Aktenzeichen 6 U 39/16
Leitsatz
Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs, der gegen einen Steuerberater wegen fehlerhafter Beratung geltend gemacht wird, beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB wegen grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Voraussetzungen bereits mit Kenntnis eines Steuerbescheids, aus dem hervorgeht, dass das Finanzamt die Voraussetzungen für eine Verrechnung von Verlusten nicht anerkennt (Abgrenzung zu BGH BeckRS 2014, 5162). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
73 O 2524/14 2016-06-29 Endurteil LGWUERZBURG LG Würzburg
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016, Aktenzeichen 73 O 2524/14, wird einstimmig zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.671,06 € festgesetzt.
Gründe
I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016 verwiesen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016, Az. 73 O 2524/14, verurteilt, an den Kläger einen Betrag von € 50.671,06 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
Zur Darstellung der Angriffe der Klägers im Berufungsverfahren wird vollumfänglich Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 15.10.2016 und seine Gegenerklärung vom 10.04.2017.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 29.06.2016, Aktenzeichen 73 O 2524/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Senatshinweis vom 22.02.2017 (Bl. 276 ff. d.A.) verwiesen. Die Gegenerklärung des Klägers gibt zu einer Änderung der Beurteilung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass. Zu den erhobenen Einwänden ist Folgendes auszuführen:
Zu 1a):
Eine Überraschungsentscheidung hat das Landgericht nicht getroffen. Bereits im Hinweisbeschluss vom 18.8.2015 (GA Bl. 93-95) hat das Landgericht unter Ziffer 2) dem Kläger deutlich dargelegt, dass es erhebliche Schwierigkeiten für ihn sieht, einen Beweis dahingehend zu erbringen, dass im Jahr 2002 eine steuerliche Beratung durch den Beklagten erfolgt ist. Dabei geht das Landgericht auch ausführlich auf die Benennung des Steuerberaters U. als Zeugen ein. Es wird genau dargestellt, welche „Ungereimtheiten“ insoweit bereits anhand des schriftlichen Vortrages zu erkennen sind. Das Landgericht war nicht verpflichtet, diese Hinweise nach der Zeugenvernehmung, aus der sich keine anderweitige Sachlage ergab, erneut zu erteilen. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, die Parteien fortlaufend über seine Rechtsauffassung zu informieren und ihnen die aktuelle Rechtslage zu erläutern (MüKoZPO/Fritsche, 5. Aufl. 2016, ZPO § 139 Rn. 41).
Im Übrigen hat die Berufung lediglich vorgetragen, dass nach einem Hinweis neue Beweisanträge hätten gestellt werden können. Es wird aber nicht vorgetragen, um welche Beweismittel es sich handeln soll und welches Ergebnis diese voraussichtlich gehabt hätten.
Zu 1b):
Die Ansicht der Berufung, dass das Landgericht nicht begründet habe, warum es den Ausführungen des Zeugen U. nicht folge, verfängt nicht. Im Rahmen der Beweiswürdigung, ob es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu einem Vertragsabschluss im Oktober 2002 gekommen ist, hat sich das Landgericht eingehend mit dem Inhalt der Aussage des Zeugen U. befasst (LGU S. 5-8). Zu 1c):
Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 20.2.2017 ausgeführt hat, ist eine neue Feststellung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur dann geboten, wenn die Berufung konkrete Anhaltspunkte aufzeigt, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende -Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der Beweiserhebung diese Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Berufung hat keine konkreten hinreichenden Anhaltspunkte aufgezeigt, die entsprechende Zweifel aufkommen lassen. Nach Auffassung des Senats ist es vorliegend unwahrscheinlich, dass im Falle einer erneuten Beweiserhebung die Feststellungen des Landgerichts keinen Bestand haben würden. Eine Unrichtigkeit der Feststellungen ist nicht ersichtlich.
Zu 1d):
Es werden zunächst lediglich allgemeine Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast gemacht, ohne konkret aufzuzeigen, welchen Kontext genau diese Ausführungen betreffen und inwieweit ein Fehler des Landgerichts vorgelegen haben soll. Die dort enthaltenen Ausführungen zu etwaigen Hinweis- und Beratungspflichten des Beklagten sind völlig unsubstantiiert.
Zu 2):
Aus der Tatsache, dass das Finanzamt trotz des Umstandes, dass eine gemeinsame Buchführung vorgenommen worden war, die Steuerbescheide erlassen hat, ohne dies zu monieren, ist ersichtlich, dass eine ungetrennte steuerliche Erfassung dennoch möglich war. Im Einspruchsverfahren wird mit Schreiben vom 04.03.2013 seitens des Finanzamts … erläutert, dass von der Selbstständigkeit der einzelnen Aktivität auszugehen sei, und zwar auch dann, wenn eine gemeinsame Buchführung vorhanden sei. Lediglich zur Überprüfung der Gewinnerzielungsabsicht bat das Finanzamt um die Vorlage von getrennten Gewinnermittlungen. Rein tatsächlich spricht dies gegen die Argumentation der Berufung.
Im Übrigen wurde in erster Instanz nicht vorgetragen, dass eine Trennung der Einkünfteermittlung bereits für die Steuererklärung und den Steuerbescheid notwendig gewesen ist. Vielmehr wurde vorgetragen, dass die dann vorgenommene Trennung erforderlich geworden sei, da sonst die streitgegenständlichen Einspruchsverfahren nicht hätten erledigt werden können (Bl. 59 d.A.). Der vorgenannte Vortrag ist als neues Angriffsmittel gemäß § 531 ZPO anzusehen. Die Voraussetzungen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO, dieses neue Angriffsmittel zuzulassen, sind nicht gegeben.
Des Weiteren hätte der Kläger im Rahmen des insoweit bestehenden Vertragsverhältnisses (Erstellung der jährlichen Steuererklärungen) den Beklagten auffordern können, die im Einspruchsverfahren notwendige Trennung der Buchführung durchzuführen. Der Sachvortrag des Klägers, den Beklagten insoweit aufgefordert zu haben, ist unsubstantiiert. Insbesondere wurde nicht vorgetragen, dass eine Frist zur Leistungserbringung gesetzt worden ist. Diese ist vorliegend auch nicht entbehrlich.
Es ist auch kein Schaden ersichtlich, da dem Kläger bei der Beendigung der Einspruchsverfahren bzw. für die Trennung der Buchführung und der Überschussberechnungen durch den Beklagten diese Kosten ohnehin entstanden wären.
Zu 3):
Eine unzulässige Beweisantizipation im Hinblick auf die nicht durchgeführte Vernehmung des Zeugen G. ist nicht gegeben. Von Beweisantizipation spricht man, wenn das Gericht Vermutungen über das Ergebnis eines Beweises anstellt und diesen dann gegebenenfalls wegen Überflüssigkeit nicht erhebt. Vorliegend hat dagegen das Landgericht keine Vermutungen angestellt, sondern den Sachvortrag, für den der Zeuge G. als Beweis angeboten worden war, als wahr unterstellt und in die Beweiswürdigung einbezogen.
Dem Beklagten ist es auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Verjährung zu berufen. Die Voraussetzungen für eine unzulässige Rechtsausübung liegen insoweit nicht vor. Im Verjährungsrecht ist bei der Anwendung des § 242 BGB ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW 88, 2247).
Der Zweck der Verjährungsregelung gebietet es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) durchgreifen zu lassen, etwa wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen sein (BGH Urteil vom 1. Oktober 1987 – IX ZR 202/86). Vorliegend hat der Beklagte – soweit man dies als wahr unterstellt – lediglich erklärt, dass seiner Meinung nach die Rechtsauffassung des Finanzamts … unrichtig sei. Daher hat der Beklagte dann auch Einsprüche gegen die Steuerbescheide eingelegt. Dies rechtfertigt das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung nicht. Die von der Berufung genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 14. November 2013 – IX ZR 215/12 -, juris) ist nicht einschlägig, da im dortigen Verfahren der Steuerberater gerade keinen Einspruch eingelegt und den Anschein erweckt hatte, der Steuerbescheid sei nicht in Bestandskraft erwachsen. Dies ist mit dem hiesigen Sachverhalt nicht zu vergleichen.
Im Hinblick auf die grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers über die anspruchsbegründenden Umstände seines Schadensersatzanspruchs wird auf den Senatshinweis und die Entscheidungsgründe des Landgerichts, die sich der Senat zu eigen gemacht hat, verwiesen. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 06. Februar 2014 – IX ZR 245/12 -, BGHZ 200, 172-179) die die Berufung in diesem Kontext zitiert, hatte sich der Kläger schon im laufenden Einspruchsverfahren anwaltlicher Hilfe und Beratung bedient. Außerdem hat ihm das Finanzamt bereits mit Schreiben vom 07.08.2009 mitgeteilt, dass es die Voraussetzungen für die Verlustabrechnung nicht als erfüllt ansieht. Der Lebenssachverhalt ist daher nicht vergleichbar.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Hinsichtlich der Streitwertbemessung für die Berufungsinstanz wird auf Punkt III der Gründe des Hinweisbeschlusses verwiesen.