IT- und Medienrecht

Anforderungen an Sachvortrag zur Begründung des deliktischen Gerichtsstands – Abgasskandal

Aktenzeichen  20 O 4286/16

Datum:
11.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155618
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 32
StGB § 263
BGB § 826, 823 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein schlüssiger Vortrag zu einer Täuschungshandlung im Zusammenhang mit dem Abgasskandal setzt voraus, dass der Kläger darlegt, welche Fahrzeuge überhaupt unter die in der Öffentlichkeit diskutierten Falschangaben zu den Abgaswerten fallen und dass bzw. weshalb sein konkret erworbenes Fahrzeug zur Gruppe dieser Fahrzeuge gehören soll. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Gericht ist nicht zuzumuten, sich aus der öffentlichen Berichterstattung Tatsachenbehauptungen zu einem geltend gemachten Anspruch aus §§ 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zusammenzusuchen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage war als unzulässig abzuweisen, da die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I nicht gegeben ist. Insbesondere ist der Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht eröffnet.
Zur Begründung der Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO ist es erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt (sog. doppeltrelevante Tatsachen; vgl. Zöller, ZPO, 30. Auflage, Rz. 19 zu § 32 ZPO). Den Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag genügt aber nicht die pauschale Behauptung von Tatbestandsmerkmalen. Vielmehr ist ein Sachverhalt substantiiert darzutun, aus dem sich ergibt, dass ein Deliktstatbestand erfüllt ist.
Der Kläger behauptet hier, einen Anspruch gemäß § 823 II BGB in Verbindung mit § 263 StGB zu besitzen. Dies ist jedoch nicht schlüssig und substantiiert dargetan. Ebensowenig leigt kein schlüssiger Sachvortrag zu § 826 BGB vor.
§ 263 StGB setzt eine Täuschungshandlung voraus, die kausal für eine Fehlvorstellung (Irrtum) beim Geschädigten sein muss, die wiederum kausal für eine Vermögensverfügung – hier der Kauf des Fahrzeugs- gewesen sein muss.
Es fehlt im vorliegenden Fall schon an der schlüssigen Darlegung einer Täuschungshandlung. Der Kläger hat nicht einmal vorgetragen, welche Fahrzeuge überhaupt unter die in der Öffentlichkeit diskutierten Falschangaben zu den Abgaswerten fallen und dass weshalb sein konkret erworbenes Fahrzeug zur Gruppe dieser Fahrzeuge gehören soll.
Nicht ansatzweise wird seitens der Klagepartei zudem dargelegt, was Inhalt der Manipulationen, also der Täuschungshandlung, gewesen sein soll. Insoweit ist der Sachverhalt auch nicht gerichtsbekannt. Gerichtsbekannt ist lediglich, dass in der öffentlichen Berichterstattung überhaupt Manipulationen diskutiert werden. Die Vorlage von Zeitungsberichten ersetzt insoweit keinen Sachvortrag. Dem Gericht ist nicht zuzumuten, sich aus der öffentlichen Berichterstattung entsprechende Tatsachenbehauptungen zusammenzusuchen, zumal die öffentliche Berichterstattung mehr Ausdruck allgemeiner Empörung als fundierte Sachdarstellung ist. Bei allem Verständnis für dafür, dass der einzelne Käufer Schwierigkeiten hat, Einblick in die Geschehnisse im einzelnen zu gewinnen, bleibt es im Rahmen einer Klage doch Aufgabe der Klagepartei, sich um einen nachvollziehbaren Tatsachenvortrag zu bemühen. Dieser fehlt hier völlig.
Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, ob und in welcher Art und Weise er Kenntnis von bestimmten Werten erlangt hat so dass bei ihm überhaupt Fehlvorstellungen geweckt werden konnten und inwieweit die falschen Werte ausschlaggebend für seine Kaufentscheidung waren. Soweit der Kläger angibt auf die Werbeaussage „umweltfreundlich“ vertraut zu haben, liegt kein nachvollziehbarer Sachvortrag dazu vor, was der Kläger unter „umweltfreundlich“ verstanden hat und inwieweit das erworbene Fahrzeug tatsächlich nicht umweltfreundlich ist, abgesehen davon, dass der Kläger nicht einmal darlegt, woher er die Werbeaussage entnommen hat. Inwieweit eine Werbeaussage überhaupt Gegenstand einer Täuschung und Irrtumserregung sein kann, kann daher offen bleiben.
Ebenso wenig kommt es noch darauf an, inwieweit ein Schaden von EUR 7.500,00 überhaupt schlüssig dargetan ist.
Letztlich hat der Kläger lediglich vorgetragen, ein vom „Abgasskandal“ betroffenes Fahrzeug erworben zu haben. In dieser Pauschalität sind die Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag zum Deliktstatbestand des Betrugs nicht erfüllt.
Die örtliche Zuständigkeit des § 32 ZPO ist damit nicht eröffnet, weshalb die Klage als unzulässig abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Verkündet am 11.01.2017


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