IT- und Medienrecht

Anspruch auf Buchauszug

Aktenzeichen  10 HK O 23441/15

Datum:
9.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 122251
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 362
HGB § 87c Abs. 2, Abs. 5
ZPO § 167

 

Leitsatz

1. Das Hinnehmen der Abrechnungen ist kein Verzicht auf den Anspruch auf Buchauszug; eine Genehmigungsfiktion kann insoweit nicht angenommen werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Aufgabe, einen geordneten und verständlichen Buchauszug zu erstellen, der sämtliche provisionsrelevanten Informationen enthält,obliegt allein dem Unternehmer, so dass es nicht Aufgabe des Handelsvertreters ist, sich aus einem Konvolut von Unterlagen diejenigen Angaben herauszuziehen, die in einen Buchauszug gehören (stRspr BGH BeckRS 2006, 12946). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug zu erteilen, der in klarer, übersichtlicher und EDV-verwertbarer Form Auskunft über sämtliche Geschäfte gibt, die die … Ltd. ab dem 01.01.2012 mit den in den Postleitzahlengebieten 20-29, 30-31, 34, 37-38 und Kassel (Vertragsgebiet) ansässigen Kunden über Waren der … als den Kollektionen

(Vertragsprodukte) abgeschlossen hat, bei denen die Bestellung des jeweiligen Kunden
– für Waren der Marke … aus der Kollektion … bis zum 30.06.2015 und
– für Waren der … aus Kollektionen … bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, längstens aber bis zum 31.12.2015 bei der Beklagten eingegangen ist mit Ausnahme von Umsätzen,
– die die … über Outlets oder Stand-alone Geschäfte, das heißt von der Beklagten oder der … selbst betriebene Geschäfte erzielt hat,
– die von der … im Vertragsgebiet mit Vertragsprodukten erzielt werden/wurden, die aus anderen Ländern als Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Niederlande und/oder Luxemburg geliefert wurden.
Der Buchauszug hat dabei insbesondere Angaben zu den nachstehenden Punkten zu enthalten:
– Name und Anschrift des Kunden,
– Kundennummer,
– Nummer, Datum und Inhalt der Aufträge (Artikel, Stückzahl und Warenwert in Euro ohne Mehrwertsteuer, Lieferzeiten, Nachlässe, Zahlungskonditionen),
– Nummer, Datum und Inhalt der Auftragsbestätigungen (Artikel, Stückzahl und Warenwert in Euro ohne Mehrwertsteuer, Lieferzeiten, Nachlässe, Zahlungskonditionen),
– Nummer, Datum und Inhalt der Rechnungen (Artikel, Stückzahl und den Kunden von der Beklagten gelieferter und in Rechnung gestellter Warenwert ohne Mehrwertsteuer),
– Angaben zu uneinbringlichen Kaufpreisforderungen mit dem Nachweis über Mahnung, Klage und Vollstreckungsversuch,
– Angaben zu bestätigter, aber nicht ausgelieferter Ware (Artikel, Stückzahl und Warenwert in Euro ohne Mehrwertsteuer),
– Nummer, Datum und Inhalt der Gutschriften, mit denen Kunden zurückgesandte Waren gutgeschrieben worden sind (Kunden gutgeschriebener Warenwert ohne Mehrwertsteuer) mit Angabe der Retourengründe sowie der Nummer und dem Datum der Rechnung, mit der dem Kunde die retournierte Ware in Rechnung gestellt worden ist.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, diese Sicherheit durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1 und Abs. 3 BGB zur Sicherheitsleistung geeignet sind.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in der ersten Stufe begründet, so dass Teilurteil ergehen konnte.
1. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs ist gemäß § 87 c Abs. 2 HGB begründet. Zwischen den Parteien besteht unzweifelhaft ein Handelsvertreterverhältnis. Das Bestreiten der Beklagten ist pauschal und unbeachtlich.
Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs ist nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft. Er dient der Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Provisionsabrechnungen. Es muss auch keine Klage auf Zahlung von Provisionen anhängig sein, außerdem macht der Kläger mit der Stufenklage einen unbezifferten Provisionsanspruch geltend. Die von der Klägerin verlangten Informationen sind diejenigen, auf die der Handelsvertreter als Vermittlungsvertreter nach der ständiger Rechtsprechung Anspruch hat. Das Hinnehmen der Abrechnungen ist auch kein Verzicht auf den Anspruch auf Buchauszug, eine Genehmigungsfiktion kann insoweit nicht angenommen werden. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf § 8 Abs. 2 des Vertrages vom 22.09.2016 berufen, da diese Vertragsklausel gemäß § 87 c Abs. 5 HGB unwirksam ist.
Verwirkung liegt ebenfalls nicht vor; Umstände, welche die Annahme einer Verwirkung zulassen würden, sind nicht ersichtlich.
Schließlich wurde der Anspruch auf Buchauszug auch außergerichtlich geltend gemacht.
Der Beklagten ist es nicht gelungen darzulegen und nachzuweisen, dass der Anspruch auf Buchauszug bereits erfüllt wurde (§ 362 BGB).
Die von der Beklagten erteilten Abrechnungen B1 vom 30.01.2016 enthalten nicht sämtliche für einen Buchauszug erforderlichen Informationen und stellen daher keine Erfüllung dar. Es fehlen Angaben zu den Einzelheiten der erteilten Aufträge, sämtliche Angaben zu Auftragsbestätigungen, uneinbringlichen Kaufpreisforderungen, bestätigter aber nicht ausgelieferter Ware sowie Gutschriften und Retourengründen.
Die Beklagte hat zwar eine weitere Abrechnung aus dem Jahr 2016 in Anlage B 3 vorgelegt, aus der sich weitere Informationen ergeben. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat jedoch nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass sämtliche Abrechnungen im streitgegenständlichen Zeitraum diese Informationen enthalten haben. Die Beklagte hat hierzu weder im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.05.2016, noch im diesbezüglich nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen. Der Kläger muss sich wegen der auf Grund der sich aus den vorgelegten Abrechnungen ergebenden Informationen auch nicht auf eine Ergänzung der von der Beklagten bereits mit den vorliegenden Provisionsabrechnungen teilweise erteilten Auskünfte verweisen lassen, denn der Kläger hat Anspruch auf einen Buchauszug als geordnete und übersichtliche Zusammenstellung. An der erforderlichen Übersichtlichkeit fehlt es bereits deshalb, weil mangels entsprechenden Sachvortrags und Vorlage von Abrechnungsbeispielen aus vergangenen Jahren nicht davon ausgegangen werden kann, dass sämtliche Abrechnungen im streitgegenständlichen Zeitraum nur einige wenige Informationen nicht enthalten.
Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit dem Buchauszug begehrten Informationen Auftragsbestätigungen, Orderbüchern und dem sogenannten „… vollständig für den Kläger zu entnehmen wären. Denn nach ständiger einheitlicher Rechtsprechung ist es nicht Aufgabe des Handelsvertreters sich aus einem Konvolut von Unterlagen diejenigen Angaben herauszuziehen, die in einen Buchauszug gehören, um sich auf diese Weise quasi selbst einen Buchauszug zusammenzustellen. Die Aufgabe einen geordneten und verständlichen Buchauszug, der sämtliche provisionsrelevante Informationen enthält, zu erstellen obliegt kraft Gesetzes allein dem Unternehmer, hier also der Beklagten (vgl. z.B. BGH Urteil vom 20.09.2006, Az. VIII ZR 100/05, OLG München, Urteil vom 03.11.2010, Az. 7 U 3083/10, OLG Hamm, Urteil vom 21.03.1997 Az. 35 U 24/96 und weitere Ansprüche). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach Ende der vertraglichen Beziehungen keinen Zugang zu dem … der Beklagten hat; der Kläger war auch nicht verpflichtet, sich die für einen Buchauszug erforderlichen Informationen vorsorglich vor Vertragsende aus dem … zusammenzustellen.
4. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf Verjährung berufen.
Die Klage ist am 22.12.2015 bei Gericht eingegangen und wurde demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom 28.12.2015 festgesetzt, welcher dem Klägervertreter am 05.01.2016 (EB) zuging. Die Zahlungsaufforderung seitens des Gerichts datiert vom 29.12.2016, die Einzahlung des geforderten Gerichtskostenvorschusses erfolgte am 11.01.2016, die Bestätigung des Zahlungseingangs wurde ausgedruckt am 20.01.2015, die Verfügung der Einleitung des schriftlichen Vorverfahrens erfolgte am 22.01.2016 und die Zustellung der Klage am 28.01.2016. Die Zustellung ist daher noch demnächst im Sinne von § 167 ZPO und wirkt zur Unterbrechung der Verjährung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück. Eine seitens des Klägers verursachte Verzögerung von mehr als ca. 14 Tagen ist nicht feststellbar.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO.


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