Handels- und Gesellschaftsrecht

Regress des Bauträgers gegen den Architekten nach vorangegangenem Abgeltungsvergleich mit Bauherrn

Aktenzeichen  9 U 2241/15 Bau

Datum:
8.3.2016
Fundstelle:
BauR – 2016, 1800
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO §§ 287, § 296a, § 531 Abs. 2 Nr. 3, § 540 Abs. 1 S. 1
BGB § 249

 

Leitsatz

Die Schadensquote aus einem (umfassenden) Abgeltungsvergleich zwischen Bauträger und Bauherrn über Baumängel setzt sich im Regress des Bauträgers gegen den Architekten wegen Planungsmängeln fort, soweit nicht bestimmten Mängeln Einzelbeträge zugeordnet werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 O 18020/14 2015-05-06 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 06.05.2015 in Ziffern 1. und 2. des Tenors geändert und lautet nun:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 84.974,- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 72.564,71 Euro seit 23.08.2014 und aus 12.409,29 Euro seit 05.12.2014 zu bezahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.719,42 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2014 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 27% und der Beklagte zu 73%. Ferner trägt die Beklagte die Kosten der Nebenintervenienten auf Klägerseite jeweils zu 73%. Die Klägerin trägt die Kosten des Nebenintervenienten auf der Beklagtenseite zu 27%. Im Übrigen tragen die Nebenintervenienten ihre Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin bzw. ihre Nebenintervenienten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte bzw. sein Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 116.087,70 Euro festgesetzt.

Gründe

II. Die Berufung ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Auf die zutreffenden tatsächlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit den folgenden Erwägungen bzw. Änderungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Aktivlegitimation der Klägerin.
Der Vortrag der Klägerin in der Klageschrift, wonach die Klägerin das Baugrundstück erworben habe und in den bereits bestehenden Architektenvertrag mit dem Beklagten eingetreten sei, war ausreichend. In der Klageerwiderung des Beklagten vom 05.12.2014 ließ der Beklagte nicht die Vertragsübernahme durch die Klägerin bestreiten, sondern allein das Bestehen von Mängeln und von Mängelansprüchen. Auf dieser Grundlage fand am 25.02.2015 die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht München I statt, die mit einem für den Beklagten widerruflichen Vergleich und der vorsorglichen Bestimmung eines Verkündungstermins endete. Der neue Prozessbevollmächtigte des Beklagten widerrief innerhalb der Widerrufsfrist den Vergleich und trug erstmals in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.03.2015 vor, eine Übernahme des Architektenvertrages durch die Klägerin sei nicht vereinbart worden.
Dieser Sachvortrag ist nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO schuldhaft verspätet und in zweiter Instanz nicht mehr zulässig. In Bezug auf die Aktivlegitimation der Klägerin bestanden keine Hinweispflichten des Landgerichts. Es war auch nicht nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet (§ 296 a ZPO). Dieses neue Angriffsmittel kann in der zweiten Instanz nicht mehr zugelassen werden, weil es aufgrund einer Nachlässigkeit des Beklagten im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist. Demzufolge hat der Angriff der Berufung auf die Aktivlegitimation der Klägerin keinen Erfolg.
Im Übrigen würde aus der weiteren Auftragsdurchführung im Verhältnis der Streitparteien konkludent deren Wille zur Übernahme des Architektenvertrages durch die Klägerin folgen und auch deshalb die Aktivlegitimation gegeben sein.
2. Wie vom Landgericht zutreffend festgestellt, hat sich die fehlerhafte Planung des Beklagten im Bauwerk verkörpert. Deshalb haftet er dem Grunde nach.
Hätte sich seine Planung infolge planabweichender Bauausführung überhaupt nicht im Bauwerk verkörpert, könnten von vorneherein etwaige Fehler der Planung keine Baumängel und keine Schäden verursacht haben. Hier wurden aber Teile der Planung des Beklagten baulich umgesetzt. Da auch die umgesetzten Teile der Planung mangelbehaftet waren, haftet der Beklagte dem Grunde nach für die dadurch verursachten Schäden.
Dies gilt insbesondere für die Planung der Doppelparkergruben. Der gerichtliche Sachverständige hat im selbstständigen Beweisverfahren unter anderem ausgeführt, dass das eingebrachte Schleppwasser Chlorid und andere Bestandteile enthält, dass die Ausführung der Planung des Beklagten durch die gewollte Verdunstung zu einer anhaltend erhöhten Luftfeuchte in der Tiefgarage und zu einer Ablagerung der Inhaltsstoffe führt sowie zu Pfützenbildung und Benetzung der Fläche der Doppelparkergruben. Dies birgt erhebliche Gefahren. In den Betonboden eindringendes Chlorid kann den Betonstahl angreifen und die Standfestigkeit beeinträchtigen, so dass ein stringentes Oberflächenschutzsystem hätte geplant werden müssen, was aber unterblieben ist; die Stahlteile der in die Gruben eingebauten Doppelparker unterliegen nach der Planung des Beklagten ebenfalls einem erhöhten Angriff. Der Sachverständige führte weiter überzeugend aus, auch in den Doppelparkergruben dürften keine größeren Pfützen stehen, weil zu Wartungszwecken die Gruben ebenfalls zu begehen sein müssen; infolge der Planung erhöhten sich die Wartungserfordernisse (vgl. die Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren vom 14.05.2010, Seiten 38 – 42; Gutachten vom 05.04.2012, Seiten 33 – 41). Alle diese Nachteile der Planung des Beklagten sind nicht dadurch entfallen, dass Teile seiner Planung nicht ausgeführt wurden. Vielmehr sind auch die ausgeführten Teile seiner Planung deshalb mit den vorgenannten Planungsmängeln behaftet.
Soweit in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.03.2015 oder später eine lediglich vertiefende Auseinandersetzung mit dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen enthalten ist, liegt keine Verspätung vor und ist der Beklagte damit zu hören. Entgegen seiner Ansicht kann jedoch ohne Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen des Sachverständigen und die zutreffenden Ausführungen des angegriffenen Urteils die Verwirklichung von Planungsmängeln im Bauwerk festgestellt werden. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen..
3. Einen Teilerfolg hat die Berufung des Beklagten jedoch bei der Feststellung der Schadenshöhe.
Der Schaden der Klägerin besteht vorliegend in der Inanspruchnahme durch die WEG und im Ergebnis des Vorprozesses mit der WEG. Der gezahlte Vergleichsbetrag stellt eine Aufwendung dar, die dann Teil des erlittenen Schadens ist, wenn die Klägerin nach pflichtgemäßem ex-ante-Ermessen eines Geschädigten den Vergleich als vernünftig ansehen durfte. Das ist hier anzunehmen. Denn dem Vergleich ist eine intensive Beweisaufnahme durch die Begutachtung des gerichtlichen Sachverständigen vorausgegangen. Der Sachverständige hat die von der WEG behaupteten Mängel im Wesentlichen bestätigt. Vor dieser Prozesssituation konnte die Klägerin nicht die Augen verschließen. Sie durfte einen angemessenen Vergleich anstreben. Dies ist durch den geschlossenen Vergleich geschehen. Aufwendungen eines Geschädigten unterbrechen die haftungsrechtliche Zurechnung zum schädigenden Ereignis dann nicht, wenn der zugrunde liegende Willensentschluss nicht frei getroffen wurde, sondern mit dem Ziel der Schadensbeseitigung oder Geringhaltung des Schadens erfolgte und wenn dies einem wirtschaftlich vernünftigen Denken in der konkreten Entscheidungssituation entsprach (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, Rdnr. 44 vor § 249; Erman/I.Ebert, BGB, 14. Aufl. 2014, Rdnr. 58 vor §§ 249-253; OLG Oldenburg MDR 2015, 1415). Der Vergleich vom 13.11.2013 erfüllt diese Voraussetzungen.
Da es sich um einen umfassenden Abgeltungsvergleich auch für noch unbekannte Mängel gehandelt hat, der durch die Zahlung der Klägerin erfüllt worden ist, kann die Klägerin von der WEG weitergehend nicht mehr in Anspruch genommen werden und erschöpft sich der Schaden der Klägerin in der geleisteten Vergleichszahlung sowie den im Vorprozess mit der WEG angefallenen Prozesskosten.
Deshalb kann die Schadenshöhe entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Klägerin (Schriftsatz vom 26.02.2016) nicht unmittelbar aus den Mangelbeseitigungskosten hergeleitet werden, sondern nur anhand des von der Klägerin für die hier gegenständlichen Planungsmänngel gezahlten niedrigeren anteiligen Vergleichsbetrages. Das Verlangen eines höheren Schadensersatzes wäre treuwidrig (BGH NJW 2007, 2697 zu Schadensersatzansprüchen in der Leistungskette). Der Vergleich hat erfolgreich zu einer Reduzierung der Haftung der Klägerin geführt. Deshalb stellt er keine „fehlgeschlagene Aufwendung“ dar (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 249 Rdnr. 60) und es stellt sich nicht die Rechtsfrage, ob die Aufwendung dennoch einem pflichtgemäßen ex-ante-Ermessen entsprach (OLG Hamm BauR 2015, 994; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 6. Teil Rdnr. 242).
Die Klage der WEG gegen die hiesige Klägerin umfasste zahlreiche weitere Mängel; die Klageforderung samt Feststellungsanträgen hatte den Streitwert von 423.211,85 Euro (Beschluss vom 13.11.2013). Nachdem das Gericht Sachverständigenbeweis erhoben hatte und sich die Mangelbehauptungen im Vorprozess bestätigt hatten, gelang es der Klägerin, einen Abgeltungsvergleich mit 300.000,- Euro abzuschließen. Dies entspricht einer Quote von rund 70%. Da der Vergleich den damals streitigen Mängeln keine Einzelbeträge zuordnet, kann nur auf die vorstehende Quotenberechnung zurückgegriffen werden (§ 287 ZPO).
In dem Gutachten des Sachverständigen und in der Klageforderung der WEG im Vorprozess waren für die hier streitigen zwei Mängel 103.663,88 Euro angesetzt. Hiervon hat die Klägerin im Rahmen des Abgeltungsvergleichs ebenfalls nur 70% an die WEG bezahlt, das heißt einen anteiligen Betrag von 72.564,- Euro.
Dieser Betrag war um die anteiligen Prozesskosten, die der Klägerin unstreitig im selbstständigen Beweisverfahren und im Hauptsacheprozess mit der WEG in Höhe von 12.410,- Euro entstanden sind, zu erhöhen. Daraus ergibt sich der der Klägerin entstandene Gesamtschaden von 84.974,- Euro. Hierzu war der Beklagte zu verurteilen. Wegen des darüber hinausgehenden Betrags war die Verurteilung des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entsprechend waren die vorprozessual für den vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten zu reduzieren und in verringerter Höhe zuzusprechen.
4. Der Beklagte kann nicht mit Erfolg diesem Anspruch einen Mitverschuldenseinwand entgegensetzen.
Soweit weitere schadenstiftende Handlungen zum Nachteil der klagenden Bauherrin erfolgt sind (Ausführungsfehler und unterlassene Hinweise der Baufirma, fehlerhafte Bauaufsicht), entlastet dies den Beklagten nicht. Gegenüber dem Bauherren hat er keinen Anspruch auf Durchführung einer fehlerfreien Bauüberwachung. Allenfalls kommt eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten mit weiteren Schadensverursachern gegenüber der Klägerin in Betracht. Dies war hier nicht näher zu prüfen, weil die Klage sich allein gegen den beklagten Architekten richtet.
Es ist auch nicht möglich, die Schadensverursachung auf den Beklagten einerseits und andere Mitverursacher andererseits quotal aufzuteilen. Denn die Oberflächengestaltung der Doppelparkergruben konnte nur einheitlich erfolgen. Wenn mehrere Verursacher verschiedene Beiträge zu dem letztlich mangelhaft gestalteten Oberflächenprofil der Doppelparkergruben geleistet haben, haften die mehreren Verursacher ein und desselben Mangels gesamtschuldnerisch (vgl. Kiedrowski, Gesamtschuldnerische (Mängel-)Haftung mehrerer Werkunternehmer, NJW 2016, 129, 130: Verschiedene Beteiligte schulden aus verschiedenen Gründen die gleiche Mängelbeseitigung).
5. Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Streitverkündung der Klägerin im vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahren an den Beklagten inhaltlich ausreichend. Insoweit können keine höheren Anforderungen gestellt werden, als bei einer Mangelrüge, die sogar unzutreffende Schadensursachen vermuten kann, solange nur unmissverständlich das Symptom ausreichend beschrieben ist (BGH NJW 2008, 576). Gemessen an diesen Grundsätzen war die Streitverkündung ausreichend. Dies zeigt sich schon daran, dass der Beklagte sie offenbar verstanden hat und sich daraufhin zum Beitritt auf Seiten der Klägerin entschlossen hat.
III. Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 92, 97, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.
Streitwert: §§ 63 Abs. 2, 47, 48 GKG.


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