IT- und Medienrecht

Abgabepreis des Pharmagroßhandels von Fertigarzneimitteln an Apotheken

Aktenzeichen  3 U 216/15

Datum:
29.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-Prax – 2016, 396
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HWG HWG § 7
GG GG Art. 12
AMG § 78
AMPreisV §  2

 

Leitsatz

1. Bei der Abgabe der in § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV erfassten Arzneimittel durch den Pharmagroßhandel an Apotheken darf der Verkaufspreis die Summe aus der Addition von Herstellerpreis, Festzuschlag von 0,70€ und Umsatzsteuer nicht unterschreiten. (amtlicher Leitsatz)
2. Der Pharmagroßhandel darf einen Rabatt nur im Rahmen des in dieser Vorschrift festgelegten Höchstzuschlags von 3,15% auf den Herstellerpreis (maximal 37,80 €) gewähren. (amtlicher Leitsatz)
3. Der in § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV normierte Festzuschlag von 0,70 € ist dagegen stets einzupreisen und darf nicht durch Preisnachlässe – in welcher Ausgestaltung auch immer, insbesondere auch nicht durch die Gewährung von Skonti – reduziert werden. (amtlicher Leitsatz)
4. Ein Verstoß hiergegen ist wettbewerbswidrig im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG a. F. bzw. von § 3a UWG n. F. (amtlicher Leitsatz)
5. Die mit den Vorgaben des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG ist verfassungsrechtlich zulässig. (amtlicher Leitsatz)
6. Der Rechtsprechung des BGH, dass § 7 Abs. 1 HWG eine Marktverhaltensregel darstellt, wird sich angeschlossen (vgl. BGH GRUR 2015, 504 – kostenlose Zweitbrille).  (red. LS Dirk Büch)

Verfahrensgang

1 HK O 24/15 2015-10-22 Endurteil LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 22.10.2015, Az. 1 HKO 24/15, abgeändert:
2. Die Beklagte wird verurteilt,
a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken Rabatte zu bewerben, die über den Höchstzuschlag von 3,15 % hinausgehen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage K2 oder der Anlage K3 ersichtlich, und/oder solchermaßen beworbene Rabatte ankündigungsgemäß zu gewähren;
b) an den Kläger € 246,10 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gern. § 247 BGB seit 10.03.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. v. 100.000,00 € bzw. in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe bzw. in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

B. Die statthafte (§ 511 ZPO) und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg und führt dazu, dass dem Klagebegehren in vollem Umfang stattzugeben ist. Dem Kläger stehen die verlangten Ansprüche zu.
I. Die Zulässigkeit der Klage hat das Landgericht zutreffend bejaht. Die vom Landgericht genannten, ausführlich und erschöpfend dargestellten Gründe treffen in vollem Umfang zu. Der Senat nimmt zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen hierauf Bezug und macht sie sich zu Eigen; für weitere Ausführungen besteht kein Anlass.
II. Zu Unrecht hat das Landgericht jedoch einen Unterlassungsanspruch des Klägers verneint. Die Beklagte verstößt mit der Gewährung der streitgegenständlichen Skonti und der Werbung hiermit gegen die Vorschriften der § 78 Abs. 1 AMG, § 2 Abs. 1 AMPreisV, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG. Da es sich bei diesen Regelungen um Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG a. F. bzw. um einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 3a UWG n. F. handelt, folgt aus diesen Vorschriften der Unterlassungsanspruch des Klägers.
1. Das Bestehen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beurteilen, im Streitfall also nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in der seit dem 10.12.2015 geltenden Fassung. Soweit ein Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war (BGH GRUR 2009, S. 173). Maßgebend ist insoweit das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der vom 29.12.2008 bis zum 09.12.2015 geltenden Fassung. Allerdings war mit der Gesetzesänderung zum 10.12.2015 keine für den Streitfall bedeutsame Änderung des materiellen Regelungsgehalts des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verbunden. Insbesondere sind die Regelungen des § 4 Nr. 11 UWG a. F. und des § 3a UWG n. F., von dem Erfordernis der Spürbarkeit abgesehen, im Wesentlichen inhaltsgleich.
2. Die Vorschriften der § 78 Abs. 1 AMG, § 2 Abs. 1 AMPreisV, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG stellen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG a. F., § 3a UWG n. F. dar (BGH NJOZ 2010, S. 2500 -Bonuspunkte-; BGH GRUR 2015, S. 504 -kostenlose Zweitbrille; BGH Beschluss vom 27.01.2016, Az.: I ZR 68/14 -Arzneimittel-Check-; OLG Köln, Urteil vom 19.02.2014, Az.: 6 U 103/13).
3. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die von der Beklagten entsprechend den Anlagen K2 und K3 gewährten Rabatte unter Einschluss der Skonti über den Höchstzuschlag von 3,15% des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers hinausgehen. Diese Praxis der Beklagten verstößt gegen die Vorschriften der § 78 Abs. 1 AMG, § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV.
Der Gesetzgeber hat von der in § 78 Abs. 1 AMG niedergelegten Ermächtigung Gebrauch gemacht und in der Arzneimittelpreisverordnung die Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel abgegeben werden, festgesetzt. Er hat hierbei in der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV bestimmt, dass sich der Abgabepreis des Großhandels aus dem Herstellerpreis, einem Höchstzuschlag hierauf von 3,15% (maximal 37,80 €) sowie einem Festzuschlag von 0,70 € und der Umsatzsteuer hierauf zusammensetzt. Diesen Festzuschlag sieht der Senat nach dem Willen des Gesetzgebers als Fixum an, der durch keine Art von Preisnachlass reduziert werden darf, sondern stets zu erheben ist.
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts legt die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV hinsichtlich des Abgabepreises der dort erfassten Arzneimittel nicht nur eine Höchstgrenze, sondern auch eine Untergrenze fest. Zu Unrecht stützen sich das Landgericht und die Beklagte für ihre gegenteilige Auffassung auf den unterschiedlichen Wortlaut der Vorschriften der §§ 2 und 3 AMPreisV.
Es ist zwar richtig, dass nach § 2 Abs. 1 AMPreisV in Bezug auf den Abgabepreis die Formulierung „darf … erhoben werden“ verwendet wird, während nach § 3 Abs. 1 S. 1 AMPreisV vorgibt: „…sind … ein Festzuschlag … sowie die Umsatzsteuer zu erheben“. Den vom Landgericht gezogene Schluss, hieraus sei der Wille des Gesetzgebers erkennbar, dass es sich bei der in § 2 Abs. 1 AMPreisV normierten Preisspanne nur um einen Höchstpreis handle, der es dem Großhandel erlaube, Apotheken auch zum Herstellerpreis zu beliefern, teilt der Senat nicht. Aus der Stellung des Wortes „darf“ im Gesetzestext ist vielmehr zu entnehmen, dass sich dieses allein auf den direkt nachfolgend bezeichneten prozentualen Zuschlag bezieht. Nur dieser Preisteil wird mit „höchstens“ bezeichnet, so dass darin zum Ausdruck kommt, dass auch nur insoweit eine Preisspanne festgelegt werden soll, der vom Großhandel ausgeschöpft werden darf. Die davon durch das Wort „zuzüglich“ sprachlich abgesetzten weiteren Preisbestandteile Festzuschlag und Umsatzsteuer sollten hiervon nicht erfasst werden.
Hieraus wird auch der Unterschied zu der Regelung des § 3 Abs. 1 S. 1 AMPreisV deutlich. Diese Vorschrift erlaubt keine Preisspanne, so dass die dort festgelegten Preisaufschläge eben zwingend zu erheben sind.
b) Tatsächlich wird der Wille des Gesetzgebers bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV und dort durch die Verwendung des Wortes „Festzuschlag“ deutlich.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort „fest“ als „unverrückbar“, „definitiv“ bzw. „unveränderlich“ verwendet. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber dies anders sieht. Im Übrigen hätte es dem Gesetzgeber, wenn er den „Festzuschlag“ von 0,70 € als Teil der veränderlichen Preisspanne gesehen hätte, ausgereicht, diesen lediglich als „Zuschlag“ zu bezeichnen. Dies ist jedoch nicht der Fall; die bewusste Verwendung des Wortes „Festzuschlag“ spricht vielmehr dafür, dass dieser nicht verändert werden darf.
c) Dieser Wille des Gesetzgebers ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch den Gesetzesmaterialien so zu entnehmen.
aa) In der ursprünglichen, vom 01.04.2007 bis 31.12.2010 geltenden Fassung des § 2 AMPreisV war der Festpreiszuschlag nicht enthalten. Die Vorschrift normierte ausschließlich einen Höchstpreiszuschlag, innerhalb dessen Barrabatte und Skonti an Apotheken ausdrücklich zugelassen waren. Dies ist in der Bundestags-Drucksache 16/194 Seite 11 zu Artikel 2 (Änderung des Heilmittelwerbegesetzes) vom 13.12.2005 auch so niedergelegt:
„… Barrabatte an die Apotheken, insbesondere Skonti, bleiben in dem von der Arzneimittelpreisverordnung gesetzten Rahmen zulässig, da der Großhandelszuschlag aufgrund der Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung ein Höchstzuschlag ist, auf dessen Geltendmachung gegenüber der Apotheke der Großhandel bzw. im Falle des Direktbezugs, das pharmazeutische Unternehmen ganz oder teilweise verzichten kann. Dies bleibt auch im Rahmen der Neuregelung zulässig und ist keine unzulässige Zuwendung im Sinne dieser Vorschrift…“
bb) Hiervon ist der Gesetzgeber mit der Neuregelung der AMPreisV zum 01.01.2011 abgerückt. Dies ergibt sich aus der BT-Drucksache 17/2413 vom 06.07.2010 (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP; Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes … in … der … gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG). Hierin heißt es:
„…Der Großhandelszuschlag für Fertigarzneimittel wird neu geregelt und an die Struktur der Apothekenvergütung angeglichen, die durch das GKV-Modernisierungsgesetz zum 1. Januar 2004 von einem rein prozentualen Zuschlag in einen Festzuschlag zuzüglich eines prozentualen Zuschlags umgestellt wurde. Künftig setzt sich auch der Großhandelszuschlag aus einem Festzuschlag in Höhe von 60 Cent je Packung und einem prozentualen Zuschlag von 1,7 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers zusammen… Aufgabe des Großhandels ist es gemäß dem öffentlichen Versorgungsauftrag nach § 52b AMG, an der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln mitzuwirken. Diese Aufgabe ist unabhängig vom Preis eines Arzneimittels zu erfüllen. Der Großhandel erhält im Gegenzug eine Vergütung, die ausreichend ist, eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken zu gewährleisten … Der preisunabhängige Bestandteil ist nicht rabattfähig. Der preisabhängige Zuschlag in Höhe von 1,7 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ist wie der bisherige Großhandelszuschlag als Höchstzuschlag ausgestaltet. Durch den Festzuschlag von 60 Cent ist insgesamt sichergestellt, dass der Großhandel eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken sicherstellen kann. Gleichzeitig gewährleistet der preisabhängige Zuschlag die Finanzierung wertabhängiger Aufwendungen. Der rabattfähige prozentuale Zuschlag gewährleistet dem Großhandel einen gewissen Spielraum bei der Preisgestaltung gegenüber den Apotheken. Insbesondere soll er Funktionsrabatte, zum Beispiel für die Bestellung größerer Mengen, ermöglichen…“
Der Entwurf wurde im Wesentlichen unverändert als Beschluss des Ausschusses in den Bundestag eingebracht und dort mit einem prozentualen Zuschlag von 3,15% und einem Festzuschlag von 70 Cent beschlossen (BT-Drucksache 17/3698 vom 10.11.2010, S. 36).
cc) Hatte der Gesetzgeber mit der Änderung der vorstehenden Verordnung bereits zum Ausdruck gebracht, dass das Gewähren von Rabatten auf den fixen Großhandelszuschlag unzulässig ist, hat er dies mit der Änderung der Vorschrift des § 78 AMG am 01.01.2012 nochmals bekräftigt. Hierzu ist in dem entsprechenden Gesetzesentwurf ausgeführt (BT-Drucksache 17/8005 vom 30.11.2011, S. 136):
„…Die Vorschriften zur Höhe der Großhandelszuschläge und zum Rabattverbot gelten für den Großhandel mit Arzneimitteln (§ 78 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes – AMG – in Verbindung mit § 2 der Arzneimittelpreisverordnung) … Der Großhandelsbegriff des AMG stellt auf die Wahrnehmung der Großhandelsfunktion ab, die grundsätzlich auch von pharmazeutischen Unternehmern wahrgenommen werden kann. Daher gilt der Großhandelszuschlag nach § 2 der Arzneimittelpreisverordnung für alle Unternehmen, die Großhandelsfunktionen ausüben, damit beispielsweise auch für pharmazeutische Unternehmer im Direktvertrieb oder für Apotheken, die entsprechende wirtschaftliche Betätigungen wahrnehmen. Das Gewähren von Rabatten auf den fixen Großhandelszuschlag ist in den oben genannten Konstellationen demnach unzulässig. Dies wird mit der vorliegenden Regelung klargestellt…“
dd) Aus dieser Entstehungsgeschichte der Verordnung ist also zu ersehen, dass der Wille des Gesetzgebers dahin geht, dem Pharmagroßhandel zur Sicherung einer angemessenen und flächendeckenden Belieferung der Apotheken einen als „Festzuschlag“ ausgestalteten Betrag zur Verfügung zu stellen. Um diesen Zweck zu erreichen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgehalten, dass insoweit keine Rabatte gewährt werden dürfen; er hat vielmehr nur den prozentualen Zuschlag als rabattfähig und damit als Instrument der Preisgestaltung gegenüber Apotheken angesehen. Dies hat das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, weil es bei seiner Auslegung von § 2 Abs. 1 AMPreisV im Wesentlichen nur die Materialien zum Gesetzesentwurf im Jahr 2005 (BT-Drucksache 16/194) herangezogen hat. Damit hat sich das Landgericht den Blick auf die seit dem Jahr 2010 veränderte Willensrichtung des Gesetzgebers verstellt, so dass auch seiner Schlussfolgerung, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV nur eine Höchstgrenze, jedoch keine Mindestgrenze festlege, die Basis fehlt. Zu Unrecht beruft sich das Landgericht in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Kammergerichts vom 11.09.2012 (GRUR-RR 2012, S. 78). Gegenstand dieses Verfahrens war ein Wettbewerbsverstoß, der aus dem Jahr 2009 datierte; zu diesem Zeitpunkt war die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV noch ohne Festzuschlag ausgestaltet.
Damit legt nach dem Willen des Gesetzgebers die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV eine Mindestgrenze für den Abgabepreis der dort erfassten Arzneimittel fest. Dieser setzt sich aus dem Herstellerpreis, dem Festzuschlag und der Umsatzsteuer zusammen; lediglich der prozentuale Zuschlag von 3,15% ist der Preisdisposition des Großhandels und seiner Abnehmer unterworfen.
d) Dem Landgericht sowie der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass die Gewährung von Skonti nicht von der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV erfasst sei.
aa) Zuzugeben ist dem Landgericht, dass Skonti grundsätzlich im Gegenzug für eine besonders rasche Zahlung eingeräumt werden. Der Vorteil hiervon mag für die Beklagte entsprechend ihrem Vortrag in der sich hieraus ergebenden Zinsersparnis, der erhöhten Liquidität und dem geringeren Vorfinanzierungsvolumen und Forderungsausfallvolumen zu sehen sein. Diese Vorteile stellen jedoch keine Leistung dar, die die Beklagte von ihren Abnehmern im Gegenzug für die Lieferung von Arzneimitteln erhält. Sie sind lediglich ein Folge davon, dass die Abnehmer der Beklagten zeitnah ihrer Verpflichtung zur Zahlung des nach § 271 BGB sofort fälligen Kaufpreises aus dem jeweiligen Kaufvertrag nachkommen. Auf dieses Skonto haben die Abnehmer also keinen gesetzlichen Anspruch, sondern dieser besteht ausschließlich aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der Beklagten. Damit stellt sich die Einräumung von Skonti als Teil der Preisgestaltung der Beklagten dar. Mit dieser Vereinbarung wird der Kaufpreis für den Fall einer Zahlung innerhalb eines bestimmten Zeitfensters einvernehmlich reduziert. Die Gewährung von Skonti ist damit nichts anderes als eine besondere Art des Preisnachlasses.
Dass dies der Gesetzgeber genauso gesehen hat, wird zum einen aus dem vom 1. Januar 1934 bis zum 25. Juli 2001 geltenden Rabattgesetz deutlich. Zwar ist dieses Gesetz außer Kraft; gleichwohl ist dies das einzige Regelungswerk, in dem der Gesetzgeber explizit den Begriff des „Rabatts“ bestimmt hat. Unter die dort in § 1 Abs. 1 definierten Preisnachlässe (Rabatte) fallen auch die in § 2 geregelten Preisnachlässe für Barzahlung und demnach auch die von der Beklagten gewährten Skonti.
Zum anderen entspricht diese Einordnung auch den vorstehend dargestellten Gesetzesmaterialien zu der Vorschrift des § 2 AMPreisV. In der Bundestags-Drucksache 16/194 vom 13.12.2005 ist ausdrücklich niedergelegt, dass Barrabatte, insbesondere Skonti, zulässig seien. Auch hier wird also das Skonto nur als eine besondere Rabattform angesehen.
bb) Letztendlich ist entscheidend, dass sich das über den Festzuschlag vom Gesetzgeber verfolgte Ziel nur erreichen lässt, wenn dieser nicht, auch nicht über die Gewährung von Skonti, angetastet wird.
(1) Mit der Vorschrift des § 2 AMPreisV will der Gesetzgeber eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern; er hat dies als ein „zentrales gesundheitspolitisches Anliegen“ bezeichnet (BT-Drucksache 17/8005 S. 2). Dieses Ziel soll insbesondere mit dem in der genannten Vorschrift enthaltenen „Festzuschlag“ erreicht werden. Der Gesetzgeber will damit dem Großhandel eine Vergütung verschaffen, die die Erfüllung dieser Aufgabe unabhängig vom Preis eines Arzneimittels gewährleistet. Dieses gesetzgeberische Ziel würde grundsätzlich in Frage gestellt, wenn dieser Festzuschlag ganz oder teilweise nicht gezahlt würde. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn durch die Möglichkeit der Gewährung von Skonti der Wettbewerb unter den Großhändlern im Bereich des Festzuschlags eröffnet würde. Jeder Großhändler hätte dann die Möglichkeit, gegebenenfalls unter Berufung auf die Handelsüblichkeit, durch die Einräumung weiträumiger Zahlungsziele und eines nach eigenem Belieben zu gewährenden Nachlasses de facto einen Preiskampf auch in diesem Bereich entgegen der Intention des Gesetzgebers zu eröffnen. Dies könnte dann zur Folge haben, dass die Belieferung von Fertigarzneimitteln an Apotheken sich punktuell als nicht mehr lukrativ erwiesen und damit nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erfolgten. Würden Skonti nur Großabnehmern gewährt, so würde die Konkurrenzfähigkeit kleinerer Apotheken beeinträchtigt, was zu einer Ausdünnung der Apotheken und damit zu einer Versorgungsbeeinträchtigung führen könnte. Damit würde genau das Szenario eintreten, das der Gesetzgeber mit dem Festzuschlag im Sinne der angemessenen und flächendeckenden Belieferung der Apotheken gerade verhindern will (GmS-OGB, GRUR 2013, 417; BGH GRUR 2016, S. 523 -Arzneimittel-Check-). Aus diesem Grund ist bei dem Verkauf von Fertigarzneimitteln, deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, jegliche Preisgestaltung des Großhändlers unzulässig, die zur Folge hat, dass der Abgabepreis die Summe von Herstellerpreis, Festzuschlag von 0,70 € und Umsatzsteuer unterschreitet.
(2) Soweit die Beklagte der Meinung ist, dass der Festzuschlag von 0,70 € hierfür
(1) jedenfalls in der Höhe nicht benötigt werde, so ist dies unerheblich. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber, wie aus der BT-Drucksache 17/2413 vom 06.07.2010 zu ersehen ist, diesen Zuschlag für das Erreichen des von ihm verfolgten Zwecks erforderlich gehalten hat. Dieser Wertung kann sich die Beklagte jedenfalls solange nicht entziehen, wie sie im Geltungsbereich der AMPreisV tätig ist (s. hierzu GmS-OGB, GRUR 2013, S. 417).
e) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Beschränkung eines Rabatts auf die in § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV festgelegte Obergrenze von 3,15% des Abgabepreis mit Art. 12 GG vereinbar.
Zuzugeben ist der Beklagten, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV als Berufsausübungsregelung in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Berufsausübungsregelungen sind jedoch verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt erscheinen, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist. Hierbei hat der Gesetz- und Verordnungsgeber einen weiten Regelungsspielraum (BVerfG NJW 1974, S. 1317; BVerfG, NJW 2000, S. 1326), der auch im Arzneimittelpreisrecht Anwendung findet (BVerfG, Beschluss vom 31.03.2016, Az.: 2 BvR 929/14 m. w. N.).
In diesem vorgesehen Rahmen ist die Wertung des Gesetzgebers nicht zu beanstanden, dass Fertigarzneimittel im Sinne der Vorschrift des § 1 AMPreisV im Interesse der sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einer Preisbildung unterstellt werden, um so eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu sichern, die durch einen ruinösen Preiswettbewerb der hieran beteiligten Großhändler gefährdet wäre (GmS-OGB a. a. O.; BGH GRUR 2016, S. 523 -ArzneimittelCheck-). Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, welches konkrete System außerhalb eines für alle Wettbewerber gleichermaßen geltenden Festzuschlags dieser Gefahr ebenso wirksam entgegenwirken könnte. Die Beschränkungen sind auch zumutbar, weil eine Preisgestaltungsfreiheit und damit auch eine Abgrenzung zu anderen Großhändlern ausreichend innerhalb des rabattfähigen Preisteils stattfinden können.
f) Aus diesen Gründen ist jeder Großhändler bei Abgabe von Fertigarzneimitteln nach den Vorschriften der § 78 Abs. 1 AMG, § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisVO verpflichtet, den dort normierten Festzuschlag von 0,70 € stets und in vollem Umfang zu erheben (im Ergebnis ebenso Rehmann, AMG, 4. Aufl., § 78 Rnr. 1). Mit ihrem streitgegenständlichen Angebot kommt die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nach. Sie verstößt damit gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne der Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG a. F. Nachdem dieser Verstoß auch geeignet ist, die Interessen anderer Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen, sind auch die Voraussetzung der Vorschrift des § 3a UWG n. F. erfüllt. Deshalb kann der Kläger von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, dass diese bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken Rabatte, die über den Höchstzuschlag von 3,15% hinausgehen, gewährt und auch damit wirbt.
4. Dieser Anspruch folgt auch aus § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG a. F. bzw. § 3a UWG n. F. Die von der Beklagten gewährten Rabatte stellen Zuwendungen für Arzneimittel dar, die entgegen den Preisvorschriften aufgrund des Arzneimittelgesetzes gewährt werden.
5. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ergibt sich aus der Vorschrift des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Höhe des Betrages von 246,10 € ist unstreitig. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 S. 1 BGB.
III. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) liegen vor. Die Rechtsfrage, ob die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV die Gewährung von Skonti und Rabatten über den Betrag von 3,15% des Herstellerabgabepreises hinaus verbietet, ist nicht geklärt. Angesichts der möglichen Auswirkungen auch für die Allgemeinheit gerade im Hinblick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der flächendeckenden, bedarfsgerechten und wohnortnahen medizinischen Versorgung der Bevölkerung hat die Klärung dieser Rechtsfrage auch über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.


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