IT- und Medienrecht

8 C 476/21 (IV)

Aktenzeichen  8 C 476/21 (IV)

Datum:
18.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG Wittenberg
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 670 BGB
§ 29 JagdG ST
Spruchkörper:
undefined

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.550,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2021 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 367,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2021 zu zahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 3.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten nach Verletzung eines Tieres auf Schadensersatz in Anspruch.
Er führte als Schweißhundeführer im Sinne von § 29 Landesjagdgesetz Sachsen-Anhalt am …die sogenannten Nachsuche durch, nachdem bei einer Jagd in der Nacht vom … durch den Beklagten ein Keiler weitwund geschossen aber nicht getötet worden war. Zur Durchführung der Nachsuche führte der Kläger unter anderem die Terrierhündin … bei sich. Als nach dem Auffinden des Keilers dieser auf den Beklagten los lief, gab der Beklagte mit seiner Jagdwaffe einen Schuss ab. Dabei wurde das Tier des Klägers erheblich verletzt. Ihm entstanden Kosten i.H.v. 3.400,00 € durch ärztliche Behandlung des Tieres, Fahrtkosten sowie den Anfall einer Auslagenpauschale. Durch eine Gruppenhundeversicherung des Landesjagdverbandes … erhielt der Kläger darauf einen Betrag von 850,00 €. Er begehrt Zahlung des weitergehenden Betrages von 2.550,00 €. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten lehnt eine Bezahlung ab.
Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB, zudem hafte der Beklagte aus den §§ 662, 280, 228, 904 BGB sowie nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Er könne daher vollständige Zahlung des ihm entstandenen Schadens sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 367,23 € jeweils nebst gesetzlichen Zinsen verlangen.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, zwischen den Parteien habe kein Auftragsverhältnis im Sinne von   § 670 BGB bestanden. Vielmehr sei der Kläger selbstständig aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung tätig geworden. Soweit gleichwohl vom Vorliegen eines Auftrages auszugehen sei, seien die Schäden des Klägers nicht ersatzfähig, da ein Verschulden des Beklagten nicht vorliege. Dieser habe auch nicht fahrlässig gehandelt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger vermag von dem Beklagten Zahlung von 2.550,00 € als Schadensersatz sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 367,23 € jeweils nebst gesetzlichen Zinsen gemäß den §§ 662, 670, 286, 288 BGB zu verlangen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten bestand zwischen den Parteien tatsächlich ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB. Der Kläger hat vorgetragen, er sei von dem Beklagten am … als Jagdausübungsberechtigter gemäß § 29 Landesjagdgesetz Sachsen-Anhalt beauftragt worden, die Nachsuche durchzuführen. Diesen Tatsachenvortrag hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Er hat lediglich die Auffassung vertreten, dass der Kläger (allein) aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung tätig geworden sei. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht. Zur Erfüllung der Verpflichtung des Beklagten als Jagdausübungsberechtigten, die Nachsuche durchzuführen, hat er sich des Klägers bedient. Dadurch wurde der Kläger verpflichtet, das von dem Auftraggeber aufgetragene Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.
Infolge dieser Beauftragung sind dem Kläger Aufwendungen i.H.v. 3.400,00 € entstanden, von denen nach der Zahlung einer Gruppenhundeversicherung i.H.v. 850,00 € noch ein Betrag von 2.550,00 € verbleibt. Der Beklagte hat den Anfall sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der mit der Klageschrift vorgetragenen Kostenpositionen nicht bestritten.
Bei diesen Kosten handelt es sich um Aufwendungen, die der Kläger den Umständen nach für erforderlich halten durfte, der Beklagte als Auftraggeber ist daher zum Ersatz verpflichtet, § 670 BGB.
Dabei kann dahingestellt bleiben ob der Beklagte fahrlässig handelte, als er mit seiner Jagdwaffe die Verletzung des Tieres des Klägers herbeiführte. Allerdings spricht einiges dafür, dass der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat, als er den Schuss absetzte. Denn er wusste, dass sich das Tier des Klägers in der Nähe des in der Vegetation zunächst nicht sichtbaren Wildschweins befand. Als dieses dann aus dem Gebüsch in Richtung des Beklagten trat unter dieser einen Schuss absetzte, muss ihm dabei eine Gefährdung des in der Nähe befindlichen Hundes des Klägers bewusst gewesen sein.
Indes haftet der Beklagte auch verschuldensunabhängig.
Der Auftraggeber hat im Rahmen eines unentgeltlichen Auftragsverhältnisses solch risikospezifischen Zufallsschäden, die dem Auftragnehmer unfreiwillig entstehen, auch ohne eigenes Verschulden zu ersetzen (Leitsatz OLG Stuttgart, Urteil vom 3.11.2010 – 3 U 109/10, zitiert nach Beck-online). Der Auftraggeber, hier der Beklagte, ist dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sich ein geschäftstypisches Risiko realisiert hat, nicht dagegen bei der Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos. Ausreichend und erforderlich ist, dass die Auftragsausführung objektiv mit einer Gefahr verbunden war und beide Beteiligten mit der Gefahr rechnen mussten. In diesem Fall sind sog. Zufallsschäden – und um einen solchen handelt es sich bei der Verletzung des Tieres des Klägers – verschuldensunabhängig zu ersetzen (OLG Stuttgart, aaO). Die Auftragsausführung des Klägers, namentlich die Durchführung einer Nachsuche mit seinem Hund in Gegenwart des mit einer Jagdwaffe handelnden Beklagten auf der Suche nach einem verletzten Wildschwein, war objektiv mit einer Gefahr verbunden, wobei sich die Verletzung des Tieres des Klägers durch einen Schuss des Beklagten zur Abwehr des ihn angehenden Wildschweins das geschäftstypische Risiko darstellt, welche sich mit der Verletzung des Tieres des Klägers realisiert hat. Das Risiko der Verletzung des Tieres war auftragsimmanent (OLG Stuttgart, aaO).
Bei dieser Sachlage haftet der Beklagte für die dem Kläger durch die Behandlung des Tieres entstandenen Kosten einschließlich des Anfalls einer Unkostenpauschale.
Zinsen sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten vermag der Kläger und dem Gesichtspunkt des Verzuges ersetzt zu verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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