Aktenzeichen 2 BvR 1646/10
§ 32 Abs 1 BVerfGG
§ 66 StGB
Verfahrensgang
vorgehend OLG Nürnberg, 24. Juni 2010, Az: 1 Ws 315/10, Beschluss
Gründe
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1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig
regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten
ist. Auch in einem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (vgl. BVerfGE
66, 39 ; stRspr). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen
werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Verfassungsbeschwerde von vornherein
als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht
hingegen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber
Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der
Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 87, 334 ; 89, 109 ; stRspr).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Die aufgeworfenen Rechtsfragen
werden im Hauptsacheverfahren zu klären sein.
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3. Die danach gebotene Folgenabwägung führt zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Erginge die
einstweilige Anordnung nicht, hätte aber die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, so entstünde dem Beschwerdeführer in der
Zwischenzeit durch den Vollzug der Sicherungsverwahrung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher
Freiheit. Wenn die einstweilige Anordnung erginge und der Verfassungsbeschwerde später der Erfolg zu versagen wäre, entstünden
ebenfalls schwerwiegende Nachteile. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat auf der Grundlage eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens
nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten (sexueller Missbrauch von Kindern,
Vergewaltigung) habe und deshalb im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Delikte verüben werde,
durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schweren Schaden nehmen würden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Bewertung
zugrundezulegen, weil der Beschwerdeführer es versäumt hat, die in den Entscheidungen angeführten, von ihm im Ergebnis für
unzutreffend erachteten Gutachten vorzulegen oder ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben. Angesichts der besonderen
Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers
an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.