IT- und Medienrecht

Beamter als Reichsbürger – Kürzung des Ruhegehalts wegen Dienstvergehens

Aktenzeichen  An 13b D 19.00958

Datum:
26.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4501
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 37, § 41, § 42, § 47 Abs. 2 S. 1
BayDG Art. 12, Art. 13, Art. 14 Abs. 1, Art. 22, Art. 32, Art. 53 Abs. 1, Abs. 2
GG Art. 5

 

Leitsatz

1. Disziplinarrechtlich relevant ist ein Verhalten, wonach ein Beamter beim Einwohnermeldeamt seinen Personalausweis mit der Begründung, kein Personal der Bundesrepublik Deutschland zu sein, zurücklässt und zugleich angebliche Mängel an seinem Reisepass rügt. (Rn. 150) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der disziplinarrechtlich relevante Pflichtenrahmen ist für den Ruhestandsbeamten enger als für den aktiven Beamten: Während sich der aktive Beamte durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung akitv eintreten muss, ist der Ruhestandsbeamte nur zu einer passiven Haltung gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen verpflichtet, so dass ein Dienstvergehen bei ihm erst mit seiner aktiv verfassungsfeindlichen Betätigung gegeben ist. (Rn. 157 – 158) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von einem akiven verfassungsfeindlichen Verhalten eines Ruhestandsbeamten kann bei einer Behauptung, der deutsche Reisepass oder Personalausweis stelle keinen förmlichen Nachweis für das Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit dar, vielmehr könne diese nur durch den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises nachgewiesen werden, ausgegangen werden, da dieser sich damit das Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen macht und ein für diese Bewegung typisches Verhalten mit Außenwirkung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung zeigt. (Rn. 163 – 166) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um 1/20 für fünf Jahre erkannt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 12 BayDG zu einer Kürzung des Ruhegehaltes des Beklagten um 1/20 für fünf Jahre.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche werden auch nicht geltend gemacht.
Die Gemeinschaftsversammlung der Verwaltungsgemeinschaft … an der … hat als frühere Dienstherrin des Beklagten mit Beschluss vom 6. Juli 2017 gemäß § 4 Abs. 2 DVKommBayDG die Disziplinarbefugnisse vollständig auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen. Der Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Er konnte sich gemäß Art. 32 BayDG abschließend äußern und hat von dieser Möglichkeit auch u.a. in einer persönlichen Anhörung durch die Disziplinarbehörde Gebrauch gemacht.
II.
Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt ist mit den nachfolgend aufgeführten Einschränkungen erwiesen durch die Ermittlungen der Disziplinarbehörde im Disziplinarverfahren und die Einlassungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkammer.
In der Disziplinarakte finden sich die Unterlagen zum Antrag des Beklagten vom 11. Juli 2016 auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, der Antrag des Beklagten vom 28. Juli 2016 an das Bundesverwaltungsamt Köln auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten), sowie die Schreiben des Beklagten an den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice vom 3. Oktober 2016, 20. November 2016 und 16. Januar 2017.
Soweit es die Äußerungen des Beklagten am 8. September 2016 bei der Vorsprache beim Einwohnermeldeamt der Stadt … betrifft, sind die dem Beklagten zur Last gelegten Äußerungen mit der nachfolgend bezeichneten Einschränkung zur vollen Überzeugung der Kammer durch die Angaben des Gesprächspartners des Beklagten, Herrn Verwaltungshauptsekretär … …, erwiesen.
Dies gilt jedoch nicht für die dem Beklagten zur Last gelegte Äußerung, das Deutsche Reich habe nie aufgehört zu existieren und die BRD sei nur eine Erfindung der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg. Entsprechende Angaben finden sich in der schriftlichen Stellungnahme des Herrn …, die mit Schreiben der Stadt … vom 18. Oktober 2017 an die Disziplinarbehörde übermittelt worden ist.
Herr … hat in seiner Zeugeneinvernahme durch die Disziplinarbehörde am 23. Januar 2018 diese Aussage nicht wiederholt. Auf gerichtliche Nachfrage hat Herr … unter dem 18. Februar 2020 mitgeteilt, dass er sich an eine derartige Aussage des Beklagten nicht mehr so genau erinnern könne. Er habe bereits bei der Disziplinarbehörde angegeben, dass es sein könne, dass diese Aussage in einem anderen Fall geäußert worden sei.
Die dem Beklagten in der Disziplinarklage insoweit zur Last gelegte Äußerung ist somit nicht zur vollen Überzeugung der Kammer erwiesen.
Soweit der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung ausgeführt hat, er habe – auch nicht sinngemäß – zu Herrn … gesagt, dieser brauche keine Angst zu haben, er habe vielmehr geäußert: „Sie sind ein netter Mensch und ich bin ein netter Mensch, warum sollten wir nicht miteinander auskommen?“, kann dahinstehen, welchen Wortlaut die Äußerung des Beklagten tatsächlich hatte, da dies nicht entscheidungserheblich ist. Es bedurfte deshalb auch keiner Beweiserhebung.
Für die disziplinarrechtliche Würdigung relevant ist insoweit lediglich das zur vollen Überzeugung der Kammer nachgewiesene Verhalten des Beklagten am 8. September 2016, als dieser bei der Stadt … seinen Personalausweis abgeben wollte, mit der Begründung, er sei kein Personal der Bundesrepublik Deutschland, er in dem mit Herrn … geführten Gespräch auch angebliche Mängel an seinem Reisepass rügte und anschließend den Personalausweis im Einwohnermeldeamt zurückließ.
Der Beklagte hat in seiner Anhörung durch die Disziplinarbehörde selbst eingeräumt, er wisse nur noch, dass er Herrn … mitgeteilt habe, sein Personalausweis entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Was er darüber hinaus gegenüber Herrn … geäußert habe, wisse er heute nicht mehr.
III.
Der Beklagte hat durch das ihm zur Last gelegte und im oben dargestellten Umfang auch nachgewiesene Verhalten als Ruhestandsbeamter gegen seine Verpflichtung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen.
Nach dieser Bestimmung gilt bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 BeamtStG bestimmten Pflichten verstoßen.
Da mit dem Eintritt in den Ruhestand das Beamtenverhältnis endet, also kein Dienstverhältnis mehr besteht, können auch keine Dienstpflichten im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG mehr verletzt werden. Abs. 2 Satz 1 enthält deshalb eine gesetzliche Fiktion, indem für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte, obwohl sie in keinem Dienstverhältnis mehr stehen, bestimmte aus dem früheren Beamtenverhältnis fortdauernde Pflichten als Dienstpflichten behandelt werden, deren schuldhafte Verletzung einem Dienstvergehen gleichgestellt wird.
Als Dienstvergehen gilt – wie bereits dargelegt – u.a. die Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Die Pflicht zur Verfassungstreue ist die Grundpflicht der Beamten gegenüber dem Staat. Sie bildet auch einen Kernbestandteil des Diensteids (§ 38 Abs. 1 Satz BeamtStG), den der Beklagte vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis abgelegt hat.
Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wirkt die Pflicht zur Verfassungstreue auch über das Ende des Beamtenverhältnisses hinaus, wenn und solange der (frühere) Beamte aufgrund seines früheren Beamtenverhältnisses finanzielle Leistungen erhält. Zwischen der nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG für aktive und nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte getroffenen Regelung besteht ein gradueller Unterschied. Während für die aktiven Beamten ein Gebot zum Bekennen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und eine Verpflichtung besteht, für sie einzutreten, beschränkt sich § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG auf das Verbot der Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Der Pflichtenrahmen ist somit für den Ruhestandsbeamten enger als für den aktiven Beamten gezogen. Der Grund liegt aber nicht darin, dass von Ruhestandsbeamten ein geringeres Maß an Verfassungstreue erwartet wird, sondern dass den Ruhestandsbeamten und gleichgestellten früheren Beamten schon aus altersbedingten Gründen keine weitreichenden aktiven Handlungspflichten auferlegt werden können (Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Rn. 132 zu § 47 BeamtStG).
Während der aktive Beamte nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sich somit durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten muss, nimmt § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG eine passive Haltung gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen hin. Als Dienstvergehen gilt deshalb erst, wenn sich der Ruhestandsbeamte oder frühere Beamte mit Versorgungsbezügen selbst aktiv verfassungsfeindlich betätigt (Schachel in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand 9/2018, § 47 BeamtStG Rn. 29; Heitz, GKÖD, L § 77 Rn. 14).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden dem entsprechend Aktivitäten feindseliger Art gefordert (BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334-391, Rn. 46). Meinungsäußerungen können, müssen aber nicht in jedem Fall den Charakter von solchen Aktivitäten feindseliger Art haben. Solange sie sich daran erschöpfen, im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des Arguments Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen und in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren zu ändern, erfüllen sie nicht die genannten Tatbestände eines Dienstvergehens. Dagegen stellen Agitationen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern, Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar (BVerfG, a.a.O.).
Hiervon ausgehend hat der Beklagte gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen, da er sich Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht hat und sich durch das ihm zur Last gelegte Verhalten mit Außenwirkung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung in dem oben dargestellten Sinne betätigt hat.
Der Beklagte hat am 11. Juli 2016 beim Landratsamt … einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, als auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, gestellt.
Beim Ausfüllen des Antragsformulars gab der Beklagte an, Wohnsitzstaat sei der „Bundesstaat Bayern“. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG Stand 1913 erworben.
Hierin liegt ein für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typisches Verhalten. Aus der Sicht der „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, S. 180).
Auch die vom Beklagten im Disziplinarverfahren bzw. in der mündlichen Verhandlung genannten Gründe, die ihn zu der Antragstellung veranlasst hätten, bestätigen, dass sich der Beklagte mit der Reichsbürgerideologie befasst und diese aktiv umgesetzt hat. Der Beklagte beruft sich darauf, er sei durch Zufall bei YouTube auf ein Video von Herrn … … gestoßen, in dem empfohlen werde, einen Staatsangehörigkeitsausweises zu beantragen. Wie sich durch Eingabe des Suchbegriffs „… …“ bei der Suchmaschine „Google“ unschwer feststellen lässt, wird Herr … der Reichsbürgerbewegung zugerechnet. Auf der Homepage https://wiki.sonnenstaatland.com findet sich eine ausführliche Abhandlung über … … Dort wird u.a. ausgeführt, Herr … behaupte wie viele andere Staatsleugner, der deutsche Reisepass oder Personalausweis stelle keinen förmlichen Nachweis für das Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit dar und könne nur durch den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises nachgewiesen werden.
Die Kammer nimmt es dem Beklagten nicht ab, dieser habe nicht erkannt, dass das von ihm gesehene Video bei YouTube und der Autor … … einen eindeutigen Bezug zur Reichsbürgerszene haben. Auf derartige Videos stößt man im Internet nicht zufällig, sondern nur, wenn man gezielt nach zugehörigen Begriffen, hier zum Thema Staatsangehörigkeitsausweises sucht.
Das Verhalten des Beklagten nach dem Ansehen des Videos von … … zeigt, dass sich der Beklagte die staatsleugnenden Aussagen des Autors des Videos zu eigen gemacht und nachfolgend bei der Beantragung einen Staatsangehörigkeitsausweises und der Vorsprache beim Einwohnermeldeamt der Stadt … zumindest sinngemäß übernommen hat.
Auch das weitere Verhalten des Beklagten ist typisch für Anhänger der Reichsbürgerszene. Nach der Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises stellte der Beklagte am 28. Juli 2016 einen Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten), um zu überprüfen, welche Eintragungen nach der von ihm beantragten Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises erfolgt sind.
Am 8. September 2016 kam es dann zu der Vorsprache beim Einwohnermeldeamt der Stadt … mit dem Ziel, den Personalausweis abzugeben, wobei der Beklagte angab, dies erfolge, da er kein Personal der Bundesrepublik Deutschland sei. In der Folge begann der Beklagte, sich mit seinem Begleiter darüber auszutauschen, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht durch rechtlich wirksame Akte zustande gekommen, sondern das Ergebnis von Staatsverträgen der Siegermächte sei. Hierdurch hat der Beklagte eindeutig und mit Außenwirkung zum Ausdruck gebracht, dass er die Ideologie der Reichsbürgerszene vertritt.
Der im Disziplinarverfahren vernommene Zeuge … … gab hierzu an, nach seiner Einschätzung habe der Beklagte die Diskussion mit seinem Begleiter geführt, um ihn, den Zeugen, von deren Ansichten zu überzeugen.
In diesem Kontext sind auch die schriftlichen Äußerungen des Beklagten vom 3. Oktober 2016, 20. November 2016 und 16. Januar 2017 gegenüber dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice zu sehen.
Obwohl dem Beklagten die Rechtsgrundlagen für die Erhebung des Rundfunkbeitrags erläutert worden waren, beharrte der Beklagte auf der Forderung, die Berechtigung für die Erhebung des Beitrags sei anhand von gültigem Recht nachzuweisen. Ein Verwaltungsakt ohne Unterschrift sei nichtig. Ein nach Handelsrecht geschlossene Vertrag könne keine gesetzliche Grundlage darstellen.
In diesem Zusammenhang verwies der Beklagte in seinem Schreiben vom 20. November 2016 darauf, er sei Staatsangehöriger nach § 4 Abs. 1 RuStAG (Stand 1913). Er bitte deshalb damit aufzuhören, ihn weiterhin als Sklaven zu behandeln, mit dem man alles machen könne.
Auch in der genannten Korrespondenz hat der Beklagte für „Reichsbürger“ typische Argumentationsmuster verwendet.
Der Beklagte hätte ohne Schwierigkeiten durch Recherche im Internet die Rechtsgrundlagen für die Erhebung des Rundfunkbeitrags auf der Grundlage des amtlich verkündeten Rundfunkbeitragsstaatsvertrages vom 7. Juni 2011 feststellen können. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte bereits am 15. Mai 2014 – Vf. 8.VII-12 – und – Vf. 24-VII-12 – entschieden, dass die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung und im nicht privaten Bereich für Betriebsstätten sowie für Kraftfahrzeuge mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind. Diese Entscheidung war und ist im Internet für jedermann abrufbar.
Der Beklagte hat durch sein Verhalten zumindest Teile der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland infrage gestellt. Dies ergibt sich insbesondere aus seiner Behauptung, für ihn bestimme sich die Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 und die Bundesrepublik Deutschland sei nicht durch rechtlich wirksame Akte zustande gekommen, sondern das Ergebnis von Staatsverträgen der Siegermächte. Zudem gebe es keine Rechtsgrundlage für die Ausstellung von Personalausweisen, er sei kein Personal der Bundesrepublik Deutschland. Auch im Zusammenhang mit der von ihm bestrittenen Möglichkeit der Erhebung eines Rundfunkbeitrags berief sich der Beklagte erneut auf seine Staatsangehörigkeit nach dem Rechtsstand von 1913, er könne nicht als „Sklave“ behandelt werden.
Mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten hat der Beklagte die rechtlich zulässigen Grenzen, Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen oder in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren ändern zu wollen, verlassen. Er stellt vielmehr zumindest Teile des Rechtssystems der Bundesrepublik Deutschland infrage.
Die Beklagte vertritt mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“. Diese beruft sich auf das Fortbestehen des Deutschen Reiches, welches juristisch niemals untergegangen sei und stellt die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre Organe infrage. Sie zweifelt die Legitimität des Grundgesetzes an, da das deutsche Volk niemals darüber abgestimmt habe. Sie hält die Bundesrepublik Deutschland für eine Firma, welche von den Alliierten regiert wird und behauptet, dass das Deutsche Reich weiter fortbestehe (vgl. OVG NRW, B.v. 22.3.2017 – 3d 296/17.0 -, juris Rn.7; VG Münster, B.v. 15.2.2017 – 20 L 254/17.O -; VG Düsseldorf, B.v. 12.7.2017 – 35 L 2031/17.O. -, juris; B.v. 23.11.2016 – 35 K 13737/16 -, juris; VG Magdeburg, U.v. 20.3.2017 – 15 A 16/16 -, juris; VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S 16.1250 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 – 10 M 4/15 u.a. -, juris).
Das dem Beklagten zu Last gelegte Verhalten erfüllt das Tatbestandsmerkmal des „Betätigens“ in § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG. Dieses Merkmal erfordert eine gesteigerte Aktivität des Ruhestandsbeamten. Einmalige Handlungen ohne Außenwirkung können ohne Hinzutreten weiterer Faktoren regelmäßig nicht als Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gewertet werden. Anders verhält es sich, wenn durch nachhaltiges reichsbürgertypisches Verhalten eine Außenwirkung entsteht.
Dies ist vorliegend der Fall, da der Beklagte mit seinen Anträgen bzw. Schreiben sowie mündlichen Äußerungen beim Einwohnermeldeamt … reichsbürgertypisches Verhalten bzw. Thesen nach außen getragen hat. Welche Motivation der Beklagte hierbei gehabt hat, ist für die Frage des Vorliegens eines Dienstvergehens unerheblich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 – 10 L 9/17 -, juris Rn. 51). Außenstehenden steht für die Beurteilung der inneren Einstellung einer Person lediglich der Rückschluss aus dem Verhalten sowie den getätigten Äußerungen zur Verfügung. Ein möglicher (innerer) Vorbehalt ist deshalb unerheblich, soweit dieser nicht durch entsprechendes aktives Verhalten deutlich gemacht wird. Die bloße Behauptung des Beklagten, er habe schon immer die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland anerkannt, genügt hierfür nicht.
Der Beklagte hat auch im laufenden Disziplinarverfahren zunächst ein für Anhänger der Reichsbürgerszene typisches Verhalten gezeigt.
Er hat wiederholt mittels Postzustellungsurkunde übermittelte Postsendungen der Disziplinarbehörde ungeöffnet an diese zurückgesandt. Zur Begründung berief sich der Beklagte einerseits darauf, Zustellungen von Postsendungen dürften nach gültigem deutschem Recht nur von Post-„Beamten“ persönlich erfolgen. Ein privater kommerzieller Postservice erfülle diese Voraussetzungen nicht. Das Zustellen solcher Briefe sei Amtsanmaßung und strafbar.
Bei einer anderen Sendung verwendete der Beklagte einen Aufkleber, in welchem von einem Zustellungsverbot wegen fehlender Rechts- und Vertragsgrundlage die Rede ist. Die juristische Person als Empfänger existiere nach geändertem Personenstand nicht mehr. Des Weiteren fehle zum Geschäftszeichen der Vertrag.
Auch hier bedient sich der Beklagte des typischen Argumentationsmusters der Anhänger der Reichsbürgerszene. Der Beklagte negiert die seit dem 1. Januar 1998 im Rahmen der Postreform geschaffene Rechtslage, wonach gemäß § 33 Abs. 1 des Postgesetzes ein Lizenznehmer, der Briefzustellungsdienstleistungen erbringt, verpflichtet ist, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Lizenznehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer), so dass eine Zustellung nicht durch Beamte erfolgen muss.
Der Beklagte hat mit seinem Handeln vorsätzlich gegen seine Verpflichtung aus § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Die Voraussetzungen eines (nicht vermeidbaren) Verbotsirrtums liegen nicht vor. Als ehemaligem Beamten waren dem Beklagten – auch aus der Ausbildung – die Bedeutung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt. Der Beklagte wurde anlässlich seiner Vereidigung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst belehrt. Dem Beklagten hätten deshalb bei Anspannung seiner geistigen Kräfte und erforderlichenfalls nach entsprechender Aufklärung zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens kommen müssen (vgl. Zängl., a.a.O., MatR/II Rn. 116).
Rechtfertigungs- bzw. Schuldminderungs- oder Schuldausschließungsgründe liegen ebenfalls nicht vor.
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 -, juris; U.v. 29.10.2013 – 1 D 1.12 -, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02 -, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat. Ruhestandsbeamten und -beamtinnen wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
In Ausfüllung dieses Rahmens ist die Kammer zu der Einschätzung gelangt, dass zur Ahndung des Dienstvergehens von der Aberkennung des Ruhegehaltes abgesehen werden kann, eine Kürzung des Ruhegehaltes im zeitlich höchstmöglichen Umfang jedoch zwingend geboten und auch verhältnismäßig ist (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
Der Beklagte hat sich mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt und damit als Ruhestandsbeamter ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Allerdings bewegen sich die zu ahndenden reichsbürgertypischen Aktivitäten des Beklagten mit Außenwirkung im unteren Schwerebereich.
Zugunsten des Beklagten ist als Milderungsgrund zudem zu berücksichtigen, dass er sich im Disziplinarverfahren – wenn auch spät – und in der mündlichen Verhandlung glaubhaft von der Ideologie der Reichsbürgerszene distanziert und sein Fehlverhalten mehrfach aufrichtig bedauert hat (vgl. BayVGH, U.v. 16.1.2019 – 16a D 15.2672 -, juris Rn. 45).
Nach dem Grundsatz in dubio pro reo (vgl. hierzu: Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Auflage 2017, Rn. 34 zu § 13 BDG m.w.N.) geht die Kammer zugunsten des Beklagten zudem davon aus, dass die vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau zu einer erheblichen psychischen Belastung des Beklagten geführt hat und zumindest mitursächlich dafür war, dass er sich mit dem Gedankengut der Reichsbürgerszene beschäftigt hat. Ebenfalls zu Gunsten des Beklagten wurde berücksichtigt, dass er bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.
Die Kammer ist in der Gesamtschau der den Beklagten be- und entlastenden Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die verhängte Disziplinarmaßnahme, mit der eine finanziell spürbare deutliche Pflichtenmahnung verbunden ist, erforderlich, aber auch ausreichend (verhältnismäßig) ist, um das vom Beklagten begangene Dienstvergehen zu ahnden. Die Kammer ist überzeugt, dass der Beklagte aus seinem Fehlverhalten seine Lehren gezogen und sich insbesondere glaubhaft von der Reichsbürgerideologie distanziert hat.
Unter den genannten Umständen ist es deshalb vertretbar und dem früheren Dienstherrn des Beklagten auch zumutbar, den Beklagten weiterhin besoldungsrechtlich zu alimentieren.
Die Höhe der Kürzung des Ruhegehalts wurde auf ein Zwanzigstel festgesetzt, da der Beklagte dem mittleren Dienst angehörte (vgl. Urban/Wittkowski, a.a.O., Rn. 6 zu § 11 BDG; Rn. 7 zu § 8 BDG; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Rn. 7 zu Art. 9 BayDG m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gebührenfrei (Art. 73 Abs. 1 BayDG).


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