Handels- und Gesellschaftsrecht

Zwangsvollstreckung eines Anspruchs auf Erstellen einer Jahresabrechnung

Aktenzeichen  485 C 30519/14

Datum:
1.6.2016
Fundstelle:
ZWE – 2017, 291
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 887
WEG WEG § 21, § 28

 

Leitsatz

1 Der Anspruch auf Erstellen einer Jahresabrechnung wird nach § 887 ZPO vollstreckt. Die Erstellung der Jahresabrechnung ist keine höchstpersönliche Leistung, jedenfalls für den erst nach Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres bestellten Verwalter. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist die Jahresabrechnung formal korrekt, kann ein Wohnungseigentümer von dem Verwalter erst dann eine erneute Aufstellung oder Berichtigung der Abrechnung verlangen, wenn diese in der Eigentümerversammlung abgelehnt oder ein die Abrechnung bestätigender Eigentümerbeschluss rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung für ein Wirtschaftsjahr umfasst nicht auch die Pflicht, Zuführungen und Entnahmen der Instandhaltungsrücklage aus früheren Wirtschaftsjahren nachzuvollziehen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag der Gläubiger … und … vom 30.10.2015 auf Ermächtigung, anstelle und auf Kosten der Schuldnerin … die Jahresgesamtabrechnung mit den daraus abgeleiteten Jahreseinzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2010 vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 der Wohnungseigentümergemeinschaft J. Straße 64 bis 68, F. Straße 17/19, München, aufstellen zu lassen und die Beklage zur Zahlung eines Vorschusses von € 4.000 zu verurteilen, wird zurückgewiesen.
2. Die Gläubiger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Die Beklagte hat den titulierten Anspruch auf Erstellen der Jahresabrechnung 2010 erfüllt.
Vor Erlass des Beschlusses wurde die Schuldnerpartei gemäß § 891 S. 2 ZPO gehört.
Die Schuldnerin … wurde gemäß rechtskräftigem Endurteil zu einer Handlung (Erstellen u.a. der Jahresabrechnung 2010) verpflichtet, die auch durch einen Dritten vorgenommen werden kann.
Das Gericht schließt sich der Auffassung an, wonach der Anspruch auf Erstellen einer Jahresabrechnung nach § 887 ZPO vollstreckt wird (Niedenführ in Kümmel/Niedenführ/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 148 m.w.N.). Die Erstellung der Jahresabrechnung ist keine höchstpersönliche Leistung, sondern jedem möglich, der über die nötigen Kenntnisse, die Gemeinschaftsordnung und die Zahlungsbelege verfügt. Diese Auffassung wird dadurch gestützt, dass auch bei einem Verwalterwechsel während des Wirtschaftsjahres der neue Verwalter die Jahresabrechnung erstellen muss. Daraus folgt, dass die Erstellung der Jahresabrechnung keine höchstpersönliche Leistung ist (Niedenführ, a.a.O.).
Der Einwand der Schuldnerin, sie habe den titulierten Anspruch der Gläubiger auf Erstellen der Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2010 bereits erfüllt, ist im Ermächtigungsverfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen (Zöller/Stöber, § 887 ZPO, Rz. 7 m.w.N.).
Eine Jahresabrechnung dient zum einen der Kontrolle darüber, wie der Verwalter die gemeinschaftlichen Gelder verwendet hat, zum anderen der Information der Eigentümer. Die Abrechnung soll den Wohnungseigentümern aufzeigen, welche Ausgaben und welche Einnahmen die Wohnungseigentümergemeinschaft im Abrechnungszeitraum wirklich hatte. Darüberhinaus werden in der Gesamtjahresabrechnung die Ausgaben und Einnahmen verbindlich festgestellt. Zur Information der Eigentümer werden außerdem hinaus die Konten- und Vermögensentwicklung einschließlich der tatsächlichen Zuführung zur Instandhaltungsrücklage dargestellt. Aus der Gesamtjahresabrechnung sind die Einzelabrechnungen abzuleiten, in denen dann verbindlich festgelegt wird, welche Beträge an die einzelnen Wohnungseigentümer zurückzuzahlen oder von diesen nachzuzahlen sind (Spielbauer in Spielbauer/Then, § 28 WEG Rz. 31 m.w.N.).
Der Anspruch auf Erstellen der Jahresabrechnung ist erfüllt, wenn die Abrechnung den formalen Erfordernissen entspricht, d.h. wenn sie geordnet und übersichtlich Angaben über Einnahmen, Ausgaben, Rücklagen und Bankkonten macht und inhaltlich korrekt ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann ein Wohnungseigentümer von dem Verwalter erst dann erneute Aufstellung oder Berichtigung der Abrechnung verlangen, wenn die Abrechnung in der Eigentümerversammlung abgelehnt oder ein die Abrechnung bestätigender Eigentümerbeschluss rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist (vgl. Bärmann/Becker, § 28 WEG Rz. 108 m.w.N.).
Die Schuldnerin … hat diese geschuldete Handlung erbracht, indem sie die Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 2010 (Anl. Ast 2sowie AG 1) erstellt hat, die den vorgenannten Anforderungen genügt. Die Wohnungseigentümer haben über diese Abrechnung bislang noch nicht beschlossen.
Soweit die Gläubiger darauf hingewiesen haben, dass die von der Schuldnerin vorgelegte Jahresabrechnung 2010 Mängel aufweist, die einer vollständigen Erfüllung der Verpflichtung der Schuldnerin aus dem Urteil vom 09.09.2015 bzgl. der Jahresabrechnung 2010 entgegenstehen, überzeugt dies nicht.
Die Gläubiger berufen sich diesbezüglich zum einen darauf, dass eine vollständige Überprüfung der vorgelegten Jahresabrechnung 2010 nicht möglich sei, da nicht alle Belege für sämtliche im Wirtschaftsjahr 2010 vorgenommenen Abbuchungen vorliegen würden. Dies steht einer Erfüllung des titulierten Anspruch nicht entgegen. Zum einen ist der titulierte Anspruch nur auf das Erstellen einer den oben genannten Anforderungen entsprechenden Jahresabrechnung gerichtet und nicht auf die Vorlage der Belege für sämtliche vorgenommenen Buchungen. Dies ist vielmehr Teil der Rechnungslegungspflicht. (Bärmann/Becker, § 28 WEG Rz. 189). Zum anderen war die Beklagte im Wirtschaftsjahr 2010 noch gar nicht als Verwalterin der streitgegenständlichen WEG eingesetzt, sie nahm ihre Tätigkeit erst am 01.11.2011 auf. Fehlende Belege sind der Beklagtenpartei auch deswegen nicht anzulasten. Die Rechnungslegungspflicht trifft den ausgeschiedenen Verwalter auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens (Bärmann/Becker, a.a.O. Rz. 112).
Weiter bemängeln die Gläubiger, dass die Beklagtenpartei den Anfangsbestand der Instandhaltungsrücklage als Gesamtbetrag angibt und diese nicht in eine Instandhaltungsrücklage „Wohnungen“ und eine Instandhaltungsrücklage „Stellplätze“ aufsplittet. Die Gläubiger sind insoweit der Auffassung, dass die Schuldnerin es als Teil der Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung 2010 auch schuldet, zumindest die Belege aus dem Wirtschaftsjahr 2009 nachzuvollziehen und so die korrekten Anfangsbestände der getrennten Instandhaltungsrücklagen zu ermitteln.
Das Gericht schließt sich dieser Auffassung nicht an.
Es ist zwar der Meinung, dass vorliegend trotz mangelnder ausdrücklicher Regelung in der Gemeinschaftsordnung getrennte Instandhaltungsrückstellungen zu führen sind. Wenn eine Gemeinschaftsordnung nämlich, wie hier, bestimmt, dass die jeweiligen Kosten der Häuser (bzw. hier Häuser und Tiefgarage) getrennt zu tragen sind, ist sie regelmäßig dahingehend auszulegen, dass getrennte Instandhaltungsrücklagen zu führen sind (Spielbauer in Spielbauer/Then, § 21 WEG, Rz. 60 m.w.N.).
Die Antragsgegnerin hat in der Anlage zur Jahresabrechnung 2010 (Anl. AG 1), auf die in der Abrechnung ausdrücklich verwiesen wird, differenzierte Angaben zur Rücklagenentwicklung für das Wirtschaftsjahr 2010 gemacht („Rücklage gesamt“, „Rücklagenentwicklung nach qm Wfl“, „Rücklagenentwicklung nach Anz. Stellplätze“). Die Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2010 umfasst nach Auffassung des Gerichts nicht auch die Pflicht, ausgehend von einem früheren Stand der Rücklage (hier etwa dem Stand zum 31.12.2008) die Zuführungen zur und Entnahmen aus der Rücklage für Wirtschaftsjahre „nachzuvollziehen“, in denen sie noch nicht als Verwalterin tätig war und für die sie auch nicht das Erstellen der Jahresabrechnung schuldet. Die entsprechenden Berechnungen (Ermittlung der beabsichtigten Zuführungen zu den IHR „Häuser“ und „TG“, Abziehen der Rücklagenanteile der tatsächlich nicht geleisteten Hausgeldvorauszahlungen, Ermittlung der tatsächlichen Zuführung zu den beiden Instandhaltungsrücklagen) waren vielmehr die Aufgabe der für die jeweilige Jahresabrechnung zuständigen Vorgängerverwaltung. Die Beklagte schuldet diese Berechnungen bzgl. der Vorjahre nach Auffassung des Gerichts ebensowenig wie das Erstellen der entsprechenden Jahresabrechnungen, sie sind nicht von dem titulierten Anspruch auf Erstellen der Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2010 umfasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO.


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