Handels- und Gesellschaftsrecht

Verjährung des Anspruchs auf Erstellung einer Abfindungsbilanz – Zurechnung fremden Wissens, grob fahrlässige Unkenntnis

Aktenzeichen  7 U 3086/19

Datum:
27.5.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11573
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 166, § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 1896 Abs. 2 S. 2, § 1902

 

Leitsatz

1. Die selbständige Geltendmachung eines (Teil-)Auseinandersetzungsguthabens durch den stillen Gesellschafter ohne vorher durchgeführte Auseinandersetzung der Gesellschaft ist ausnahmsweise nur dann zuzulassen, wenn dadurch das Ergebnis der Auseinandersetzung (teilweise) in zulässiger Weise vorweggenommen wird und insbesondere die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens nicht besteht. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Generalbevollmächtigter, dem eine betreuungsersetzende Vollmacht erteilt wurde, ist für die Frage der Kenntniszurechnung im Rahmen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht anders zu behandeln als ein Betreuer als gesetzlicher Vertreter. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Vertreter, der mit einem bestimmten Aufgabenkreis betraut ist und dem in diesem Aufgabenkreis die Kenntnisnahme von Tatsachen übertragen ist, ist Wissensvertreter.(Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Generalbevollmächtigte, der eine Einkommensteuererklärung unterzeichnet, auf deren Grundlage ein Millionengewinn versteuert werden soll, und sich nicht beim Steuerberater nach der Herkunft des Gewinns erkundigt, befindet sich in grob fahrlässiger Unkenntnis über die den Gewinnanspruch begründenden Tatsachen. (Rn. 86 – 87) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 HK O 10700/18 2019-05-09 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 09.05.2019, Az. 8 HK O 10700/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers K. zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention trägt der Nebenintervenient selbst.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten und/oder des Streithelfers Kunz durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und/oder der Streithelfer Kunz vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

B.
Die Berufungen des Klägers und des Nebenintervenienten sind zulässig. Gegen eine formell zulässige Berufung spricht nicht, dass die Berufungsbegründung über weite Teile aus Textteilen besteht, die wortgleich den erstinstanzlichen Schriftsätzen des Klägervertreters entnommen wurden.
Die Berufungen sind jedoch unbegründet, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat und auch die in der Berufung neu gestellten Hilfsanträge unbegründet sind.
I.
Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Zahlanspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 3.863.581,11 € nicht besteht.
1. Der Kläger macht mit seinem Klageantrag zu 1 nicht das Abfindungsguthaben aus der beendeten stillen Gesellschaft nach deren Beendigung, sondern einen Anspruch auf Vorabzahlung eines Teiles des Abfindungsbetrages aus abgetretenem Recht geltend. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
a. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine selbständige Geltendmachung eines (Teil-)Auseinandersetzungsguthabens durch den stillen Gesellschafter ohne vorher durchgeführte Auseinandersetzung der Gesellschaft ausnahmsweise nur dann zuzulassen, wenn dadurch das Ergebnis der Auseinandersetzung (teilweise) in zulässiger Weise vorweggenommen wird und insbesondere die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens nicht besteht. Diese Gefahr ist wiederum nur auszuschließen, wenn mit Sicherheit feststeht, dass sich im Rahmen der weiteren Auseinandersetzung in jedem Fall ein positiver Saldo für den stillen Gesellschafter ergibt (BGH, Urteil vom 03.02.2015 – II ZR 335/13, Rdnr. 22, vgl. auch BGH, Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, Rdnrn 43 ff. zur BGB-Gesellschaft).
b. Zu Recht hat das Landgericht insoweit angenommen, dass sich im Rahmen der (weiteren) Auseinandersetzung der stillen Gesellschaft nicht mit Sicherheit in jedem Fall ein positiver Saldo für den stillen Gesellschafter ergeben werde (LGU S. 12 und 13). Dies gilt sowohl für den Klagebetrag in Höhe von 3.863.581,11 € als auch für die vom Kläger im Rahmen des Klageantrags zu 1 alternativ beanspruchten Beträge vom 2.526.508,58 €, 2.202.428,75 €, 1.786.064,10 €, 1.732.777,38 €, 1.154.372,81, 324.079,83 € und 162.039,31 € (vgl. LGU S. 7).
aa. Auszugehen war dabei von einer Beendigung der stillen Gesellschaft zum 31.12.2008, da zu diesem Zeitpunkt die stille Gesellschaft gemäß § 2 Abs. 1 GV durch Zweckerreichung endete. Denn unstreitig war – wie von § 2 Abs. 1 GV gefordert – Ende 2008 der vollständige Kaufpreis für die letzte zu verkaufende Wohneinheit des Bauvorhabens bezahlt worden (vgl. LGU S. 4).
Für die Frage des Zeitpunkts der Beendigung der stillen Gesellschaft kommt es demnach auf die Frage, ob und gegebenenfalls wann die Nachtragsvereinbarung laut Anl. K 12 vom Nebenintervenienten unterschrieben wurde und ob sie infolge seiner behaupteten Geschäftsunfähigkeit im Jahr 2009 überhaupt wirksam zustande kam, nicht an. Geht man von einem Nichtabschluss oder von einer Unwirksamkeit der Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2008 aus, verbleibt es schon deshalb bei der Beendigungsregelung des § 2 Abs. 1 GV und der Beendigung zum 31.12.2008. Sollte die Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2008 dagegen wirksam zustande gekommen sein, so würde sie jedenfalls nicht zu einer Beendigung der stillen Gesellschaft schon mit Ablauf des 02.08.2008 geführt haben.
Zwar enthält die Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2008 in ihrem § 2 Abs. 1 eine Regelung, wonach die stille Gesellschaft am steuerlichen Verschmelzungsstichtag endet, und sollte nach § 2 Nr. 7 des Verschmelzungsvertrages zwischen der W.park KG und der J.K. Wohnbau U.-S. GmbH & Co. KG vom 01.04.2009 (Anl. K 13) steuerlicher Übertragungsstichtag der 03.08.2008 sein. Jedoch gingen die Parteien laut § 1 Abs. 2 S. 1 der Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2008 davon aus, dass die Verschmelzung „demnächst“ erfolgen werde und die Kaufpreise für die Wohneinheiten noch nicht bezahlt seien. Dies bedeutet, dass die Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2008 den Fall regeln sollte, dass bei Abschluss des beabsichtigen Verschmelzungsvertrages die stille Gesellschaft noch nicht nach § 2 Abs. 1 GV beendet war, sondern noch fortbestand. Aus § 2 Abs. 1 der Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2018 lässt sich nicht entnehmen, dass dadurch § 2 Abs. 1 GV aufgehoben oder geändert werden sollte. Vielmehr wurde nur vereinbart „im Falle einer Verschmelzung endet die stille Gesellschaft“. Durch die Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2008 sollte also lediglich ein zusätzlicher, neben § 2 Abs. 1 GV tretender Beendigungstatbestand geschaffen werden.
Die Voraussetzungen dieses zusätzlichen Beendigungstatbestands in § 2 Abs. 1 der Nachtragsvereinbarung vom 20.04.2008 sind jedoch nicht mehr vor der Beendigung der stillen Gesellschaft durch Zweckerreichung gemäß § 2 Abs. 1 GV zum 31.12.2008 eingetreten. Denn der Abschluss des Verschmelzungsvertrages laut Anl. K 13 erfolgte erst am 01.04.2009 und damit zeitlich später. Da die stille Gesellschaft Ende 2018 beendet war, konnte sie durch den Abschluss des Verschmelzungsvertrages am 01.04.2009 nicht noch einmal beendet werden und schon gleich gar nicht rückwirkend zu einem früheren Termin.
bb. Für die Berechnung der Höhe des Abfindungsguthabens des Klägers zum somit allein maßgebenden Beendigungszeitpunkt 31.12.2008 ist auf § 7 GV in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 22.06.2005 laut Anl. K 7 abzustellen, da in § 7 GV – wie sich insbesondere § 7 Abs. 4 S. 1 GV entnehmen lässt – die Ausschüttung des Gewinns an die Gesellschafter bei Beendigung der stillen Gesellschaft geregelt ist und die stille Gesellschaft vorliegend durch Beendigung endete. Nicht einschlägig ist demgegenüber § 9 GV, da sich dieser laut seinem Abs. 1 S. 1 nur auf den Fall des Ausscheidens des stillen Gesellschafters aus der Gesellschaft bezieht, der Nebenintervenient jedoch nicht aus der stillen Gesellschaft ausschied.
Demnach erhält der stille Gesellschafter vom Gewinn der Beklagten zunächst einen erstrangigen Sockelbetrag in Höhe von 400.000,00 €. Am darüber hinaus erzielten Gewinn ist der Nebenintervenient mit 50% beteiligt (Ziffer 2 der Zusatzvereinbarung vom 22.06.2005). Ein etwaiger Verlust der Beklagten wird zunächst bis zur vollen Höhe seiner Einlage dem stillen Gesellschafter zugewiesen. An darüber hinaus entstehenden Verlusten ist der Nebenintervenient mit 50% beteiligt. Vor der Verteilung ausschüttungsfähiger Gewinne sind mit den erzielten Überschüssen vorab die dem stillen Gesellschafter bis zur vollen Höhe seiner Einlage entstandenen Verluste auszugleichen (§ 7 Abs. 2 GV).
Da somit der Nebenintervenient auch am Verlust der Gesellschaft beteiligt ist, steht nicht ohne Auseinandersetzungsrechnung und damit von vornherein fest, dass und gegebenenfalls welchen Betrag der Kläger von der Beklagten verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2015 – II ZR 335/13, Rdnr. 19).
Dies gilt – wie das Landgericht ebenfalls richtig angenommen hat (LGU S. 13 Abschnitt ccc.) – auch für den niedrigsten der vom Kläger angegebenen Alternativbeträge in Höhe von 162.039,91 €. Denn die Beklagte hat insoweit den vom Kläger behaupteten ausschütttungsfähigen Gewinn in Höhe von 3.863.581,11 € bestritten und vorgetragen, dass bei einer Beendigung der stillen Gesellschaft zum 31.12.2008 der ausschüttungsfähige Gewinn nur 2.682.100,32 € betrage. Davon wäre ein Verlust von 3.701.541,20 € in Abzug zu bringen, sodass sich kein Gewinnanspruch des Klägers mehr ergebe (vgl. Klageerwiderung, S. 17, Bl. 59 d.A.). Ob dies zutrifft, kann nur durch eine Abfindungsbilanz ermittelt werden.
Dagegen kann der Kläger sich weder auf die „Anlage zur gesonderten und einheitlichen Feststellung 2008“ laut Anl. B 6a noch auf den Jahresabschluss der Beklagten für das Jahr 2008 laut Anl. K 20 berufen. Denn in Anl. B 6a wird unzutreffend auf den 02.08.2008 als Beendigungszeitpunkt der stillen Beteiligung abgestellt, während im Jahresabschluss für 2008 laut Anl. K 20 von einer Beendigung der stillen Beteiligung am 20.04.2008 ausgegangen wird (vgl. Anl. 4, S. 2 zum Jahresabschluss 2008 laut Anl. K 20). Sollte es sich dabei – was naheliegt – um einen Irrtum der Abschlussprüfer handeln, lag dem Jahresabschluss ebenfalls unzutreffend der 02.08.2008 als Beendigungszeitpunkt der stillen Gesellschaft zu Grunde (vgl. Klagerwiderung S. 16, Bl. 58 d.A.), jedenfalls aber nicht der 31.12.2008 als richtiger Beendigungszeitpunkt.
Da nach alledem ohne Abfindungsbilanz nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welches Abfindungsguthaben dem Kläger zusteht, kann der Kläger nicht ausnahmsweise vorab einen (Teil-)Zahlungsanspruch gegen die Beklagte geltend machen.
2. Seinen Zahlungsanspruch laut Klageantrag zu 1 kann der Kläger auch nicht auf die Deliktstatbestände der §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und/oder § 826 BGB stützen, da diese – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat (vgl. LGU S. 17) – schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht erfüllt sind.
a. Zwar mag die Beauftragung des Streithelfers durch die Generalbevollmächtigte im September 2008 eine Vermögensbetreuungspflicht des Streithelfers gegenüber dem Nebenintervenienten begründet haben. Das Bestreiten einer solchen Beauftragung durch den Streithelfer im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 14.01.2019 (dort S. 3, Bl. 207 d.A.) sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.05.2020 ist gemäß § 67 ZPO unerheblich, da die Beklagte die vom Kläger behauptete Beauftragung des Streithelfers ausdrücklich zugesteht und für ihre Argumentation übernimmt (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 28.09.2018, S. 22 letzter Absatz, Bl. 64 d.A.). Die vom Kläger vorgetragene Tathandlung, nämlich die „Luftbuchung in Höhe eines Betrages von 992.332,90 €“ in der Steuererklärung der W.park KG zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2008 führte – auch wenn sie inhaltlich unrichtig war – jedoch nicht zu einer Reduzierung des Gewinn- oder Abfindungsanspruchs des Nebenintervenienten und damit auch nicht zu einem Schaden. Denn die unrichtige Angabe des Gewinnanteils eines Gesellschafters in einer Steuererklärung hat keinen Einfluss auf das materiell-rechtliche Bestehen oder Nichtbestehen des Gewinn- oder Abfindungsanspruchs des betroffenen Gesellschafters.
Dass der Gewinn- bzw. Abfindungsanspruch des Nebenintervenienten durch die „Luftbuchung“ auch in subjektiver Hinsicht nicht „verkürzt“ oder „veruntreut“ werden sollte, ergibt sich aus dem Jahresabschluss für 2008 laut Anl. K 20. Denn dort ist die „Luftbuchung“ nicht mehr enthalten und ist der Gewinnanteil des Nebenintervenienten mit 3.863.581,11 € angegeben (vgl. Anl. 6 S. 4 zum Jahresabschluss für 2008 laut Anl. K 20). Wenn die W.park KG den Nebenintervenienten durch die „Luftbuchung“ tatsächlich um einen Teil seines Gewinnanteils hätten bringen wollen, ist nicht nachvollziehbar, warum dann im Jahresabschluss die „Luftbuchung“ gar nicht mehr auftaucht.
b. Selbst wenn man mit dem Kläger unterstellt, dass der Jahresabschluss für 2008 laut Anl. K 20, der – wie oben ausgeführt – aufgrund des ihm zu Grunde gelegten unrichtigen Beendigungszeitpunkts ohnehin keine taugliche Gesamtabrechnung darstellt, inhaltliche Fehler aufweisen sollte (vgl. Berufungsbegründung, S. 143, Bl. 483 d.A.), so würde auch dies einen etwaigen Zahlungsanspruch des Klägers nicht „verkürzen“. Denn auch insoweit haben (unterstellt) falsche Angaben im Jahresabschluss keine Auswirkungen auf das materiell-rechtliche Bestehen eines Zahlungsanspruchs des Klägers. Ein gesellschaftsrechtlicher Zahlungsanspruch besteht – wie oben unter 1 dargelegt – nicht, sodass insoweit auch kein deliktischer Schaden vorliegt. Allenfalls käme in diesem Zusammenhang ein dem Nebenintervenienten entstandener Steuerschaden in Betracht, der jedoch nicht geltend gemacht wird.
Im Übrigen folgt aus einer (unterstellt) unrichtigen Bilanz noch nicht notwendigerweise ein für §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB ebenso wie für § 826 BGB stets erforderliches vorsätzliches Handeln des Dr. K., des Streithelfers und/oder der mit der Erstellung des Jahresabschlusses der Beklagten für 2008 beauftragten Steuerberater, wobei schon nicht vorgetragen ist, welche der Beteiligten welchen konkreten Tatbeitrag erbracht haben sollen. Die bloße Behauptung, der Streithelfer hätte mit Dr. K. sowie den an der Erstellung des Jahresabschusses für 2008 beteiligten Steuerberatern kollusiv zusammengewirkt, reicht – wie das Landgericht richtig ausgeführt hat (LGU S. 17) – nicht aus.
c. Das Bestehen eines Interessenkonflikts in der Person des Streithelfers aufgrund gleichzeitiger vertraglicher Bindung sowohl an die W.park KG als auch an den Nebenintervenienten allein führt ebenfalls nicht zu einem deliktischen Anspruch gegen die Beklagte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger entgegen seines Vortrags in der Klageschrift (dort S. 22, Bl. 22 d.A.) im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens einräumen musste, dass der Nebenintervenient Kenntnis von Dienstverträgen des Streithelfers mit Projektgesellschaften wie der W.park KG hatte (Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.12.2018, S. 22, Bl. 109 d.A.) und die Vereinbarung vom 22.06.2005 zwischen der W. park KG, dem Nebenintervenienten und dem Streithelfer laut Anl. SH 2 darauf hindeutet, dass der Streithelfer bei der Beklagten im Auftrag des Nebenintervenienten zur Ausübung von dessen „Auskunfts- und Kontrollrechten“ als Berater tätig wurde.
Da nach alledem der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte schon dem Grunde nach nicht besteht, kommt es auf die Frage, ob ein etwaiger Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte – wie es das Landgericht in einem obiter dictum angenommen hat (vgl. LGU S. 13, 14) – verjährt wäre, nicht mehr an.
II.
Der Hilfsantrag zu 2 auf Feststellung, dass der Gewinn des Jahres 2008 in Höhe eines Betrages von 3.863.511,11 EUR als Einzelposten zu Lasten der Beklagten in die Auseinandersetzungsrechnung der zwischen dem Nebenintervenienten und der W.park KG abgeschlossene atypische Gesellschaft einzustellen ist, während ein Betrag in Höhe von 3.701.541,20 EUR nicht, sondern – äußerst hilfsweise – allenfalls maximal ein Betrag in Höhe von 2.130.809,73 EUR zu Lasten des Nebenintervenienten als Verlustvortrag aus den Geschäftsjahren 2004 bis 2007 eingestellt wird, ist ebenfalls unbegründet. Denn der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erteilung einer Abfindungsbilanz ist verjährt, sodass auch ein Anspruch des Klägers auf Einstellung bestimmter unselbständiger Rechnungsposten in die nicht mehr zu erstellende Abfindungsrechnung nicht mehr besteht.
Zutreffend stellte das Landgericht insoweit fest, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB zum Schluss des Jahres 2009 begann und spätestens mit Ablauf des 30.06.2017 endete (LGU S. 14 – 16), sodass die Einreichung der Klage die bereits eingetretene Verjährung nicht mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen konnte.
1. Der Anspruch des Klägers auf Erstellung einer Abfindungsbilanz entstand iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit der Beendigung der stillen Gesellschaft mit Ablauf des 31.12.2008 und damit im Jahr 2009.
2. Für die Frage der Kenntnis oder der grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt es nur auf die Kenntnis vom Bestehen der stillen Beteiligung des Nebenintervenienten bei der W.park KG und von deren Beendigung zum 31.12.2008 an. Denn die Beendigung der stillen Gesellschaft ist die einzige Voraussetzung des Anspruchs auf Erteilung einer Abfindungsbilanz. Ob die Abfindungsbilanz dann einen Zahlungsanspruch des Stillen ergibt, ist dagegen für das Entstehen des Anspruchs auf Erteilung der Bilanz unerheblich.
a. Die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis muss grundsätzlich in der Person des Gläubigers vorliegen, wobei bei Geschäftsunfähigen Kenntnis des gesetzlichen Vertreters maßgebend ist. Sollte somit der Nebenintervenient – wie er behauptet – von September 2008 bis ins Jahr 2016 geschäftsunfähig gewesen sein, so hätte er in dieser Zeit keinen gesetzlichen Vertreter gehabt, da ein Betreuer, der nach § 1902 BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters gehabt hätte, für den Nebenintervenienten unstreitig nicht bestellt war. Ein Betreuer hätte aber auch gar nicht bestellt werden können, da die vom Nebenintervenienten seiner Ehefrau am 15.10.1997 erteilte notarielle Generalvollmacht laut Anl. B 3 jedenfalls für den hier relevanten Aufgabenkreis der Vermögenssorge die Anordnung einer Betreuung gemäß § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB ausschließt. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht B.-G. mit Beschluss vom 27.02.2013 (Bl. 220/221 d.A.) auch die Anordnung einer Betreuung abgelehnt.
b. Das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters schließt jedoch bei unterstellter dauerhafter Geschäftsunfähigkeit des Nebenintervenienten nicht das Abstellen auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis seiner Generalbevollmächtigten aus.
aa. Zwar ist die Kenntnis eines bloß rechtsgeschäftlichen Vertreters für den Verjährungsbeginn grundsätzlich unerheblich (BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 436/12, Rdnr. 15) und war die Generalbevollmächtigte des Nebenintervenienten auch nicht dessen Wissensvertreterin. Der Zurechnung der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis eines Wissensvertreters entsprechend § 166 BGB liegt nämlich die Erwägung zu Grunde, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn jemand, der einen Vertreter mit einem bestimmten Aufgabenkreis betraut und ihm in diesem Aufgabenkreis die Kenntnisnahme von Tatsachen überträgt, aus der inneren Geschäftsverteilung einem Dritten gegenüber den Einwand der Unkenntnis herleiten könnte. Denn der Vollmachtgeber als Anspruchsinhaber könnte auf diese Weise den Beginn der Verjährungsfrist durch Einschaltung eines Wissensvertreters willkürlich hinauszögern (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 436/12, Rdnr. 15). Im streitgegenständlichen Fall trifft diese auf Treu und Glauben abstellende Erwägung jedoch nicht zu, da es sich – wie sich insbesondere aus ihrem Absatz 1 Satz 2 ergibt – um eine umfassende betreuungsersetzende Vorsorgevollmacht iSd. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB handelt, mit der der Generalbevollmächtigten kein „bestimmter Aufgabenkreis“ iSd. oben angeführten Rechtsprechung des BGH übertragen wurde.
bb. Eine Generalbevollmächtigte, der eine nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB betreuungsersetzende Vollmacht erteilt wurde, ist aber für die Frage der Kenntniszurechnung im Rahmen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB dennoch nicht anders zu behandeln als ein Betreuer als gesetzlicher Vertreter nach § 1902 BGB. Wenn ein Betroffener aufgrund seiner grundsätzlich so weit wie möglich zu schützenden Autonomie und der daraus im Gegenzug folgenden Subsidiarität der Betreuung die Einrichtung einer Betreuung und damit die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters durch die Erteilung einer (Vorsorge-)Vollmacht verhindern kann, so soll er doch dadurch im Verhältnis zu Dritten auch nicht rechtlich besser gestellt werden als ein Betreuter. Genau dies wäre aber der Fall, wenn bei einer vorsorglich erteilten Generalvollmacht im Rahmen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Bevollmächtigten nicht abgestellt werden könnte, während einem Betreuten die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis seines Betreuers ohne weiteres zugerechnet wird. Denn damit würde bei Erteilung einer Vorsorgevollmacht und sodann im weiteren Verlauf eingetretener dauernder Geschäftsunfähigkeit mangels Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Vollmachtgebers die Verjährungsfrist bezüglich Ansprüchen des Vollmachtgebers gegen Dritte nicht zu laufen beginnen, sodass regelmäßig die kenntnisunabhängigen Höchstfristen des § 199 Abs. 2 – 4 BGB zum Tragen kämen. Bei einem betreuten Anspruchsinhaber kommt es dagegen zu einer Wissenszurechnung, mit der Folge, dass der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich kenntnisabhängig nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfolgt. Aufgrund der gebotenen Gleichbehandlung von Betroffenen, die eine betreuungsersetzende Vorsorgevollmacht erteilt haben, einerseits und Betreuten andererseits (zu diesem Gleichlauf vgl. auch BGH, Beschluss vom 23.10.2019 – I ZB 60/18, Rdnr. 35) hat das Landgericht deshalb auch zutreffend auf die Regelung in § 51 Abs. 3 ZPO abgestellt, die diesem Ziel der Gleichbehandlung für den Bereich der Prozessfähigkeit ausdrücklich Rechnung trägt. Aus der vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 24.05.2020 (dort S. 20) in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 23.10.2019 – I ZB 60/18, die zu § 51 Abs. 3 ZPO ergangen ist, lässt sich nicht entnehmen, dass dem Vollmachtgeber das Wissen einer Vorsorgebevollmächtigten iSd. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB nicht zugerechnet werden kann. Diese Frage war nämlich gar nicht Gegenstand der Entscheidung des BGH.
Nach alledem kommt es für die Frage der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen auf die Person der Ehefrau als Generalbevollmächtigter an.
c. aa. Diese muss sich das Wissen des Streithelfers als Wissensvertreter nach den Grundsätzen des § 166 BGB zurechnen lassen. Unstreitig beauftragte sie nämlich gestützt auf die Generalvollmacht laut Anl. B 3, die in Absatz 3 die Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten enthält, im September 2008 den Streithelfer, „die finanziellen Interessen von Herrn Dr. W. K. gegenüber der J.K. Wohnbau GmbH und Herrn Dr. K. wahrzunehmen“ (Klageschrift, S. 11, Bl. 11 d.A.; das Bestreiten einer solchen Vereinbarung durch den Streithelfer ist – wie oben unter I 2 a dargelegt – nach § 67 ZPO unbeachtlich). Damit handelte es sich bei dem Streithelfer um einen Vertreter, der mit einem bestimmten Aufgabekreis betraut war und dem in diesem Aufgabenkreis die Kenntnisnahme von Tatsachen übertragen war, und damit um einen Wissensvertreter iSd. oben angeführten BGH-Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 436/12, Rdnr. 15).
bb. Die vom BGH formulierten Gegenausnahmen, die es dem Anspruchsgegner im Einzelfall nach Treu und Glaube verwehren, sich auf die Wissenszurechnung eines Vertreters des Anspruchsinhabers zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 436/12, Rdnrn. 20 und 21), liegen im streitgegenständlichen Fall nicht vor. Denn weder ist der Anspruch, um dessen Verjährung es streitgegenständlich geht, nämlich der Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Abfindungsbilanz, gegen den Wissensvertreter, das heißt den Streithelfer, selbst gerichtet noch steht der Anspruch auf Bilanzerteilung mit einem gegen den Streithelfer als Wissensvertreter gerichteten Anspruch in einem so engen Zusammenhang, dass die Befürchtung besteht, der Vertreter werde nicht zu einer sachgerechten Verfolgung des Anspruchs beitragen. Letzterer Fall setzt nämlich voraus, dass der Wissensvertreter einer vergleichbaren Interessenkollision ausgesetzt ist wie bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen sich selbst (BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 436/12, Rdnr. 21).
Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn auch die sich aus einer Abfindungsbilanz gegebenenfalls ergebenden Zahlungsansprüche richten sich nicht gegen den Wissensvertreter, das heißt den Streithelfer, sondern ausschließlich gegen die Beklagte.
Die vom BGH geforderte Interessenkollision ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger meint, er habe deliktische Schadensersatzansprüche gegen den Streithelfer. Denn solche sind – wie oben unter I 2 dargelegt – nicht ersichtlich. Die bloße unsubstantiierte Behauptung von Schadensersatzansprüchen des Klägers bzw. Nebenintervenienten gegen den Streithelfer reicht jedoch für die Begründung einer die Wissenszurechnung ausschließenden Interessenkollision nicht aus.
Nach alledem muss sich die Generalbevollmächtigte und damit auch der Nebenintervenient das Wissen des Streithelfers hinsichtlich der stillen Beteiligung zurechnen lassen.
cc. Dem Vortrag der Beklagten, der Streithelfer habe Kenntnis von der Beendigung der stillen Beteiligung gehabt (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 28.09.2018, S. 21, Bl. 63 und Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 10.01.2019, S. 40, Bl. 198 d.A.), hat der Kläger nicht widersprochen. Vielmehr behauptet auch der Kläger, dass der Streithelfer von der stillen Beteiligung des Nebenintervenienten und deren Beendigung im Jahr 2008 gewusst habe. Denn auf diese Kenntnis des Streithelfers stützen sich die gegen ihn von Seiten des Klägers erhobenen Vorwürfe der Untreue und der sittenwidrigen Schädigung des Klägers. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers soll der Streithelfer nämlich maßgeblichen Einfluss auf die inkorrekte Erstellung und Angabe der unzutreffenden Steuererklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Jahr 2008 der „J.K. Wohnbauges. mbH & Co Objekt W. park KG & atypisch Still“ laut Anl. B 6 genommen haben, in der die Beendigung der stillen Beteiligung (wenn auch mit dem unzutreffenden Datum 02.08.2008) angegeben war. Auch auf den Jahresabschluss der Beklagten für 2008 laut Anl. K 20, dem ebenfalls die Beendigung der stillen Beteiligung im Jahr 2008 zu Grunde liegt, soll der Streithelfer maßgeblichen Einfluss genommen haben, um den Kläger zu schädigen (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.03.2019, S. 20 unten und 21 oben, Bl. 243, 244 d.A.).
Im Übrigen hat auch, obwohl es darauf gemäß § 67 ZPO nicht ankäme, der Streithelfer seine Kenntnis vom Bestehen der stillen Beteiligung und deren Beendigung im Jahr 2008 nicht bestritten hat (vgl. Schriftsatz des Streithelfervertreters vom 14.01.2019, Bl. 205/213 d.A.).
Nachdem diese beiden Tatsachen für das Entstehen des Anspruchs auf Erteilung einer Abfindungsbilanz ausreichen, hatte die Generalbevollmächtigte spätestens im Jahr 2009 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB und begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2009.
d. Selbst wenn man aber – wie der Kläger – im Verhältnis zur Generalbevollmächtigten von keiner Zurechnung des Wissens des Streithelfers von der stillen Beteiligung ausgehen sollte, so hätte die Verjährungsfrist hinsichtlich des Bilanzerstellungsanspruchs dennoch gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Ablauf des 31.12.2009 zu laufen begonnen.
Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls wann die Ehefrau des Nebenintervenienten als seine Generalbevollmächtigte selbst positive Kenntnis von der stillen Beteiligung des Nebenintervenienten und deren Beendigung erlangte. Denn jedenfalls hätte die Generalbevollmächtigte ohne grobe Fahrlässigkeit spätestens bei Unterzeichnung der Einkommensteuerklärung des Nebenintervenienten für den Veranlagungszeitraum 2008 Kenntnis von der Beendigung der stillen Beteiligung zum 31.12.2008 erlangen müssen.
aa. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässig iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt ein Gläubiger, wenn seine Unkenntnis darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maß verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08, Rdnr. 14). Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Unterlassen einer Nachfrage ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen dabei konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08, Rdnr. 16 m.w.N. aus Rechtsprechung und Schrifttum).
bb. Auch nach dem neuen Sachvortrag des Klägers in der Berufung (vgl. Berufungsbegründungsschriftsatz vom 20.08.2019, dort S. 103 ff., Bl. 443 ff. d.A.) ist unstreitig, dass die Generalbevollmächtigte des Nebenintervenienten dessen Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2008 unterschrieb und dass in der Steuererklärung ein auf den Nebenintervenienten entfallender Gewinn von 2.871.248,21 € angegeben war (vgl. Klageschrift, S. 13, Bl. 13 d.A.). Die Versteuerung eines Gewinns in Millionenhöhe, ohne beim Steuerberater Kn., der die Einkommensteuererklärung für 2008 fertigte, nachzufragen, woraus dieser Gewinn resultiert, ist unverständlich. Denn jedem – auch einer zumindest behauptetermaßen geschäftsunerfahrenen Person wie der Generalbevollmächtigten – muss klar sein, dass die Versteuerung eines Gewinns von 2.871.248,21 € zu einer erheblichen Steuerbelastung führen kann. Selbst wenn – wie der Kläger in der Berufungsbegründung mutmaßt (vgl. dort S. 103 unten, 104 oben, Bl. 443, 444 d.A.) – der Steuerberater Kn. sich bei der Verfertigung der Einkommensteuererklärung für 2008 ausschließlich auf ihm vom Streithelfer oder Herrn G.K. zur Verfügung gestellte Unterlagen verlassen hätte, hätte der Steuerberater Knief der Generalbevollmächtigten erklären können, dass sich dieser Gewinn aus der stillen Beteiligung ergab. Denn unstreitig hatte der Streithelfer dem Steuerberater Kn. den Gewinnertrag in Höhe von 2.871.248,21 € aus der 2008 beendeten stillen Beteiligung vor der Verfertigung der Einkommensteuererklärung bereits im Jahr 2009 mitgeteilt (vgl. Klageschrift, S. 14, Bl. 14 d.A., Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.12.2018, S. 30, Bl. 117 d.A.). Anders wäre auch nicht zu erklären, dass der vom Steuerberater Kn. in der Einkommensteuererklärung des Nebenintervenienten für 2008 angegebene Betrag von 2.871.248,21 € auf den Cent genau dem Betrag entsprach, der in der Anlage zur gesonderten und einheitlichen Feststellungserklärung laut Anl. B 6a als steuerlicher Gewinn des Nebenintervenienten ausgewiesen war. Auf den Vortrag des Klägers, das Schreiben der Steuerberater der Beklagten laut Anl. B 7, in dem das steuerliche Ergebnis der Beteiligung des Nebenintervenienten an der Beklagten zum 02.08.2008 mitgeteilt wurde, sei erst mit Email des Streithelfers vom 09.01.2012 laut Anl. K 53 zu Herrn Kn. gelangt (Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.03.2019, S. 18, Bl. 241 d.A.), kommt es deshalb nicht an. Offensichtlich hatte der Steuerberater Kn. bereits vorher Kenntnis vom Gewinnanspruch des Nebenintervenienten.
Unerheblich ist hierbei, ob der Steuerberater Kn. wusste oder hätte wissen müssen, ob der in der Einkommensteuererklärung für 2008 angegebene Gewinn von 2.871.248,21 € richtig berechnet war und ob dieser Betrag von der Beklagten auch an den Nebenintervenienten ausbezahlt wurde. Denn streitgegenständlich kommt es nur darauf an, ob durch die gebotene Nachfrage der Generalbevollmächtigten beim Steuerberater die Generalbevollmächtigte von der Beendigung der stillen Gesellschaft im Jahr 2008 Kenntnis erlangen hätte können.
Im Übrigen hätte – wenn schon keine Nachfrage der Generalbevollmächtigten beim Steuerberater Kn. erfolgte – Veranlassung für die Generalbevollmächtigte bestanden, wenigstens beim Streithelfer nachzufragen.
Da es um die Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung des Nebenintervenienten ging, hätte Veranlassung bestanden, die sich diesbezüglich aufdrängende Frage nach der Quelle des zu versteuernden Gewinns auch dem damals noch lebenden Steuerberater als Ersteller der Einkommensteuererklärung zu stellen, oder zumindest bei dem mit der Wahrnehmung von Vermögensinteressen des Nebenintervenienten betrauten Streithelfer nachzufragen. Nachdem letzterer nach dem eigenen Vortrag des Klägers (vgl. Klageschrift, S. 14, Bl. 14 d.A.) dem Steuerberater Kn. im Jahr 2009 den Gewinn aus der stillen Beteiligung mitteilte (in welcher Form auch immer), ist nicht ersichtlich, warum er die Beendigung der stillen Beteiligung nicht auch der Generalbevollmächtigten hätte mitteilen sollen.
Auf die vom Bruder des Nebenintervenienten, Herrn G. K., erarbeitete Vermögensaufstellung laut Anl. BK 2 mit dem Stand 12.02.2009, in der die stille Beteiligung nicht auftaucht, kann sich der Kläger für eine unverschuldete Unkenntnis der Generalbevollmächtigten daher nicht berufen. Im Übrigen ist insoweit schon unklar, welche Unterlagen des Nebenintervenienten Herr G. K. zur Erstellung der Vermögensaufstellung heranzog und was sich daraus im Hinblick auf das Bestehen und die Beendigung der stillen Beteiligung entnehmen ließ. Ob Herr G. K. – wie vom Kläger vorgetragen – keine Kenntnis vom Bestehen der stillen Beteiligung hatte, spielt keine Rolle. Ausschlaggebend ist nur, ob die Generalbevollmächtigte grob fahrlässig keine Kenntnis hatte, was nach den obigen Darlegungen der Fall ist.
cc. Nach den Feststellungen des Landgerichts hätte die Generalbevollmächtigten im Jahr 2009 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erlangen müssen (vgl. S. 14 vorletzter Absatz LGU). Diese Feststellung ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Berufungsentscheidung zu Grunde zu legen, da es keine konkreten Anhaltspunkte gibt, die Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Solche Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht aus der Berufungsbegründung. Denn dort wird zwar die landgerichtliche Würdigung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung durch die Generalbevollmächtigte anlässlich der Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung des Nebenintervenienten für den Veranlagungszeitraum 2008 als grob fahrlässig angegriffen. Der vom Landgericht angenommene Zeitpunkt der dadurch bedingten Kenntniszurechnung im Jahr 2009 wird jedoch nicht bemängelt.
Auch ansonsten sind solche Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Denn der Kläger trägt selbst vor, dass der Streithelfer dem Steuerberater Kn. den Gewinnertrag aus der stillen Beteiligung in Höhe von 2.871.248,21 € im Jahr 2009 mitgeteilt hat (vgl. Klageschrift, S. 14, Bl. 14 d.A.), sodass auch dies einer Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung im Jahr 2009 nicht entgegenstehen würde.
Nach alledem begann die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB mit Ablauf des 31.12.2009 und endete grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2012.
3. Eine vom Kläger unter Berufung auf eine Fundstelle bei Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, 1989, S. 165 ff. behauptete Hemmung der Verjährung „analog § 205 BGB“ (Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.03.2019, S. 4, Bl. 227 d.A.) ist nicht eingetreten. § 205 BGB in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung setzt nach seinem Wortlaut eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger voraus, auf Grund derer der Schuldner vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Ein solches Stillhalteabkommen zwischen dem Nebenintervenienten bzw. dem Kläger und der Beklagten ist jedoch nicht ersichtlich. Andere rechtliche Hindernisse, die der Geltendmachung eines Anspruchs vorübergehend entgegenstehen, begründen anders als nach früherem Recht (§ 202 BGB a.F.), auf das sich auch die vom Klägervertreter bemühte Literaturmeinung bezieht, grundsätzlich keine Hemmung nach § 205 BGB (BGH, Urteil vom 25.01.2012 – XII ZB 605/10), Rdnr. 24). Daher führt das Bestehen einer gesellschaftsrechtlichen Durchsetzungssperre zu keiner Hemmung, ganz abgesehen davon, dass der hier relevante Anspruch auf Erteilung einer Abfindungsbilanz anders als ein Zahlungsanspruch von der Durchsetzungssperre gerade nicht erfasst ist. Warum im streitgegenständlichen Fall eine analoge Anwendung des § 205 BGB notwendig sein soll, erschließt sich nicht.
4. Die Ablaufhemmung des § 210 Abs. 1 BGB – unterstellt der Nebenintervenient war tatsächlich entsprechend seiner Behauptung von September 2008 „bis in das Jahr 2016 hinein“ (vgl. Klageschrift S. 10, Bl. 10 d.A.) durchgehend geschäftsunfähig – ändert an der Verjährung des Anspruchs auf Erteilung einer Abfindungsbilanz nichts. Selbst wenn man den zeitlich unscharfen Vortrag des Klägers zu seinen Gunsten wie das Landgericht dahingehend interpretiert, dass die behauptete Geschäftsunfähigkeit des Nebenintervenienten bis zum 31.12.2016 dauerte, hätte die sechsmonatige Ablaufhemmung des § 210 Abs. 1 BGB spätestens mit Ablauf des 30.06.2017 geendet. Die Klage ist jedoch erst am 31.07.2018 beim Landgericht eingegangen, sodass sie die auch unter Annahme einer Ablaufhemmung nach § 210 Abs. 1 BGB bereits spätestens mit Ablauf des 30.06.2017 eingetretene Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen konnte. Auf die Frage, ob aufgrund der der Ehefrau des Nebenintervenienten erteilten betreuungsersetzenden Generalvollmacht die Ablaufhemmung des § 210 Abs. 1 BGB überhaupt hätte eintreten können, kommt es daher entscheidungserheblich nicht an.
5. Mit seiner Behauptung, die Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen, „weil sie bzw. ihr früherer Geschäftsführer Dr. (…) K. mit Hilfe (des Streithelfers) die Durchsetzung der Ansprüche treuwidrig und nach Auffassung des Klägers in strafrechtlich relevanter Weise vereitelt und veruntreut“ habe, vermag der Kläger ebenfalls nicht durchzudringen (Klageschrift, S. 25, Bl. 25 d.A.).
a. Zunächst ist schon nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang die vom Kläger als Begründung für die Treuwidrigkeit angeführten Deliktstatbestände der §§ 823 Abs: 2 i.V.m. § 266 StGB und 826 BGB überhaupt mit der Verjährung des hier allein inmitten stehenden Anspruchs des Klägers auf Erteilung einer Abfindungsbilanz stehen sollen. Denn der Anspruch auf Erteilung einer Abfindungsbilanz hängt nicht davon ab, ob der Gewinnanspruch des Nebenintervenienten in der Steuererklärung der Westpark KG zur einheitlichen und gesonderten Feststellung richtig oder falsch angegeben ist. Vielmehr sollen durch die Abschlussrechnung, auf die sich der Bilanzanspruch bezieht, etwaige Zahlungsansprüche gerade erst ermittelt werden.
b. Darüber hinaus sind – wie oben unter I 2 ausgeführt – deliktische Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte nicht ersichtlich. Somit kommt schon deswegen auch die verlängerte Verjährungsfrist des § 852 S. 2 BGB nicht zum Tragen.
III.
Der Klageantrag zu 3 ist – wie das Landgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat (LGU S. 18) – aufgrund des Vorrangs der Leistungsklage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Der Kläger hätte – wie er es in der Berufung nunmehr in Form des Hilfsantrags zu 4 getan hat – Stufenklage auf Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz und Zahlung des sich hieraus ergebenden Betrages erheben müssen.
IV.
Der hilfsweise gestellte Stufenklageantrag zu 4 ist unbegründet.
1. Der in der ersten Stufe geltend gemachte Anspruch auf Erstellung einer Abfindungsbilanz ist – wie oben unter II dargelegt – bereits verjährt.
2. Der in der zweiten Stufe geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Abfindungsguthabens besteht nicht.
Ein solcher, grundsätzlich in Frage kommender Anspruch aus § 235 Abs. 1 HGB auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens des Nebenintervenienten nach Beendigung der stillen Gesellschaft wird nämlich erst nach erfolgter Gesamtabrechnung fällig (BGH, Urteil vom 06.12.2016 – II ZR 140/15, Rdnr. 16). An einer solchen Gesamtabrechnung fehlt es aber im streitgegenständlichen Fall schon deshalb, weil – unabhängig von den sonstigen an eine Gesamtabrechnung zu stellenden Anforderungen – keine der beiden überhaupt in Frage kommenden Abrechnungen, nämlich weder die „Anlage zur gesonderten und einheitlichen Feststellung 2008“ laut Anl. B 6a noch der Jahresabschluss der Beklagten für 2008 laut Anl. K 20, auf den 31.12.2008 und damit den richtigen Beendigungszeitpunkt der stillen Gesellschaft bezogen ist.
Der damit noch nicht fällige Anspruch auf Zahlung des Abfindungsguthabens kann auch in Zukunft nicht mehr fällig werden, da der Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Abfindungsbilanz – wie oben unter II ausgeführt – verjährt ist. Der Hilfszahlungsantrag zu 4 war deshalb auch nicht nur als derzeit unbegründet, sondern endgültig abzuweisen.
V.
Mit seiner Verfahrensrüge, die Entscheidung des Landgerichts sei hinsichtlich der Annahme von grob fahrlässiger Unkenntnis der Generalbevollmächtigten von der stillen Beteiligung und der deren Beendigung eine seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung, da dieser Aspekt im bisherigen Verfahren nicht thematisiert worden sei (vgl. Berufungsbegründung S. 146 und 147, Bl. 486 und 487 d.A.), bleibt der Kläger ohne Erfolg. Unabhängig davon, ob die Frage einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Generalbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 16.01.2019 ausführlich thematisiert wurde (vgl. Berufungserwiderung S. 18), hätte sich ein entgegen § 139 ZPO unterlassener Hinweis des Landgerichts jedenfalls nicht kausal ausgewirkt. Denn auch unter Berücksichtigung des in der Berufung insoweit erfolgten neuen klägerischen Sachvortrags zur Frage einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Generalbevollmächtigten (vgl. Berufungsbegründung S. 103 bis 108, Bl. 443 bis 448 d.A.) war nicht anders zu entscheiden, als es das Landgericht getan hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zur grob fahrlässigen Unkenntnis der Generalbevollmächtigten oben unter II 2 d wird insoweit Bezug genommen.
C.
I.
Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO, da der Kläger zur Gänze unterlag.
II.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
III.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr allein die Umstände des Einzelfalles.
Verkündet am 27.05.2020


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