IT- und Medienrecht

Berufung, Unterlassungsanspruch, Versicherungsvertrag, Versicherungsnehmer, Widerspruchsrecht, Ermessen, Versicherungsfall, Unterlassungsverpflichtung, Lebensversicherungsvertrag, Auslegung, Erlaubnis, Vertragsstrafe, Ausschluss, Form, billige Ermessen

Aktenzeichen  29 U 7047/19

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41808
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

33 O 18393/18 2019-11-26 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 26.11.2019 wird dieses teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
I. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere im Falle der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
Rechtsdienstleistungen, die sich nicht auf die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft beschränken, bezüglich bestimmter Lebens- und Rentenversicherungsverträge, nämlich im Zusammenhang mit der Erklärung von Widersprüchen nach § 5a VVG in der bis 31.12.2007 gültigen Fassung, zu erbringen, nämlich
– solche Verträge daraufhin zu überprüfen, ob ein Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat, auch, wenn dies durch Rechtsanwälte geschieht,
– Empfehlungen für die Situation des Versicherungsnehmers auszusprechen darüber, ob von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch gemacht werden soll,
– Besprechungen mit Versicherungsnehmern über das weitere Vorgehen durchzuführen, und/oder
– Empfehlungen hinsichtlich der Formulierung von Widersprüchen auszusprechen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster Instanz haben die Klägerin 21/69, der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) je 8/69 und die Beklagte zu 1) 32/69 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Beklagte zu 1) 32/49 und die Klägerin 17/49. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und zu 3) tragen diese jeweils 4/5 und die Klägerin 1/5.
2. Im Übrigen werden die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 26.11.2019 wird zurückgewiesen.
4. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren haben die Klägerin 21/69, der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) je 8/69 und die Beklagte zu 1) 32/69 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Beklagte zu 1) 32/49 und die Klägerin 17/49. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und zu 3) tragen diese jeweils 4/5 und die Klägerin 1/5.
5. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung aus Ziffer I des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 32.000,00 € und die Beklagten zu 2) und zu 3) können diese durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 8.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten kann jede Partei die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten zu 1) bis 3) einen auf UWG und gegen die Beklagte zu 1) zusätzlich auf Vertrag gestützten Unterlassungsanspruch geltend. Von der Beklagten zu 1) begehrt die Klägerin außerdem die Zahlung einer Vertragsstrafe.
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskanzlei in N. in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft. Sie ist insbesondere im Bereich des Versicherungsrechts tätig.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) sind, ist als Inkassodienstleister nach § 10 RDG registriert. Über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 2 GewO verfügen die Beklagten nicht.
Die Beklagte zu 1) wurde im Jahr 2011 als Finanz-Team H. & K. GmbH gegründet und firmierte seit dem Jahr 2013 als D. GmbH. Ihre aktuelle Firma führt sie seit dem 17.05.2018. Satzungsgemäßer Unternehmensgegenstand der Beklagten zu 1) sind „Tätigkeiten im Rahmen der RDGZulassung als Inkassodienstleister“.
Die Beklagte zu 1) betreibt unter der Domain www.v. .de ein gewerbliches Portal. Den Schwerpunkt bilden Rechtsdienstleistungen für Verbraucher zur Lösung von Kfz-Kauf-, Darlehens- und Lebensversicherungsverträgen sowie die Rechtsdurchsetzung gegenüber Versicherern bei Eintritt des Versicherungsfalles. Bekundet ein Verbraucher gegenüber der Beklagten zu 1) sein grundsätzliches Interesse daran, dass sein Lebensversicherungsvertrag im konkreten Einzelfall auf die Frage hin überprüft werden möge, ob es wirtschaftlich Sinn mache, diesen rückabzuwickeln, und ob rechtlich entsprechende Erfolgsaussichten bestünden, so hat dieser die Möglichkeit, seine Unterlagen an die Beklagte zu 1) zu übersenden. Diese Unterlagen werden sodann durch geschulte Mitarbeiter der Beklagten zu 1) unter Leitung eines Volljuristen entsprechend aufbereitet und in eine Datenbank übertragen. Im Rahmen einer gesonderten Nutzungsberechtigung ist es sodann externen Anwälten möglich, solche Vorgänge, bei denen eine Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages durch Widerspruch bzw. Rücktritt in Betracht kommt, konkret im Einzelfall zu prüfen. Das Ergebnis der Prüfung wird dann in der Regel zweimal wöchentlich in einem persönlichen Gespräch mit dem verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten zu 1) vor Ort, also in den Räumen der Beklagten zu 1), mitgeteilt. Sollten Erfolgsaussichten bestehen, wird dies dann dem jeweiligen Kunden durch die Beklagte zu 1) per E-Mail mitgeteilt. Die Beklagte überlässt ihren Kunden Musterformulare für Widerspruchsschreiben. Nach erklärtem Widerspruch werden die Forderungen von Verbrauchern zunächst von externen Anwälten geltend gemacht und nur in (vergleichsweise geringen) Fällen, in denen die Versicherungsgesellschaften dann nicht zahlen, dann durch die Beklagte im Wege des Inkassos eingetrieben.
Das Vergütungssystem der Beklagten zu 1) sieht nur bei Erklärung des Widerspruchs und Durchsetzung eines Mehrerlöses gegenüber dem Rückkaufswert eine Vergütung vor.
Die Beklagte zu 1) bewarb die von ihr angebotenen Leistungen auf ihrer Webseite bei Klageeinreichung wie folgt:
Am 08.05.2019 bewarb die Beklagte zu 1) ihr Angebot auf ihrer Homepage wie folgt:
Am 30.03.2017, 04.09.2017 und 26.06.2018 wurden über den Telefaxanschluss der Beklagten zu 1) die als Anlagen K 1, K 2 und K 3 vorgelegten Widerspruchsschreiben an die N. Lebensversicherung AG versandt. Die Widerspruchsschreiben wurden von den Versicherungsnehmern unterschrieben.
Bereits mit Schreiben vom 31.03.2015 hatte die Klägerin die Beklagte zu 1) wegen aus ihrer Sicht gegebener Verstöße gegen das RDG abgemahnt und u.a. zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert (vgl. Abmahnung Anlage K 4), woraufhin sich die Beklagte zu 1) am 10.04.2015 gegenüber der Klägerin verpflichtete (vgl. Anlage K 5),
1.es künftig zu unterlassen, Rechtsdienstleistungen in konkreten fremden Angelegenheiten bei Lebens- und Rentenversicherungen in Form der Erklärung von Widersprüchen nach § 5a VVG des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung (Versicherungsvertragsgesetz – VVG a.F.) zu erbringen, solange weder durch die zuständige Behörde noch durch ein rechtskräftiges Urteil ausdrücklich festgestellt wird, dass die Erlaubnis gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG i.V.m. § 2 Abs. 2 RDG auch die Erklärung von Widersprüchen der oben genannten Art umfasst.
2.unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung gegen vorstehende Unterlassungsverpflichtung an Schieder und Partner Rechtsanwälte eine angemessene Vertragsstrafe zu zahlen, deren Höhe in das billige Ermessen von Schieder und Partner Rechtsanwälte gestellt wird und im Streitfalle seitens der D. GmbH zur Überprüfung durch das zuständige Gericht gestellt werden kann.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte zu 1) werbe Aufträge über Rechtsdienstleistungen ein, die über das Forderungsinkasso hinausgingen. Ob die Ausübung des Widerspruchsrecht gegen einen bestehenden Lebensversicherungsvertrag die für den Versicherungsnehmer rechtlich und wirtschaftlich optimale Lösung sei, bedürfe eingehender Prüfung aller Umstände des Einzelfalls. Die Registrierung nach § 10 RDG berechtige die Beklagten nicht zu den Tätigkeiten, die diese entfalteten. Der Klägerin stehe daher nach § 3a UWG i.V.m. § 3 RDG, der die Erbringung von Rechtsdienstleistungen unter Erlaubnisvorbehalte stelle, ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten zu.
Weder der vertragliche noch der gesetzliche Unterlassungsanspruch seien verjährt. Zwischen dem Eingang des Widerspruchs des Versicherungsnehmers G. vom 26.06.2018 und der Anhängigkeit der Klage seien weniger als sechs Monate verstrichen. Außerdem begründeten der Internetauftritt der Beklagten, auch in seiner aktuellen Fassung, sowie die zahlreichen Widerspruchserklärungen, die die Beklagte zu 1) arbeitstäglich oder nahezu arbeitstäglich versende, ohne dass die Klägerin hiervon konkrete Kenntnis erlange, die Wiederholungs-, jedenfalls aber Begehungsgefahr täglich neu.
Zudem stünden der Klägerin wegen der drei Widerspruchsschreiben vom 30.03.2017, 04.09.2017 und 26.06.2018 Vertragsstrafenansprüche zu. Sie bemesse die Vertragsstrafe auf 3.000,00 € pro Verstoß.
Die Beklagte zu 1) ist der Auffassung, dass ein vertraglicher Unterlassungsanspruch nicht bestehe, weil der diesbezügliche Klageantrag weit über den Regelungsgehalt der Unterlassungserklärung hinausgehe. Da kein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung vorliege, schulde sie auch keine Vertragsstrafe. Ein Verstoß gegen § 3 RDG liege nicht vor, da das Handeln der Beklagten durch die vorliegende Registrierung nach § 10 RDG gedeckt sei.
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Vertragsstrafen durch Urteil vom 26.11.2019, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, abgewiesen und der Klage im Übrigen stattgegeben und wie folgt erkannt:
I. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere im Falle der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
Rechtsdienstleistungen, die sich nicht auf die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft beschränken, bezüglich bestimmter Lebens- und Rentenversicherungsverträge, nämlich im Zusammenhang mit der Erklärung von Widersprüchen nach § 5a VVG in der bis 31.12.2007 gültigen Fassung, zu erbringen, nämlich
– solche Verträge daraufhin zu überprüfen, ob ein Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat, auch, wenn dies durch Rechtsanwälte geschieht,
– Empfehlungen für die Situation des Versicherungsnehmers auszusprechen darüber, ob von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch gemacht werden soll,
– Besprechungen mit Versicherungsnehmern über das weitere Vorgehen durchzuführen,
– Formulare für die Erklärung von Widersprüchen bereitzustellen, und/oder
– Empfehlungen hinsichtlich der Formulierung von Widersprüchen auszusprechen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. [Kosten]
IV. [vorläufige Vollstreckbarkeit]
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung und die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung. In der Berufungsinstanz stützt die Klägerin den Unterlassungsanspruch auch auf § 3a UWG i.V.m. § 34d Abs. 2 GewO.
Die Beklagten beantragen,
Unter teilweiser Abänderung des am 26.11.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Geschäftszeichen 33 O 18393/18 wird die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Unter Abänderung des am 26.11.2019 verkündeten Endurteils des LG München I, 33 18393/18, wird die Beklagte zu 1) weiter verurteilt, an die Klägerin € 9.000,00 zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.12.2018.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2020 Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet. Die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 3 RDG, § 34d Abs. 2 GewO weitgehend zu. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht.
1. Wie vom Landgericht ausführlich und zutreffend dargelegt, besteht vorliegend kein vertraglicher Unterlassungsanspruch auf der Grundlage der Unterlassungsverpflichtung vom 31.03.2015. Die Unterlassungsverpflichtung umfasst lediglich die Erklärung von Widersprüchen nach § 5a VVG a. F. Da in den streitgegenständlichen Fällen die Widersprüche von den Versicherungsnehmern und nicht von der Beklagten zu 1) erklärt wurden, ergibt sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht aus Vertrag. In der Abmahnung vom 31.03.2015 (Anlage K 4), die bei der Auslegung der Unterlassungserklärung zu berücksichtigen ist, wird hinsichtlich der Verletzungshandlung ausdrücklich auf die Erklärung des Widerspruchs abgestellt. Auf die Ausführungen des Landgerichts auf S. 19, 20 des Urteils wird Bezug genommen.
2. Da die Unterlassungsverpflichtung nur die Erklärung des Widerspruchs durch die Beklagte zu 1) umfasst, ist durch die von den Versicherungsnehmern erklärten Widersprüche keine Vertragsstrafe verwirkt.
3. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aber weitgehend gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 3 RDG, § 34d Abs. 2 GewO begründet.
a) Wie vom Landgericht zutreffend angenommen, ist die Klägerin als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1) beraten Kunden in Versicherungsangelegenheiten.
b) Gemäß § 34d Abs. 2 Satz 1 GewO bedarf, wer gewerbsmäßig über Versicherungen oder Rückversicherungen beraten will (Versicherungsberater), der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer. Gemäß § 34d Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GewO ist Versicherungsberater, wer ohne von einem Versicherungsunternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein, den Aufraggeber bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall auch rechtlich berät.
Sowohl aus dem eigenen Vortrag der Beklagten als auch aus der Werbung der Beklagten zu 1) für ihr Angebot ergibt sich, dass die Beklagte zu 1) ihre Kunden bei der Prüfung von Versicherungsverträgen auch rechtlich berät. Die Beklagten führen selbst aus, dass sie die ihnen überlassenen Versicherungsunterlagen konkret im Einzelfall auf die rechtliche Möglichkeit und wirtschaftliche Sinnhaftigkeit eines Widerrufs unter Hinzuziehung von Rechtsanwälten prüfen und das Ergebnis der Prüfung dann gegenüber den Kunden kommunizieren. Dass die Beklagten sich intern der Hilfe von Rechtsanwälten bedienen, ist, da es nicht zu einer unmittelbaren Beziehung zwischen den Kunden und den Rechtsanwälten kommt (vgl. Grunewald/Römermann, BeckOK RDG, 15. Edition, Stand 01.10.2020), im Hinblick auf den Verstoß irrelevant.
c) Erfolg hat die Berufung der Beklagten lediglich im Hinblick auf das beantragte und ausgeurteilte Verbot, Formulare für die Erklärung von Widersprüchen bereitzustellen. Allein das Bereitstellen von Widerspruchsformularen stellt keine Rechtsdienstleistung im Einzelfall und auch keine Beratung in Versicherungsangelegenheiten dar.
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann das Verbot nicht deshalb nicht auf einen Verstoß gegen § 34d Abs. 2 GewO gestützt werden, weil die Klägerin vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz § 34d Abs. 2 GewO nicht erwähnt hat. Streitgegenständlich im vorliegenden Verfahren war bereits erstinstanzlich und ist nach wie vor die Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Erklärung von Widersprüchen nach § 5a VVG a.F. Aus welcher Rechtsnorm sich ein Erlaubnisvorbehalt ergibt, obliegt der Prüfung des Gerichts. Zudem wurde das Verbot von Anfang an auf einen Verstoß gegen § 3 RDG gestützt und die rechtliche Beratung im Zusammenhang mit der Prüfung von Versicherungsverträgen ohne Erlaubnis nach § 34d Abs. 2 Satz 1 GewO stellt einen Verstoß gegen § 3 RDG dar. Das Verbot wird auch nicht auf nach § 529 ZPO nicht zu berücksichtigende neue Tatsachen gestützt. Dass die Beklagten nicht über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 2 Satz 1 GewO verfügen, ist unstreitig und somit vom Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
e) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Verbot auch nicht dahingehend einzuschränken, dass es nur gilt, soweit die Beklagte zu 1) nicht über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 2 GewO verfügt. Den Beklagten ist es derzeit uneingeschränkt verboten, die streitgegenständlichen Versicherungsberatungsleistungen zu erbringen. Soweit sie tatsächlich eine entsprechende Erlaubnis beantragen und erhalten sollten, steht es ihren frei, im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO gegen den Titel vorzugehen. Tatsächlich können die Beklagten das von ihnen betriebene Geschäftsmodell auch mit einer Erlaubnis nach § 34d Abs. 2 GewO nicht weiterbetreiben, da Versicherungsberater dem Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.2019, Az. I ZR 67/18, juris – Erfolgshonorar für Versicherungsberater).
f) Auch unabhängig von der Erlaubnispflicht für die streitgegenständlichen Tätigkeiten der Beklagten nach § 34d Abs. 2 GewO können die Beklagten sich hinsichtlich der Zulässigkeit der Erbringung der Rechtsdienstleistungen nicht auf die Registrierung für Inkassodienstleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG berufen. Inkassodienstleistung ist gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 RDG die Einziehung fremder oder zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Vorliegend betreiben die Beklagten die streitgegenständliche Beratung hinsichtlich des Widerrufs von Versicherungsverträgen jedoch völlig losgelöst von einer etwaigen Inkassotätigkeit, für die eine Registrierung besteht. Wie sich aus der Werbung der Beklagten zu 1) ergibt, ist die Tätigkeit und das Honorar der Beklagten zu 1) im Hinblick auf die streitgegenständliche Tätigkeit völlig unabhängig davon, ob sie nach Ausübung des Widerrufs die Forderung einzieht, was – wie sie selber vorträgt (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 20.10.2019, Bl. 55 d.A.) – nur in einer vergleichsweise geringen Anzahl der Fälle geschieht. Die Registrierung für Inkassodienstleistungen stellt somit keine Befugnis gemäß § 3 RDG für die von der Inkassotätigkeit unabhängige Erbringung der hier streitgegenständlichen Rechtsdienstleistungen dar.
g) Auch wenn im Hinblick auf die Versicherungsnehmer We. und M. die Verletzungshandlungen verjährt sein sollten, führt dies nicht zu einer Teilabweisung der Berufung und Klage, da die Verletzungshandlungen im Zusammenhang mit dem Kunden G. in nicht verjährter Zeit kerngleiche Verstöße darstellen und die Klage somit im dargestellten Umfang schon allein im Hinblick auf die Verletzungshandlungen im Zusammenhang mit dem Kunden G. begründet ist.
4. Wie von Landgericht zutreffend ausgeführt besteht der Unterlassungsanspruch nicht nur gegen die Beklagte zu 1), sondern auch gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) als deren Geschäftsführer, da, wie sich auch aus dem Vortrag der Beklagten ergibt, das hier in Streit stehende Geschäftsmodell der Beklagten gerade auf Verstöße gegen des RDG angelegt ist (vgl. BGH GRUR 2014, 883 Rn. 31 – Geschäftsführerhaftung).
III.
Zu den Nebenentscheidungen:
1. Die Entscheidungen über die Kosten beruhen auf § 92 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.


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