IT- und Medienrecht

Ausschluss einer Richterin wegen Vorbefassung als Güterichterin

Aktenzeichen  22 EK 3/19

Datum:
19.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2020, 366
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 41 Abs. 1 Nr. 8, § 278 Abs. 5
GVG § 198

 

Leitsatz

Für ein Entschädigungsverfahren gem. § 198 GVG gilt der Ausschließungsgrund des § 41 Abs. 1 Nr. 8 ZPO für den erkennenden Richter, der nach § 278 Abs. 5 ZPO bereits als Güterichter im Ausgangsverfahren bestellt war und die Mediation durchgeführt hat. (Rn. 14 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Richterin am Oberlandesgericht … ist von der Ausübung ihres Richteramts im gegenständlichen Verfahren wegen eines Ausschließungsgrunds nach § 41 Abs. 1 Nr. 8 ZPO ausgeschlossen.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

Ein Ausschließungsgrund nach § 41 Abs. 1 Nr. 8 ZPO liegt vor. Der Senat hat dies durch deklaratorischen Beschluss festzustellen.
I.
Im gegenständlichen Verfahren verlangt die Klägerin … eine angemessene Entschädigung für die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Landgericht München I (34 O 13946/13) und dem Oberlandesgericht München (7 U 1864/18).
1. Dem Entschädigungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit notariellem Vertrag vom 21. April 2005 erwarb die Ehegatten …, deren alleinige Gesellschafter … und ihr Ehemann … waren, von … alle Wohnungs- und Miteigentumsanteile an dem Grundstück der Gemarkung Bogenhausen/München, Flurnummer … für einen Kaufpreis in Höhe von 5,75 Millionen €.
Danach machte … aus eigenem und abgetrenntem Recht seit 2005 in insgesamt 14 Zivilverfahren gegen … Ansprüche auf Schadensersatz u.a. geltend.
Im Ausgangsverfahren 34 O 13946/13, in welchem die dortige Klägerin … Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verfolgte, hat das Landgericht München I mit Endurteil vom 28. März 2018 das Versäumnisurteil vom 19. April 2016 aufrechterhalten. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München (7 U 1864/18) nahm die Berufungsklägerin … nach einem gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2019 ihre Berufung am 12. April 2019 zurück.
2. Im Verfahren 30 O 11777/17 vor dem Landgericht München I bzw. 15 U 2285/18 vor dem Oberlandesgericht München verfolgt die Klägerin/Berufungsklägerin … ihrerseits einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB gegen ….
Im Berufungsverfahren hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München in der Sitzung vom 21. Januar 2019 das Verfahren auf den zuständigen Güterichter übertragen. Ziel der Mediation sollte eine Gesamtbereinigung aller Forderungen sein, wobei Einigkeit darüber bestand, dass der Beklagte … einem im Rahmen der Mediation geschlossenen Vergleich als Gesamtschuldner neben seiner Frau … beitritt.
Richterin am Oberlandesgericht … war in diesem Verfahren als Güterichterin (Aktenzeichen AR 36/19) tätig. Die Mediation ist allerdings nach Sitzungen am 12. April 2019 und 29. Mai 2019 gescheitert. Im Protokoll vom 12. April 2019 ist bezüglich der Mediation festgehalten:
„Vor Durchführung der Mediation vereinbaren alle Beteiligten Vertraulichkeit und verpflichten sich, den Inhalt der in der Mediation offen gelegten Informationen vertraulich zu behandeln, insbesondere diese nicht in einem gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren gegen einen anderen Beteiligten zu verwenden.“
3. Richterin am Oberlandesgericht … hat in ihrer Selbstablehnung mit Verfügung vom 11. September 2019 die Auffassung vertreten, dass ein Ausschließungsgrund nach § 41 Nr. 8 ZPO gegeben sein könnte. Im Zuge der Güteverhandlung seien ihr Tatsachen bekannt geworden, die auch im Entschädigungsverfahren relevant sein könnten. Vertraulichkeit sei zudem vereinbart worden.
Der Klägervertreter sieht keinen Ausschließungsgrund. Die Angaben der Richterin in ihrer Selbstablehnung seien zwar zutreffend. Allerdings sehe er nicht, dass im Zuge der Güteverhandlung Tatsachen bekannt geworden sein könnten, die im vorliegenden Entschädigungsverfahren nach § 198 GVG relevant sein könnten. Dies beziehe sich auch auf die vereinbarte Vertraulichkeit, die aus seiner Sicht aber nicht gefährdet sei.
Der Beklagtenvertreter teilte in der Klageerwiderung vom 11. November 2019 mit, dass nach Auffassung des Beklagten Ausschließungsgründe gemäß § 41 Nr. 8 ZPO nicht vorliegen.
II.
Die Selbstablehnung der Richterin am Oberlandesgerichts … ist begründet (§§ 48, 41 Nr. 8 ZPO). Der Ausschließungsgrund nach § 41 Nr. 8 ZPO liegt vor.
Der Grund ist die Unvereinbarkeit der auf Vertraulichkeit und Freiwilligkeit beruhenden Mediation mit dem Richteramt als verbindliche Streitentscheidung in derselben Sache (Zöller/Vollkommer, 32. Auflage, § 41 ZPO Anmerkung 14 b m.w.N.). Der Ausschließungsgrund gilt auch – wie hier – für den vom Gericht gemäß § 278 Abs. 5 ZPO bestellten Güterichter.
Die Vorbefassung der Richterin … als Güterichterin bezieht sich auch auf dieselbe Angelegenheit im Sinne eines einheitlichen Lebenssachverhalts. Bei natürlicher Betrachtungsweise handelt es sich bei dem Sachverhalt, der dem führenden Ausgangsverfahren 34 O 13946/13 vor dem Landgericht München I bzw. 7 U 1864/18 vor dem Oberlandesgericht München zugrunde liegt und dem Sachverhalt im Verfahren 30 O 11777/17 vor dem Landgericht München I bzw. im Berufungserfahren 15 U 2285/18 vor dem Oberlandesgericht München, (d.h. dem Verfahren, das Gegenstand der Mediation gewesen ist), um einen zusammenhängenden Lebenssachverhalt, dessen Ausgangspunkt der notarielle Vertrag vom 21. April 2005 gewesen ist.
Ziel der Mediation war eine Gesamtbereinigung aller Ansprüche, weswegen nicht ausgeschlossen ist, dass in der Mediation am 12. April 2019 und 29. Mai 2019 auch der Sachverhalt des Ausgangsverfahren thematisiert worden ist. Der Senat verkannte hierbei nicht, dass das Ausgangsverfahren durch Berufungsrücknahme am 12. April 2019 bzw. dem Kostenbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 15. April 2019 endete.
Dies gilt auch trotz unterschiedlicher Parteistellungen im Ausgangsverfahren (… als Klägerin und … als Beklagte) und im Mediationsverfahren (… als Klägerin und … als Beklagter), weil Einigkeit darüber bestand, dass … einen im Wege der Mediation gegebenenfalls geschlossenen Vergleich als Gesamtschuldner neben seiner Frau beitritt.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Zöller/Vollkommer, 32. Auflage, § 41 ZPO Anmerkung 10).


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