IT- und Medienrecht

Abwehr von Beeinträchtigungen durch gemeindlichen Bolzplatz

Aktenzeichen  M 28 K 19.5408

Datum:
4.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 50834
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 21
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 86 Abs. 1, § 117 Abs. 3 S. 2, § 124 a Abs. 1 S. 1, § 124 a Abs. 4, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 2
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist auch der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eröffnet, da sich die Klägerin gegen Immissionen und sonstige Beeinträchtigungen eines vom Beklagten als öffentliche Einrichtung betriebenen Bolzplatzes wehrt. Die Klage ist aber in den Haupt- und Hilfsanträgen nicht begründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, den Bolzplatz zu beseitigen.
a) Anzumerken ist insoweit zunächst, dass ein auf Bauordnungs- und/oder Bauplanungsrecht gestützter Anspruch schon deshalb nicht in Betracht kommt, da ein entsprechender Anspruch gegen den Freistaat Bayern zu richten wäre. Auch blieb die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten durch das zuständige Landratsamt unangefochten.
b) Gegen den Beklagten gerichtet kann sich die Klägerin mit ihrem Begehren grundsätzlich auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch stützen (vgl. im Einzelnen: BayVGH, U.v. 6.2.2015 – 22 B 12.269 – juris Rn. 21 f.; VGH BW, U.v. 23.5.2014 – 10 S 249/14 – juris Rn. 23). Voraussetzung hierfür wäre im Wesentlichen, dass die Klägerin durch dem Beklagten zurechenbare Immissionen oder sonstige Beeinträchtigungen in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wird, sie keine öffentlich-rechtliche Duldungspflicht trifft und für den Beklagten keine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Störungsbeseitigung besteht. Der Betreiber des Bolzplatzes ist dabei in erster Linie für die durch die bestimmungsgemäße Nutzung der öffentlichen Einrichtung verursachten Immissionen verantwortlich. Für Störungen durch Nutzungen außerhalb dieses Rahmens ist der Betreiber nur verantwortlich, wenn sich in dem bestimmungswidrigen Verhalten eine mit der Einrichtung verbundene besondere Gefahrenlage realisiert und damit der Fehlgebrauch bei einer wertenden Betrachtungsweise als zurechenbare Folge der Schaffung bzw. des Betriebs der Einrichtung anzusehen ist (VGH BW, B.v. 19.4.2017 – 10 S 2264/16 – juris Rn. 7).
Vorliegend schilderten die Beteiligten die tatsächliche Nutzung des gemeindlichen Bolzplatzes und die dadurch unmittelbar und mittelbar ausgelösten Auswirkungen auf das Nachbargrundstück der Klägerin im gerichtlichen Verfahren gänzlich unterschiedlich. Dies betrifft den Nutzerkreis des Bolzplatzes (nur Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren oder auch Erwachsene), die Nutzungszeiten (nur innerhalb der festgelegten Nutzungszeiten von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr oder auch nachts) und vor allem die Begleitumstände der Nutzung; u.a. behauptet die Klägerseite einen praktisch durchgehenden Spielbetrieb mit entsprechenden Emmissionen des Spielbetriebs, ständig auf das Grundstück der Klägerin fallende Bälle, nächtliche Feiern mit Begleiterscheinungen wie im Bereich des klägerischen Grundstücks urinierende und sexuelle Handlungen vollziehende Personen, ständige Beleidigungen und Beschimpfungen der im Anwesen der Klägerin wohnenden Personen u.a.. Der Beklagte hingegen hat dem Gericht gegenüber glaubhaft dargelegt, die Nutzung des Bolzplatzes regelmäßig durch gemeindliche Mitarbeiter (bis hin zum Geschäftsleiter selbst) regelmäßig und auch außerhalb der Dienstzeiten zu überwachen, dabei aber für die Behauptungen der Klägerin keine Anhaltspunkte festgestellt zu haben. Auch seien dem Beklagten von den weiteren angrenzenden Wohngrundstücken keine Beschwerden bekannt geworden.
Angesichts dieser diametral auseinanderfallenden Darstellung der tatsächlichen Begebenheiten war für das Gericht auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) keine hinreichend aktuelle (das „Lärmtagebuch“ der Klägerin stammt aus dem Jahr 2016) und verwertbare Tatsachengrundlage für eine eigene Überprüfung und rechtliche Bewertung des Falles gegeben. Das Gericht hat vor diesem Hintergrund die Beteiligten im Erörterungstermin vom 5. April 2019 aufgefordert (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO), die Sommersaison 2019 dazu zu nutzen, eine möglichst einvernehmliche und überprüfungsfähige Bestandsaufnahme der tatsächlichen Nutzung des Bolzplatzes anzustreben und diese aus Sicht beider Beteiligten zu dokumentieren. Der Beklagte hat dazu durch Benennung des telefonisch für die Klägerin innerhalb und außerhalb der Dienstzeiten erreichbaren Jugendreferenten des Marktgemeinderats der Klägerseite ermöglicht, dass bei störenden Ereignissen die Situation vor Ort von beiden Beteiligten konkret und aktuell verifiziert und dokumentiert wird. Hiervon hat die Klägerin indes während der Sommersaison 2019 ohne für das Gericht nachvollziehbaren Grund keinen Gebrauch gemacht, so dass weder für den Beklagten noch für das Gericht eine hinreichend aktuelle, überprüfbare, verlässliche und – im Fall der Bestätigung – bewertbare Grundlage zur tatsächlichen Nutzung des Bolzplatzes und möglicher Begleiterscheinungen besteht.
Dies wirkt sich zu Lasten der Klägerin aus, da dem Gericht eine eigene Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachengrundlagen in dieser Konstellation naturgemäß selbst weder möglich noch zumutbar ist. Die gerichtliche Amtsermittlung wird insoweit durch die Mitwirkungslast der Beteiligten begrenzt (vgl. hierzu: Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 86 Rn. 48 ff., 60 ff.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 VwGO Rn. 45 f.). Da die Klägerin in ihr zurechenbarer Weise verhindert hat, dass die streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachen aufgeklärt werden, muss sie sich so behandeln lassen, wie wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des öffentlichen-rechtlichen Abwehranspruchs als widerlegt anzusehen wären.
c) Nicht entscheidungserheblich anzumerken bleibt: Nach dem Eindruck des Berichterstatters aus der persönlichen Darstellung der behaupteten Beeinträchtigungen durch die Klägerin im Erörterungstermin deutet viel darauf hin, dass die von der Klägerin als besonders störend und für ihre Lebensführung vor Ort belastend empfundenen Beeinträchtigungen – etwa die behaupteten Beleidigungen, Anfeindungen und Sachbeschädigungen am klägerischen Anwesen – nicht aus dem Spielbetrieb des Bolzplatzes an sich herrühren, sondern aus einer sich über mehrerer Jahre „hochschaukelnden“ Konfliktsituation zwischen den regelmäßigen Nutzern des Bolzplatzes und den diesen Nutzern in ihrer strikten Ablehnung des Spielbetriebs bekannten Bewohnern des Anwesens der Klägerin. Einiges spricht dafür, dass es sich bei diesen behaupteten Beeinträchtigungen um Exzesse und dem Beklagten nach dem o.g. rechtlichen Maßstab nicht mehr zurechenbare Störungen handelt. Der Versuch der Klägerin, dieser Situation auf juristischem Weg mit dem Ziel einer Beseitigung des Bolzplatzes zu begegnen, erscheint insoweit nach bisherigem Kenntnisstand der Kammer kaum erfolgversprechend. Der Klägerin wäre stattdessen anzuraten, außergerichtliche Wege zur Deeskalation und Konfliktlösung vor Ort zu beschreiten. Dass dies den Beklagten nicht davon entbindet, auch künftig die bestimmungsgemäße und in Bezug auf den Nachbarschutz gesetzeskonforme Nutzung des Bolzplatzes regelmäßig zu überwachen, wurde seitens der Kammer bereits in der mündlichen Verhandlung betont.
2. Auch der Klageantrag, den Beklagten zu verpflichten, durch geeignete und ausreichende Maßnahmen sicherzustellen, dass der Bolzplatz nur im Rahmen der ausgeschilderten Nutzungsbeschränkung genutzt wird, bleibt ohne Erfolg.
Wie bereits oben (1. b)) dargelegt, hat die Klägerseite die ihr obliegende substantiierte und durch das Gericht bewertbare Darlegung einer möglicherweise über die ausgeschilderte Nutzungsbeschränkung hinausgehenden und sie in schützenswerten Rechtspositionen beeinträchtigenden Nutzung nicht erbracht.
3. Aus dem gleichen Grund bleibt schließlich auch der Antrag der Klägerin, den Beklagten zu verpflichten, über den – seitens des Beklagten förmlich nicht verbeschiedenen – Antrag der Klägerin vom 20. Oktober 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, ohne Erfolg. Soweit die Klägerseite im Übrigen eine Befassung des Marktgemeinderats mit dem Anliegen erwartete, dürfte hierauf ohnehin kein Anspruch bestehen (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO) und hat sich der Erste Bürgermeister des Beklagten im Übrigen jedenfalls auch in dem Vermittlungsgespräch vom 28. Mai 2019 mit dem Anliegen der Klägerin befasst.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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