IT- und Medienrecht

Anspruch auf Gegendarstellung in einer Illustrierten nach dem BayPresseG

Aktenzeichen  9 O 14640/17

Datum:
15.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152906
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayPresseG Art. 10 Abs. 1 S. 1
GG Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ist in einer Illustrierten die Bild-Zuschrift unter Würdigung ihres Wortlauts und des Gesamtzusammenhangs der Berichterstattung für den maßgeblichen Durchschnittsleser so zu verstehen, dass die nach Aussage im Text nur aus wenigen Gästen bestehende Hochzeitsgesellschaft unter Einschluss des Klägers als Bräutigam im … gegessen habe, handelt es sich zwanglos um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung. (Rn. 16 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Kläger ist durch eine solche Tatsachenbehauptung auch unmittelbar betroffen und dies stellt sich auch nicht als irrelevant im Hinblick auf seine Rechte dar. Denn die Wahl der Örtlichkeit für ein Hochzeitsessen ist durchaus geeignet, bei den Lesern einen Eindruck über die Persönlichkeit des Verfügungsklägers zu erwecken. So kann eine Leserin oder ein Leser – je nach eigener Persönlichkeit, Lebenserfahrung, Überzeugung – aus der Wahl eines mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants ein anderes Bild gewinnen als aus der Wahl eines gut-bürgerlichen Restaurants, einer Hafenkneipe oder einem fernöstlichen Spezialitätenlokal. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Damit sind die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 BayPresseG erfüllt, wonach der Veleger einer Zeitschrift verpflichtet ist, zu Tatsachen, die darin mitgeteilt wurden, auf Verlangen einer unmittelbar betroffenen Person deren Gegendarstellung abzudrucken. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. § 10 Abs. 1 S. 1 BayPresseG ist anwendbar, wenn ein beklagter Verleger seinen Sitz in München hat und damit der Erscheinungsort – welcher dem Verlagsort entspricht – in Bayern belegen ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung im Beschluss des Landgerichts München I vom 10.10.2017 – Az. 14640/17 – wird in der im Rubrum durch Beschluss vom 17.10.2017 berichtigten Fassung bestätigt.
2. Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil sich der zulässige Widerspruch als unbegründet erweist. Denn der Verfügungskläger hat einen Anspruch auf Abdruck der Gegendarstellung gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayPresseG.
1. Vorliegend ist Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayPresseG anwendbar, weil die Verfügungsbeklagte ihren Sitz in München hat und damit der Erscheinungsort – welcher dem Verlagsort entspricht – in … belegen ist.
2. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayPresseG ist der Verleger einer Zeitschrift verpflichtet, zu Tatsachen, die darin mitgeteilt wurden, auf Verlangen einer unmittelbar betroffenen Person deren Gegendarstellung abzudrucken. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn die streitgegenständliche Behauptung stellt eine Tatsachenbehauptung dar und der Verfügungskläger ist unmittelbar davon betroffen.
2.1. Bei der streitgegenständlichen Ausgangsmitteilung „… in (…) Hier war die kleine Hochzeitsgesellschaft zum Essen“ handelt es sich zwanglos um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung.
2.1.1. Zur Ermittlung des Inhalts der streitgegenständlichen Aussage ist – wie stets bei einer Presseveröffentlichung – eine Würdigung des Aussagegehalts der Veröffentlichung in ihrem Gesamtzusammenhang vorzunehmen. Auszugehen ist von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch (BGH v. 15.11.1994 – Az. VI ZR 56/94 – Rz. 59; alle Entscheidungen auch im Folgenden, soweit nicht anders gekennzeichnet, sind zitiert nach juris-Datenbank). Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das – gleichfalls subjektive – Verständnis des von der Äußerung betroffenen, sondern der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG v. 25.10.2005 – Az. 1 BvR 1696/98 – Rz. 31). Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung dieses Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zu Grunde zu legen. Zeigt sich aber, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG v. 25.10.2005 – Az. 1 BvR 1696/98 – Rz. 31). Wird – wie hier – ein Gegendarstellungsanspruch geltend gemacht, darf im Hinblick auf den besonderen Schutz der Presse nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG die zu einer Verurteilung führende Deutung nur zugrunde gelegt werden, wenn alle Deutungen ausgeschlossen werden können, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen (BVerfG v. 25.10.2005 – Az. 1 BvR 1696/98 – Rz. 33).
2.1.2. Vorliegend ist die streitgegenständliche Bild-Zuschrift unter Würdigung ihres Wortlautes einerseits und des Gesamtzusammenhangs der Berichterstattung andererseits aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zur Überzeugung der Kammer zwanglos dahingehend zu verstehen, dass die Hochzeitsgesellschaft, die nach Aussage im Text des Artikels selbst nur aus wenigen Gästen bestanden habe, anlässlich der Hochzeitsfeier im …gegessen habe; das beinhaltet aber auch die Teilnahme des Verfügungsklägers als Bräutigam. Für dieses Verständnis spricht zum einen, dass der Begriff „Hochzeitsgesellschaft“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch die Teilnehmer an einer Hochzeitsfeier selbst bezeichnet und an einer Hochzeit – insoweit als minimale Teilnehmeranzahl – stets auch der Bräutigam teilnimmt, insbesondere bei dem anlässlich der Hochzeitsfeier veranstalteten Essen. Dafür spricht zum andern auch, dass der Artikel ausdrücklich erwähnt, dass bei der Feier in Kopenhagen – anders als bei einer späteren Feierlichkeit in … nur ganz wenige Gäste dabei gewesen seien und dies einen Kompromiss bezüglich der Größe der Feier bedeutet habe. Wenn in der Bild-Zuschrift dann von einer „kleinen Hochzeitsgesellschaft“ gesprochen wird, greift dies den berichteten Kompromiss und die geringe Teilnehmerzahl an der Feier wieder auf. Ferner und vor allem aber stellt der Artikel die „kleine Hochzeitsfeier“ in … im September 2015 einer großen Feier im Frühjahr 2016 in … gegenüber, welche in früheren Berichterstattungen der Verfügungsbeklagten irrtümlich als die Hochzeit des Verfügungsklägers dargestellt worden war. Damit rücken aber gerade die Feierlichkeiten bei der Hochzeit in den Fokus der Berichterstattung. Vor diesem Hintergrund erscheint es als nachgerade fernliegend, dass dann die Verfügungsbeklagte über ein anderes Essen als dasjenige der Hochzeitsfeierlichkeit, an dem die in … anwesenden Hochzeitsgäste – mit Ausnahme des Verfügungsklägers – teilgenommen hätten, mit Foto berichten wollte, noch dazu, ohne dies deutlich zu kennzeichnen.
2.1.3. Damit ist die Bild-Zuschrift zur Überzeugung der Kammer eindeutig dahingehend zu verstehen, dass das Essen anlässlich der Hochzeitsfeier gemeint war und damit die „kleine Hochzeitsgesellschaft“ einschließlich des Bräutigams im …speiste.
2.2. Der Verfügungskläger ist durch die Tatsachenbehauptung auch unmittelbar betroffen und dies stellt sich auch nicht als irrelevant im Hinblick auf seine Rechte dar. Denn die Wahl der Örtlichkeit für ein Hochzeitsessen ist durchaus geeignet, bei den Lesern einen Eindruck über die Persönlichkeit des Verfügungsklägers zu erwecken. So kann eine Leserin oder ein Leser – je nach eigener Persönlichkeit, Lebenserfahrung, Überzeugung – aus der Wahl eines mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants ein anderes Bild gewinnen als aus der Wahl eines gut-bürgerlichen Restaurants, einer Hafenkneipe oder einem fernöstlichen Spezialitätenlokal.
2.3. Die verlangte Gegendarstellung beschränkt sich ihrerseits auf eine Tatsachenbehauptung, die zu der Ausgangsmitteilung in deren eindeutigen Sinngehalt, so, wie er oben dargelegt worden ist, kongruent und auch weder unwahr noch irreführend ist. Insbesondere wird durch sie in keinen Raum für Zweifel lassender Weise deutlich gemacht, dass die Hochzeitsgesellschaft, also die Teilnehmer an dem Hochzeitsessen, nicht im … gespeist hat, wenn der Verfügungskläger als Bräutigam nie dort gegessen hat, also auch nicht beim Hochzeitsessen. Es wird auf diese Weise sogar unmissverständlich, dass auch keine anderen Gelegenheiten gemeint gewesen sein könnten. Insofern wird kein „nur scheinbarer Widerspruch“ behauptet, sondern eine sprachlich unmissverständliche Erwiderung formuliert. Dass nur die Hochzeitsgäste bei anderer Gelegenheit als dem Hochzeitsessen mit der Bezeichnung „kleine Hochzeitsgesellschaft“ gemeint sein könnten, ist – wie oben ausgeführt – als fernliegende Deutung auszuscheiden.
2.4. Der Gegendarstellung steht auch nicht entgegen, dass in der Fundstellenangabe der Ausgangsmitteilung nicht nur der Titel „Heimliche Hochzeit in …sondern auch der Name des Verfügungsklägers angegeben wird. Zum einen findet sich der Name in der Berichterstattung selbst in der Tat an hervorgehobener Stelle, fett und in Kapitalen gedruckt als oberste Textzeile auf der gesamten Seite. Er ist damit dem Titel – wenngleich wohl eher als Supra-Titel denn als eigentlicher Haupt-Titel – zuzuordnen und soll gerade als Blickfang dienen. Er macht auch erst die Titelzeile verständlich, weil dadurch deutlich wird, von wessen heimlicher Hochzeit berichtet wird. Das zeigt auch, dass im Inhaltsverzeichnis sein Name an erster Stelle und dann der eigentliche Haupttitel nur verkürzt – nämlich mit „Heimliche Hochzeit“ – angegeben wird. Maßgeblich für die Kennzeichnung des Artikels ist damit erkennbar auch aus Sicht der Verfügungsbeklagten der Name des Verfügungsklägers als Titelbestandteil. Entsprechend ist er auch zur Kennzeichnung der Fundstellenangabe für die Ausgangsmitteilung, auf die erwidert werden soll, erforderlich.
2.5. Die Verfügungsbeklagte wird durch die in der erlassenen einstweiligen Verfügung gewählte Ausgestaltung hinsichtlich der Größe auch in ihrer redaktionellen Gestaltungsfreiheit nicht unangemessen beeinträchtigt. Zwar ist der eigentliche Text der Ausgangsmitteilung in etwas geringerer Schrift als der Fließtext des Artikels gehalten. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Ausgangsmitteilung durch die unmittelbare Bebilderung mit dem Foto aus dem Gastraum des …einen ohnehin deutlich größeren Raum – und damit einen deutlich größeren Blickfang – darstellt als ihre reine Textfläche. Insoweit stellt die von der Kammer gewählte Schriftgröße einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Verfügungsbeklagten einerseits an einer möglichst geringen Einschränkung ihrer Gestaltungsfreiheit und des Verfügungsklägers andererseits an einer der Ausgangsmitteilung adäquaten Wahrnehmbarkeit seiner Gegendarstellung.
2.6. Auf Grund all dessen hat der Verfügungskläger einen Anspruch auf Veröffentlichung der von ihm begehrten Gegendarstellung, so dass der entsprechende Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung begründet ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.


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