Handels- und Gesellschaftsrecht

Wirksamkeit einer Vertragsübernahme

Aktenzeichen  10 O 7466/18

Datum:
11.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53375
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 87, § 172, § 339

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 O 7466/18 2018-10-18 Versäumnisurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 18.10.2018 vom wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 18.10.2018 darf nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 79.000,00 € fortgesetzt werden.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 65.797,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zulässig.
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Der Einspruch erfolgte fristgerecht gemäß § 339 ZPO. Für den Fristbeginn ist die Zustellung an die Prozesbevollmächtigten der Beklagten maßgeblich, § 172 ZPO.
Die Zustellung hat gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigen zu erfolgen. Für die Bestellung in diesem Sinne genügt die Angabe eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigter im Rubrum der Klage (BGH, Urteil vom 06.04.2011 – VIII ZR 22/10). Die Zustellung war deshalb vorliegend an die in der Klageschrift angegebene Kanzlei … vorzunehmen. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung ist das Bestehen der Prozessvollmacht. Die der Email vom 24.02.2016 beigefügte Vollmacht umfasst auch die Führung des gerichtlichen Verfahrens und insbesondere die Entgegennahme von Zustellungen. Die Prozessvollmacht erlischt gemäß § 87 ZPO dem Gegner gegenüber erst durch die Anzeige des Erlöschens, im Anwaltsprozess erst durch die Bestellung eines anderen Anwalts. Eine Anzeige des Erlöschens ist vor der Zustellung nicht erfolgt, so dass eine wirksame Zustellung erfolgt ist.
II.
1. Das Landgericht München I ist örtlich zuständig aufgrund der wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung in der Kooperationsvereinbarung vom 01.08.2012.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freigabe des hinterlegten Betrags. Der Auszahlungsanspruch steht dem Kläger zu, da die Schuldnerin einen entsprechenden Zahlungsanspruch gegen den Hinterleger aus dem Streitfinanzierungsvertrag vom 30.07./01.08.2012 hatte.
a) Die Schuldnerin ist Vertragspartner des Streitfinanzierungsvertrags mit dem Hinterleger … geworden durch Übernahme des Vertrags von der Beklagten. Dies ist formfrei möglich.
Die Einwilligung wurde durch den Hinterleger und die Beklagte bereits im Streitfinanzierungsvertrag vom 30.07./01.08.2012 ausdrücklich erklärt. Zudem hat die Prozessbevollmächtigte des Hinterlegers ihre Rechnungen dann auch an die Schuldnerin adressiert (Anlagen K 11, K 12).
Auch aus weiteren Umständen ergibt sich, dass der Wille der Beklagten dahin ging, dass die Schuldnerin den Streitfinanzierungsvertrag nach Gründung übernehmen sollte. Der Kooperationsvertrag sowohl vom 01.08.2012 als auch vom 20.12.2013 sieht eine klare Aufgabenteilung zwischen den Vertragsparteien vor. Insofern sind an die Annahme einer konkludenten Vertragsübernahme keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für die Annahme von konkludenten Erklärungen jedenfalls vor. Die beabsichtigte Kooperation zwischen den Parteien wurde auch hinsichtlich des Finanzierungsvertrags mit dem Hinterleger … gelebt. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb gerade hinsichtlich dieses Vertrags anders hätte verfahren werden sollen. So ergibt sich beispielsweise auch aus der Stellung der Rechnung vom 21.09.2012 betreffend die Vorabvergütung für die Akquisition des Kunden … (Anlage K 9), dass die Beklagte davon ausgeht, dass die Streitfinanzierung des Kunden … entsprechend den Vereinbarungen im Kooperationsvertrag gehandhabt werden soll, also die Schuldnerin die Rolle des Prozessfinanzierers übernehmen soll. Selbiges gilt für die Zahlungsaufforderungen des Directors der Beklagten an den Geschäftsführer der Komplementärin der Schuldnerin.
Die Einwilligung der Schuldnerin erfolgte konkludent, indem sie die Zahlung der Rechnungen veranlasste. Insoweit ist es auch unschädlich, dass die Zahlungen kurz nach der Gründung zunächst noch von einem Anderkonto des Geschäftsführers Keller erfolgten. Dass dieser Partei des Streitfinanzierungsvertrags werden würde stand zwischen den Parteien nicht zur Diskussion.
Dass der Vertrag nicht in der in der Anlage B 3 vorgelegten Liste enthalten ist, kann nicht dahingehend verstanden werden, dass sich die Schuldnerin nicht als Vertragspartner verstanden hat. Die Formulierung „hier vorliegenden Streitfinanzierungsverträgen“ spricht dafür, dass die tatsächlich vorhandenen Vertragsurkunden gemeint waren. Der nachfolgende Satz spricht wieder dafür, dass im Ergebnis die Schuldnerin Vertragspartner aller Streitfinanzierungsverträge werden sollte. Dafür spricht auch die als Anlage B 2 vorgelegte Email. Einer schriftlichen Umschreibung oder Überleitungsklausel bedarf es für die Wirksamkeit der Vertragsübernahme nicht zwingend nicht.
b) Der Zahlungsanspruch stand der Schuldnerin in voller Höhe gegen den Hinterleger zu, nicht nur zu 50 %. Nur die Schuldnerin ist Vertragspartnerin des Hinterlegers und nur dieser steht deshalb der Zahlungsanspruch zu.
Dagegen betrifft die Vereinbarung in § 3 (2) a.E. des Kooperationsvertrags vom 20.12.2013 das Verhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten. Dass der Erlös von der mandatierten Kanzlei verteilt werden soll, ist insoweit lediglich eine Vereinbarung über die Abwicklung. Eine Verweigerung der Erfüllung des Kooperationsvertrags durch den Insolvenzverwalter liegt nicht vor.
c) Erhebliche Einwendungen gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Hinterlegung hat die Beklagte nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Insoweit kann vielmehr auf das von der Beklagten selbst vorgelegte Urteil des Landgerichts Augsburg (Anlage K 25) Bezug genommen werden.
3. Zinsen waren gemäß §§ 291, 288 BGB ab Rechtshängigkeit zuzusprechen. Diese trat mit Zustellung an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 20.06.2018 ein.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
3. Der Streitwert war entspr. § 3 ZPO festzusetzen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben