Handels- und Gesellschaftsrecht

Leistungen, Abtretung, Immobilienfonds, Anfechtungsklage, Treuhandkommanditistin, Gesellschafter, Eintragung, Frist, Gesellschaft, Treuhandkommanditist, Mangel, Ausschluss, Zustellung, Ausschlussfrist, wichtiger Grund, Ausscheiden aus der Gesellschaft, einvernehmliche Regelung

Aktenzeichen  12 HK O 11736/19

Datum:
23.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51763
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die im schriftlichen Verfahren (Abstimmungszeitraum 03.07.019 bis 26.07.2019) bei der Beklagten gemäß Protokoll vom 29.07.2019 gefassten Gesellschafterbeschlüsse zu TOP 2.a) (Abberufung der Klägerin als Treuhandkommanditist), TOP 2.b) (Bestellung der … als neuer Treuhandkommanditist) unwirksam sind.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei ein Drittel, die Beklagtenpartei zwei Drittel.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat die Klage innerhalb der Ausschlussfrist gem. § 17 Abs. 9 GV erhoben.
Die Klägerin hat die Klage am 22.08.2019 bei Gericht eingereicht (und damit eine knappe Woche vor Ausschlussfrist am 29.08.2019). Die Klagezustellung am 17.10.2019 erfolgte im Sinne von § 167 ZPO demnächst mit der Folge, dass der Eingang der Klage die Frist gewahrt hat.
Unerheblich für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses im Sinne von § 17 Abs. 9 GV ist die Frage, wann die Klage bei Gericht eingegangen ist. Vielmehr ist entscheidend allein die Zustellung der Klage, da erst mit dieser die Klageerhebung wirksam wird (vgl. BGH II ZR 230/15). Bei der Frage, ob die – naturgemäß – zeitlich nach dem Ablauf der Ausschlussfrist liegende Klagezustellung noch „demnächst“ erfolgte mit der Folge, dass der Eingang der Klage als fristwahrend gilt, kommt es nach der Rechtsprechung des BGH allein auf Verzögerungen an, die der Zustellungsbetreiber, hier also die Klägerin, verursacht hat (vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 167, Rn. 11). Eine Verzögerung durch den Zustellungsbetreiber von nicht mehr als 14 Tagen wird nach der Rechtsprechung (zuletzt BGH II ZR 281/18) regelmäßig als unschädlich gewertet. Sämtliche Verzögerungen sind erst ab Fristablauf, hier also der 29.08.2019, zu betrachten (vgl. Zöller a.a.O.). Nicht einberechnet werden gerichtlich verursachten Verzögerungen, hier also der Zeitraum bis zum Eingang der Kostenanforderung durch die Landesjustizkasse sowie der Zeitraum ab Eingang des Kostenvorschusses bis zur eigentlichen Zustellung.
Bei der vom Zustellungsbetreiber einzuhaltenden 14-Tages-Frist sind folgende den Zustellungsbetreiber betreffende Zeiträume nicht einzurechnen, da sie diesem zugestanden werden:
(1) Nicht einzuberechnen ist eine Zeit von drei Werktagen ohne Samstag unter Ausklammerung des Eingangs der Kostenrechnung der Landesjustizkasse für deren Prüfung (vgl. BGH a.a.O.). Nach Eingang der Kostenrechnung bei der Klägerin am Mittwoch, den 04.09.2019, lief diese Prüfungsfrist am Montag, den 09.09.2019, ab.
(2) Weiterhin nicht eingerechnet wird nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) ein Zeitraum von einer Woche für die Bereitstellung der Einzahlung des Kostenvorschusses selbst. Diese Frist lief somit am Montag, den 16.09.2019, ab.
Wird die seitens des BGH aufgestellte Höchstfrist von 14 Tagen hinzugerechnet, hätte die Klägerin den Kostenvorschuss bis zum Montag, den 30.09.2019, einbezahlen müssen. Tatsächlich hat die Klägerin den Kostenvorschuss erst am 02.10.2019 einbezahlt und damit zu einem Zeitpunkt zwei Tage nach Fristablauf.
Neben der rein zeitlichen Betrachtungsweise ist bei Anwendung von § 167 ZPO auch eine wertende Betrachtung angezeigt. Dies gilt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur dann, wenn der Zustellungsveranlasser die Verzögerung über 14 Tage hinaus nicht vorwerfbar verursacht hat, denn dann gäbe es von vornherein keinen Anlass für eine wertende Betrachtung. Vielmehr bedeutet nach der Rechtsprechung des BGH (VII ZR 191/94 Rdn. 11) eine Zustellung „demnächst“ „eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, sofern die Partei alles ihr Zumutbare für eine Zustellung getan hat und schutzwürdige Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen (…)“. „Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten regelmäßig als geringfügig und sind deshalb hinzunehmen“ (BGH II ZR 230/15 Rdn. 24). Aus dem Wort „regelmäßig“ folgt zwingend, dass Ausnahmen im Sinne einer Verlängerung der Frist möglich sein müssen, etwa weil die Belange des Zustellungsgegners weniger Gewicht haben.
Durch eine zeitliche Begrenzung der Rückwirkung soll unter anderem das Vertrauen des Klagegegners auf die Bestandskraft seiner Rechtsposition geschützt werden, das heißt nach Ablauf von 14 Tagen gilt dieses Vertrauen regelmäßig als schützenswert und überwiegt die Interessen des Klagenden. Jedoch hat die Klägerin zurecht darauf hingewiesen, dass die Beklagte nur in geringerem Umfang als der übliche Rechtsinhaber schützenswert war, da der Beklagten bereits am 19.08.2019 die Anfechtungsklage angekündigt und ihr als Entwurf auch am 25.09.2019 übermittelt worden war. In dieser Situation war ein Vertrauen der Beklagten für weitere zwei Tage Fristversäumnis nicht schützenswert. Deshalb erfolgte die Klagezustellung vom 17.10.2019 demnächst mit der Folge, dass die Einreichung der Klage die Ausschlussfrist gem. § 17 Abs. 9 GV gewahrt hat. Die Klage ist somit zulässig.
II.
Die Klage ist zum Teil begründet.
1. TOP 2a, Abberufung der Klägerin als Treuhandkommanditistin und Ausscheiden aus der Gesellschaft
Der Beschluss der Gesellschafter über die Abberufung der Klägerin und ihren Ausschluss aus der Gesellschaft ist anfechtbar, da er den gesellschaftsvertraglichen Regelungen widerspricht.
a) Wichtiger Grund erforderlich
Nach §§ 27, 28 GV kann ein Gesellschafter nur aus wichtigem Grunde ausgeschlossen werden mit der Folge, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet. Dieses Erfordernis umfasst auch gleichzeitig die Abberufung der Klägerin als Treuhandkommanditistin, da ihre Stellung als Treuhänderin zwingend an ihrer Mitgliedschaft in der Gesellschaft als Kommanditistin geknüpft ist.
Die Regelung im Gesellschaftsvertrag unterscheidet nicht zwischen Gesellschaftern mit eigenem Kapitalanteil und ohne eigenem Kapitalanteil. Dass die Klägerin als Gesellschafterin im Sinne des Gesellschaftsvertrages anzusehen ist, dürfte nicht bestreitbar sein, auch vor dem Hintergrund ihrer Eintragung im Handelsregister. An ihrer Gesellschafterstellung ändert nichts die Tatsache, dass im Innenverhältnis die Treugeber als Gesellschafter gelten, § 5 Abs. 2 GV; im Gegenteil wäre diese Regelung nicht erforderlich gewesen, wenn man der Klägerin eine Gesellschafterstellung absprechen würde. Auch die Tatsache, dass die Treugeber ihr gegenüber weisungsberechtigt sind, besagt zu ihrer Stellung als Gesellschafterin nichts. Somit gelten die Regelungen in § 27 in Verbindung mit § 28 GV über das Ausscheiden eines Gesellschafters für die Klägerin unmittelbar mit der Folge, dass sie nur aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden kann.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 16 l GV. Denn § 16 „Gegenstand der Gesellschafterversammlung“ regelt lediglich die Zuständigkeit für verschiedene Beschlussfassungen, bietet aber keine materielle Rechtsgrundlage für die Beschlüsse selbst. Dies zeigt sich insbesondere an § 16 k GV, der ausdrücklich auf die Regelungen in §§ 27 und 28 als materielle Rechtsgrundlage für den Ausschluss eines Gesellschafters verweist. Dass die Bestellung eines neuen Treuhandkommanditisten in § 161 GV den Ausschluss eines vorherigen Treuhandkommanditisten voraussetzt, ist zwar richtig, bedeutet aber nicht, dass dies gleichzeitig die materielle Grundlage für einen Ausschluss darstellen kann. Schließlich verweist auch § 28 Abs. 3 GV ausdrücklich auf § 16 l GV für den Fall des Ausscheidens des Treuhandkommanditisten und setzt diese Entscheidung also ebenfalls voraus, bevor ein neuer Treuhandkommanditist durch Beschluss aufgenommen werden kann. Schließlich folgen aus dem Rechtsgedanken des § 309 Nr. 10 BGB keine Bedenken gegen die Vorabzustimmung der Treugebergesellschafter zu einem neuen Treuhandgesellschafter; diese Frage kann letztlich offenbleiben, da jedenfalls der Ausschluss der Klägerin eines wichtigen Grundes bedarf.
Soweit in der Kommentarliteratur (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, Anhang nach § 177 a, Rn. 80) ohne weitere Begründung ein Austausch der Treuhandkommanditisten ohne wichtigen Grund bejaht wird, kann diese Einzelmeinung in der Literatur die Wertung des streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrages nicht verdrängen. Ebenso wenig die lediglich als obiter dictum vertretene Auffassung des BGH in II ZR 178/77.
Im Übrigen befasst sich die Kommentarliteratur (Koller, HGB, § 16 l, Rn. 26a und Ebenroth/Joost/Boujong, § 177 a, Anhang 2, Rn. 153) durchgängig mit Fragen des Abberufens des Treuhandkommanditisten aus wichtigem Grund, nicht aber ohne wichtigen Grund.
b) Kein wichtiger Grund gegeben
Einen wichtigen Grund für den Ausschluss der Klägerin und ihre Abberufung hat die Beklagte nicht darlegen können. Ein eingetretener Vertrauensverlust wird lediglich behauptet, jedoch nicht näher ausgeführt. Die Vergütung der Klägerin kann ebenfalls keinen wichtigen Grund darstellen, da sie im Gesellschaftsvertrag § 23 Abs. 5 ausdrücklich geregelt ist.
2. TOP 2b: Bestellung und Aufnahme der … als neue Treuhandkommanditistin
Aus dem gesamten vorprozessualen Schriftverkehr sowie aus der Beschlussfassung selbst ist zu entnehmen, dass die Gesellschaft nicht etwa einen weiteren Treuhandkommanditisten einsetzen wollte, sondern einen Austausch der Klägerin durch die …. Nachdem der Ausschluss der Klägerin und ihre Abberufung jedoch unwirksam sind, konnte die … nicht wirksam als neue Treuhandkommanditistin bestellt und aufgenommen werden. Daher ist auch der unter TOP 2b gefasste Beschluss anfechtbar.
3. TOP 2d: Änderung von § 24 Abs. 3 GV
Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses Beschlusses, der mit qualifizierter Mehrheit gefasst wurde, bestehen nicht. Bereits in der ursprünglichen Fassung war geregelt, dass der Komplementär die Zustimmung zur Abtretung des Kapitalanteils nur aus wichtigem Grund versagen darf. Dieser Regelung fügt der geänderte § 24 Abs. 3 ein weiteres Regelbeispiel hinzu, nämlich den Fall, dass durch die Abtretung des Kapitalanteils auf der Ebene der Gesellschaft Steuern ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob sich die Erwartung der Beklagten erfüllt, dass die Haltefrist nach dem Grunderwerbsteuergesetz auf zehn Jahre verlängert wird, und es kann ebenfalls offenbleiben, inwieweit derzeit die Direktkommanditisten einen Anteil von mehr als 5 % halten, so dass Grunderwerbssteuer durch den Wechsel des Treuhandkommanditisten nicht anfallen würde. Denn der Gesellschaft muss es unbenommen bleiben Vorsorge zu treffen, entweder im Hinblick auf eine sich ändernde Steuergesetzgebung oder aber im Hinblick auf sich ändernde Beteiligungen der Direktkommanditisten. Der Anfall einer Steuer auf der Ebene der Gesellschaft stellt einen wichtigen Grund dar, der zur Verweigerung der Zustimmung berechtigen würde. Jedenfalls bewegt sich diese Entscheidung der Gesellschafter innerhalb der Grenze, die dem staatlichen Eingreifen durch Gerichtsentscheidungen in innergesellschaftliche Willensbildung gesetzt ist.
Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
III. Nebenentscheidungen
Kosten: § 92 Abs. 1 ZPO. Jeder Tagesordnungspunkt wurde kostenmäßig gleich bewertet.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.


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