Handels- und Gesellschaftsrecht

Widerrufsrecht bei einem Vertragsschluss im Wohnhaus

Aktenzeichen  28 U 7186/20 Bau

Datum:
24.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7400
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 312g Abs. 1, § 355

 

Leitsatz

Der Telos des § 312g BGB hat sich im Vergleich zu der früheren Regelung des Haustürwiderufsgesetzes gewandelt. Bei einem Vertragsschluss im Wohnhaus ist von einem gemäß § 312g Abs. 1 BGB widerruflichen Geschäft auszugehen. (Rn. 6 und 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

28 U 7186/20 Bau 2021-02-22 Vfg OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 12.11.2020, Aktenzeichen 5 O 172/20 Bau, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.925,07 € festgesetzt.

Gründe

I.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V.m. § 313a ZPO entsprechend abgesehen.
II.
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 12.11.2020, Aktenzeichen 5 O 172/20 Bau, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Im Hinblick auf die Gegenerklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 22.03.2021 ist Folgendes ergänzend auszuführen:
Der Kläger kann gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB die geleistete Anzahlung über etwa 15.000 Euro zurückfordern; die Beklagte hat keine Restwerklohnansprüche, da der zu Grunde liegende Werkvertrag wirksam widerrufen wurde:
1. Der Senat hat in seinem Hinweis deutlich gemacht, warum zwingend von einem Vertragsschluss im Wohnhaus – d. h. einem gemäß § 312g Abs. 1 BGB widerruflichen Geschäft – auszugehen ist (unter anderem durch Formulierung Angebot und der tatsächlichen beiderseitigen Unterschriftsleistung u.s.w.).
Berücksichtigt man ferner den Umstand, dass an diesem Tag das Aufmaß genommen wurde, Änderungen handschriftlich im Vertrag eingefügt wurde, stellt sich der Gegenvortrag als pauschal und damit nicht von Relevanz dar; das Beweisangebot dient allein der Ausforschung. Die Beklagte verkennt, dass für die rechtliche Einschätzung des Erstgerichts bereits der Sachstand ausreichend war und der Senat teilt diese Schlussfolgerungen.
Was die Beklagte meint, wenn auf die „Übergabe eines gegengezeichneten Angebots“ abgestellt wird, bleibt unklar und ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte stellt bei der rechtlichen Bewertung offensichtlich auf einen abweichenden Sachverhalt ab und verkennt, dass aufgrund der Beurkundungsfunktion des Tatbestands (§ 314 ZPO) der Sachstand im Ersturteil für die Bewertung maßgeblich ist. Dieser widerspricht aber der Darstellung der Beklagten in der Gegenerklärung. Da es die Beklagte aber – warum auch immer – unterlassen hat, Berichtigungsanträge zu stellen, ist ihr Vorbringen insoweit unbeachtlich.
2. Der Senat hat detailliert begründet, dass der Telos des § 312g BGB sich im Vergleich zu der früheren Regelung des Haustürwiderufsgesetzes gewandelt hat.
Dem hält die Beklagte entgegen, „Schutzzweck des § 312b BGB ist und bleibt dennoch der Überrumpelungsschutz“. Dass dies keine beachtliche Gegenerklärung darstellt, muss nicht weiter kommentiert werden.
3. Die Ausführungen in der Gegenerklärung zum geheilten Geschäft verfangen nicht.
Der Senat hat deutlich gemacht, dass der Verbraucherschutz vom Gesetzgeber mit einem Umgehungsverbot gestärkt wurde und dass von diesen Vorschriften nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf. Der Gesetzgeber hat den Unternehmer, der die gesetzlichen Vorgaben des Verbraucherschutzes nicht entspricht, sanktioniert und dem Verbraucher über einen erheblichen Zeitraum Lösungsrechte zugebilligt.
Es ist daher unverständlich, warum in der Gegenerklärung eine Parallele zu einem schwebend unwirksamen Vertrag gezogen wird; der Umstand der Widerruflichkeit macht einen Vertrag nicht zu einem schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft. Der Verweis auf die Vertragsfreiheit ist unbehelflich, da nach dem gesetzlichen Zweck von Schutzvorschriften diese unabdingbar sind.
4. Soweit die Beklagte an dieser Stelle schließlich abstrakte Billigkeitserwägungen in Richtung der angeblich überlangen Frist anstellt, steht das im Widerspruch zu den Vorgaben des Gesetzes.
Nach Absatz 3 S. 1 des § 356 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher belehrt hat und nach S. 2 erlischt das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt. Die Frist des S. 2 ist demnach – so auch die einschlägige Kommentierung – eine gesetzliche Höchstfrist. Die Gegenerklärung geht daher an dieser Stelle ins Leere.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erging gemäß § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO bestimmt.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die von der Beklagten beantragte Zulassung der Revision gegen diesen Beschluss kommt im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO schon deshalb nicht Betracht, da für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO gegeben wären, eine mündliche Verhandlung geboten und vom Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand zu nehmen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall sein könnte, ergeben sich im vorliegenden Fall aber weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus den Umständen. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die vorliegenden Rechtsfragen bisher nicht vom Bundesgerichtshof beantwortet worden sein sollten, folgte hieraus keine grundsätzliche Bedeutung.


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