Handels- und Gesellschaftsrecht

Reduzierte Elternhaftung

Aktenzeichen  17 C 1316/18

Datum:
12.6.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52675
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 833, § 1629 Abs. 1 S. 2, § 1664
ZPO § 51 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist bereits unzulässig.
Die Klägerin selber ist prozessunfähig, § 51 Abs. 1 ZPO. Die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, § 51 Abs. 1 ZPO.
Eheliche Kinder werden durch ihre Eltern gemeinsam vertreten, § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB, grundsätzlich auch noch bei Trennung und Scheidung der Eltern, § 1671 BGB.
Die vorliegende Klage gibt als gesetzliche Vertreterin in diesem Prozess jedoch lediglich die Mutter der Klägerin, … an.
Die ohne gesetzliche Vertretungsmacht erhobene Klage ist als unzulässig abzuweisen (vgl. Hübsch in BeckOK ZPO, 32. Edition, Stand: 01.03.2019, § 51, Rn. 30). Der Mangel der gesetzlichen Vertretung kann rückwirkend durch Genehmigung geheilt werden, so durch rügelose Fortführung des Prozesses durch den tatsächlichen gesetzlichen Vertreter (vgl. BGH FamRZ 2008, Seite 680; NJW 2010, Seite 2886) oder die prozessfähig gewordene Partei entsprechend § 108 Nr. 3 BGB (vgl. Hübsch in BeckOK ZPO, 32. Edition, Stand: 01.03.2019, § 51, Rn. 31). Trotz des Einwandes der Beklagtenvertreter, wonach die Klägerin nicht wirksam vertreten ist, wurde durch die Klägerin kein Nachweis der Genehmigung des weiteren gesetzlichen Vertreters, …, erbracht.
Da die Klägerin somit nicht ausreichend vertreten ist, war die Klage als unzulässig abzuweisen.
Darüber hinaus ist die Klage zudem unbegründet.
Es liegt bereits keine wirksame Abtretungserklärung vor.
Ausweislich der vorgelegten Abtretungserklärung wurde die Klägerin bei der Annahme der Abtretung ebenfalls lediglich, durch die Mutter der Klägerin, …, vertreten. Gem. § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB hätte eine Vertretung jedoch durch die beiden sorgeberechtigten Eltern erfolgen müssen. Somit erfolgte bereits keine wirksame Annahme der abgetretenen Forderung.
Darüber hinaus ist fraglich, ob die Abtretungserklärung hinreichend bestimmt ist.
Gemäß der Abtretungsvereinbarung vom 04.01.2018 erklärte …, dass er sämtliche Ansprüche gegenüber der …, welche ihm aus dem bestehenden Versicherungsvertragsverhältnis aufgrund des Schadensereignisses vom 05.11.2016 zur Schaden-Nr. … zustehen an … abtritt. Gemäß den Versicherungsbedingungen steht dem Versicherungsnehmer neben der Befriedigung von berechtigten Ansprüchen auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche zu. Es stellt sich die Frage, wie ein Abwehranspruch an denjenigen abgetreten werden kann, der selber eine möglicherweise unberechtigte Forderung geltend macht.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 833 BGB gegenüber … weswegen auch kein Anspruch von … auf Befriedigung eines berechtigten Anspruchs gegenüber der Beklagten entstanden ist.
Grundsätzlich ist nach § 833 Satz 1 BGB ein Tierhalter verpflichtet, demjenigen den Schaden zu ersetzen, der durch ein Tier verletzt oder geschädigt wurde. Die Haftung nach § 833 Satz 1 BGB setzt kein Verschulden des Halters voraus (vgl. BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 50. Edition, Stand 01.05.2019, § 833, Rn 4).
Tierhalter ist vorliegend ….
Fraglich ist bereits, ob die Verletzung der Klägerin durch das Tier erfolgte. Die Verletzung muss durch die Tiergefahr entstanden sein. Maßgeblich dafür ist alleine, ob die Verletzung durch ein selbstständiges Verhalten des Tiers hervorgerufen wurde. Auch sogenanntes natürliches Tierverhalten unterfällt der Tiergefahr. Erforderlich ist hierzu, dass ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbstständiges Verhalten vorliegt (BGH NJW-RR 2006, Seite 813/.NJW 1999, Seite 3119). Vorliegend fiel die Klägerin jedoch nicht über den Hund, sondern über die Leine, welche von ihrem Vater geführt wurde. Insoweit ist fraglich, ob bezüglich des Umstandes, dass der Schaden lediglich aufgrund der Leine verursacht wurde, wiederum auf ein Verschulden bei demjenigen abzustellen ist, der die Leine verwendet. Dies ist jedoch voraussichtlich zu verneinen (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 17.01.2018 – 12 U 94/07). Demnach muss das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache des Schadens sein, eine adäquate Mitverursachung ist ausreichend (vgl. BGH NJW RR 2006, Seite 813).
Darauf kommt es jedoch vorliegend nicht an. Ein Schadensersatzanspruch ist bereits ausgeschlossen, da § 1664 BGB Anwendung auf § 833 BGB zu finden hat. Die Vorschrift des § 1664 BGB enthält eine Festlegung des Sorgfaltsmaßstabs für die Haftung der Eltern wegen einer Schädigung des Kindes bei Ausübung der elterlichen Sorge (vgl. BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 50. Edition, Stand 01.05.2019, § 1664, Rn 1, MüKo BGB/Huber § 1664, Rn 1/. Palandt/Götz § 1664, Rn 1), also um eine Haftungserleichterung. Aus dieser folgt, dass die Eltern dem Kind nur für schuldhafte Schadenszufügung haften. Mithin eine Reduzierung der Elternhaftung auf das Maß der in eigenen Angelegenheiten angewandten Sorgfalt bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit. Die Rechtfertigung für diese Haftungsbeschränkung und damit Ratio der Vorschrift ist das Anliegen des Gesetzgebers, das innerfamiliäre Leben möglichst wenig zu stören.
Die Vorschrift des § 1664 BGB wurde als Haftungsregelung an den Anfang der Bestimmung über den Rechtsschutz des Kindes (§§ 1666 ff.) gestellt.
Das Verhältnis des § 1664 zu den deliktischen Ansprüchen gemäß §§ 823 ff. BGB ist umstritten. Es wird vertreten, dass eine Einwirkung des § 1664 BGB auf das Deliktsrecht aufgrund seiner problematischen Ratio restriktiv auszulegen sei und daher abzulehnen sei (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1978, 891).
Überwiegend wird jedoch vertreten, dass die Haftungsmilderung des § 1664 BGB auf Deliktsansprüche dann anzuwenden sei, wenn ein innerer Zusammenhang deliktischen Verhaltens mit der elterlichen Sorge gegeben ist (vgl. MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1664, Rn 7-9). Für diese Ansicht spricht unter anderem der Wortlaut aber auch die Systematik der Vorschrift. § 1664 BGB ist als allgemeine Haftungsbeschränkung formuliert und ist nicht ausdrücklich auf die Haftung aus der Sonderbeziehung der elterlichen Sorge beschränkt. Derartige Haftungserleichterungen sind in der Regel auf umfasssende Wirkung angelegt. Die Regelung des § 1664 BGB würde weitgehend leer laufen, wenn sie nicht auch auf (mit der elterlichen Sorge in innerem Zusammenhang stehende) unerlaubte Handlung Anwendung fände. Auch ist diese Ansicht mit der Ratio des § 1664 BGB vereinbar: Denn der innerfamiliäre Friede wird durch den Streit über deliktische Ansprüche in gleicher Weise gestört wie durch den Streit über Ansprüche, die sich auf § 1664 BGB als Anspruchsgrundlage stützen. Letztlich spricht auch die Interessenlage der Parteien für diese Ansicht. Das geschädigte Kind ist auch ohne einen Schadensersatzanspruch den Eltern gegenüber durch deren Unterhaltspflicht geschützt. Die Eltern dagegen können für ihre Schadenersatzhaftung in der Regel keinen Versicherungsschutz erlangen. So ist nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Tierhalterhaftpflichtversicherung ein Angehöriger, der mit dem Tierhalter in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht vom Versicherungsschutz umfasst (vgl. THV 2015, 2.3.2).
Dem wird beigetreten.
Eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung des Vaters, …, bei dem Spaziergang und dem Sturz der Klägerin wurde nicht behauptet. Ein Anspruch der Klägerin gegenüber ihrem Vater aus § 833 BGB besteht daher nicht.


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