Insolvenzrecht

Fachanwalt für Insolvenzrecht – Außergerichtliche Schuldenbereinigung als Ersetzungsverfahren

Aktenzeichen  BayAGH III – 4 – 13/17

Datum:
2.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BRAK-Mitt – 2018, 307
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FAO § 5 Abs. 1 lit. g S. 1 Nr. 3, § 14

 

Leitsatz

Vertretung des Schuldners im Insolvenzverfahren gemäß § 5 Abs. 1 lit. g S. 1 Nr. 3 FAO ist nur die gegenüber dem Gericht angezeigte Vertretung des Schuldners im eröffneten Verfahren. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Sie ist als Verpflichtungsklage i.S.d. §§ 112 c BRAO, 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden (§ 112 c BRAO i.V.m. § 74 Abs. 2, § 75 VwGO).
Ein Vorverfahren war nicht erforderlich, § 15 BayAGVwGO.
II.
Die Klage hat allerdings in der Sache keinen Erfolg und ist als unbegründet abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis, die Bezeichnung „Fachanwalt für Insolvenzrecht“ zu führen, da ihm der Nachweis der hierfür erforderlichen besonderen praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Insolvenzrechts nicht gelungen ist.
a) Für diesen Nachweis ist gemäß § 5 Abs. 1 lit. g Ziffer 1 FAO a.F., § 16 Abs. 1 FAO erforderlich, dass der Bewerber innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Antragstellung als Rechtsanwalt mindestens 5 eröffnete Verfahren aus dem ersten bis sechsten Teil der InsO als Insolvenzverwalter persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat, wobei der Schuldner in zwei Verfahren bei Eröffnung mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt haben muss. Dies ist unstreitig vorliegend beim Kläger weder für den Referenzzeitraum vom 22. April 2012 bis zum 22. Juni 2015 noch für einen späteren Referenzzeitraum der Fall.
b) Auch der Nachweis von Ersetzungsverfahren nach § 5 Abs. 1 lit. g Ziffer 3 FAO a.F. gelingt dem Kläger nicht.
aa) Nach dieser Vorschrift können die „in Nr. 1 bezeichneten Verfahren“, d.h. eröffnete Verfahren aus dem ersten bis sechsten Teil der InsO durch den Nachweis von insgesamt 12 „Verfahren … als Vertreter des Schuldners in der Verbraucherinsolvenz“ ersetzt werden.
bb) Dass die Beklagte als Verfahren im Sinne dieser Bestimmung nur Verfahren akzeptieren will, in denen der Kläger einen Schuldner in einem bereits eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren gegenüber einem Gericht vertritt, begegnet entgegen der Ansicht des Klägers keinen Bedenken.
(1) Schon der Wortlaut von § 5 Abs. 1 lit. g Ziffer 3 a FAO a.F., der eine Tätigkeit in einem „Verfahren“ als „Vertreter des Schuldners in der Verbraucherinsolvenz“ fordert, weist darauf hin, dass eine Tätigkeit in einem Gerichtsverfahren erforderlich ist. Denn die Bearbeitung eines „Falles“ genügt gerade nicht.
Auch wird im Eingangssatz von § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 3 FAO ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dieser Vorschrift die Ersetzung der „in Nr. 1 bezeichneten Verfahren“ geregelt wird und der Begriff „Verfahren“ in § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 3 a FAO in gleicher Weise verwendet. Verfahren nach § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 1 FAO aber sind ausschließlich „eröffnete Verfahren“. Dies bestätigt, dass bereits nach dem Wortlaut und Regelungszusammenhang der Vorschrift eine Ersetzung nur durch Verfahren gelingen kann, die bei einem Gericht anhängig sind.
Gleiches gilt bei Betrachtung der sonstigen möglichen Ersetzungsverfahren des § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 3 a FAO. Dies sind „Verfahren als Sachwalter nach § 270 InsO“ oder „als vorläufiger Insolvenzverwalter“, mithin (ebenfalls) Verfahren, die bereits vor dem Insolvenzgericht betrieben werden.
(2) Die von § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 3 a FAO geforderte „Vertretung“ des Schuldners in solchen bei Gericht anhängigen Verfahren stellt sich zwanglos als Vertretung des Schuldners gegenüber dem Gericht dar. Auch ist wegen der angestrebten Ersetzung der Tätigkeit als Insolvenzverwalter, § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 1 FAO, eine Vergleichbarkeit der ersetzenden Tätigkeit mit der bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens zu leistenden Arbeit erforderlich.
Damit genügt für die Bejahung einer „Vertretung“ des Schuldners offensichtlich nicht jede Tätigkeit für den Schuldner während eines laufenden Verfahrens, insbesondere nicht bereits ein „Betreiben der Geschäfte“ im Hintergrund, die außergerichtliche Korrespondenz oder die bloße Mandatierung durch den Schuldner. Vielmehr ist ein Auftreten für ihn gegenüber dem Insolvenzgericht erforderlich.
Dieses Ergebnis wird durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 16. April 2007, AnwZ (B) 31/06, NJW 2007, 2125) zum „Verwalter hinter dem Verwalter“ bestätigt, wonach eine Tätigkeit, mit der nach außen keine Verantwortung übernommen wird, nicht zum Nachweis der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 1 FAO geeignet ist. Gleiches muss hinsichtlich § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 3 FAO gelten, weshalb nur die nach außen hin wirkende Übernahme der Verantwortung für das eröffnete Verfahren, d.h. die gegenüber dem Gericht angezeigte Vertretung des Schuldners im eröffneten Verfahren den Erfordernissen des § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 3 FAO genügt, nicht aber ein Tätigwerden nur im Hintergrund bzw. nur gegenüber nicht am eröffneten Verfahren Beteiligten.
cc) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes stellen nur die von der Beklagten akzeptierten Verfahren A 4, A 5 und A 8 Ersetzungsfälle im Sinn des § 5 Abs. 1 lit. g Ziffer 3 FAO dar. In den Fällen A 1, A 2, A 7, A 9, A 10, A 11, A 13, A 16 und A 17 mag der Kläger die Schuldner jeweils beratend begleitet haben, eine Vertretung im Sinne einer Wahrnehmung der Interessen des Schuldner in dem Verbraucherinsolvenzverfahren gegenüber dem Gericht hat der Kläger schon nicht behauptet und geht aus den Unterlagen auch nicht hervor. Soweit der Kläger es in der mündlichen Verhandlung für möglich gehalten hat, dass er in diesen Fällen – anders als bisher dargestellt – auch gegenüber dem Gericht tätig geworden ist, hat er ausgeschlossen, dass dies in sämtlichen neun Fällen geschehen ist, weshalb die erforderlichen zwölf Ersetzungsfälle nach wie vor unzweifelhaft nicht vorliegen.
Eine Berücksichtigung der Fälle A 3, A 6, A 12, A 14, A 15, A 18, A 19 und A 20 scheidet zusätzlich mangels Tätigwerden des Klägers in einem „eröffneten Verfahren“ aus.
c) Die Gewährung einer Schriftsatzfrist zur Frage der Tätigkeit des Klägers gegenüber Dritten in den Fällen A 1, A 2, A 7, A 9, A 10, A 11, A 13, A 16 und A 17 war nicht veranlasst, da entsprechender Vortrag nach Vorstehendem nicht entscheidungserheblich ist.
d) Darauf, ob der Kläger die nach § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 2 und 4 FAO weiter erforderlichen Fälle nachweisen konnte, kommt es nach allem ebenfalls nicht an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 GKG. Auf den Beschluss vom 5. Oktober 2017 wird Bezug genommen.
Die Berufung war nicht nach § 124 VwGO, 112 c Abs. 1 BRAO zuzulassen. Weder weist die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Die Auslegung der fraglichen Satzungsbestimmung hat ein eindeutiges Ergebnis. Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Satz 4 VwGO liegt nicht vor.


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