem Grunde nach streitig sei, ob der Beklagte ein negatives Abfindungsguthaben zu bezahlen habe, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Der Beklagte bestreitet zwar, dass die Einlage noch nicht vollständig erbracht worden sei Dies ändert aber nichts daran, dass darüber hinaus die Höhe der Abfindung zwischen den Parteien streitig ist, weil die Höhe des Abfindungsguthabens nicht nachvollziehbar sei. Die Feststellung, dass die Pflichteinlage noch nicht vollständig bezahlt worden sei, hat die Klägerin nicht beantragt. Eine Umdeutung des eindeutig auf Zahlung eines Abfindungsguthabens von 6.013,80 € gerichteten Klageantrags kommt nicht in Betracht.
Von der Setzung einer Frist zur Einholung des Schiedsgutachtens sieht das Gericht ab, weil das Gutachten bislang nicht erstellt worden ist und mit seiner Fertigstellung angesichts der Komplexität der Materie auch nicht alsbald gerechnet werden kann (vgl. OLG München, Urteil vom 27.10.1999 – 7 U 3147/99, BeckRS 1999 30079301).
Die hilfsweise beantragte Feststellung, dass die zu leistende Einlage in Höhe von 1.710 € als unselbständiger Rechnungsposten zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen ist, ist ebenfalls nicht möglich. Anders als in den vom BGH entschiedenen Fällen kann das Gericht aufgrund des Vortrags der Parteien nicht abschließend beurteilen, ob der Beklagte tatsächlich zur Leistung einer weiteren Einlage in Höhe von 1.710 € verpflichtet ist. Die Klägerin hat in den Jahren 2006 bis 2011 unstreitig Gewinne in Millionenhöhe erwirtschaftet. Erwirtschaftete und zur Ausschüttung stehende Gewinne hätten nach näherer Maßgabe von § 4 des Gesellschaftsvertrages zur Zahlung der Pflichteinlagen verwendet werden sollen. In Anbetracht dieser Umstände oblag der Klägerin eine sekundäre Darlegungslast, näher darzulegen, wie die erwirtschafteten Gewinne verwendet wurden und inwieweit diese nicht zur Ausschüttung anstanden und zur Zahlung der Pflichteinlagen verwendet werden konnten. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Klägerin mit dem pauschalen Hinweis auf die Re-Investitionen und Darlehenstilgungen auf Gesellschafterebene nicht nachgekommen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 ZPO Der Streitwert war in Höhe der geltend gemachten Forderung festzusetzen (§ 39 GKG, § 3 ZPO).
Die Entscheidung erging durch den Einzelrichter (§ 348 a ZPO).


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