IT- und Medienrecht

Ablehnung der Einbürgerung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung

Aktenzeichen  M 25 K 19.5485

Datum:
9.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35802
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StAG § 10
StAG § 11

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 26. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 10 Abs. 1 StAG (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Maßgeblich für die von der Klägerin beantragte Einbürgerung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 2/14 -juris – Rn. 10). Abzustellen ist mithin auf das StAG vom 22. Juli 1913 in der Fassung vom 4. August 2019 (BGBl I S. 1124 zuletzt geändert durch Art. 4 V v. 19.6.2020, BGBl. I S. 1328).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbürgerung, da sie bisher nicht ihre türkische Staatsangehörigkeit aufgegeben hat (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG). Die Klägerin verliert ihre türkische Staatsangehörigkeit nicht automatisch durch die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Akzeptanz von Mehrstaatigkeit nach § 12 StAG liegen ebenfalls nicht vor.
Des Weiteren steht der beantragten Einbürgerung der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen.
Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung u.a. ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Unterstützen ist dabei jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d. h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können sich nicht nur aus entsprechenden Handlungen des Ausländers ergeben, sondern auch aus dessen Zugehörigkeit zu einer und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation, die ihrerseits Ziele i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt. Hierfür reicht jede Tätigkeit, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt, namentlich deren innere Organisation und den Zusammenhalt fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer durch Nr. 1 inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. Berlit in: GK StaR, Stand: Oktober 2014, § 11 Rn. 96). Tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können sich nicht nur aus entsprechenden Handlungen des Ausländers ergeben, sondern auch aus dessen Zugehörigkeit zu einer und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation, die ihrerseits Ziele i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt. Hierfür reicht jede Tätigkeit, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt, namentlich deren innere Organisation und den Zusammenhalt fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer durch Nr. 1 inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. Berlit in: GK StaR, Stand: Oktober 2014, § 11 Rn. 96). Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 2.12.2009 – 5 C 24.08 – juris Rn. 16).
Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen nach § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes. Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist auf Grund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 5 ZB 15.808 – juris Rn. 14).
Bei der Beurteilung, ob die Anknüpfungstatsachen je für sich oder in ihrer Gesamtschau nach Inhalt, Art und Gewicht für die Annahme ausreichen, dass der Ausländer Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt oder unterstützt hat, steht der Einbürgerungsbehörde kein Beurteilungsspielraum zu. Das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes, einschließlich der Frage der glaubhaften Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen, unterliegt vielmehr in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwG, U.v. 2.12.2009 – 5 C 24.08 – juris Rn. 17).
Gemessen an diesen Vorgaben ergeben sich bei einer wertenden Gesamtbetrachtung der Aktivitäten der Klägerin mit Bezug zur PKK tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass sie zumindest in der Vergangenheit diese Organisation unterstützt hat.
Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen handelt es sich um eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (VGH Mannheim, U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris; U.v. 2.3.2016 – 11 S 1389/15 mit ausführlicher Begründung, auf die Bezug genommen wird; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16; U.v. 25.7.2017 – 1 C 12/16 – juris).
Die Klägerin hat durch ihre Teilnahme an Demonstrationen sowie ihre Tätigkeit im Rahmen der Veranstaltung im September 2015 die PKK unterstützt.
Die Klägerin hat erstmals in der mündlichen Verhandlung ihre nähere Tätigkeit im Rahmen der im September 2015 in … am … durchgeführten Veranstaltung offenbart, obwohl sie bereits in ihrer sicherheitstechnischen Befragung am 26. September 2017 hinsichtlich ihrer Teilnahme an PKKnahen Veranstaltungen befragt wurde. Nach ihren eigenen Angaben war sie bei dieser von Frau Z. A., einer bekannten PKK Aktivistin in München, organisierten Veranstaltung als Moderatorin aufgetreten. Ihr fiel bei dieser Veranstaltung somit eine bedeutende Funktion zu. Im Rahmen ihrer Tätigkeit hat sie dabei nach eigenen Angaben einen Flyer verlesen, an dessen Inhalt sie sich nach ihren Angaben nicht erinnert. Bei dieser Veranstaltung wurde vor der Bühne eine Fahne mit dem Bildnis Öcalans und dem Text „Freiheit für Herrn Ö.“ gezeigt. An der Bühne war ein Poster befestigt mit der Aufschrift „PKK Verbot aufheben“. Im Lauf dieser Veranstaltung wurde auch ein großes Transparent mit der Aufschrift „Solidarität mit Sengal & Rojava heißt PKK-Verbot aufheben“ gezeigt. Die Klägerin, die in der 1. Reihe steht, hält dieses Transparent mit weiteren Personen. Dieses Verhalten zeigt, dass die Klägerin die Ziele der PKK billigt und diese unterstützt. Als junge Frau, die bei dieser Veranstaltung in herausgehobener Position auftrat, vermag sie insbesondere junge Leute für die PKK zu mobilisieren und so deren Aktionsmöglichkeiten und Fortbestand durch eine größere Teilnehmerzahl fördern.
Im Hinblick auf die Funktion bei dieser Veranstaltung ergeben sich auch bei einer wertenden Gesamtbetrachtung tatsächliche Anhaltspunkte für die Unterstützung der PKK oder deren Nachfolgeorganisationen durch die Teilnahme der Klägerin an diversen Veranstaltungen ab dem Jahr 2011/2012. Nach ihren eigenen Angaben hat sie, nachdem sie bereits als Kleinkind von ihren Eltern zu Veranstaltungen in München mitgenommen wurde, im 17. bzw. 18. Lebensjahr (2011/2012) erstmals an Veranstaltungen in München teilgenommen. Des Weiteren hat sie in den Jahren 2014/15 und wohl 2016 an zwei in Köln durchgeführten Großveranstaltungen, welche auch von der NAV-DEM (Dachverband der PKKnahen Vereine in Deutschland, vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 S. 83) organisiert wurden, teilgenommen. Auch in den Jahren 2015/2016 hat sie an einer weiteren Großveranstaltung in Nordrhein-Westfalen teilgenommen. Die Angabe der Klägerin, sie könne sich an den genauen Zeitpunkt der Veranstaltung sowie das Thema bzw. den genauen Ort nicht erinnern, erscheint für das Gericht wenig glaubhaft. Vielmehr ist es naheliegend, dass die Klägerin derart ungenaue Angaben macht, um eine nähere Zuordnung zu den jeweiligen Veranstaltungen zu erschweren. Ihre Angabe in der sicherheitsrechtlichen Befragung, sie habe diese Veranstaltungen hauptsächlich besucht, um ihre Verwandten zu treffen, hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht mehr wiederholt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung eingestanden, gute Türkischkenntnisse zu haben, sodass sie die Redebeiträge an diesen Veranstaltungen auch verstehen konnte. Durch die Teilnahme an diesen Veranstaltungen hat sie die Übereinstimmung mit den Zielen der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen zum Ausdruck gebracht, und diese unterstützt, indem sie deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst und deren Aktionsmöglichkeiten erweitert (BVerwG, U. v. 15.3.2005, NVwZ 2005, 1091).
Weitere tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung der PKK durch die Klägerin ergeben sich aus dem persönlichen Umfeld, in dem sich die Klägerin bei Demonstrationen aufhält. Nach ihren eigenen Angaben sowie den Angaben des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Polizeibeamten hält sie sich bei Demonstrationen, die auch in jüngster Zeit (vor ca. 2-3 Wochen) in München standfanden, oftmals in der 1. Reihe des Demonstrationszugs gemeinsam mit Herrn Y. B2. und Frau Z. A. (bekannten PKK-Aktivisten) auf. Damit bringt sie ihre Unterstützung für diese Personen sowie die von diesen verfolgten Ziele zum Ausdruck und mobilisiert insbesondere junge Leute für die PKK.
Auch die von der Klägerin eingeräumten Besuche im kurdischen Gesellschaftszentrum München ab dem Jahr 2012/2013, welche isoliert betrachtet wohl unbeachtlich wären, bestärken in der Gesamtbetrachtung im Hinblick auf oben genannten Aktivitäten die Annahme, dass die Klägerin die Ziele der PKK unterstützt und billigt. Der Verein Kurdisches Gesellschaftszentrum München e.V. ist der Nachfolgeverein des Mesopotamien Kulturzentrums und Mitglied in der NAV-DEM. Dieser Verein, der sich nach außen als reiner Kulturverein darstellt, hat die Aufgabe, unter Anhängern die Ziele und Politik der PKK zu verbreiten und zu fördern. In den Räumlichkeiten dieser Vereine finden regelmäßig neben kulturellen Veranstaltungen auch solche mit PKK-Bezug statt (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 85). Nach eigenen Angaben hat die Klägerin dort auch Reden von Herrn Y. B2., einem bekannten PKK Aktivisten, gehört. Ihre Angaben, dass sie dieses Zentrum zum gemeinsamen Frühstück am Sonntag sowie zum Besuch von Tanzkursen aufgesucht habe, ist insoweit nicht glaubhaft. Erst seit dem Jahr 2018 hat sie diese Besuche nach eigenen Angaben gänzlich eingestellt.
Die oben genannten Tätigkeiten rechtfertigen somit die Annahme, dass die Klägerin zumindest in der Vergangenheit die PKK aktiv unterstützt hat.
Es kommt somit nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, wie das Verhalten der Klägerin anlässlich einer Veranstaltung auf dem R.platz in München im September 2017 zu bewerten ist. Gleiches gilt für die Einordnung der Umstände anlässlich der Hausbesetzung der SPD Parteizentrale am 20. März 2018.
Die Klägerin hat nicht erkennbar und glaubhaft von ihrem sicherheitsgefährdendem Handeln Abstand genommen. Ein Abstandnehmen in diesem Sinne setzt einen individuellen Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig ein sicherheitsgefährdendes Handeln des Betreffenden auszuschließen ist. Hierzu bedarf es eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die zeigen, dass sich die Klägerin nunmehr von zurückliegenden Aktivitäten erkennbar und aus innerer Überzeugung distanziert. Eine derartige Erklärung bzw. ein kritisches Auseinandersetzen mit den Zielen der PKK ist bei der Klägerin nicht erkennbar.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat sie angeführt, dass sie, seit sie eine feste Beziehung mit ihrem Freund habe und im April 2020 mit diesem eine eigene Wohnung bezogen habe, ihre bisherige Einstellung zur PKK kritisch hinterfrage. Sie steht somit erst am Beginn des erforderlichen Lernprozesses, sodass von einem glaubhaften Abwenden derzeit noch nicht gesprochen werden kann.
Die Klage ist somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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