Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatzanspruch einer GmbH gegen einen Gründungsgesellschafter wegen der vor Gründung unterlassenen Begründung eines Beratervertrages mit einem Dritten

Aktenzeichen  5 U 227/18

Datum:
28.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20432
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 328 Abs. 1
GmbHG § 53 Abs. 3

 

Leitsatz

Absprachen der Gründungsgesellschafter einer GmbH, die diese vor Gründung getroffen haben, können keine schuldrechtlichen Ansprüche der Gesellschaft gegen einen der Gesellschafter begründen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

31 O 81/16 2018-10-17 LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen Ziffer 1. des Tenors des Endurteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 17.10.2018, Az.: 31 O 81/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Die Revision gegen dieses Teilurteil wird nicht zugelassen.

Gründe

B.
Der Senat hat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie entscheidungserheblich sind, der Entscheidung zugrunde zu legen.
Es bestehen keine Zweifel, dass sie vollständig und richtig sind, da für das Berufungsgericht keine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH NJW-RR 19, 1343; 18, 651; BGH VersR 16, 1194; BGH NJW 14, 2797; 14, 74 m.w.N.). Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der für die Entscheidung erheblichen Feststellungen können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH NJW-RR 09, 1193; BGH VersR 16, 1194; BGH NJW 14, 2797; 14, 74). Dies gilt insbesondere dann, wenn in der ersten Instanz Beweise fehlerhaft oder unzureichend erhoben oder gewürdigt wurden (vgl. BGH NJW-RR 09, 1193; BGH NJW 14, 74; 05, 1583; 04, 2152). Die Darstellung der bloßen Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisergebnisse reicht jedoch nicht aus, um die erstinstanzliche Beweiswürdigung zu erschüttern. Es genügt nicht, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Landgerichts zu setzen. Meint der Rechtsmittelführer lediglich, es sei z.B. den Äußerungen eines Zeugen eine andere Bedeutung beizumessen, kann dies die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht entkräften (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 19, 85; OLG Saarbrücken Urteile vom 28.05.2016 – 4 U 96/15 – und vom 06.11.2014 – 4 U 189/13; OLG Düsseldorf BauR 16, 292; OLG München, Urt. v. 20.06.2012 – 17 U 1392/12 -). Die Beweiswürdigung selbst bestimmt sich nach § 286 ZPO. Danach ist der Richter dazu aufgefordert, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Dies bedeutet, dass der Richter lediglich an die Denk- und Naturgesetze sowie bestehende Erfahrungssätze gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf und muss. Der Vorgang der Überzeugungsbildung ist nicht von objektiven Kriterien abhängig, sondern beruht auf Erfahrungswerten und Judiz des erkennenden Richters (vgl. BGH NJW 08, 2845; Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 286 Rn. 13 m.w.N.). Für den Nachweis genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit. Dieser erfordert einen für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden, besonnenen, gewissenhaften und lebenserfahrenen Menschen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH NJW 18, 150; 17, 1093; 14, 71; 08, 2845; 08, 2648 jeweils m.w.N.). Nach § 286 Abs. 1 ZPO bezieht sich die Beweiswürdigung auf den gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und des Vortrags der Parteien (vgl. BGH NJW 08, 2845; Zöller, a.a.O., § 286 Rn. 14). Verwertbar sind dabei auch die Äußerungen einer Partei bei ihrer Anhörung nach § 141 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 18, 249; BGH WM 14, 1036; Zöller, a.a.O., § 286 Rn. 14; § 141 Rn. 1a).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist die Beweiserhebung und die Beweiswürdigung durch das Landgericht rechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt kein Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) vor. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2019 – VI ZR 69/19 -; BGH, Beschluss vom 14.06.2016 – VI ZR 262/15 -; BGH, Beschluss vom 26.11.2019 – VI ZR 84/18 – m.w.N.). Das Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die diese selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.02.2013 – IX ZR 175/12 -; 07.07.2011 – IX ZR 114/10 -; 01.07.2010 – IX ZR 1/08 – m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerfrei. Es hat ausführlich zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Anhörung des Beklagten gem. § 141 Abs. 1 ZPO in den Entscheidungsgründen Stellung genommen. Dabei wurde auch der Vortrag der Klägerin berücksichtigt. Auch auf die von der Klägerin erhobenen Einwendungen ist es eingegangen. Gleiches gilt für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen. Dass es dabei zu einer anderen Würdigung als die Klägerin gelangt ist, führt nicht dazu, dass die Beweiswürdigung fehlerhaft ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass das Landgericht ihrer Auffassung folgt und die Beweiswürdigung so vornimmt, wie es nach Auffassung der Klägerin richtig wäre. Die diesbezüglichen Erwägungen des Landgerichts sind nachvollziehbar und zutreffend. Die Beweiswürdigung verstößt daher weder gegen § 286 ZPO noch wird das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
C.
Gemäß §§ 525, 301 ZPO ist im Wege des Teilurteils über die Klage, die in Ziffer 1 des Tenors des Endurteils des Landgerichts erfasst wird, zu entscheiden, da der Rechtsstreit insoweit entscheidungsreif ist. Hinsichtlich der Widerklage sind aufgrund des zuzulassenden Vortrages der Klägerin zu den im Termin erteilten Hinweisen des Senats noch weitere Aufklärungsmaßnahmen erforderlich. Auch ist es dem Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu ermöglichen, auf diesen Vortrag Stellung zu nehmen.
D.
Die Berufung der Klägerin gegen Abweisung der Klage in Ziffer 1 des Tenors des Urteils des Landgerichts hat keinen Erfolg.
I.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 199.200,00 € gem. § 280 Abs. 1 BGB. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist kein Vertrag zustande gekommen, aufgrund dessen der Beklagte verpflichtet ist, mit der Firma B. GmbH einen Beratervertrag abzuschließen und die sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten auf die Klägerin zu übertragen.
Schon nach dem Vortrag der Klägerin, der sich insoweit mit dem Vortrag des Beklagten deckt, ist eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht getroffen worden. Die Gespräche über die Verpflichtung des Beklagten zur Eingehung eines Beratervertrages mit der Firma B. GmbH und der anschließenden Übertragung aller Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag auf die Klägerin erfolgten zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin noch nicht gegründet und noch nicht existent war. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin noch nicht einmal im Stadium einer Vorgründungsgesellschaft oder einer Vorgesellschaft. Es wird vorgetragen, dass sich der Beklagte und der Zeuge A., nachdem ihre Anstellungsverhältnisse bei ihrem früheren gemeinsamen Arbeitgeber zu Ende gegangen waren, dahingehend geeinigt hatten, in Zukunft gemeinsam geschäftlich tätig zu werden. Hierzu wurde vereinbart, dass eine Gesellschaft, die Klägerin, gegründet werden sollte, mit deren Einsatz die beiden Gesellschafter, insbesondere der Zeuge A. bei Leistungserbringung am Ort des Projekts, verschiedene Projekte gegen Vergütung beratend begleiten wollten. Um die notwendigen finanziellen Mittel für das Tätigwerden der GmbH, hier der Klägerin, zu beschaffen, sollten Dienstleistungen für die Firma B. GmbH in Bezug auf die Durchführung eines Projektes in X./ P. erfolgen. Entsprechend dieser Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Zeugen A. wurden im Oktober 2010 Verhandlungen mit der Firma B. GmbH begonnen, welche mit der Unterzeichnung eines schriftlichen Beratervertrages durch den Zeugen F. am 13.10.2010 endeten. Zu diesem Zeitpunkt war der Gesellschaftsvertrag zwischen dem Zeugen A. und dem Beklagten über die Errichtung der Klägerin noch nicht abgeschlossen. Dieser wurde erst am 14.01.2011 vor einem Notar abgeschlossen. Gleichzeitig wurde auch die Satzung der Gesellschaft beschlossen. An diesem Tag erfolgte dann die Anmeldung der Klägerin zum Eintrag in das Handelsregister, welcher im März 2011 erfolgte. Zum Zeitpunkt der zwischen dem Kläger und dem Zeugen A. getroffenen Absprachen über die Eingehung des Beratervertrages und dessen Übertragung auf die Klägerin konnte daher schon aus rechtlichen Gründen ein Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht zustande kommen. Keiner der späteren Gesellschafter der Klägerin war oder wurde ein Organ der Klägerin oder deren rechtlicher Vertreter. Ein schuldrechtlicher Vertrag mit dem von der Klägerin dargelegten Inhalt besteht daher allein zwischen dem Beklagten und dem Zeugen A.. Soweit die Klägerin behauptet, dass der Beklagte bei einer Vielzahl späterer Gelegenheiten, auch ihrer Geschäftsführerin gegenüber, wiederholt erklärt habe, dass er sich dazu verpflichtet habe, die Rechte aus einem zwischen ihm und der Firma B. GmbH abgeschlossenen Beratervertrag auf die Klägerin zu übertragen, kann dahingestellt bleiben, ob dieser Vortrag der Klägerin – der Beklagte bestreitet entsprechende Äußerungen – tatsächlich zutrifft oder nicht, da sich hieraus keine vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten ergeben. Es ist schon nicht ersichtlich, dass solche Erklärungen von Seiten des Beklagten – unterstellt sie sind tatsächlich gefallen – jeweils als sein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages mit der Klägerin zu werten sind. Nach den Schilderungen der Klägerin handelte es sich dabei lediglich um Aussagen oder Berichte über einen bestimmten, vorliegenden Umstand, die gegenüber der Geschäftsführerin der Klägerin oder anderen Personen geäußert wurden. Es ist zu berücksichtigen, dass der Empfänger einer Erklärung nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen darf, sondern er muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH NJW 08, 2702; Palandt, BGB, 79. Aufl., § 133 Rn. 9). Zu dem Zeitpunkt der Verlautbarung der entsprechenden Äußerungen gab es keinerlei Anlass für den Beklagten, dass er eine bereits geschlossene Vereinbarung zwischen ihm und dem Zeugen A. ändert oder erweitert bzw. dass diese in Bezug auf die Klägerin erweitert oder neu getroffen werden musste. Es gab aus der Sicht der Geschäftsführerin der Klägerin keinen erkennbaren Grund für den Beklagten, dass dieser mit der Klägerin diesbezüglich eine eigene vertragliche Vereinbarung abschließen wollte oder musste. Auch aus den von der Klägerin geschilderten Begleitumständen bei den jeweils genannten Gelegenheiten ergab sich weder für den Beklagten noch für die Klägerin, dass der Beklagte mit solchen Äußerungen – so sie gefallen wären – rechtlich wirksame Willenserklärungen abgegeben hat oder abgeben wollte. Diese Aussagen des Beklagten, wenn sie gefallen sein sollten, konnte und durfte die Geschäftsführerin der Klägerin nicht als Willenserklärungen des Beklagten auf Abschluss entsprechender vertraglicher Vereinbarungen deuten und verstehen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass sie bei Gelegenheiten erfolgten, bei denen erkennbar der Beklagte keinerlei Willenserklärungen im Hinblick auf Abschluss etwaiger Verträge abgegeben hat und abgeben wollte. Hierzu bestand auch nach Vortrag der Klägerin keinerlei Anlass. Auch aus Sicht der Geschäftsführerin bestand keinerlei Anlass, diese Erklärungen diesbezüglich, sollten sie gefallen sein, so zu deuten. Die Klägerin schildert auch nicht, dass sie dem Beklagten gegenüber entsprechende Annahmeerklärungen abgegeben hat.
Eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt besteht nicht.
2. Der Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Zeugen A. in Bezug auf den vorzunehmenden Abschluss eines Beratungsvertrages mit der Firma B. GmbH durch den Beklagten und der Verpflichtung, anschließend die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag auf die Klägerin, nachdem diese gegründet worden war, zu übertragen, ist kein echter Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 Abs. 1 BGB. Der Klägerin stehen daraus keine eigenen Ansprüche zu, welche sie selbst geltend machen kann.
Gemäß § 328 Abs. 1 BGB kann durch Vertrag eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern. Gemäß § 328 Abs. 2 BGB ist in Ermangelung einer besonderen Bestimmung aus den Umständen, insbesondere aus dem Zweck des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen oder ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern. Als Auslegungsmomente im Sinn des § 328 Abs. 2 BGB sind insbesondere der Zweck der Vereinbarung, ihr typischer Inhalt und alle sonstigen Umstände des Einzelfalles, etwa begleitende Erklärungen, auch gegenüber Dritten, in Betracht zu ziehen (vgl. BGH VersR 13, 853; BGH NJW 91, 2209; BeckOK, BGB, Stand 01.02.2020, § 328 Rn. 32). Es gelten dabei die allgemeinen Regeln für die Auslegung von Rechtsgeschäften. Dabei gilt das Gebot einer beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. BGH NJW-RR 13,51; BGH NJW 10, 63 jeweils m.w.N.). Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an, was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Der Empfänger der Erklärung darf dieser dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beiliegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH NJW 08, 2702; Palandt, BGB, 79. Aufl., § 133 Rn. 9). Maßgeblich ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien, bei dessen Ermittlung der Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck sowie die Interessenlage der Vertragsparteien heranzuziehen sind (vgl. BGH NJW 15, 1246; BGH GRUR 06, 878). Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und es ist der ihm zu entnehmende, objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 15, 1409; 10, 2422; BGH WM 14, 2280; BGH NJW-RR 16, 910; 15, 243). Nach der Ermittlung des Wortlauts sind im zweiten Schritt die außerhalb der Erklärung liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt ihrer Erklärung zulassen (vgl. BGH NJW-RR 16, 910; 13, 51; BGH WM 15, 186). Dazu kann auch die Entstehungsgeschichte einer vertraglichen Vereinbarung gehören, jedenfalls soweit Entwürfe angefertigt oder Vorbesprechungen geführt worden sind (vgl. BGH NJW-RR 13, 51). Auch der bei der Abgabe der Willenserklärung verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände sind zu berücksichtigen, wenn sie den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (vgl. BGH NJW-RR 16, 910; 13, 51; BGH WM 14, 2280; BGH NJW 10, 2422 m.w.N.).
Unter Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze sind die Erklärungen zwischen dem Beklagten und dem Zeugen A. zum Zeitpunkt der Abgabe der entsprechenden Willenserklärungen und dem Abschluss der vertraglichen Vereinbarung nicht dahingehend zu verstehen, dass der Klägerin, d.h. der erst noch zu gründenden Gesellschaft, ein eigener Rechtsanspruch gegenüber dem Beklagten aus der vertraglichen Vereinbarung zustehen sollte. Im vorliegenden Fall wurde zu dem Zeitpunkt, als der Zeuge A. mit dem Beklagten die streitgegenständliche Vereinbarung getroffen hatte, nicht ausdrücklich vereinbart, dass die Klägerin aus dieser Vereinbarung ein eigenes Recht/einen eigenen Anspruch gegenüber dem Beklagten erwerben sollte und dass sie selbst aus eigenem Recht vom Beklagten hieraus selbst eine Leistung fordern kann. Auch aus den Umständen, aufgrund derer es zu dem Abschluss dieser Vereinbarung kam, ist dies nicht zu entnehmen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zwischen dem Zeugen A. und dem Beklagten gingen beide davon aus, dass sie als Gesellschafter der zu gründenden GmbH, der Klägerin, mit deren Einsatz ihren bisherigen Erwerbstätigkeiten, jetzt jedoch im eigenen wirtschaftlichen Interesse mit begrenztem Haftungsrisiko, nachgehen werden. Es ist weiter zu berücksichtigen, dass es sich um eine Vereinbarung zwischen den alleinigen Gesellschaftern der Klägerin im Zusammenhang mit der noch vorzunehmenden Gründung der Klägerin handelt. Zum damaligen Zeitpunkt war die Klägerin selbst weder rechtlich existent noch war ihre rechtliche Ausgestaltung ausgearbeitet und feststehend. Es ist weder ersichtlich, noch erkennbar, dass die Parteien dieser vertraglichen Vereinbarung in diesem Zeitpunkt der Klägerin einen eigenen Anspruch daraus zuerkennen wollten. Weder für den Zeugen A. noch für den Beklagten gab es zu diesem Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung hierfür eine Veranlassung. Zu diesem Zeitpunkt waren sich beide in Bezug auf das zukünftige Vorgehen einig und beide verfolgten die zugrunde gelegten, gemeinsamen Vorstellungen und Ziele. Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem Zeitpunkt einer der beiden Gesellschafter der zu gründenden Gesellschaft, der Klägerin, einen eigenen Anspruch aus der Vereinbarung einräumen und gewähren wollte, sind nicht ansatzweise vorhanden oder erkennbar. Auch nach dem mit dem Abschluss der Vereinbarung verfolgten Zweck und aus der Interessenlage der beiden Vertragsparteien heraus war es weder erforderlich noch nachvollziehbar begründbar, dass die zu gründende Klägerin, einen eigenen Anspruch, den sie ohne und gegen den Willen des Zeugen A. hätte durchsetzen können, erwerben sollte. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses diesbezüglich ein übereinstimmender Wille auf beiden Seiten der Vertragsparteien – d.h. des Zeugen A. und des Beklagten – vorgelegen hat. Ein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt daher nicht vor.
Nach alledem hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung von Pflichten, die sich aus der Vertragsvereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Zeugen A. ergeben.
3. Ergänzend wird noch vorsorglich darauf hingewiesen, dass die dafür beweispflichtige Klägerin zudem – was das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht nachgewiesen hat, dass ein Vertragsschluss zwischen dem Beklagten und der Firma B. GmbH tatsächlich erfolgt ist und dass damit der Beklagte die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten vertragswidrig nicht auf die Klägerin übertragen hat.
Der schriftliche Beratungsvertrag vom 13.10.2010 ist nur durch den damaligen Vertreter der B. GmbH, den Zeugen F., unterzeichnet worden. Eine Unterzeichnung und damit Annahme dieses Angebotes der Firma B. GmbH durch den Beklagten selbst ist nicht nachgewiesen worden. Auch das Vorliegen einer mündlichen Annahme durch den Beklagten, hat die Klägerin nicht bewiesen. Durch die Vernehmung der Zeugen konnte der Nachweis nicht erbracht werden, dass ein Vertragsschluss erfolgt ist. Etwaige Äußerungen des Beklagten bei verschiedenen Gelegenheiten hierzu, selbst wenn sie bewiesen wären, reichen für den Nachweis nicht aus, da die Aussage des Zeugen F. entgegensteht. Wer jeweils die Wahrheit oder Unwahrheit gesagt hat, lässt sich nicht klären. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte seine Erklärungen, obwohl sie nicht der Wahrheit entsprachen, nur abgegeben hat, um Unstimmigkeiten in der Gesellschaft zu den jeweiligen Zeitpunkten zu verhindern.
Eine Pflichtverletzung ist daher durch die Klägerin, selbst wenn man ihr einen eigenen Anspruch zugestehen würde, nicht nachgewiesen.
II.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus Verletzung der sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden gesellschaftlichen Treuepflichten.
Der Inhalt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ist es, dass ein Gesellschafter einer GmbH deren Interessen zu wahren hat, sie insbesondere nicht durch schädigendes Verhalten beeinträchtigen darf. Er hat sie ggf. aktiv zu fördern, entsprechend auf die mitgliedschaftlichen Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen und sich gegenüber der Gesellschaft loyal zu verhalten. Die Inhalte und Wirkung der Treuepflicht sind im Ergebnis weitgehend von der Interessenabwägung, d.h. der Abwägung zwischen den Eigeninteressen der handelnden Gesellschafter und dem Gesellschaftsinteresse sowie den mitgliedschaftlichen Interessen der anderen Gesellschafter abhängig. Die treupflichtbestimmte Entstehung zusätzlicher neuer Pflichten, insbesondere Leistungspflichten der Gesellschafter, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber im Hinblick auf die grundsätzlich abschließende Regelung in Gesetz und Satzung und die strenge Schranke des § 53 Abs. 3 GmbHG mit größter Zurückhaltung zu beurteilen (vgl. Baumbach/Hueck GmbHG, 22. Aufl., § 13 Rn. 23).
Im vorliegenden Fall besteht und bestand keine Verpflichtung des Beklagten der Klägerin gegenüber nach derem juristischen Entstehen, selbstständig eigene Verträge, durch die er selbst verpflichtet wird, abzuschließen, um diese anschließend auf die Klägerin zu übertragen. Der Sinn und Zweck der Gründung einer Gesellschaft ist es gerade, dass der Gesellschafter sich nicht selbst, d.h. mit seinem Privatvermögen haftend, gegenüber anderen Personen rechtlich verpflichten soll, um geschäftlich tätig werden zu können. Auch wurde die vorstehend dargelegte, mit dem Zeugen A. geschlossene Vereinbarung im not. Gesellschaftsvertrag selbst nicht erwähnt. Insbesondere wurde diesbezüglich keine gesonderte Verpflichtung für den Beklagten als Gesellschafter der Klägerin dieser gegenüber aufgenommen, obwohl die Vereinbarung und ihr Zweck zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftervertrages und der Gründung der Gesellschaft, der Klägerin, allen Gesellschaftern, die den Vertrag schlossen, bekannt waren. Mit dem Entstehen der Gesellschaft und den sich anschließenden Gesprächen über den Abschluss des Beratervertrages, die sich bis Ende des Jahres 2011 hinzogen, konnte darüberhinaus die Klägerin selbst die entsprechenden Verträge mit der Firma B. GmbH abschließen bzw. diesbezüglich tätig werden. Von diesem Zeitpunkt an bestand keinerlei Verpflichtung des Beklagten als Gesellschafter dieser gegenüber, dass er persönlich für sich geltende Verträge abschließt, um diese auf die Klägerin zu übertragen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein solches Vorgehen nur und stets im Einverständnis mit dem Vertragspartner, hier der Firma B. GmbH möglich ist. Diesbezüglich wurde von dieser auf der ersten Seite in Ziffer 1. „Präambel“ eine entsprechende Regelung aufgenommen. Daraus ist zu entnehmen, dass die Firma B. GmbH auch zu einem Abschluss mit der Klägerin, wenn sie rechtlich existent war, selbst bereit war, da dies rechtlich und wirtschaftlich zu demselben Ergebnis führt wie eine Übertragung eines mit dem Beklagten geschlossenen Vertrags auf die Klägerin. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Klägerin war es ihr daher selbst möglich, entsprechende Vereinbarungen mit der Firma B. GmbH abzuschließen. Daneben bestand keine gesellschaftliche Treuepflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin, dass dieser selbst eine entsprechende Vereinbarung eingeht und abschließt. Dass vor dem Zeitpunkt der Gründung der Klägerin ein entsprechender Beratungsvertrag vom Beklagten schon abgeschlossen war, hat die Klägerin nicht bewiesen. Es liegen weder schriftliche Urkunden vor, noch hat die Zeugenvernehmung einen entsprechenden Nachweis ergeben. Der Zeuge F. hat geschildert, dass eine entsprechende Vereinbarung nicht zustande gekommen ist. Soweit der Zeuge A. und die Geschäftsführerin der Klägerin angaben, dass der Beklagte ihnen gegenüber bei verschiedenen Gelegenheiten erklärt habe, dass eine entsprechende Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Beratervertrag auf die Klägerin erfolgen werde, reicht dies nicht aus, den Nachweis zu führen, dass ein Abschluss des Beratervertrages vor der Entstehung der Klägerin stattgefunden hat. Insoweit stehen sich auch die Angaben des Beklagten und des Zeugen F. diametral gegenüber. Was tatsächlich geschehen ist, lässt sich bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen. Wer letztendlich die Wahrheit, zumindest teilweise, gesagt hat, lässt sich nicht feststellen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Alle Beteiligten haben ein mehr oder weniger großes Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreites. Die beweispflichtige Klägerin hat bei einem sog. „non liquid“ den Nachweis nicht erbracht, dass der Beklagte die ihm zustehenden Rechte und Pflichten aus einem bei Entstehung der Klägerin schon bestehenden Beratervertrag mit der Firma B. GmbH entgegen der bestehenden gesellschaftlichen Treuepflichten nicht auf die Klägerin übertragen hat.
Eine Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht liegt daher nicht vor. Ein Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten auf Schadenersatz wegen Verletzung gesellschaftlicher Pflichten besteht daher nicht.
Die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage in Ziffer 1 des Tenors des Endurteils des Landgerichts Aschaffenburg hat daher keinen Erfolg. Sie ist daher im Wege des Teilurteils zurückzuweisen.
D.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Revision gegen das Teilurteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.


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