Aktenzeichen 23 U 1781/17
Leitsatz
1. Auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes darf ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist (so auch BGH BeckRS 2016, 09349). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (so auch BGH BeckRS 2011, 14711).(Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
10 HK O 13993/16 2017-04-24 TeU LGMUENCHENI LG München I
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten wird verworfen, soweit sie sich gegen Ziff. II des Teilurteils des Landgerichts München I vom 24.04.2017, Az. 10 HK O 13993/16, richtet.
Im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten hin das Teilurteil des Landgerichts München I vom 24.04.2017, Az. 10 HK O 13993/16, aufgehoben und insoweit der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München I zurückverwiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Das soeben verkündete Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt zu Protokoll begründet:
Gründe
1. Die Berufung der Beklagten ist im Hinblick auf die Verurteilung zur Auskunft (Ziff. II des Teilurteils des Landgerichts München I vom 24.04.2017) unzulässig. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie begründet und führt zur Aufhebung des Teilurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO.
1.1. Soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung zur Auskunft (Ziff. II des Teilurteils des Landgerichts München I vom 24.04.2017) richtet, ist sie mangels Berufungsbegründung unzulässig, § 520 Abs. 1 ZPO, und daher insoweit zu verwerfen.
Die Beklagte hat umfassend gegen das vorgenannte Teilurteil Berufung eingelegt, wie aus dem Schriftsatz vom 24.05.2017 (Bl. 74/75 d.A.) sowie der Berufungsbegründung vom 25.06.2017 (dort S. 1, 2; Bl. 81 f d.A.: „Das Teilurteil (…) wird aufgehoben“, „Das Urteil wird daher in vollem Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.“) hervorgeht. Hinsichtlich der von dem Landgericht ausgesprochenen Verurteilung zur Auskunft ist jedoch innerhalb der maßgeblichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) keine Berufungsbegründung erfolgt. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 25.06.2017 (Bl. 81 ff d.A.) beziehen sich ausschließlich darauf, dass das Landgericht rechtsirrig davon ausgegangen sei, dass die Klageforderung nicht durch Aufrechnung erloschen sei. Eine Begründung, warum das Landgericht die Beklagte zu Unrecht zur Auskunft verurteilt hat, findet sich nicht. In erster Instanz hat die Beklagte in der Klageerwiderung vom 02.10.2016 „die Aufrechnung mit der Klageforderung in Höhe von € 29.207,82 zzgl. der beantragten Zinsen erklärt“ (Bl. 24 d.A.). Hierauf wurde bereits hingewiesen in der Ladungsverfügung vom 13.12.2017 (Bl. 101 d.A.).
1.2. Soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung in Höhe von € 29.607,82 nebst Zinsen richtet (Ziff. I des Teilurteils des Landgerichts München I vom 24.04.2017), ist sie zulässig, insbesondere fristgerecht begründet worden, § 520 Abs. 1 ZPO. Die Berufung ist insoweit auch begründet und führt diesbezüglich zur Aufhebung des Teilurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO.
Das Teilurteil vom 24.04.2017 stellt ein nach § 301 ZPO unzulässiges Teilurteil dar. Ein Verstoß gegen § 301 ZPO ist als wesentlicher Verfahrensmangel von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2016 – XI ZR 305/14 –, BGHZ 210, 30-48, Rn. 28). Eines Antrages auf Zurückverweisung bedarf es nicht, § 538 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Die Klägerin macht mit ihrem Klageantrag Ziff. 1 einen bezifferten Zahlungsanspruch in Höhe von € 29.607,82 als Mindestanspruch aus der zwischen den Parteien geschlossenen Kooperationsvereinbarung auf der Basis von unstreitigen Besucherzahlen von Public Viewing Veranstaltungen einiger Fußball EM-Spiele 2016 geltend. Die Klageanträge Ziff. 2 lit. a bis lit. c bilden eine Stufenklage betreffend die Auskunft über die Anzahl der tatsächlichen Besucher von bestimmten Public Viewing Veranstaltungen im Rahmen der EM 2016, erforderlichenfalls die Versicherung an Eides statt und Zahlung eines Betrages in nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Höhe. In diesem Aufbau der Klage kann insgesamt eine Stufenklage zu sehen sein, wenn der Kläger trotz teilweiser Bezifferung seiner Ansprüche eine stufenweise Erledigung insgesamt anstrebt, andernfalls liegt eine bezifferte Teilklage verbunden mit einer unbezifferten Stufenklage vor (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 254 Rz. 3 m.w.N.). Nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe hat das Landgericht zwar über den bezifferten Zahlungsantrag in Höhe von € 29.607,82, aber jedenfalls nicht über den unbestimmten Zahlungsantrag gemäß Klageantrag Ziffer 2 lit. c entschieden.Über den bezifferten Antrag durfte aber nur entschieden werden, wenn – im Verhältnis zur Stufenklage – die Voraussetzungen eines Teilurteils nach § 301 ZPO vorliegen (Greger in Zöller, a.a.O.). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf auch bei der grundsätzlichen Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist. Eine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (vgl. BGH, Urteile vom 11.05.2011 – VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13 und vom 12.04.2016 – XI ZR 305/14 –, Rn. 29, juris, jeweils m.w.N.). Vorliegend stellt sich der bezifferte Klageantrag Ziff. 1 als Teil des unbezifferten Zahlungsantrages Ziff. 2 lit. c, dar, so dass bei einer späteren Entscheidung des Landgerichts erneut über die Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere über die Wirksamkeit der vertraglichen Grundlage, zu befinden sein wird. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Gericht bei einem späteren Urteil – sei es auf Grund neuen Vortrags, sei es auf Grund geänderter Rechtsauffassung (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2012 – V ZR 245/11 –, Rn. 9, juris, m.w.N.) hierzu abweichend entscheidet. Eine materielle Verzahnung, die die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen mit sich bringt und dem Erlass eines Teilurteils entgegensteht, liegt damit vor.
Nach dem Urteil des BGH vom 16.06.2010 (VIII ZR 62/09, juris Tz. 27) handelt es sich beim Auskunftsanspruch nur um ein Hilfsmittel, um den Leistungsantrag zu beziffern. Dieser ist das eigentliche Rechtsschutzziel. Gleichrangig damit sind weitere Zahlungsansprüche. Die Rangordnung zwischen Auskunfts- und Zahlungsanspruch bei der Stufenklage soll daher auch im Verhältnis zwischen Auskunftsanspruch und widerklagend geltend gemachtem Anspruch zu berücksichtigen sein. Diese Grundsätze müssen auch gelten, wenn nicht eine Widerklage, sondern weitere Zahlungsansprüche neben der Stufenklage geltend gemacht werden. Auch hier ist zunächst nur über den Auskunftsanspruch zu entscheiden.
Der Erlass eines Teilurteils ist damit insoweit unzulässig und die Berufung insoweit begründet. Das Urteil war insoweit aufzuheben und das Verfahren nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.
2. Ergänzend weist der Senat für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung der von ihr behaupteten Garantie von Besucherzahlen trägt, die sich nicht in dem schriftlichen Kooperationsvertrag, Anlage K1, findet. Eine Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Parteien beruft, trifft nämlich die Beweislast für deren Vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2014 – VIII ZR 302/13 –, Rn. 13, juris).
Allerdings hat das Landgericht die Anforderungen an den Sachvortrag überspannt. Das Vorbringen der Beklagten ist nach Auffassung des Senats vorliegend hinreichend schlüssig für die Durchführung einer Beweisaufnahme. Insoweit hat die Beklagte erstinstanzlich ausgeführt und unter Zeugenbeweis gestellt (Klageerwiderung vom 02.10.2016, Bl. 20 f d.A.), dass der Geschäftsführer der Klägerin zugesagt habe, er sichere unabhängig von der Verschriftung zu, auf der Grundlage von 11.000 Zuschauern für die streitgegenständlichen Spiele abzurechnen. Sodann sei es zu der streitgegenständlichen Vereinbarung gekommen. Es habe Einvernehmen zwischen den Parteien bestanden, dass die Zusicherung zumindest für die sechs Gruppenspiele der beiden Nationalmannschaften gelte, auch wenn sie nicht verschriftet worden sei. Schon wegen des Vorrangs eines übereinstimmenden Parteiwillens hätte das Landgericht das Vorbringen sowie das Beweisangebot der Beklagten nicht übergehen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2014 – VIII ZR 302/13 –, Rn. 11, juris). Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Dagegen ist die Frage, ob ein Sachvortrag wahrscheinlich oder angesichts der Urkundenlage eher unwahrscheinlich ist, für die Erheblichkeit und damit die Beweisbedürftigkeit des Vorbringens ohne Belang (BGH, Beschlüsse vom 11.05.2010 – VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217 Rn. 11; vom 12.03.2013 – VIII ZR 179/12, juris Rn. 10 f.; jeweils m.w.N.).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.607,82 € festgesetzt.