IT- und Medienrecht

Anspruch unter Miturhebern eines Drehbuchs auf Einwilligung in den Abschluss eines Options- und Verfilmungsvertrags

Aktenzeichen  33 O 1834/18

Datum:
14.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 15553
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 8 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2, § 13 S. 1, § 97 Abs. 1 S. 1, § 97 a Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Ob ein Miturheber seine Einwilligung zur Verwertung wider Treu und Glauben i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 2 UrhG verweigert, ist anhand einer Interessenabwägung im Einzelfall nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der in § 8 Abs. 2 S. 2 UrhG getroffenen Regelung wird das Gemeinschaftsinteresse über die Interessen des einzelnen Miturhebers gestellt, so dass dem Weigerungsrecht im Rahmen von Treu und Glauben enge Grenzen gesetzt sind. Sofern gegenteilige Absprachen und Besonderheiten fehlen, ist grundsätzlich von einem großzügigen, verwertungsfreundlichen Maßstab auszugehen, so dass Verwertungswünschen der übrigen Miturheber im Zweifel gegenüber dem Weigerungsrecht einzelner Miturheber der Vorzug zu geben ist.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Weigerung nach § 8 Abs. 2 S. 2 UrhG gegen Treu und Glauben verstößt, tragen nach allgemeinen Grundsätzen die übrigen Miturheber. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, in den Abschluss des Options- und Verfilmungsvertrags über das Drehbuch „O…“ mit der R… gemäß dem nachfolgend wiedergegebenen Vertragsentwurf einzuwilligen:
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Registrierung des Urheberrechts am Drehbuch „O…“ bei der W… zurückzunehmen und dem Kläger gegenüber die Rücknahme nachzuweisen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.085,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab dem 14.08.2018 zu zahlen.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
V. Das Urteil ist in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- Euro und in Ziffern III. und IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 2 S. 2 UrhG ein Anspruch auf Einwilligung in den Abschluss des Options- und Verfilmungsvertrags über das Drehbuch „O…“ mit der R… gemäß dem als Anlage K 19 vorge egten Vertragsentwurf zu.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sie das streitgegenständlichen Drehbuch „O…“ gemeinsam geschaffen haben, wenngleich über den Umfang der jeweiligen schöpferischen Beiträge im Einzelnen Streit besteht. Ob Kläger oder Beklagte in großem oder kleinem Umfang schöpferisch tätig geworden sind, kann für die Frage der Miturheberschaft dahinstehen (vgl. BGH GRUR 1994, 39 – Buchhaltungsprogramm mit Verweis u.a. auf BGH GRUR 1993, 40 – Straßen – gestern und morgen, BGH GRUR 1985, 529 – Happening und BGH GRUR 1959, 335 – Wenn wir alle Engel wären), in jedem Fall sind beide Miturheber im Sinne von § 8 Abs. 1 UrhG.
2. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 UrhG steht das Recht zur Veröffentlichung und zur Verwertung des Werkes den Miturhebern zur gesamten Hand zu. Nach § 8 Abs. 2 S. 2 UrhG darf ein Miturheber jedoch seine Einwilligung zur Veröffentlichung, Verwertung oder Änderung nicht wider Treu und Glauben verweigern. Im Wege einer Interessenabwägung ist daher festzustellen, ob die Verweigerung des Miturhebers berechtigt ist oder nicht (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 5. Auflage, § 8 Rdnr. 16; Wandtke/Bullinger/Thum, UrhG, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 33; Schricker/Loewenheim/Loewenheim/Peifer, UrhG, 5. Auflage, § 8 Rdnr. 16; OLG Köln GRUR-RR 2005, 337 – Dokumentarfilm Massaker).
3. Mit der in § 8 Abs. 2 S. 2 UrhG getroffenen Regelung wird das Gemeinschaftsinteresse über die Interessen des einzelnen Miturhebers gestellt. Deshalb trifft jeden Miturheber die grundsätzliche Pflicht, auf Verlangen die Einwilligung zu erteilen. Die Bestimmung berücksichtigt aber auch die Interessen des Einzelnen, indem dieser die Einwilligung lediglich nicht wider Treu und Glauben verweigern darf. Wann eine Verpflichtung zu einer Zustimmung besteht, hängt von dem jeweiligen Einzelfall ab und ist nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen. Da das Gesetz aber in der Gesamthandsgemeinschaft die Verwertungsinteressen betont, sind dem Weigerungsrecht im Rahmen von Treu und Glauben enge Grenzen gesetzt (vgl. BeckOK/Ahlberg, UrhG, 23. Edition, Stand: 20.04.2018, § 8 Rdnr. 30). Insgesamt dürfte, sofern gegenteilige Absprachen und Besonderheiten fehlen, grundsätzlich von einem großzügigen, verwertungsfreundl chen Maßstab auszugehen sein mit der Folge, dass Verwertungswünschen der übrigen Miturheber im Zweifel gegenüber dem Weigerungsrecht einzelner Miturheber der Vorzug zu geben ist (vgl. Wandtke/Bullinger/Thum, UrhG, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 33 mit Verweis auf u.a. OLG Köln GRUR-RR 2005, 337 – Dokumentarfilm Massaker). Die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Weigerung gegen Treu und Glauben verstößt, tragen nach allgemeinen Grundsätzen die übrigen Miturheber (vgl. Wandtke/Bullinger/Thum, UrhG, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 33).
4. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Weigerung der Beklagten, in den mit der … abschlussreif verhandelten Options- und Verfilmungsvertrag einzuwilligen, treuwidrig.
Im Einzelnen:
Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass die Parteien seinerzeit davon ausgegangen waren, dass der Kläger, der immerhin über eine Filmhochschulausbildung verfügt, bei einer etwaigen Verfilmung des streitgegenständlichen Drehbuchs auch Regie führen werde, wie sich dies nicht zuletzt auch aus der Zusatzvereinbarung zu dem mit der t… geschlossenen Optionsvertrag gemäß Anlage K 1 ergibt. Dass der Kläger bislang im Wesentlichen als Werbefilmer tätig gewesen ist, steht einer erfolgreichen Verfilmung auch nicht entgegen, zumal der beabsichtigte Options- und Verfilmungsvertrag immerhin mit der R… und mithin mit einem Unternehmen der international renommierten C… geschlossen werden soll, wodurch zugleich gewährleistet ist, dass dem Kläger bei der filmischen Umsetzung des streitgegenständlichen Drehbuchs kompetente fachliche Unterstützung zuteilwird.
Demgegenüber kann die Beklagte keine bessere Alternative vorweisen, insbesondere gibt es bislang offenbar keinerlei konkrete Verhandlungen mit anderen in Frage kommenden Regisseuren oder Filmproduktionen. Dass – neben den von der Beklagten vorgebrachten fachlichen Erwägungen – persönliche Gründe einer Regiearbeit des Klägers entgegenstehen würden, hat die Beklagte gleichfalls nicht in nachvollziehbarer Weise vorzutragen vermocht. So ist schon nicht ersichtlich, inwiefern überhaupt noch eine weitere (unmittelbare) Zusammenarbeit eines Drehbuchautors mit dem jeweiligen Regisseur nach Fertigstellung und Ablieferung des Drehbuchs erforderlich ist.
Nach alledem überwiegt das Verwertungsinteresse des Klägers deutlich das Interesse der Beklagten an einer Verweigerung der Zustimmung zum Abschluss des streitgegenständlichen Options- und Verfilmungsvertrages, zumal beiden Parteien mit Blick auf die beidseits gewährte Prozesskostenhilfe an einer nunmehr zügigen Verwertung mit entsprechender Erlösauskehrung gelegen sein dürfte.
II. Der Kläger kann von der Beklagten zudem die Rücknahme der Registrierung des Urheberrechts am Drehbuch „O…“ bei der W… aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 13 S. 1 UrhG verlangen, weil die beanstandete Registrierung des streitgegenständlichen Drehbuchs alleine auf den Namen der Beklagten gemäß Anlage K 21 den Kläger in seinem Urheberrecht verletzt. Dass der entsprechende Registrierungsantrag der Beklagten von der W… abgelehnt worden wäre, konnte von der Beklagten nicht weiter belegt werden; der vom Kläger als Anlage K 21 vorgelegte Ausdruck der rechtsverletzenden Registrierung spricht jedenfalls dagegen.
III. Schließlich ist auch der mit Klageantrag Ziffer III. geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 97 a Abs. 3 S. 1 UrhG begründet. Die als Anlage K 18 vorgelegte Abmahnung vom 23.01.2018 war berechtigt und begründet, weil dem Kläger die darin geltend gemachten Ansprüche zustehen (siehe oben I. und II.). Gegen die angesetzten Kosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 80.000,- Euro zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer wendet sich die Beklagte zu Recht nicht.
IV. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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