Insolvenzrecht

Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters: Befassung in erheblichem Umfang mit Vermögensgegenständen mit Aus- oder Absonderungsrechten; Einziehung der Mieten und Verteilung an die Grundpfandgläubiger; Bemessung der Höhe des Gesamtzu- oder Gesamtabschlags; über die Erhöhung der Berechnungsgrundlage vergütete Tätigkeiten; Zuschlag für Unternehmensfortführung; geringe Anforderungen an die Geschäftsführung bei großer Masse

Aktenzeichen  IX ZB 51/19

Datum:
10.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:100621BIXZB51.19.0
Normen:
§ 3 Abs 1 Buchst b InsVV
§ 3 Abs 2 Buchst d InsVV
§ 10 InsVV
§ 11 Abs 1 S 2 InsVV vom 15.07.2013
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

1a. Der vorläufige Insolvenzverwalter befasst sich in erheblichem Umfang mit Vermögensgegenständen, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, wenn er nach dem zeitlichen und sachlichen Maß der Befassung einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft auf die Bearbeitung des Vermögensgegenstandes verwendet und dabei das gewöhnliche Maß an Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters derart überschreitet, dass eine erhebliche Mehrbelastung des vorläufigen Verwalters durch die Befassung mit dem Vermögensgegenstand feststeht. Der erhebliche Umfang der Befassung muss sich dabei gerade auf den Vermögensgegenstand richten, welcher der Berechnungsgrundlage hinzuzurechnen ist. Erforderlich ist ein konkreter Vortrag des vorläufigen Insolvenzverwalters, welche Tätigkeiten er für den Vermögensgegenstand im Einzelfall entfaltet hat.
1b. Vereinbart der vorläufige Insolvenzverwalter mit den Grundpfandrechtsgläubigern, die Mieten aus laufenden Mietverhältnissen einzuziehen und an die Grundpfandrechtsgläubiger zu verteilen, liegt darin allein keine Befassung im erheblichen Umfang mit dem Grundstück oder dem Grundpfandrecht.
2. Für die Festsetzung des Gesamtzu- oder Gesamtabschlags ist stets eine Gesamtbetrachtung erforderlich, um eine doppelte Berücksichtigung von Umständen zu vermeiden und sich aus Einzelzuschlägen ergebenden Überschneidungen Rechnung tragen zu können. Der Tatrichter hat die Höhe des Gesamtzu- oder Gesamtabschlags danach zu bemessen, dass der festgestellte Mehr- oder Minderaufwand angesichts der im Einzelfall bestehenden Besonderheiten insgesamt angemessen vergütet wird.
3. Soweit der vorläufige Insolvenzverwalter eine Vergütung für den aus der erheblichen Befassung mit einem Vermögensgegenstand entstandenen Aufwand erhält, weil die Berechnungsgrundlage um den Wert des Aus- oder Absonderungsrechts erhöht worden ist, können solche über die Erhöhung der Berechnungsgrundlage vergütete Tätigkeiten nicht herangezogen werden, um einen Zuschlag zu rechtfertigen.
4. Führt der Insolvenzverwalter das Unternehmen fort, richtet sich die Höhe des Zuschlags nach dem durch die Betriebsfortführung veranlassten zusätzlichen Aufwand; ein Mindestzuschlag (etwa in Höhe von 25 %) besteht nicht.
5. War die Masse groß, kann die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter gestellt haben, wenn das Vermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten erheblich übersteigt und die Höhe dieses Vermögens in keinem Verhältnis zu dem entfalteten Aufwand steht, etwa weil sich die Insolvenzmasse ohne jegliches Zutun des Insolvenzverwalters ergeben hat. Tätigkeiten, die über einen Zuschlag vergütet werden, dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden.

Verfahrensgang

vorgehend LG Wiesbaden, 13. August 2019, Az: 4 T 154/19vorgehend AG Wiesbaden, 27. März 2019, Az: 10 IN 295/18

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 13. August 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 981.084,93 € festgesetzt.

Gründe

A.
1
Auf einen Eigenantrag der Verwaltungsgesellschaft H.             mbH (fortan: Schuldnerin) vom 24. August 2018 bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten mit Beschluss vom 29. August 2018 zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Das Insolvenzgericht ordnete einen Zustimmungsvorbehalt an und bestimmte insbesondere, dass der vorläufige Insolvenzverwalter das Vermögen der Schuldnerin sichern und erhalten sowie ein Unternehmen, das die Schuldnerin betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Abstimmung mit der Schuldnerin fortführen sollte. Die Schuldnerin ist eine Besitzgesellschaft, deren wesentliches Vermögen ein Grundstück in B.   ist. Mit Beschluss vom 1. Oktober 2018 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Am 10. Dezember 2018 bestätigte das Insolvenzgericht den vom Schuldner vorgelegten Insolvenzplan. Der Beschluss des Insolvenzgerichts ist seit dem 28. Dezember 2018 rechtskräftig. Am 13. Dezember 2019 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
2
Der weitere Beteiligte beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter festzusetzen. Er macht geltend, die Berechnungsgrundlage betrage 203.951.708,51 €. Die Regelvergütung für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters von 25 % sei im Hinblick auf verschiedene Zu- und Abschlagsgründe um einen Gesamtzuschlag von 34,98 % zu erhöhen. Das Insolvenzgericht hat die Vergütung in der beantragten Höhe festgesetzt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Schuldnerin eine Herabsetzung der Vergütung begehrt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde nach Übertragung auf die Kammer zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter.
B.
3
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
I.
4
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, für die Berechnungsgrundlage sei der Wert des Grundstücks mit 196 Mio. € anzusetzen. In dieser Höhe habe am 8. Dezember 2018 ein Kaufangebot vorgelegen, das auch für den Wert zum Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung maßgeblich sei. Es sei nicht ersichtlich, dass es sich um ein Scheingebot gehandelt habe. Das Grundstück sei mit seinem vollem Wert für die Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen; soweit Drittrechte am Grundstück bestanden hätten, führe dies gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV nicht zu einer Minderung, weil sich der weitere Beteiligte in erheblichem Umfang mit ihnen befasst habe.
5
Der dem weiteren Beteiligten gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO zustehende Bruchteil der Regelvergütung betrage 25 %. Er sei um einen Zuschlag von 24,98 % für die Unternehmensfortführung zu erhöhen. Ein weiterer Zuschlag von 25 % sei für die Sanierungsbemühungen zu gewähren. Hiervon seien Abschläge von je 5 % für die kurze Dauer des Eröffnungsverfahrens, die überschaubaren Vermögensverhältnisse der Schuldnerin und die Delegation des Investorenprozesses zu machen.
6
Ein weiterer Abschlag von 5 % gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV sei nicht geboten. Die Kürzung wegen geringer Arbeitsbelastung müsse auf die Fälle beschränkt bleiben, bei denen die Arbeitsbelastung erheblich unter derjenigen eines durchschnittlichen Verfahrens liege und die Insolvenzmasse außergewöhnlich hoch sei. Dies sei nicht der Fall, weil der weitere Beteiligte ausgiebig mit Gläubigern verhandelt, komplexe Mietverhältnisse verwaltet, über abgetretene Forderungen verhandelt und einen Investorenprozess vorbereitet habe.
II.
7
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Der vom Beschwerdegericht angenommene Wert der Berechnungsgrundlage ist rechtsfehlerhaft.
9
a) Allerdings ist die tatrichterliche Würdigung, das Grundstück der Schuldnerin habe einen Wert von 196 Mio. €, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
10
aa) Die Berechnungsgrundlage ist von Amts wegen festzustellen, gegebenenfalls zu schätzen (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – IX ZB 70/14, BGHZ 211, 225 Rn. 83). Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 11 Abs. 1 Satz 1 InsVV ist für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters das Vermögen zugrunde zu legen, auf das sich die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Zu berücksichtigen sind solche Vermögenswerte, die zu dem gesicherten und verwalteten oder sonst für die (künftige) Masse zu reklamierenden Vermögen gehört haben (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – IX ZB 72/18, ZIP 2020, 279 Rn. 10 mwN).
11
bb) Der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist zu schätzen. Für die Wertermittlung ist gemäß § 10 InsVV auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen. Aus § 1 Abs. 1 InsVV folgt, dass der Wert des Vermögens gegebenenfalls nach dem Schätzwert zu bestimmen ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Umstände, die sich erst nach diesem Zeitpunkt ergeben haben, ändern daher die Berechnungsgrundlage nicht. Von der Frage des Wertermittlungsstichtages zu unterscheiden sind aber die Erkenntnisquellen, welche die stichtagsbezogene Bewertung tragen. Diese Erkenntnisquellen sind bis zum letzten tatrichterlichen Entscheidungszeitpunkt, an dem der Vergütungsanspruch zu beurteilen ist, zu nutzen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – IX ZB 23/07, ZIP 2010, 1504 Rn. 9 mwN; vom 12. Mai 2011 – IX ZB 125/08, ZInsO 2011, 1128 Rn. 3; vom 22. September 2011 – IX ZB 107/10, ZInsO 2011, 2055 Rn. 17; vom 21. September 2017 – IX ZB 28/14, ZIP 2017, 2063 Rn. 16).
12
cc) Diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht beachtet. Seine Annahme, aufgrund der Kaufangebote ergebe sich ein Wert des Grundstücks von 196 Mio. €, liegt auf tatrichterlichem Gebiet. Die Rechtsbeschwerde zeigt keine Rechtsfehler auf. Ihre Angriffe setzen nur die eigene Würdigung und Schätzung an die Stelle der Schätzung des Beschwerdegerichts.
13
b) Rechtsfehlerhaft bezieht das Beschwerdegericht jedoch das Grundstück mit seinem vollem Wert einschließlich der am Grundstück bestehenden Drittrechte in Höhe von 42.992.716,63 € in die Berechnungsgrundlage ein. Auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts lassen sich die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV nicht bejahen.
14
aa) Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV werden der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters Vermögensgegenstände hinzugerechnet, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, sofern sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. Diese Bestimmung ist wirksam (BGH, Beschluss vom 12. September 2019 – IX ZB 28/18, ZIP 2019, 1969 Rn. 9 ff). Sie ist im Streitfall anwendbar, weil der Insolvenzantrag nach dem 18. Juli 2013 gestellt worden ist (Art. 103h Satz 3 EGInsO; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZB 46/14, ZIP 2016, 1601 Rn. 14 ff).
15
(1) § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV verlangt, dass die Befassung einen erheblichen Umfang erreicht. Die Befassung kann den Vermögensgegenstand selbst betreffen, aber auch in einer Auseinandersetzung mit dem Aus- oder Absonderungsrecht liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – IX ZB 256/04, BGHZ 165, 266, 269 f; vom 18. Dezember 2008 – IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495 Rn. 11). Hat sich der vorläufige Verwalter mit einem teilweise belasteten Gegenstand in erheblichem Umfang befasst, zählt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV sein ganzer Wert zur Berechnungsgrundlage. Fehlt es an einer solchen Befassung, kann nur der Wert des unbelasteten Teils einbezogen werden (BGH, Beschluss vom 12. September 2019, aaO Rn. 14).
16
Der erhebliche Umfang der Befassung muss sich dabei gerade auf den Vermögensgegenstand richten, welcher der Berechnungsgrundlage hinzuzurechnen ist. Für § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV in der seit 19. Juli 2013 geltenden Fassung ist daher stets die erhebliche Befassung mit einem bestimmten Vermögensgegenstand zu prüfen. Nur sie rechtfertigt die Erhöhung der Berechnungsgrundlage auch um den Wert des Aus- oder Absonderungsrechts. Soweit der Bundesgerichtshof für Insolvenzverfahren, in denen der Insolvenzantrag bis zum 18. Juli 2013 gestellt worden ist, die erhebliche Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Aus- oder Absonderungsrechten unter dem Gesichtspunkt eines Zuschlags geprüft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – IX ZB 256/04, BGHZ 165, 266, 274 ff), können die in diesen Entscheidungen enthaltenen rechtlichen Überlegungen zur erheblichen Befassung daher nicht unverändert auf nach dem 18. Juli 2013 beantragte Insolvenzverfahren übertragen werden.
17
Die Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit einem Aus- und Absonderungsgegenstand hat einen erheblichen Umfang, wenn ihn die darauf entfallende Tätigkeit über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch genommen hat; entscheidend ist ebenso wie beim Insolvenzverwalter der real gestiegene Arbeitsaufwand in diesem Bereich (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 – IX ZB 104/05, BGHZ 168, 321 Rn. 35 mwN; vom 28. September 2006 – IX ZB 230/05, ZIP 2006, 2134 Rn. 20). Wesentlicher Gesichtspunkt ist, welche Tätigkeiten der vorläufige Insolvenzverwalter entfaltet, um einen Gegenstand für die Masse zu beanspruchen, ihn für das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – IX ZB 256/04, BGHZ 165, 266, 269). Zu prüfen ist, ob der vorläufige Insolvenzverwalter einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft auf die Bearbeitung des von Aus- oder Absonderungsrechten betroffenen Vermögensgegenstandes verwendet (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005, aaO S. 275), also das zeitliche und sachliche Maß der Befassung (vgl. Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 11 Rn. 27). Dieses muss das gewöhnliche Maß an Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters derart überschreiten, dass eine erhebliche Mehrbelastung des vorläufigen Verwalters durch die Befassung mit dem Vermögensgegenstand feststeht (vgl. Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., § 11 Rn. 75; Graeber/Graeber, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rn. 21 f; ähnlich Zimmer, InsVV, § 11 Rn. 80 “vertiefte Befassung”). Überschreitet danach die Tätigkeit die Erheblichkeitsschwelle nicht, bleibt der Vermögensgegenstand – soweit er belastet ist – für die Berechnungsgrundlage außer Betracht und bekommt der vorläufige Insolvenzverwalter dafür nichts (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005, aaO S. 272).
18
(2) Eine solche erhebliche Befassung muss das Insolvenzgericht feststellen, wenn es den vollen Wert des belasteten Vermögensgegenstandes der Berechnungsgrundlage hinzurechnet. Dies kann nicht an formale Kriterien geknüpft werden, etwa an die Zahl der Sicherungsgläubiger oder den Anteil der Fremdrechte an dem verwalteten Vermögen (BGH, Beschluss vom 28. September 2006, aaO). Das Insolvenzgericht darf nicht schematisch aus abstrakten Tatbeständen auf eine erhebliche Befassung schließen. Erforderlich ist vielmehr ein konkreter Vortrag des vorläufigen Insolvenzverwalters, welche Tätigkeiten er für den Vermögensgegenstand im Einzelfall entfaltet hat, um eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende erhebliche Befassung feststellen zu können (vgl. Spannhoff, ZInsO 2021, 697, 699).
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Fällt ein Grundstück in die Insolvenzmasse, ist daher zu prüfen, ob der vorläufige Insolvenzverwalter mit seinen das Grundstück betreffenden Tätigkeiten über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch genommen worden ist. Ist das Grundpfandrecht unstreitig, liegt noch nicht einmal eine nennenswerte Befassung des vorläufigen Verwalters vor, wenn dieser lediglich die Eintragung eines Insolvenzvermerks im Grundbuch beantragt, das Grundstück in Augenschein nimmt, die Schlüsselfrage regelt und für die Versorgung des Grundstücks mit Energie und Wasser sorgt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2005 – IX ZB 186/03, NZI 2005, 629, 630). Es fehlt an einer erheblichen Befassung, wenn der Insolvenzverwalter schuldnerfremde Grundstücke nur in Besitz nimmt und sodann die fortlaufende Korrespondenz sowie umfangreiche Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer führt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – IX ZB 268/04, ZIP 2006, 625 Rn. 12). Hingegen kann im Einzelfall eine erhebliche Befassung vorliegen, wenn der vorläufige Verwalter in aufwändiger Weise die Reichweite der Zubehörhaftung prüft und hierbei schwierige Rechtsfragen auftreten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – IX ZB 234/06, ZIP 2007, 2323 Rn. 14 f).
20
bb) Die Feststellungen des Beschwerdegerichts ergeben nicht, dass sich der weitere Beteiligte während der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit dem Grundstück in einem über das gewöhnliche Maß hinausgehenden erheblichen Umfang befasst hat.
21
(1) Rechtsfehlerhaft berücksichtigt das Beschwerdegericht mehrere Umstände, die von vornherein keine erhebliche Befassung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründen können. Dies gilt für die Einrichtung eines Insolvenzsonderkontos, die Information der Absonderungsberechtigten über die Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter, die Sperrung der Geschäftskonten für Lastschriftverfahren, die Eintragung eines Sperrvermerks und des Zustimmungsvorbehalts im Grundbuch und die Berichtigung der Firmenbezeichnung der Schuldnerin im Grundbuch. Hierbei handelt es sich um Tätigkeiten, die in jedem Eröffnungsverfahren anfallen, sofern das Insolvenzgericht einen Zustimmungsvorbehalt anordnet und der Schuldner über Grundvermögen verfügt. Ebenso wenig stellen – wie der Senat bereits entschieden hat – die Inbesitznahme, die Überprüfung der Mietverhältnisse oder die Überprüfung und Feststellung eines Versicherungsschutzes bei einem Grundstück eine erhebliche Befassung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – IX ZB 256/04, BGHZ 165, 266, 276; vom 13. Juli 2006 – IX ZB 104/05, BGHZ 168, 321 Rn. 36).
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(2) Soweit der weitere Beteiligte mit der Grundpfandrechtsgläubigerin die weitere Fortführung und mögliche Handlungsoptionen hinsichtlich der Hotelimmobilie erörtert und Eckpunkte einer stillen Zwangsverwaltung besprochen und behandelt hat, hat das Beschwerdegericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen, um eine erhebliche Befassung mit dem Grundstück im Eröffnungsverfahren annehmen zu können. Entgegen der Rechtsbeschwerdeerwiderung stellt eine Kontaktaufnahme mit einem Grundpfandrechtsgläubiger, um ihn von der Verwertung des Grundstücks abzuhalten, nicht automatisch eine erhebliche Befassung mit dem Grundstück dar.
23
Allerdings kommt eine erhebliche Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit einem Grundstück nach den konkreten Umständen des Einzelfalls in Betracht, wenn ein Grundpfandrechtsgläubiger die Zwangsversteigerung einer schuldnereigenen Immobilie betreibt und der vorläufige Insolvenzverwalter mit ihm darüber verhandelt, von der Zwangsvollstreckung Abstand zu nehmen, oder dieser eine bereits anhängige Zwangsvollstreckungsmaßnahme nach § 30d Abs. 4 ZVG einstweilen einstellen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006, aaO Rn. 37; vom 28. September 2006 – IX ZB 230/05, ZIP 2006, 2134 Rn. 22). Sie kommt weiter in Betracht, wenn die belastete Immobilie zugleich vermietet ist, dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Mietverwaltung obliegt und diese einen entsprechenden Aufwand verursacht, ohne dass das verwaltete Vermögen durch die Mietverwaltung, insbesondere die dabei vereinnahmten Mieten angereichert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006, aaO; vom 28. September 2006, aaO). Dass der Verwalter die Miete aus laufenden Mietverhältnissen einzieht, stellt jedoch keine Mietverwaltung in diesem Sinne dar (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 – IX ZB 120/07, NZI 2008, 239 Rn. 13).
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Dabei ist aber stets die tatrichterliche Prüfung und Überzeugung erforderlich, dass die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters im konkreten Einzelfall zu einer Befassung im erheblichen Umfang mit dem Grundstück selbst geführt hat. Das Beschwerdegericht trifft hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Es stellt weder fest, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Grundpfandrechtsgläubiger bereits eingeleitet waren oder unmittelbar bevorstanden, noch dass der weitere Beteiligte eine stille Zwangsverwaltung in zulässiger Weise schon während des Eröffnungsverfahrens durchgeführt hat, noch dass eine hierauf bezogene Tätigkeit des weiteren Beteiligten einen erheblichen Umfang erreicht hat. Den Feststellungen des Beschwerdegerichts lässt sich auch sonst nicht entnehmen, dass die Besprechung am 6. September 2018 über die Eckpunkte einer möglichen stillen Zwangsverwaltung und die Behandlung dieser Punkte in den Folgetagen nach Umfang und Aufwand zu einer über das gewöhnliche Maß bei einem Grundstück hinausgehenden Befassung des weiteren Beteiligten im erheblichen Umfang bereits im Eröffnungsverfahren führten.
25
Die stille Zwangsverwaltung kann zwar eine erhebliche Befassung mit Absonderungsrechten begründen. Soweit diese sich dadurch auszeichnet, dass der Insolvenzverwalter mit den Grundpfandrechtsgläubigern vereinbart, die Mieten einzuziehen und an die Grundpfandrechtsgläubiger zu verteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 – IX ZB 120/07, NZI 2008, 239 Rn. 13), liegt allerdings in der Einziehung der Mieten aus laufenden Mietverhältnissen und der Weiterleitung an die Grundpfandrechtsgläubiger allein noch keine Befassung in erheblichem Umfang mit dem Grundstück oder dem Grundpfandrecht selbst. Erforderlich ist vielmehr, dass seine Tätigkeit vom Umfang der eines Zwangsverwalters ähnelt. Die Vereinbarung einer stillen Zwangsverwaltung will lediglich im Interesse der Beteiligten das aufwendige und kostenintensive förmliche Verfahren der Zwangsverwaltung vermeiden. Wirtschaftlich betrachtet ist es aber von vornherein ausgeschlossen, dass die Miet- und Pachteinnahmen die zugunsten der Insolvenz- und Massegläubiger verwertbare Masse erhöhen (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZB 31/14, WM 2016, 1543 Rn. 31). Ob eine Befassung in einem erheblichen Umfang vorliegt, hängt daher davon ab, in welchem Ausmaß der vorläufige Insolvenzverwalter damit beschäftigt ist, die Mietverhältnisse aufrecht zu erhalten oder zu erneuern, die Immobilie in ihrem Bestand zu sichern und zu erhalten, die Energie- und Wasserversorgung zu sichern und Verkehrssicherungspflichten einzuhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008, aaO Rn. 12). Weiter sind Umfang und Schwierigkeiten der Verhandlungen mit den Grundpfandrechtsgläubigern zu berücksichtigen. Dies hat der Tatrichter im Einzelnen zu würdigen.
26
(3) Soweit das Beschwerdegericht eine erhebliche Befassung mit zur Sicherung abgetretenen Mietforderungen der Schuldnerin bejaht hat, rechtfertigt dies nur eine Erhöhung der Berechnungsgrundlage um den Betrag dieser Forderungen. Nach der Begründung des Beschwerdegerichts ist nicht auszuschließen, dass das Beschwerdegericht diesen Umstand herangezogen hat, um eine erhebliche Befassung mit dem Grundstück und den Grundpfandrechten zu begründen. Dies ist rechtsfehlerhaft.
27
Der erhebliche Umfang einer Befassung ist stets im Hinblick auf den einzelnen Vermögenswert zu prüfen. Ist der Schuldner Eigentümer eines vermieteten Grundstücks und befasst sich der vorläufige Verwalter damit, die Mietforderungen durchzusetzen, stellt dies keine erhebliche Befassung mit dem Grundstück dar. Erforderlich sind vielmehr Tätigkeiten des Verwalters, die das Grundstück selbst betreffen und über die Einziehung von Mietforderungen hinausgehen.
28
Dies zeigt auch ein Vergleich mit § 3 Abs. 1 Buchst. b Fall 2 InsVV. Danach ist eine über den Regelsatz hinausgehende Vergütung festzusetzen, wenn der Verwalter Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn ein Grundstück vermietet ist und der Schuldner daraus Mieteinnahmen erzielt, welche der Verwalter einzieht. Eine Häuserverwaltung liegt nur vor, wenn der Insolvenzverwalter einen Aufwand treiben musste, der sich als Immobilienbewirtschaftung beschreiben lässt (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 – IX ZB 120/07, NZI 2008, 239 Rn. 12).
29
c) Auch soweit das Beschwerdegericht zusätzlich zum Wert des Grundstücks weitere 7.951.708,51 € bei der Berechnungsgrundlage berücksichtigt hat, hält die Entscheidung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Es lässt sich insoweit nicht ausschließen, dass in diesem Betrag zum Nachteil der Rechtsbeschwerdeführerin nicht nur der Überschuss, sondern die gesamten Einnahmen aus der Fortführung des Unternehmens enthalten sind.
30
Der weitere Beteiligte hat das Unternehmen der Schuldnerin fortgeführt. In diesem Fall ist allein der aus der Fortführung erzielte Überschuss Teil der Berechnungsgrundlage (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 – IX ZB 106/06, NZI 2007, 341 Rn. 15). Der Vergütungsantrag des Insolvenzverwalters hat im Fall einer Betriebsfortführung daher eine gesonderte Aufstellung der damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben zu enthalten (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – IX ZB 72/18, ZIP 2020, 279 Rn. 7, 10 mwN). Dies gilt auch für eine Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren und grundsätzlich auch in den Fällen, in denen eine Betriebsfortführung mit Verlust endet (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2019, aaO Rn. 10 mwN).
31
Das Beschwerdegericht trifft hierzu keine Feststellungen. Der Beschluss lässt nicht erkennen, dass der weitere Beteiligte hinsichtlich der Betriebsfortführung eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung vorgelegt hat und dass das Beschwerdegericht für die Berechnungsgrundlage nur den Überschuss aus der Betriebsfortführung berücksichtigt hat. Soweit die Rechtsbeschwerdeerwiderung geltend macht, der Fortführungsüberschuss habe 109.178,99 € betragen, findet dies in den Feststellungen des Beschwerdegerichts keine Grundlage.
32
2. Ebenso von Rechtsfehlern behaftet ist die Höhe des Vergütungssatzes.
33
a) Die Bemessung von Zu- und Abschlägen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Februar 2019 – IX ZB 25/17, ZIP 2019, 715 Rn. 14; vom 12. September 2019 – IX ZB 65/18, ZIP 2019, 2018 Rn. 12; jeweils mwN). Zu prüfen sind die Maßstäbe (Rechtsgrundsätze) und ihre Beachtung, nach denen das Leistungsbild der entfalteten Verwaltertätigkeit im Einzelfall gewürdigt und zu dem Grundsatz einer leistungsangemessenen Vergütung (§ 21 Abs. 2 Nr. 1, § 63 InsO) in Beziehung gesetzt worden ist (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 – IX ZB 31/02, ZIP 2002, 1459, 1460 unter III. 2.).
34
Maßgebend ist, ob die Bearbeitung den Insolvenzverwalter stärker oder schwächer als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen hat, also der real gestiegene oder gefallene Arbeitsaufwand. Das Insolvenzgericht hat dabei die in Betracht kommenden Tatbestände im Einzelnen zu überprüfen und zu beurteilen. Einer Bewertung der Höhe jedes einzelnen Zu- oder Abschlags bedarf es nicht. Es genügt, wenn der Tatrichter die möglichen Zu- und Abschlagstatbestände dem Grunde nach prüft und anschließend in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer auf das Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder Gesamtabschlag bestimmt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 6. April 2017 – IX ZB 48/16, NZI 2017, 459 Rn. 8 mwN; vom 22. Juni 2017 – IX ZB 65/15, ZInsO 2017, 1694 Rn. 7 mwN; vom 14. Februar 2019 – IX ZB 25/17, ZIP 2019, 715 Rn. 14; vom 12. September 2019 – IX ZB 1/17, ZIP 2019, 2016 Rn. 6). Dabei gilt § 3 InsVV für den vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend (§ 10 InsVV; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 – IX ZB 5/18, WM 2019, 2325 Rn. 10).
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b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts bringt die Gefahr von Maßstabsverschiebungen mit sich.
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aa) Der vom Beschwerdegericht unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensfortführung festgelegte Einzelzuschlag von 24,98 % hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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(1) Bereits der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts ist rechtsfehlerhaft. Ein Mindestzuschlag – etwa in Höhe von 25 % – für die Fortführung des Unternehmens gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV besteht nicht. Zuschläge und Abschläge sind entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht nach festen Tatbeständen zu gewähren. Vielmehr ist die Fortführung des Unternehmens nur dann zuschlagswürdig, wenn damit ein entsprechender Mehraufwand für den Insolvenzverwalter verbunden ist. Nicht jede Abweichung vom Normalfall rechtfertigt einen Zu- oder Abschlag; vielmehr muss die Abweichung so signifikant sein, dass erkennbar ein Missverhältnis entstünde, wenn nicht die besondere und vom Umfang her erhebliche Tätigkeit des vorläufigen Verwalters auch in einer vom Normalfall abweichenden Festsetzung der Vergütung ihren Niederschlag fände (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – IX ZB 15/07, ZIP 2007, 2226 Rn. 15; vom 22. Juni 2017 – IX ZB 65/15, ZInsO 2017, 1694 Rn. 7). Abweichungen vom Normalfall, die Zu- oder Abschläge auslösen können, sind erst dann erheblich, wenn eine Erhöhung oder Herabsetzung der Regelvergütung um mindestens 5 % gerechtfertigt ist (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007, aaO Rn. 14 mwN).
38
Das Beschwerdegericht trifft keine Feststellungen, welche konkreten Tätigkeiten der weitere Beteiligte entfaltet hat, die einen Zuschlag für eine Fortführung eines Unternehmens rechtfertigen. Insbesondere berücksichtigt das Beschwerdegericht nicht, dass die Schuldnerin eine reine Besitzgesellschaft ist. Ihre unternehmerische Tätigkeit beschränkt sich nach der Behauptung der Rechtsbeschwerde auf die Vermietung des ihr gehörenden Grundstücks. Die Einziehung und Durchsetzung von Mietforderungen aus laufenden Mietverträgen führt nicht dazu, dass die Fortführung einer Besitzgesellschaft einen erheblichen Mehraufwand für den Insolvenzverwalter auslöst, der zuschlagswürdig wäre. Die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung geltend gemachte bereits bestehende Vermietung an zwei Betreibergesellschaften und neun weitere Mieter bei komplexen Mietverträgen genügt für sich genommen ebenfalls nicht.
39
(2) Zudem ist für einen Zuschlag im Eröffnungsverfahren stets zu prüfen, ob der festgestellte erhebliche Mehraufwand für den vorläufigen Verwalter bereits aus anderen Gründen vergütet worden ist. Dies kann insbesondere im Hinblick auf § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV der Fall sein. Bestehen an Vermögensgegenständen Aus- oder Absonderungsrechte, führt eine erhebliche Befassung des vorläufigen Verwalters mit diesen Vermögensgegenständen dazu, dass sich die Berechnungsgrundlage um den durch Aus- oder Absonderungsrechte belasteten Wert erhöht. Insoweit erhält der vorläufige Insolvenzverwalter eine Vergütung für den aus der erheblichen Befassung mit dem Vermögensgegenstand entstandenen Aufwand. Da nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vergütungsrelevante Umstände nicht doppelt berücksichtigt werden dürfen, können solche über die Erhöhung der Berechnungsgrundlage vergütete Tätigkeiten nicht mehr herangezogen werden, um einen Zuschlag zu rechtfertigen.
40
Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die erhebliche Befassung des vorläufigen Verwalters mit Aus- oder Absonderungsgegenständen zugleich Teil der Betriebsfortführung ist und der vorläufige Verwalter hierfür einen Zuschlag beantragt. Macht der vorläufige Verwalter eine erhebliche Befassung mit Aus- und Absonderungsgegenständen geltend, hat der Tatrichter für einen Zuschlag zu prüfen, ob diese Befassung zugleich Teil der Tätigkeit zur Fortführung des Unternehmens ist. Soweit der Mehraufwand in diesem Fall bereits durch die Erhöhung der Berechnungsgrundlage um den Wert des Aus- oder Absonderungsguts vergütet ist, darf dieser Aufwand nicht mehr für die Bemessung eines Zuschlags für die Unternehmensfortführung herangezogen werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. September 2012 – IX ZB 243/11, ZInsO 2013, 840 Rn. 10 zur Rechtslage in Insolvenzverfahren, die auf einen bis zum 18. Juli 2013 gestellten Insolvenzantrag eröffnet worden sind).
41
bb) Auch der unter dem Gesichtspunkt der Sanierungsbemühungen gewährte Einzelzuschlag von 25 % hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
42
(1) Rechtlich zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass Tätigkeiten, welche ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die Vorbereitung einer Sanierung entfaltet, einen Zuschlag rechtfertigen können (BGH, Beschluss vom 12. September 2019 – IX ZB 65/18, ZIP 2019, 2018 Rn. 15 mwN). Bemühungen um eine Sanierung des Schuldners gehören nicht zu den Regelaufgaben eines vorläufigen Verwalters (BGH, Beschluss vom 12. September 2019, aaO). Übernimmt der vorläufige Insolvenzverwalter Tätigkeiten, die ihm vom Gesetz, dem Insolvenzgericht oder den Verfahrensbeteiligten in gesetzlicher Weise wirksam übertragen worden sind, steht ihm hierfür eine Vergütung zu (BGH, Beschluss vom 12. September 2019, aaO Rn. 14). Dies gilt auch für die Vorbereitung einer Sanierung.
43
(2) Die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts genügen nicht, um den von ihm angenommenen Einzelzuschlag von 25 % für eine Mitwirkung bei der Sanierung zu rechtfertigen. Maßstab für die Frage, ob und in welcher Höhe ein Zuschlag für Sanierungsbemühungen zu gewähren ist, ist der vom Insolvenzgericht festzustellende Umfang der Tätigkeit. Das Beschwerdegericht gibt lediglich wieder, was der weitere Beteiligte für den begehrten Zuschlag ausgeführt hat. Hierzu hat das Beschwerdegericht keine eigenen Feststellungen getroffen, insbesondere lässt der angefochtene Beschluss nicht erkennen, von welchen dem weiteren Beteiligten wirksam übertragenen, auf eine Sanierung der Schuldnerin bezogenen Tätigkeiten während der vorläufigen Insolvenzverwaltung sich das Beschwerdegericht überzeugt hat. Erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Sanierungstätigkeiten rechtfertigen keine Erhöhung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Zudem fehlt eine Auseinandersetzung mit der Behauptung der Schuldnerin, es habe sich nicht um eine Unternehmenssanierung gehandelt, sondern um einen Verkaufsprozess hinsichtlich des Grundstücks.
44
cc) Die Begründung, mit der das Beschwerdegericht ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV verneint, ist ebenfalls von Rechtsfehlern beeinflusst.
45
(1) Ob die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte, richtet sich nach den vom Tatrichter zu würdigenden Umständen des Einzelfalls. Entscheidend ist, ob die vergütungsrechtliche Insolvenzmasse nach den für die Berechnungsgrundlage heranzuziehenden Vermögenswerten groß ist und die Erwirtschaftung dieser Vermögensmasse nur geringe Anforderungen an die Geschäftsführung des Insolvenzverwalters gestellt hat (vgl. Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., § 3 Rn. 118). Dies kommt vor allem in Betracht, wenn das Vermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten erheblich übersteigt und die Höhe dieses Vermögens in keinem Verhältnis zu dem entfalteten Aufwand steht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2011 – IX ZB 193/10, ZIP 2011, 2158 Rn. 20 f; vom 15. Dezember 2011 – IX ZB 229/09, NZI 2012, 144 Rn. 8), etwa weil sich die Insolvenzmasse ohne jegliches Zutun des Insolvenzverwalters ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2011 – IX ZB 107/10, ZInsO 2011, 2055 Rn. 23; vom 22. September 2011, aaO). Das Angemessenheitserfordernis bezieht sich dabei auf die nach § 2 Abs. 1 InsVV berechnete Regelvergütung. Die Vergütung ohne Abschlag muss außer Verhältnis zu der Tätigkeit des Verwalters stehen; für strengere Voraussetzungen besteht in § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV keine Grundlage (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 37).
46
(2) Diese Voraussetzungen können im Streitfall erfüllt sein. Das Beschwerdegericht legt den falschen Vergleichsmaßstab zugrunde. Eine Insolvenzmasse von 203.951.708,51 € stellt eine große Insolvenzmasse im Sinne des § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV dar. Für die Annahme des Beschwerdegerichts, die Insolvenzmasse müsse außergewöhnlich hoch sein, besteht keine Grundlage.
47
Aufgrund der Feststellungen des Beschwerdegerichts lässt sich nicht ausschließen, dass die Geschäftsführung nur geringe Anforderungen an den Verwalter stellt. Das Beschwerdegericht übersieht, dass die Insolvenzmasse fast ausschließlich aus einem Grundstück besteht. Der unbelastete Teil des Grundstücks macht mehr als 75 % der Insolvenzmasse aus, ohne dass der weitere Beteiligte im Eröffnungsverfahren zur Realisierung dieses Wertes beigetragen hätte. Das weitere – für sich genommen ebenfalls erhebliche – Vermögen setzt sich nur aus wenigen Vermögenswerten zusammen, nämlich den offenen Mietforderungen und den Kontoguthaben. Aus dem gerichtlich bestätigten Insolvenzplan ergibt sich, dass dieses Vermögen die Insolvenzforderungen deutlich überstieg. Danach bestanden neben der Forderung der Grundpfandrechtsgläubigerin über rund 45 Mio. € nur zwei zu diesem Zeitpunkt festgestellte Insolvenzforderungen in Höhe von rund 4.400 € und nachrangige Insolvenzforderungen in Höhe von rund 13,8 Mio. €. Inwieweit der von der Regelvergütung umfasste Aufwand des weiteren Beteiligten angesichts dieser Lage des schuldnerischen Vermögens im Verhältnis zur Größe der Insolvenzmasse mehr als geringe Anforderungen an die Geschäftsführung des weiteren Beteiligten stellte, ist nicht ersichtlich.
48
Rechtsfehlerhaft zieht das Beschwerdegericht hinsichtlich der Anforderungen an die Geschäftsführung Tätigkeiten des weiteren Beteiligten heran, die nach der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht durch die Regelvergütung abgegolten sind und deshalb einen Zuschlag zur Regelvergütung auslösen. Damit berücksichtigt das Beschwerdegericht Umstände doppelt. Ob die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Insolvenzverwalter stellt, ist für § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV nur im Hinblick auf solche Tätigkeiten zu entscheiden, für die der Verwalter keinen Zuschlag erhält, insbesondere also die von der Regelvergütung umfassten Tätigkeiten.
49
dd) Schließlich hält die Festsetzung eines Gesamtzuschlags von 34,98 % rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft eine Gesamtwürdigung unterlassen.
50
(1) Es ist nicht erforderlich, für sämtliche einen Mehr- oder Minderaufwand verursachenden Tätigkeiten des Insolvenzverwalters zunächst einzeln gesonderte Zu- und Abschläge festzusetzen. Eine solche Vorgehensweise wird in vielen Fällen schon deshalb unzweckmäßig sein, weil sich einzelne Zu- und Abschlagstatbestände in ihren Voraussetzungen häufig überschneiden (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 12 mwN; vom 21. Juli 2016 – IX ZB 70/14, BGHZ 211, 225 Rn. 57; vom 12. September 2019 – IX ZB 65/18, ZIP 2019, 2018 Rn. 17). Entscheidend ist stets die Gesamtschau, bei welcher das Gericht unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Gesamtabschlag festzulegen hat. Maßgebend ist eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung, welche das Gericht stets nachvollziehbar anhand des Einzelfalls zu begründen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006, aaO mwN). Dieser vorausgehen muss in jedem Fall eine genaue Überprüfung und Beurteilung aller für einen Zu- oder Abschlag in Frage kommenden Umstände, insbesondere der vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter beantragten Zuschläge (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006, aaO Rn. 11; vom 21. Juli 2016, aaO zur Vergütung des Sachwalters). Eine schematische Festlegung rechnerischer Zu- und Abschläge für bestimmte Sachverhalte birgt die Gefahr, dass der insgesamt gewährte Zuschlag nicht die Gesamtlage berücksichtigt, sondern sich auf die Summe aus den einzelnen Zu- und Abschlägen beschränkt (BGH, Beschluss vom 12. September 2019, aaO).
51
(2) Das Beschwerdegericht hat den Gesamtzuschlag rechnerisch ermittelt, indem es Einzelzuschläge addiert und Einzelabschläge subtrahiert hat. Dies ist rechtsfehlerhaft und begründet die Gefahr einer Maßstabsverschiebung. Dabei hat das Beschwerdegericht verkannt, dass die Gesamtbetrachtung stets erforderlich ist, um eine doppelte Berücksichtigung von Umständen zu vermeiden und sich aus Einzelzuschlägen ergebenden Überschneidungen Rechnung tragen zu können. Der Tatrichter hat die Höhe des Gesamtzu- oder Gesamtabschlags danach zu bemessen, dass der festgestellte Mehr- oder Minderaufwand angesichts der im Einzelfall bestehenden Besonderheiten insgesamt angemessen vergütet wird.
52
Der vom Beschwerdegericht festgesetzte Gesamtzuschlag von 34,98 % führt dazu, dass die Vergütung des weiteren Beteiligten im Streitfall das 2,39-fache der Regelvergütung eines vorläufigen Insolvenzverwalters beträgt. Maßstab für die Festlegung eines solchen Gesamtzuschlags ist daher, ob in einer Gesamtbetrachtung der mit den Tätigkeiten des weiteren Beteiligten verbundene Aufwand eine Vergütung in Höhe des 2,39-fachen der Regelvergütung eines vorläufigen Insolvenzverwalters rechtfertigen kann. Eine solche Würdigung hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft unterlassen.
III.
53
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht im Rahmen der Gesamtwürdigung auch zu erwägen haben, inwieweit die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen und für sich genommen rechtsfehlerfreien Einzelabschläge von jeweils 5 % für die kurze Dauer des Eröffnungsverfahrens, die überschaubaren Vermögensverhältnisse und die Delegation des Investorenprozesses Überschneidungen zu den übrigen für einen Zu- oder Abschlag in Frage kommenden Umstände aufweisen.
Schoppmeyer     
      
Möhring     
      
Röhl   
      
Selbmann     
      
Harms     
      


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