IT- und Medienrecht

Anordnung eines Arrestes wegen Zahlung des Pflichtanteils

Aktenzeichen  13 O 446/18

Datum:
16.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31693
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 2303 Abs. 1, § 2311 Abs. 1 S. 1, § 2333, § 2339 Abs. 1, § 2345 Abs. 2
ZPO § 916 Abs. 1, § 917 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Allein die Angabe “seelische Grausamkeiten” im Testament zur Begründung eines Pflichtteilsentzuges ist weder für eine Entziehung des Pflichtteils nach § 2333 BGB ausreichend, noch führt er gemäß § 2339 Abs. 1 iVm § 2345 Abs. 1 BGB zu einer Pflichtteilsunwürdigkeit. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Arrestgrund im Sinne des § 917 Abs. 1 ZPO liegt bereits dann vor, wenn eine objektive Gefährdung der Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs besteht. Für diese objektive Gefährdung ist es ausreichend, dass der Pflichtteilsberechtigte auf Barvermögen aufgrund der Flüchtigkeit schwerer zugreifen kann, als auf Immobiliarvermögen, sogar, wenn der Verpflichtete die Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstandes nur beabsichtigt.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Wegen Pflichtteilsforderung in Höhe von 106.500,00 € nebst einer Kostenpauschale von 10.000,00 € wird der dingliche Arrest in das Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Vollziehung des Arrests wird bei Hinterlegung durch die Antragsgegnerin von 116.500,00 € gehemmt.
4. In Vollziehung des Arrests wird bis zu einem Höchstbetrag von 116.500,00 € gepfändet die Forderung der Antragsgegnerin auf Zahlung des Kaufpreises gegen Herrn G. Sch1, H6-A1.-Str. 4, 8. W1. – zugleich Drittschuldner – aus dem zwischen der Antragsgegnerin und Herrn G. Sch1 am 27.12.2017 geschlossenen Immobilienkaufvertrag (Notar Ch. H6, W1, UR-Nr. …).
Dem Drittschuldner wird verboten, den Höchstbetrag an die Antragsgegnerin zu leisten.
Der Antragsgegnerin wird geboten, sich jeder Verfügung über die gepfändete Forderung zu enthalten.
5. Der Streitwert wird auf 35.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag ist begründet. Es liegen sowohl Arrestanspruch als auch Arrestgrund vor.
I.
1. a) Der Arrestanspruch (§ 916 ZPO) folgt für sämtliche Antragsteller aus § 2303 Abs. 1 BGB. Die Antragsteller sind sämtlich Abkömmlinge des Erblassers, die durch das Testament vom 5. Juli 1997 von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Ein Pflichtteilsanspruch wurde auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) glaubhaft gemacht. Im Testament vom 5. Juli 1997 verweist der Erblasser für seinen Wunsch, der Antragstellerin zu 2) den Pflichtteil zu entziehen, lediglich auf „seelische Grausamkeiten“. Ein solcher Grund berechtigt weder zu einer Entziehung des Pflichtteils gemäß § 2333 BGB noch führt er gemäß § 2339 in Verbindung mit § 2345 BGB zu einer Pflichtteilsunwürdigkeit. Der nunmehr von der Antragsgegnerin geltend gemachte Messerangriff ist für die Frage der Pflichtteilsentziehung irrelevant, weil die Gründe für die Pflichtteilsentziehung gemäß § 2336 BGB in der Verfügung von Todes wegen aufgeführt sein müssen. Angesichts der erheblichen Diskrepanz zwischen seelischer Grausamkeit einerseits und einem Messerangriff andererseits bestehen derzeit aber auch keine überwiegenden Gründe anzunehmen, dass die Antragstellerin zu 2) aufgrund eines Messerangriffs zu Lasten des Erblassers erbunwürdig sei.
b) Hinsichtlich der Höhe des Pflichtteilsanspruchs geht das Gericht – wie die Antragsteller – von einem Nachlasswert in Höhe von mindestens 284.000 € aus. Gemäß § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB ist zwar der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls am 24. November 2016 maßgeblich. Das Wertgutachten kommt für den 16. März 2017 auf einen Schätzwert von 210.514 € und damit auf einen erheblich niedrigeren Betrag, als er dem Kaufpreis aufgrund des Kaufvertrags vom 27. Dezember 2017 entspricht. Das Gericht geht ungeachtet der generellen Wertsteigerung von Grundstücken im Großraum München nicht davon aus, dass die Diskrepanz zwischen dem Schätzwert aus dem Wertgutachten und dem Kaufpreis auf eine solche Wertsteigerung in der relativ kurzen Zeit zwischen dem Bewertungstag des Gutachtens und dem Datum des Kaufvertragsschlusses zurückgeht, sondern dass der Verkehrswert tatsächlich entsprechend dem Kaufpreis sowohl am 16. März 2017 als auch am 27. Dezember 2017 über dem Schätzwert lag. Desweiteren geht das Gericht davon aus, dass auch zwischen den 24. November 2016 und dem 16. März 2017 angesichts des kurzen Zeitabstands keine maßgebliche Wertsteigerung stattfand. Nachlassschulden wurden von der Antragsgegnerin nicht geltend gemacht.
Gemäß § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht der Pflichtteil in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, für die Antragsteller also gemäß §§ 1924, 1931 Abs. 1 BGB in jeweils 1/8 und damit jeweils in einem Betrag von 35.500 €.
c) Der Arrestanspruch umfasst auch die voraussichtlichen Kosten, die durch die streitige Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche sowie durch das Arrestverfahren entstehen werden bzw. entstanden sind. Die von den Antragstellern insoweit geschätzten 10.000 € sind aus Sicht des Gerichts angemessen.
2. Der Arrestgrund (§ 917 ZPO) folgt aus der Tatsache, dass das verkaufte Grundstück den wesentlichen Nachlasswert ausmacht. Eine rechtswidrige oder anderweit in der Absicht erfolgte Handlung der Antragsgegnerin, durch die Veräußerung der Immobilie die Zugriffsmöglichkeit für die Pflichtteilsberechtigten zu erschweren, ist für die vom Gesetz geforderte Besorgnis der Vollstreckungserschwerung nicht erforderlich. Ausreichend ist allein die objektive Gefährdung der Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs. Für diese objektive Gefährdung ist es ausreichend, dass der Pflichtteilsberechtigte auf Barvermögen aufgrund dessen Flüchtigkeit schwerer zugreifen kann als auf Immobiliarvermögen, sogar wenn der Verpflichtete die Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstandes nur beabsichtigt (siehe OLG München, Beschluss vom 30.05.2006, 12 UF 1118/06, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.10.1996, 2 UF 140/96, juris). Vorliegend ist die Veräußerung bereits erfolgt und die Fälligkeit des Kaufpreises steht nach den Vertragsbedingungen kurz bevor.
Ob bis dahin das Nachlassverzeichnis des Notars fertiggestellt ist, ist unklar. Selbiges gilt für die Antwort auf die Frage, ob die Antragsgegnerin nach Fertigstellung des Nachlassverzeichnisses unmittelbar die Ansprüche der hiesigen Antragsteller befriedigt, nachdem die Beauftragung eines Notars mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses trotz der klaren gesetzlichen Regelung in § 2314 BGB noch nach den Anwaltsschreiben vom 20. April 2017 und 29. Mai 2017 vom Antragsteller zu 1) eingeklagt werden musste.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.


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