Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine Rückzahlungsansprüche einer Gesellschaft wegen von ihrem Prokuristen veranlasster Überweisungen

Aktenzeichen  23 O 4393/16

Datum:
14.7.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154391
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 812, § 823 Abs. 2
StGB § 266

 

Leitsatz

Führt ein Prokurist mit Wissen des Geschäftsführers die Geschäfte einer Gesellschaft allein, steht der Gesellschaft für von ihm veranlasste Überweisungen auch dann kein Rückforderungs- bzw. Erstattungsanspruch zu, wenn die Überweisungen auf das Privatkonto des Prokuristen oder an ein Unternehmen, dessen Geschäftsführer er ist, erfolgt sind (anders nachfolgend OLG München BeckRS 2019, 552, unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Geschäftsführung). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 110.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist überwiegend zulässig, jedoch unbegründet, da der Klägerin ein Zahlungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht.
Der Antrag auf Erteilung von Auskunft ist bereits unzulässig, da es an der hinreichenden Bestimmtheit fehlt. Ein vollstreckungsfähiger Inhalt ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Gänzlich unklar bleibt, um welche Unterlagen es sich handeln soll. Hier wäre eine nähere Konkretisierung erforderlich.
Unabhängig davon wäre der Antrag aber auch unbegründet. Es fehlt bereits an ausreichendem Vortrag, weshalb die Beklagte zu 1) zur Auskunft in der Lage sein soll. Die Behauptung der Versendung an die Anschrif der Beklagten zu 1) verfängt nicht, da eine gemeinsame Anschrift erst ab der Gründung der Beklagten zu 1) im Jahr 2010 vorgelegen hat. Die Klägerin trägt jedoch vor, dass sie seit dem Geschäftsjahr 2007 nicht im Besitz sämtlicher Buchhaltungsunterlagen ist. Eine Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunft ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Die Klageerweiterungen sind gemäß §§ 263, 264 ZPO zulässig.
II.
Die Klägerin kann von den Beklagten zu 2) und 3) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Rückzahlung von 40.000,00 € und 60.000,00 € verlangen. Ein Anspruch gegen den Prokuristen G, der kraft Gesetzes auf seine Erben als Gläubiger übergegangen wäre, besteht nicht.
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. der Prokura. Eine Pflichtverletzung ist nicht ausreichend dargetan. Der Prokurist im Rahmen der ihm erteilten Prokura zur umfassenden Vertretung der Gesellschaft befugt. Ein Missbrauch der ihm eingeräumten Vertretungsmacht und damit verbunden eine Schädigung der Klägerin durch Entziehung von Betriebsmitteln ist nicht nachgewiesen. Insbesondere ist der Vortrag der Klägerin, die Überweisungen seien ohne ihr Wissen und Wollen erfolgt nicht ausreichend dargetan und durch nichts belegt. Insbesondere ist weder die vorgelegte Bestätigung der Oberbank noch das Beweisangebot geeignet die fehlende Kenntnis zu belegen. Auch die angebotenen Zeugen können keine Angaben zur Kenntnis der Klägerin von den Überweisungen machen, sondern allenfalls angeben, dass die Überweisungen nicht von der Geschäftsführerin der Klägerin in Auftrag gegeben worden sind. Aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere des Schreibens des Finanzamtes (Anlage K 9) ergibt sich, dass der verstorbene Prokurist mit Wissen der Geschäftsführerin der Klägerin die Geschäfte allein geführt hat. Das Finanzamt geht insoweit davon aus, dass sich die tatsächliche Gesellschafter-Geschäftsführerin die Handlungen nach den Grundsätzen einer Anscheinsvollmacht zurechnen lassen muss (vgl. Anlage K 9, Seite 2). Aus der vorgelegten Überweisung geht auch hervor, dass zwischen den beiden Gesellschaften offensichtlich Geschäftsbeziehungen bestanden, da unmittelbar nach der Überweisung der 60.000,00 EUR am 09.10.2013 vom Konto der Klägerin am gleichen Tag eine Überweisung ebenfalls von 60.000,00 EUR auf das Konto der Klägerin von der Beklagten erfolgt ist. Es fehlt konkreter substantiierter Vortrag und Beweisantritt dazu, inwiefern der Klägerin durch die Überweisungen Betriebsmittel entzogen wurden und damit eine Schädigung der Klägerin vorliegt. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte sei mit dem Geld der Klägerin gegründet worden lässt sich allein durch den Kontoauszug (K 7) nicht belegen, da die Beklagte ausweislich des Handelsregisterauszuges – und insoweit zwischen den Parteien auch unsteitig – bereits im Jahr 2010 gegründet wurde und die streitgegenständliche Überweisung am 09.10.2013 und damit lange nach Gründung der Beklagten zu 1) erfolgt ist.
Ein Anspruch ergibt sich aus den gleichen Gründen auch nicht aus § 823 Abs. 2, 266 BGB. Eine Untreue ist durch den Vortrag nicht belegt. Auch ein Anspruch aus § 812 BGB besteht nicht. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht die Beklagte für das fehlen des Rechtsgrundes beweisbelastet. Die Klägerin, die sich auf § 812 BGB beruft trifft insoweit die volle Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines Rechtsgrundes. Dieser ist die Klägerin nicht nachgekommen.
III.
Mangels Anspruchs in der Hauptsache, besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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