Handels- und Gesellschaftsrecht

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Aktenzeichen  8 O 18945/18

Datum:
19.3.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56044
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.510,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen.
A.
I. Zulässigkeit
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere bei dem sachlich (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich (§ 22 ZPO) zuständigen Landgericht München I erhoben.
II. Begründetheit
Die Klage ist unbegründet. Mangels rückständiger Einlage hat die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 10.010,- €. Auch ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 500,- € besteht nicht.
Der Beklagte hat unstreitig 54.500,00 € zuzüglich 3.000,- € Agio an Einlagen geleistet. Die vereinbarte Zeichnungssumme betrug unstreitig 100.000,- €. Bezüglich der damit noch offenen Einlageverpflichtung von 45.500,00 € fehlt es jedoch an deren Rückständigkeit. Dies ergibt eine Auslegung des Gesellschaftsvertrags unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen. Danach wurde durch § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 GV n.F. der § 167 Abs. 3 HBG dergestalt abbedungen, dass der von einem Gesellschafter nicht geleistete Teil der Zeichnungssumme nur dann rückständig sein soll, wenn durch Beschluss der Gesellschafter der noch offene Betrag gefordert werde. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG München, Urteil vom 31.07.2019, 7 U 4149/18 an.
1. Grundsätzlich können nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30.01.2018, II ZR 108/16) die noch nicht geleisteten Einlagen unabhängig von ihrer Fälligkeit als rückständig i.S.d. § 167 Abs. 3 HGB angesehen werden. Danach wäre der Beklagte in voller Höhe seiner Pflichteinlage von 100.000,- € am Verlust der Gesellschaft zu beteiligen. Der Wortlaut des § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 der GV n.F. deutet nach Auffassung des Gerichts auf eine Stundungsregelung hin. Hierfür spricht sowohl der Wortlaut „der Rest der ausstehenden Pflichteinlage“ als auch der Umstand dass ohne eine klare und eindeutige Regelung nicht von einem endgültigen Erlass der ausstehenden Pflichteinlage ausgegangen werden kann.
2. Gleichwohl ist § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 der GV n.F. nach Auffassung des Gerichts der erkennbare Wille zu entnehmen, dass ohne entsprechenden Beschluss der Gesellschafter keine rückständige Einlage im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB vorliegen soll. Insoweit wurde § 167 Abs. 3 HGB dahingehend modifiziert, dass nur solche offenen Forderungen als rückständig gelten sollen, für die ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wurde. Eine Auslegung in diesem Sinne wird den hinter der Regelung stehenden Interessen und deren Zwecksetzung gerecht. Denn § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 der GV n.F. unterscheidet nicht zwischen ausgeschiedenen und verbliebenen Gesellschaftern. Für beide Gruppen wird einheitlich bestimmt, dass ein über die 4,5 % der Zeichnungssumme hinausgehender Betrag nur durch Beschluss der Gesellschafter gefordert werden kann. Dieser Schutz würde dem ausgeschiedenen Gesellschafter aber entzogen, würde § 167 Abs. 3 HGB nicht eingeschränkt. Nur so ist der, von der Regelung ihrem Wortlaut nach beabsichtigte Gleichlauf beider Gruppen sichergestellt.
Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die in § 8 Ziffer 3 GV getroffene und nicht abgeänderte Regelung. Danach wird zwar der Nominalbetrag der Pflichteinlage auf das Kapitalkonto des jeweiligen Gesellschafters gebucht und die Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust im Verhältnis ihrer Kapitalkonten zu beteiligen. Dies soll aber nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Ziffer 3 nur unter Berücksichtigung der weiteren Bestimmungen des GV erfolgen. Hierzu zählt auch der geänderte § 4 Ziffer 3 Abs. 2 GV. Daher ist es für die oben vertretene Auslegung auch unschädlich, wenn § 8 Ziffer 3 GV nicht abgeändert wurde. Ein anderslautender Wille geht daraus nicht hervor.
Mangels eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses war daher die offene Pflichteinlage in Höhe von 45.500,- € nicht rückständig im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB. Der Beklagte kann daher nicht mehr am Verlust der Klägerin teilnehmen. Ein Anspruch auf Ausgleich des errechneten Abfindungsguthabens besteht nicht.
3. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung des als Bearbeitungspauschale geltend gemachten Betrags in Höhe von 500,00 Euro zu. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. § 18 GV betrifft bereits nicht die Löschung des Gesellschafters aus dem Handelsregister. Jedenfalls besteht kein Anspruch auf eine pauschalierte Abrechnung.
4. Auf die Beurteilung der einem Anspruch entgegenstehenden Schiedsklausel in § 23 Ziffer 6 GV kam es mangels Anspruchs dem Grunde nach nicht mehr an. Da es auf ein entsprechendes Schiedsgutachten damit nicht mehr ankommt, war auch keine entsprechende Frist gemäß Hilfsantrag einzuräumen.
5. Auch der in Bezug auf den Zeitraum seit Rechtshängigkeit geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Zinsen besteht mangels Hauptanspruchs nicht.
B.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
III. Der Streitwert war nach § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen und beruht auf § 3 ZPO.
C.
Ein Wiedereintreten in die mündliche Verhandlung war aufgrund des Schriftsatzes der Klägerin vom 06.03.2020 nicht geboten.


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