IT- und Medienrecht

Berufung, Zeichen, Betriebsgefahr, Haftungsquote, PKW, Zeuge, Fahrer, Gefahr, Verbot, Anlage, Einspruch, Verwendung, Gegenverkehr, Sicherung, Aussicht auf Erfolg, Fortbildung des Rechts, keine Aussicht auf Erfolg

Aktenzeichen  24 U 111/21

Datum:
26.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10859
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVO Zeichen 266 Anlage 2 zu § 41, § 39 Abs. 7
StVG § 17 Abs. 2, 3

 

Leitsatz

1. Zeichen 266 der StVO (Streckenverbot für Fahrzeuge, die eine bestimmte tatsächliche Länge überschreiten) gilt nicht nur für LKWs, sondern auch für Omnibusse.
2. Haftungsverteilung bei einem durch Missachtung des Zeichens 266 verursachten Streifzusammenstoß bei Reaktionsverzögerung und Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot durch den Unfallgegner.

Verfahrensgang

21 O 1794/19 2020-12-03 Urt LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 03.12.2020, Az. 21 O 1794/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Haftung des durch einen Streifzusammenstoß zwischen dem Omnibus der Klägerin und einem vom Beklagten zu 1) geführten, bei der Beklagten zu 2) versicherten PKW entstandenen Sachschadens.
Der Zeuge T. befuhr am 03.07.2019 gegen 16:30 Uhr mit dem 12,99 m langen klägerischen Omnibus die B12 bergauf in Richtung S., die durch das Zeichen 266 der StVO für Fahrzeuge mit einer tatsächlichen Länge von mehr als 12 m gesperrt ist. In einer Spitzkehre im Bereich R. kam es – obwohl der Zeuge T. als Busfahrer äußerst rechts fuhr – aufgrund der Länge des Busses zu einer Mittenüberfahrung von 1,3 bis 1,4 m. Der mit seinem PKW bergab fahrende Beklagte zu 1) bemerkte dies erst mit einer Verzögerung von etwa 2,6 Sekunden, so dass es zu einer Streifkollision kam.
Mit der Klage hat die Klägerin in 1. Instanz ihren Sachschaden von 7.094,82 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Das Landgericht Kempten hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen K. vom 21.04.2020, Anhörung des Beklagten zu 1) und Vernehmung der Zeugen T. und S. der Klage nur in Höhe von 40% stattgegeben, da der Verursachungsbeitrag der Klägerin durch den Verstoß gegen das Zeichen 266, § 41 StVO denjenigen des Beklagten zu 1), der gegen § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 StVO verstoßen habe, überwiege.
Die Klägerin beanstandet dieses Urteil und fordert mit der Berufung eine Haftungsquote von 80% zu ihren Gunsten. Das von Zeichen 266 ausgesprochene Streckenverbot gelte – wie sich aus der Verwendung des Sinnbilds eines LKWs wie bei Zeichen 253 ergebe – nur für LKWs, nicht aber für Kraftomnibusse. Die Klägerin müsse sich nur die Betriebsgefahr mit 20% anrechnen lassen.
II.
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
1. Das Landgericht hat Zeichen 266 zutreffend dahin ausgelegt, dass das Verbot für alle Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen gilt, die die auf dem Zeichen angegebene tatsächliche Länge – hier von 12 m – überschreiten.
a) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Anlage 2 zu § 41 StVO. Die Vorbemerkung (lfd. Nrn 36 bis 40) besagt, dass die Zeichen 262 bis 266 die Verkehrsteilnahme für Fahrzeuge verbieten, „deren Maße oder Massen, einschließlich Ladung, ein auf dem jeweiligen Zeichen angegebene tatsächliche Grenze überschreiten“. Zeichen 266 (lfd. Nr. 40) stellt nicht auf die Masse, sondern auf die „tatsächliche Länge“ ab. Die Erläuterung ergänzt, dass das Verbot „bei Fahrzeugkombinationen für die Gesamtlänge“ gilt.
b) Aus der Verwendung des Symbols eines LKWs in Zeichen 266 ergibt sich nichts anderes. Zwar wird in § 39 Abs. 7 StVO das LKW-Symbol als „Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t, einschließlich ihrer Anhänger, und Zugmaschinen, ausgenommen Personenkraftwagen und Kraftomnibusse“ definiert. Das aber gilt nur, wenn „Sinnbilder auf anderen Verkehrszeichen als den in den Anlagen 1 bis 3 zu den §§ 40 bis 42 dargestellten gezeigt“ werden, also ausdrücklich nicht für das Verständnis von Zeichen 266.
c) Weder der Wortlaut noch die systematische Stellung in der Anlage 2 sprechen dafür, dass Zeichen 266 – wie die Klägerin meint – ein Unterfall von Zeichen 253 (Verbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t) ist, von dem ausdrücklich „Personenkraftwagen und Kraftomnibusse“ ausgenommen sind. Während Zeichen 253 auf die „zulässige Gesamtmasse“ abstellt, ist bei Zeichen 266 die tatsächliche Länge maßgeblich, während weder die zulässige noch die tatsächliche Masse (vgl. Zeichen 262) eine Rolle spielen.
d) Die von der Klägerin bemühte historische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wurden durch die Elfte Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vom 19.03.1992 (BGBl. I S. 678) in § 41 Abs. 2 Nr. 6 „Personenkraftwagen und Kraftomnibusse“ vom Geltungsbereich von Zeichen 253 ausgenommen. Zeichen 266 behielt jedoch – wie schon seit Inkrafttreten der StVO 1970 – die Beschreibung: „Verbot für Fahrzeuge, deren […] Länge eine bestimmte Grenze überschreitet.“ Zeichen 266 stand damals in einem Satz mit den Zeichen 262 bis 265, die ebenfalls nicht auf die Qualität des Fahrzeugs als LKW abstellen, was bei Zeichen 264 („Breite“, heute „tatsächliche Breite“) und 265 („Höhe“, heute „tatsächliche Höhe“) offensichtlich ist.
e) Zeichen 266 gibt der Straßenverkehrsbehörde die Möglichkeit, ein Streckenverbot für Fahrzeuge auszusprechen, die die angegebene maximale Länge überschreiten. Dies dient dazu, der im vorliegenden Fall eingetretenen Gefahr vorzubeugen, dass überlange Fahrzeuge in engen Kurven zwangsläufig auf die Gegenfahrbahn geraten und dadurch eine Gefahr für den Gegenverkehr darstellen. Diese Gefahr besteht allein durch die Länge des Fahrzeugs oder Gespanns, weshalb ein Abstellen auf dessen (zulässige oder tatsächliche) Masse keinen Sinn ergäbe. Zeichen 266 gilt daher – wie sich aus dem Wortlaut ergibt – gleichermaßen für LKWs wie für Kraftomnibusse und – wie durch den Hinweis auf „Fahrzeugkombinationen“ klargestellt wird – für PKWs, die mit einem Anhänger zusammen die vorgeschriebene Länge überschreiten.
2. Die Abwägung der Verursachungsanteile nach § 17 Abs. 2, 3 StVG hat das Landgericht ebenfalls zutreffend vorgenommen.
a) Zu Lasten der Klägerin ist der Verstoß des Fahrers gegen § 41 Abs. 2 StVO i. V. m. Zeichen 266 der Anlage 2 zu werten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob ein Kraftomnibus, der um 1 m kürzer gewesen wäre und damit unter der Beschränkung der tatsächlichen Länge auf 12 m geblieben wäre, ebenfalls die Spitzkehre nur unter Überschreitung der Mittellinie hätte durchfahren können. Zum einen wäre die Mittenüberfahrung jedenfalls geringer ausgefallen. Maßgeblich ist aber, dass der Fahrer des klägerischen Busses die Strecke gar nicht hätte befahren dürfen, sondern die ausgeschilderte, von ihm wahrgenommene Umleitungsstrecke hätte benutzen müssen. Bei Beachtung des Zeichens 266 wäre der Unfall daher nicht geschehen.
Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Verbotsirrtum führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn der Zeuge T. aufgrund des LKW-Symbols irrig angenommen hat, das Zeichen gelte nicht für Kraftomnibusse, handelt es sich angesichts des im Zivilrecht maßgeblichen objektiven Sorgfaltsmaßstabs jedenfalls um einen fahrlässigen Verkehrsverstoß. Auch konkret kann man vom Fahrer eines fast 13 m langen Omnibusses und damit Inhaber eines entsprechenden Führerscheins und einer Erlaubnis zur Personenbeförderung die Kenntnis der für derartige Fahrzeuge gültigen Verkehrsregeln erwarten. Aus der vom Landgericht beigezogenen Bußgeldakte OWi 140 Js 19080/19 des AG Lindau geht hervor, dass der Zeuge T. seinen Einspruch gegen den gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheid zurückgenommen hat.
b) Zutreffend hat das Landgericht dem Beklagten zu 1) Verstöße gegen § 1 Abs. 2 StVO wegen einer Reaktionsverzögerung von ca. 2,5 Sekunden sowie gegen § 2 Abs. 2 StVO wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot angelastet, das auch gilt, wenn man innerhalb der Fahrbahn bleibt, aber nicht äußerst rechts fährt. Auch hierbei handelt es sich um fahrlässige Verstöße.
c) Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des OLG Celle betreffen dagegen jeweils Fälle, in denen dem Fahrer des überbreiten Fahrzeugs kein Verkehrsverstoß vorzuwerfen ist. Das OLG Celle hat in beiden Fällen beim Fahrer des überbreiten landwirtschaftlichen Gespanns keinen Verkehrsverstoß festgestellt (OLG Celle, Urteil vom 04. 03. 2020 – 14 U 182/19 -, Rn. 25, juris, Urteil vom 11. 11. 2020 – 14 U 71/20 -, Rn. 25, juris), so dass nur die erhöhte Betriebsgefahr gegen die Verschuldenshaftung des jeweiligen Unfallgegners abzuwägen war.
d) Im vorliegenden Fall liegen dagegen bei beiden Unfallbeteiligten jeweils fahrlässige Verstöße gegen die StVO vor, die in etwa gleich schwer wiegen mögen. Da die Klägerin durch die große Länge des Omnibusses, die sich beim Unfall kausal ausgewirkt hat, eine weit höhere Betriebsgefahr trifft, ist die Haftungsverteilung von 60% zu 40% zum Nachteil der Klägerin angemessen.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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