Insolvenzrecht

Haftbefehl, Versicherung, Erinnerung, Abgabe, Schuldner, Abnahme, Nachbesserung, Anspruch, Freiheitsentziehung, Vorsatz, Erwerb, Fragerecht, Einlassung, Teilnahme, eidesstattlichen Versicherung

Aktenzeichen  1507 M 9337/21

Datum:
16.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3484
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Erinnerung des Gläubigers … vom 15.10.2021 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Erinnerung ist unbegründet.
Der Gläubiger beantragt auszusprechen, dass die Gerichtsvollzieherin den Vollstreckungsauftrag vom 12.09.2021 ordnungsgemäß auszuführen habe, indem sie den Schuldner erneut zur Abgabe der des Vermögensverzeichnisses vorlädt (Nachbesserung) und dabei dem Gläubiger das Anwesenheits- und Fragerecht verschaffe.
Nachdem der Schuldner zu einem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erschienen war, erging mit Datum vom 15.02.2021 Haftbefehl gegen den Schuldner vom Amtsgericht Wolfratshausen, Geschäftszeichen 1 M 284/21.
Der Gläubiger gibt an, dass der Schuldner immer wieder untertauche, und schon mehrfach Scheinwohnsitze errichtet habe. Nach umfangreicher Recherche habe der Gläubiger ermittelt, dass der Schuldner seit einigen Monaten als Jurist in der Rechtsanwaltskanzlei … tätig sei. Der Gläubiger beantragte deshalb bei der zuständigen Gerichtsvollzieherin die Durchführung der Abnahme der Vermögensauskunft bzw. bei Verweigerung der Abgabe der Vermögensauskunft durch den Schuldner dessen Verhaftung.
Diese Vollstreckungsmaßnahme fand am 27.9.2021 um 17:00 Uhr statt, der Schuldner wurde in der Kanzlei … in der … angetroffen. Während der Maßnahme waren sowohl zwei Polizeibeamte der PI … als auch der Gläubiger anwesend.
Eine Nachbesserung des vorgelegten Vermögensverzeichnisses ist jedoch nicht angezeigt. Das Vermögensverzeichnis ist vollständig. Die gegenwärtigen Gegebenheiten und Vermögensverhältnisse wurden festgestellt und im Vermögensverzeichnis aufgenommen. Auch der Umfang der Tätigkeiten des Schuldners für Rechtsanwalt S. wurden im Vermögensverzeichnis aufgenommen. Wenn der Gläubiger glaubt, dass der Schuldner weitaus mehr für den Rechtsanwalt … arbeitet als er im Vermögensverzeichnis angegeben hat, ist dies kein Grund für eine Nachbesserung. Ebenso wurde im Vermögensverzeichnis aufgenommen, welche Fahrzeuge sich im Eigentum des Schuldners befinden. Zudem wurden Angaben über Eigentum oder Besitz eines Jaguar Landrover oder eines Mercedes mit dem amtlichen Kennzeichen … getätigt. Der Schuldner gab diesbezüglich an, niemals Eigentümer oder Besitzer eines solchen Fahrzeugs gewesen zu sein. Ob diese oder die anderen Angaben der Wahrheit entsprechen, kann das Vermögensverzeichnis selbst nicht aussagen.
Der Gläubiger kann dann die Nachbesserung einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, wenn er glaubhaft macht, dass der Schuldner versehentlich unzutreffende Angaben im Vermögensverzeichnis gemacht hat. Der Gläubiger kann in einem solchen Fall nicht darauf verwiesen werden, vom Schuldner die nochmalige Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu fordern (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – I ZB 50/10 (LG Leipzig) in NJW RR 2011, 667). Versehentlich unzutreffende Angaben des Schuldners ergeben sich jedoch aus dem Vermögensverzeichnis nicht, insbesondere ist dies in sich nicht widersprüchlich. Die Einlassung des Gläubigers, das für den Anspruch des Gläubigers auf Nachbesserung oder erneute Abgabe der Vermögensauskunft es ohne Belang sei, ob der Schuldner dabei versehentlich oder mit Vorsatz unzutreffende Angaben gemacht habe, verkennt das Wesen und den Inhalt der Vermögensauskunft.
Nur wenn sich aus dem Vermögensverzeichnis selbst ergibt, dass die Vermögensauskunft des Schuldners unvollständig, ungenau oder widersprüchlich ist, ergibt sich eine Verpflichtung des Schuldners zur Nachbesserung seiner Vermögensauskunft. Zudem ergibt sich eine solche Verpflichtung, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat. Bei klaren Aussagen des Schuldners, wie hier hinsichtlich der Angaben zum Umfang der Tätigkeit des Schuldners für den Rechtsanwalt … oder dazu, dass die oben genannten Fahrzeuge nie in seinem Besitz oder in seinem Eigentum gestanden haben, handelt es sich weder um eine unvollständige, ungenaue oder widersprüchliche Angabe, noch ist diese Angabe als versehentlich unvollständig zu qualifizieren. Hierbei handelt es sich um eine Angabe von Tatsachen, die wahr oder falsch sein können. Hierüber trifft das Vermögensverzeichnis offensichtlich keine Angaben.
Ein Schuldner ist jedoch nach ganz überwiegender Ansicht zur wiederholten Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Schuldner bei der früheren Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorhandenes Vermögen verschwiegen hat. Das Verschweigen vorhandenen Vermögens steht danach dem Erwerb neuen Vermögens gleich und hat zur Folge, dass nicht nur das bestehende Verzeichnis um die fehlenden Angaben zu ergänzen, sondern das gesamte Vermögen erneut zu offenbaren ist (OLG Köln, MDR 1975, 498; Musielak/Voit, ZPO, 7. Aufl., § 903 Rdnr. 8 m.w.Nachw.; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 903 Rdnr. 7; Prütting/Olzen, ZPO, 2. Aufl., § 903 Rdnr. 16; Eickmann, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl., § 903 Rdnr. 10; vgl. auch KG, OLGZ 1991, 108 = MDR 1990, 1124; a.A. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 903 Rdnr. 7), (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – I ZB 50/10 (LG Leipzig) in NJW RR 2011, 667). Die wiederholte Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als Ganzes ist hier auch nicht auszusprechen, da keine Anhaltspunkte nahelegen, dass der Schuldner bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorhandenes Vermögen verschwiegen hat. Zwar ergibt sich aus den Recherchen des Gläubigers und der Gerichtsvollzieherin zu den Fahrzeugen Jaguar Landrover und Mercedes mit dem amtlichen Kennzeichen … dass auf den Schuldner wohl im Jahr 2016 solche Fahrzeuge zugelassen waren. Da dies bereits über fünf Jahre zurückliegt, kann alleine daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass der Schuldner aktuell vorhandenes Vermögen verheimlicht.
Der Gläubiger wendet weiter ein, dass die Abgabe der Vermögensauskunft zu wiederholen sei, da sie unvollständig sei hinsichtlich der Angaben der Kontonummern der Girokonten des Schuldners bei Banken in Osterreich und der Schweiz, bei denen der Schuldner angab Konten gehabt zu haben. Es ist grundsätzlich zutreffend, dass der Schuldner im Rahmen seiner Vermögensauskunft auch die Kontonummern sämtlicher seiner Konten anzugeben hat, vgl. Musielak/Voit ZPO 18. Auflage 2021, Rz. 13. Denn so soll dem Gläubiger die Möglichkeit eingeräumt werden, den künftigen Habensaldo zu pfänden, selbst wenn sich das Bankkonto im Soll befindet. Allerdings hat der Schuldner hier mitgeteilt, dass er nicht mehr wisse, bei welcher Bank das Konto in der Schweiz geführt worden war. Er habe keine Post oder elektronische Mitteilungen mehr von der Bank erhalten. Er gehe daher davon aus, dass es nicht mehr existiere. Hinsichtlich des Kontos in Österreich gibt er an, dies vor mindestens 5 Jahren eröffnet zu haben, aber niemals genutzt zu haben. Es habe zu keiner Zeit Guthaben bestanden. Er wisse ebenfalls nicht, ob es noch existiere. Anhand dieser Angaben ergibt sich, dass sich zum einen keinerlei Vermögenswerte nach Angaben des Schuldners auf diesen Konten befinden. Zudem ergibt sich daraus, dass er die Nummern der Konten nicht angeben kann, da er bereits über die Existenz der Konten nicht mehr Bescheid weiß, ein künftiges Habensaldo steht damit nicht im Raum.
Hinsichtlich des Begehrens des Gläubigers, bei der Abgabe der Vermögensauskunft anwesend zu sein und entsprechende Fragen stellen zu dürfen, wurde ihm dieses Recht gewährt. Allerdings machte Rechtsanwalt …, in dessen Kanzleiräumen der Schuldner angetroffen wurde und wo die Vermögensauskunft stattfand, offenbar von seinem Hausrecht Gebrauch, und verwies den Gläubiger der Kanzleiräume. Die Ermessensausübung der Gerichtsvollzieherin hinsichtlich des Rechts des Gläubigers auf Anwesenheit und seinem Fragerecht einerseits und der durch eine Verbringung des Schuldners an einen anderen Ort eintretenden Verzögerung bzw. Freiheitsentziehung erfolgte ermessensfehlerfrei. Zum einen hat die Gerichtsvollzieherin dem Schuldner sämtliche vom Gläubiger aus der Akte ersichtlichen Fragen, die sich auch aus den Recherchen des Gläubigers ergaben, gestellt. Dem Fragerecht wurde so genüge getan. Hinsichtlich des Anwesenheitsrechts muss der Schuldner in der Tat kurzzeitige Freiheitsentziehungen im Interesse der Wahrung der Gläubigerbelange hinnehmen. Hierbei bemisst sich die Zeitdauer nach den Umständen des Einzelfalls. Im Zweifel wird das Interesse des Schuldners auf persönliche Freiheit überwiegen (vergleiche Zöller, ZPO, § 802 i, Rz. 5). Es verbleibt insoweit bereits fraglich, ob ein Verbringen des Gläubigers in das Gerichtsvollzieherbüro das Maß der hinnehmbaren Freiheitsentziehung im Hinblick auf die schützenswerten Gläubigerinteressen nicht überschritten hätte. Jedenfalls war aber ein solches Verbringen des Gläubigers in das Gerichtsvollzieherbüro unter den gegebenen Umständen nicht dazu geeignet, dem Fragerecht des Gläubigers weiter Genüge zu tun. Denn nach Angabe der Gerichtsvollzieherin war, sobald sich die Parteien in einem Raum befunden hätten, ein normales, angemessenes Verhalten nicht möglich. Die Abgabe einer Vermögensauskunft unter Teilnahme des Gläubigers war unter den gegebenen Umständen daher nicht möglich. So war die Stimmung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner dermaßen aufgeheizt, dass eine Anwesenheit des Gläubigers nicht möglich war, ohne den Ablauf der Abnahme der Vermögensauskunft dergestalt zu beeinträchtigen, dass die Abnahme nicht möglich war. Die diesbezügliche Einlassung der Gerichtsvollzieherin ist in sich schlüssig und glaubwürdig.
Die weiteren Einlassungen des Gläubigere, dass offenbar Seilschaften zwischen der Gerichtsvollzieherin und dem Rechtsanwalt … bestünden, stellen reine Vermutungen dar, die durch keine tragfähigen Fakten belegt wurden.
Die Erinnerung war zurückzuweisen.


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